[1] Bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird nach § 5 Abs. 5 Satz 2 SGB V vermutet, dass sie hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft. Mit dieser durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz) vom 16.7.2015 (BGBl I S. 1211) zum 23.7.2015 eingeführten Regelung ist eine rechtlich stabile Grundlage für eine Berücksichtigung der Arbeitgebereigenschaft bei der Feststellung einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit geschaffen worden. Damit wird die frühere Verfahrenspraxis der Krankenkassen zur Annahme von Hauptberuflichkeit bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern auf eine rechtliche Grundlage gestellt und gleichzeitig der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere dem Urteil des BSG vom 29.2.2012, B 12 KR 4/10 R, USK 2012-23, das die entsprechende Verfahrenspraxis der Krankenkassen wegen fehlender gesetzlicher Legitimation für unzulässig erklärte, der Boden entzogen.

[2] Die regelmäßige Beschäftigung von Arbeitnehmern in mehr als geringfügigem Umfang (§ 8 SGB IV) im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit stellt mithin für sich allein betrachtet zunächst ein entscheidendes Merkmal für eine hauptberuflich ausgeübte selbstständige Tätigkeit dar, ohne dass die wirtschaftliche Bedeutung und der zeitliche Umfang der selbstständigen Tätigkeit regelmäßig näher zu prüfen sind. Bei selbstständig Tätigen, die mindestens einen Arbeitnehmer regelmäßig mehr als geringfügig beschäftigen, kann daher im Wege der gesetzlichen Vermutung generalisierend angenommen werden, dass sie aufgrund ihrer tatsächlichen oder potentiellen Arbeitgebereigenschaft – unabhängig vom Umfang des persönlichen Arbeitseinsatzes – hauptberuflich erwerbstätig sind. Werden mehrere Arbeitnehmer geringfügig beschäftigt, deren Arbeitsentgelte bei Zusammenrechnung die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschreiten, ist Hauptberuflichkeit ebenfalls zu vermuten. Als regelmäßig sind solche Beschäftigungen anzusehen, die grundsätzlich auf Dauer angelegt sind, also nicht nur gelegentlich ausgeübt werden oder nur von kurzer Zeitdauer sind.

[3] Die Vermutung kann jedoch widerlegt werden, indem der Selbstständige nachweist, dass trotz der Arbeitgeberstellung die selbstständige Tätigkeit seiner Lebensführung von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem zeitlichen Aufwand her nicht das Gepräge gibt und somit nicht hauptberuflich ausgeübt wird. Die Abgrenzung einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit von einer nicht hauptberuflich ausgeübten selbstständigen Tätigkeit ist dann nach den unter Nummer 3 aufgeführten Grundsätzen vorzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der mit der einem Arbeitgeber üblicherweise obliegenden Leitungsfunktion notwendig verbundene Zeitaufwand dem Selbständigen ebenso zuzurechnen ist wie das wirtschaftliche Ergebnis der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer.

[4] Die Vermutungsregelung ist nicht nur auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern durch Selbstständige als natürliche Personen (Einzelunternehmer) beschränkt. Für Selbstständige, die ihre selbstständige Tätigkeit als Gesellschafter einer Gesellschaft ausüben, wird eine Arbeitgebereigenschaft auch dann angenommen, wenn der oder die Arbeitnehmer von der Gesellschaft, beispielsweise einer GmbH, mehr als geringfügig beschäftigt wird bzw. werden. Verfügt die Gesellschaft über mehrere Gesellschafter, kann ein von der Gesellschaft beschäftigter Arbeitnehmer dem einzelnen Gesellschafter jedoch nur dann als Arbeitnehmer zugerechnet werden, wenn sich bei einer Aufteilung des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers gemäß der Kapitalbeteiligung der Gesellschafter auf die einzelnen Gesellschafter ergibt, dass der selbstständig Tätige (als einer der Gesellschafter der Gesellschaft) den Arbeitnehmer in einem Umfang "beschäftigt", der die Grenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschreitet. Entsprechendes gilt, wenn die Gesellschaft mehrere Arbeitnehmer beschäftigt. Die anteilige Zurechnung eines Arbeitnehmers oder mehrerer Arbeitnehmer in Form der Aufteilung des Arbeitsentgelts oder der Arbeitsentgelte auf mehrere Gesellschafter entsprechend der jeweiligen Kapitalbeteiligung an der Gesellschaft (und nicht nach der Anzahl der Gesellschafter) ist der Rechtsprechung des BSG zur Rentenversicherungspflicht selbstständiger Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, entnommen (vgl. BSG, Urteil vom 29.8.2012, B 12 R 7/10 R).

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