Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Auskunftsanspruch nach § 117 SGB 12. Ehegatte des Unterhaltspflichtigen

 

Orientierungssatz

1. § 117 SGB 12 begründet eine dem Auskunftsanspruch des Trägers der Sozialhilfe gegenüberstehende eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung. Nur soweit sich die Vorschrift an den Unterhaltspflichtigen wendet, konkurriert sie mit dem zivilrechtlichen Auskunftsanspruch.

2. Dass die Durchsetzung eines nach § 94 SGB 12 übergegangenen Unterhaltsanspruches nur auf dem Zivilrechtsweg erfolgen kann, hat auf die Zulässigkeit der Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs des § 117 SGB 12 keinen Einfluss.

3. Unter Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 117 Abs 5 SGB 12 kann die Auskunft nicht generell verweigert werden.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 8. Mai 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der erste Absatz des Tenors wie folgt neu gefasst wird: Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 10. März 2006 gegen den Bescheid vom 22. Februar 2006 wird abgelehnt.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen ein Auskunftsersuchen der Antragsgegnerin nach § 117 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Die Antragstellerin ist die Ehefrau von Herrn L. M. Dessen Mutter, Frau S. M., bezieht seit dem Jahre 2005 von der Antragsgegnerin die von der Pflegekasse nicht abgedeckten Heimpflegekosten in Höhe von monatlich 1.574,77 EUR. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. Dezember 2005 forderte die Antragsgegnerin Herrn L. M. auf, nach § 117 SGB XII Auskunft über sein Einkommen und Vermögen zur Überprüfung des Unterhaltsanspruchs seiner Mutter zu erteilen. Herr M. kam seiner Auskunftspflicht nach. Zur weiteren Überprüfung der Unterhaltspflicht des Herrn M. gegenüber seiner Mutter forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 22. Februar 2006 auf, Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen zu geben, Einkommensteuererklärungen und -bescheide der letzten drei Jahre sowie Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen innerhalb eines Monats vorzulegen. Außerdem ordnete die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die sofortige Vollziehung dieses Auskunftsverlangens an. Zur Begründung des Sofortvollzuges führte die Antragsgegnerin aus, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Auskunftsverlangens überwiege das Interesse der Antragstellerin an einem Verschweigen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse bis zu einer Hauptsacheentscheidung. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass Sozialhilfeleistungen an ihre Schwiegermutter aus Mitteln der Allgemeinheit finanziert würden, Sozialhilfeträger zur sparsamen Haushaltsführung und zum sparsamen Umgang mit öffentlichen Mitteln verpflichtet seien und dieser Verpflichtung nicht nachkommen könnten, wenn eine Klärung zu zahlender Unterhaltsbeiträge aufgrund der langen Dauer gerichtlicher Verfahren erst nach Jahren erfolgen könne und hierbei die Gefahr bestehe, dass Unterhaltsansprüche verjähren oder verwirken. Gegen den Bescheid vom 22. Februar 2006 erhob die Antragstellerin Widerspruch, über den die Antragsgegnerin bisher nicht entschieden hat. In Ergänzung des Bescheides vom 22. Februar 2006 stützte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22. März 2006 die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 22. Februar 2006 nunmehr auf § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Am 27. März 2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Kassel die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen das Auskunftsersuchen der Antragsgegnerin beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Antragsgegnerin könne ihren Anspruch nicht auf § 117 SGB XII, dessen Voraussetzungen im Übrigen nicht vorlägen, stützen. Der Sozialhilfeträger könne seinen Auskunftsanspruch allein vor den Zivilgerichten im Wege der Stufenklage geltend machen. Die Schwiegertochter sei der Schwiegermutter gegenüber nach zivilrechtlichen Grundsätzen nicht auskunftspflichtig. Bei übergeleiteten Unterhaltsansprüchen nach § 94 SGB XII sei die Anwendung des § 117 SGB XII ausgeschlossen. Auch habe der Sofortvollzug nicht angeordnet werden dürfen, da ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides nicht ersichtlich sei.

Die Antragsgegnerin ist dem Begehren der Antragstellerin entgegengetreten. Das auf § 117 SGB XII gestützte Auskunftsverlangen sei rechtmäßig. Nach § 117 Abs. 1 SGB XII sei nicht nur der Unterhaltspflichtige selbst, sondern auch der nicht getrennt lebende Ehegatte und damit die Antragstellerin zur Auskunft verpflichtet. Der öffentlich-rechtliche Auskunftsanspruch bestehe neben dem zivilrechtlichen nach § 94 SGB XII übergangenen Auskunfts- und Unterhaltsanspruch. Die Auskunft sei zur Durchführung des SGB XII auch erforderlich, denn der Forderungsüb...

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