Entscheidungsstichwort (Thema)

Familienangehöriger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Familienangehöriger. Kernfamilie. Leistungsberechtigter. Onkel. Verwandter. Sozialhilferechts einschließlich Leistungen nach dem AsylbLG

 

Leitsatz (amtlich)

Unter „Familienangehörigen” i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind nicht nur die Mitglieder der „Kernfamilie” (Ehegatten, Eltern und minderjährige Kinder) zu verstehen, sondern auch die Verwandten des Leistungsberechtigten Onkel und Tante.

 

Normenkette

AsylbLG §§ 1, 1a, 7; BSHG § 16

 

Verfahrensgang

VG Frankfurt am Main (Gerichtsbescheid vom 24.06.2002; Aktenzeichen 7 E 3635/01 (2))

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2002 – 7 E 3635/01 (2) – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten des Beklagten abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG; hier: § 7 Abs. 1 Satz 1). Einen entsprechenden Antrag des Onkels und Vormunds des Klägers vom 14. März 2001 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. März 2001 mit der Begründung ab, bei Gegenüberstellung des Gesamtbedarfs des Klägers mit den Einkünften des Onkels im Sinne von § 76 BSHG ergebe sich ein den laufenden Bedarf übersteigendes Einkommen in Höhe von 64,68 DM. Besonderes Wohngeld sei nicht zu gewähren, da die Familie A. bereits von der Wohngeldstelle allgemeines Wohngeld beziehe. Den dagegen unter dem 27. Mai 2001 eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Darmstadt mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2001 zurück. Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger könne nicht als separate Person ohne Einnahmen angesehen werden. Da er gemeinsam mit der Familie des Onkels in einer Wohnung lebe, müsse von einer Haushalts- bzw. Wirtschaftsgemeinschaft ausgegangen werden. Zu verweisen sei auf § 16 BSHG. Es sei nach einem normalen Erwartungshorizont davon auszugehen, dass der Onkel das Mündel nicht ohne Unterhalt belasse, was wiederum die Gewährung von Sozialhilfeleistungen ausschließe.

Der Kläger hat am 5. September 2001 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Der Onkel sei ihm gegenüber nicht zum Unterhalt verpflichtet, da er ihn nicht adoptiert habe. Es sei nicht einzusehen, dass derjenige, der sich schon bereit erklärt habe, die Pflege für ein Kind zu übernehmen, dafür auch noch die Kosten tragen müsse. Das Einkommen des Onkels und Vormunds sei deshalb nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 26. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 21. August 2001 zu verpflichten, dem Kläger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 21. August 2001.

Mit Gerichtsbescheid vom 24. Juni 2002, dem Beklagten zugestellt am 19. Juli 2002, hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dem Leistungsanspruch des Klägers nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG stehe § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nicht entgegen, denn unter dem Begriff „Familienangehöriger” fielen nicht die Tante und der Onkel des Klägers. Familienangehörige seien lediglich die Ehegatten, die Eltern und die Kinder. Weder das AsylbLG noch das BSHG definierten den Begriff des Familienangehörigen. Doch werde in § 1a AsylbLG der persönliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift mit der Formulierung „Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 und ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6” näher bestimmt. Der Umstand, dass in § 7 AsylbLG der Begriff des Familienangehörigen verwendet worden sei, nicht aber der Begriff des Verwandten wie in § 16 BSHG, spreche dafür, dass hier nur die Angehörigen der Kernfamilie (ausschließlich Ehegatte, Eltern und Kinder) zu verstehen seien. Gegen eine weite Auslegung des § 7 Abs. 1 AsylbLG spreche auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG, dass das verfügbare Einkommen (der Familienangehörigen) beinahe ausnahmslos vor der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen sei. Wenn der Gesetzgeber tatsächlich unter Familienangehörigen alle Verwandten und Verschwägerten hätte verstanden wissen wollen, so hätte er dies durch eine geeignete eindeutige Formulierung sicherstellen können, und zwar bei der zum 1. September 1998 in Kraft getretenen Neufassung des § 7 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. Der Gesetzgeber habe es dabei unterlassen, eine dem § 16 BSHG entsprechende Regelung für das AsylbLG zu schaffen. Die Regelung...

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