Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. betriebliche Tätigkeit. starkes Hungergefühl. keine Essenseinnahmemöglichkeit während der Arbeitspause. Unterbrechung des unmittelbaren Weges. Einkauf von Nahrungsmitteln. Abgrenzung: versicherter Weg zur Nahrungsaufnahme bzw zum Essenseinkauf während einer Arbeitspause. Verfassungsmäßigkeit. Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Heimfahrt

 

Orientierungssatz

1. Eine Arbeitnehmerin, die in ihrer Arbeitspause witterungsbedingt kein Essen besorgen konnte und deshalb wegen des starken Hungergefühls ihre Heimfahrt zwecks Einkaufs einer Mahlzeit unterbricht und auf dem Rückweg zu ihrem vor dem Geschäft geparkten Pkw auf dem Bürgersteig verunglückt, steht nicht bzw noch nicht wieder unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

2. Der Umstand, dass auf dem Weg zum oder vom Essen während einer Arbeitspause oder zwecks Besorgen von Lebensmitteln zum Verzehr während einer solchen Pause Versicherungsschutz besteht, führt zu keiner anderen Beurteilung.

 

Normenkette

SGB VII § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 11. April 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

Die 1957 geborene Klägerin ist im Empfangsbereich der Firma C. GmbH in A-Stadt beschäftigt. Am 1. Dezember 2010 beendete sie um 16.40 Uhr ihre Arbeit und verließ ca. 10 Minuten später den Parkplatz der Firma. Für ihren Heimweg wählte sie an diesem Tag eine ca. 600 bis 700 Meter längere Route, weil sie auf dem üblichen Heimweg wegen Schneeglätte mit Stau und anderen erheblichen Verkehrsbehinderungen rechnete. Wegen der winterlichen Witterungsverhältnisse hatte sie in der Mittagspause darauf verzichtet, ein Mittagessen einzukaufen und zu sich zu nehmen. Sie trat ihre Heimfahrt deshalb mit einem deutlichen Hungergefühl an. Als sie auf ihrem Nachhauseweg eine Metzgerei sah, gab sie ihrem Hungergefühl nach und hielt ihr Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand an. Sie verließ ihr Fahrzeug, betrat die wenige Schritte entfernt gelegene Metzgereifiliale, kaufte dort eine Mahlzeit ein und begab sich danach wieder zu ihrem Fahrzeug, wo sie - auf dem Bürgersteig stehend - die Beifahrertür öffnete und die eingekauften Nahrungsmittel auf dem Beifahrersitz abstellte und die Tür sodann wieder verschloss. Die Klägerin wollte nunmehr um das Heck ihres Fahrzeuges herum zur Fahrertür gehen und mit ihrem Fahrzeug geradeaus weiter nach Hause fahren. Ungefähr in Höhe des rechten hinteren Kotflügels stürzte sie auf dem glatten Bürgersteig und fiel mit ihrer rechten Seite auf die Bordsteinkante, wobei sie sich einen Bruch der rechten Hand und des rechten Oberschenkels sowie Prellungen zuzog. Mit Unfallanzeige vom 31. Januar 2011 meldete die Arbeitgeberin das Unfallereignis der Beklagten.

Durch Bescheid vom 24. Februar 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe keinen Anspruch auf Leistungen der Berufsgenossenschaft, weil ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Sie habe ihren Heimweg für eigenwirtschaftliche Zwecke unterbrochen. Dadurch sei eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes eingetreten und zwar solange, bis die Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin wieder aufgenommen werde. Zum Zeitpunkt des Sturzes habe sie sich deshalb nicht auf dem versicherten Heimweg befunden. Mit ihrem Widerspruch verwies die Klägerin nochmals darauf, dass sie ihren Heimweg unterbrochen habe, um notwendige Nahrung einzukaufen, auf die sie wegen der widrigen Witterungsverhältnisse in der Mittagspause habe verzichten müssen. Im Übrigen sei die Beschaffung der notwendigen Lebensmittel zum Unfallzeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 16. August 2011 zurück. In der Begründung verwies die Beklagte nochmals auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Dezember 2003 und führte ergänzend aus, der Einkauf von Nahrungsmitteln nach Arbeitsende sei in der Regel der Privatsphäre des Einzelnen zuzurechnen und falle nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Ausnahme liege nur dann vor, wenn eine ausreichende Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit aus betrieblichen Gründen nicht möglich gewesen sei. Das sei hier nicht der Fall.

Die Klägerin hat hiergegen am 19. September 2011 beim Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 11. April 2014 abgewiesen.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 30. April 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Mai 2014 beim Sozialgericht Berufung eingelegt (Weiterleitung an das Hessische Landessozialgericht; Eingang dort am 4. Juni 2014) und ergänzend geltend gemacht, zur Z...

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