Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistungsrecht. Einkommens- und Vermögenseinsatz. Onkel, Tante und deren Kinder. keine Familienangehörigen iS des § 7 Abs 1 AsylbLG

 

Orientierungssatz

1. Onkel und Tante eines Leistungsberechtigen sowie deren Kinder sind keine Familienangehörigen iS des § 7 Abs 1 S 1 AsylbLG.

2. Der Begriff des Familienangehörigen iS des § 7 Abs 1 S 1 AsylbLG ist nicht mit dem des Angehörigen in § 11 Abs 1 Nr 1 StGB gleichzusetzen.

3. Das Tatbestandsmerkmal der Familienangehörigkeit iS des § 7 Abs 1 AsylbLG setzt entweder eine Ehe (oder eine eheähnliche Lebenspartnerschaft), eine Verwandtschaft in gerade Linie iS des § 1589 S 1 BGB bzw eine entsprechende Schwägerschaft (§ 1590 BGB) oder aber ein entsprechendes tatsächliches Verhältnis (sog Stiefelternfälle) voraus.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2009 verurteilt, den Klägerinnen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ohne Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eheleute Mu. und Ma. sowie deren Kindern zu zahlen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Streitig ist, ob die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des (Groß-) Onkels Berücksichtigung finden dürfen.

Die am 00.00.00 geborene Klägerin zu 1. und ihre am 00.00.00 geborene Tochter, die Klägerin zu 2., fallen - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - grundsätzlich in den Anwendungsbereich des AsylbLG. Die Klägerin zu 1. lebt seit dem 00.00.00 im Haushalt der Eheleute Frau M und Herr M (ihrer leiblichen Tante und ihres angeheirateten Onkels) und hat am 00.00.00 ihre Tochter geboren. Außerdem leben in dem Haushalt die sechs Kinder der Eheleute M und M

Den am 00.00.00 gestellten Antrag auf Leistungen nach dem AsylbLG lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 00.00.00 unter Hinweis auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der übrigen Haushaltsangehörigen ab.

Ihren am 00.00.00 erhobenen Widerspruch begründeten die Klägerinnen - vertreten durch den Onkel der Klägerin zu 1. und damaligen Vormund - damit, das Einkommen von Verwandten und Verschwägerten außerhalb der "Kernfamilie" müsse bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit außer Betracht bleiben. Der Vormund habe die Klägerin zu 1. nur deswegen in seinen Haushalt aufgenommen, weil sonst eine Heimunterbringung gedroht habe. Im Übrigen sei auch nicht einzusehen, wieso die aufnehmenden Verwandten auf diese Weise wirtschaftlich auf einen am Niveau der Grundsicherung für Arbeitsuchende orientierten Lebensstandard verwiesen würden.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 00.00.00 zurück. Zur Begründung führte er unter Hinweis auf das Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.03.2004, 12 A 3543/01, sowie auf die Durchführungshinweise der Bezirksregierung Köln aus, Familienangehörige i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG seien alle "Mitglieder der Großfamilie".

Hiergegen richtet sich die am 00.00.00 erhobene Klage.

Die Klägerinnen beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 00.00.00 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 00.00.00 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ohne Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eheleute M und M sowie deren Kindern zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten bleiben bei ihrer Auffassung und haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und der Beigeladenen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerinnen sind durch die angegriffenen Entscheidungen beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn sie haben Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG ungeachtet der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der übrigen (derzeitigen) Haushaltsangehörigen.

Dass die Klägerinnen dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG haben, ist nicht streitig. Der Leistungsanspruch ist auch nicht angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der übrigen Haushaltsangehörigen auf Null reduziert, denn deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen.

Die übrigen Haushaltsangehörigen sind keine Familienangehörigen der Klägerin...

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