Verfahrensgang

SG Augsburg (Urteil vom 29.08.1977)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. August 1977 aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 28. September 1976, 26. Oktober 1976, 8. Dezember 1976 und 22. Dezember 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 1977 werden insoweit aufgehoben, als eine Umlage für das Konkursausfallgeld auferlegt worden ist.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob für ein in Konkurs gefallenes Unternehmen, dessen Betrieb vom Konkursverwalter für Rechnung der Konkursmasse weitergeführt wird, Umlagepflicht zur Aufbringung der Mittel für das Konkursausfallgeld (Kaug) besteht.

Am 1. März 1976 wurde durch Bescheid des Amtsgerichts Augsburg über das Vermögen der Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei A. Augsburg. AG (SWA) das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Der Kläger führte als Konkursverwalter das Unternehmen für Rechnung der Konkursmasse weiter, um die rd 1000 Arbeitsplätze zu sichern und bessere Voraussetzungen zur Überleitung des Unternehmens zu schaffen. Die durch die Weiterführung des Betriebes anfallenden Beiträge macht die Beklagte als Masseschulden gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 der Konkursordnung (KO) geltend. Im Einverständnis mit dem Kläger rechnet die Beklagte nach § 32 ihrer Satzung diese Beiträge monatlich ab. Mit Bescheiden vom 28. September 1976 (für August 1976), 26. Oktober 1976 (für September 1976), 8. Dezember 1976 (für Oktober 1976) und 22. Dezember 1976 (für November 1976) forderte die Beklagte neben Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung und zur Ausgleichslast (Art. 3 Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz –UVNG–) auch Beiträge zum Kaug. Die Bescheide waren jeweils an die SWA gerichtet. Gegen die einzelnen Bescheide erhob die „Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg i. K,” am 25. Oktober 1976, 17. November 1976, 23. Dezember 1976 und 17. Januar 1977 „im Auftrag und in Vollmacht unseres Konkursverwalters” Widerspruch, soweit Beiträge zum Kaug verlangt wurden. Frühere Bescheide, mit denen die Beklagte teils nur Beiträge zum Kaug, teils Gesamtbeiträge gefordert hatte, waren nicht angegriffen worden. Die Widersprüche, mit denen geltend gemacht wurde, daß bereits in Konkurs gefallene Unternehmen nicht mehr umlagepflichtig seien, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 1977 zurück, der an die „Firma Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg i. K.” gerichtet und zugestellt wurde. Mit der beim Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage beantragte der Kläger, die Beitragsbescheide der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben, soweit eine Umlage für das Kaug auferlegt wurde. Durch Urteil vom 29. August 1977 hat das SG die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Aus der gesetzlichen Regelung ergebe sich, daß bei der Aufbringung der Mittel für das Kaug auf eine solidarische Haftung der gesamten gewerblichen Wirtschaft durch Zwangsbeiträge abgestellt worden sei. Daher sollten grundsätzlich alle Unternehmen zur Umlage herangezogen werden. Eine Ausnahme gelte nur für die in § 186 c Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) aufgeführten Einrichtungen (§ 186 c Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 AFG). Hierzu gehöre aber die SVA nicht, da sie konkursfähig sei. Zu Unrecht mache demgegenüber der Kläger geltend, daß über das Vermögen der SVA das Anschlußkonkursverfahren eröffnet worden sei, so daß ein weiteres Konkursverfahren nicht mehr zulässig sei. Gerade die Formulierung in § 186 c Abs. 2 Satz 2 AFG „bei denen der Konkurs nicht zulässig ist” spreche dafür, daß es der Gesetzgeber bei dieser Ausnahmeregelung darauf habe abstellen wollen, ob eine Einrichtung generell nicht konkursfähig sei und nicht etwa darauf, ob über ein bestimmtes Unternehmen bereits das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Der aus der gesetzlichen Regelung abzuleitende Gedanke der Solidarhaftung der gesamten gewerblichen Wirtschaft spreche gegen die vom Kläger vorgetragene Auffassung, daß darauf abzustellen sei, ob im Einzelfall wegen einer Konkurseröffnung für eine gewisse Zeit einmal kein durch das Kaug zu schützender Personenkreis vorhanden sei. Beizutreten sei vielmehr der Auffassung der Beklagten, daß nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nur eine solche Einrichtung nicht zur Umlage herangezogen werden dürfe, die zu keinem Zeitpunkt in die Lage kommen könne, daß Kaug-Ansprüche von ihren Arbeitnehmern geltend gemacht werden können. Schließlich könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß nach § 186 c Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AFG nach der Satzung eine Berufsgenossenschaft (BG) von einer besonderen Kaug-Umlage absehen und somit ihren Anteil an der Umlage in den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung einrechnen könne. Im übrigen lasse das von der Beklagten mitgeteilte Zahlenmaterial über die Gewährung von Kaug (ca 4,5 Millionen DM) und die Zahlung der Umlage für die Jahre 1974 und 1975 (ca 23.000,– DM) hinsichtlich der SWA es nicht als unbillig erscheinen, daß das Unternehmen, obwohl in Konkurs befindlich, weiterhin zur Umlage für das Kaug herangezogen werde.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 186 c AFG und macht geltend, daß die SWA nicht zu den Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift gehöre, auf die Beiträge zum Kaug umgelegt werden könnten. Die Konkursausfallversicherung werde wie die Unfallversicherung allein durch die Arbeitgeber finanziert. Der Begriff des Unternehmens im Sinne der Konkursausfallversicherung müsse demnach ebenso wie in der Unfallversicherung definiert werden. Unternehmer im Sinne der Unfallversicherung sei nach § 658 Abs. 2 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen gehe, also der, dem das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens, der Wert oder der Unwert der in dem Unternehmen verrichteten Arbeiten unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereiche, der also wirtschaftlich das Wagnis des Unternehmens trage. Er müsse die Einnahmen aus dem Betrieb sowie das uneingeschränkte Verfügungsrecht über den Betrieb haben. Die Bescheide der Beklagten richteten sich nicht gegen den Konkursverwalter des fortgeführten Betriebes, sondern gegen die SWA, also die Gemeinschuldnerin. Die SVA als Gemeinschuldnerin habe seit Eröffnung des Anschlußkonkurses das Verwaltungs- und Verfügungsrecht verloren (§ 6 Abs. 1 KO). Die Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners bleibe nur dann bestehen, wenn er den Betrieb mit den ihm aus der Konkursmasse überlassenen Mitteln fortsetze und ihm der Verdienst aus dem Betrieb überlassen werde (Hinweis auf RVA in AN 1909, 531). Der Betrieb der SWA werde allein durch den Konkursverwalter fortgeführt. Die Fortführung des Betriebes erfolge mit Mitteln aus der Masse für die Masse. Der Gewinn aus der Fortführung des Betriebes komme allein der Masse zu, die Gemeinschuldnerin sei am Gewinn nicht beteiligt. Die SVA sei als Gemeinschuldnerin nicht Unternehmer des durch den Konkursverwalter fortgeführten Betriebes und gehöre deshalb weder zu den Unternehmern im Sinne der Unfallversicherung noch zu denen im Sinne der Konkursausfallversicherung. Die Beklagte sei folglich nicht berechtigt gewesen, nach § 186 c Abs. 3 AFG von der SVA Beiträge zur Konkursausfallversicherung zu verlangen. Der Konkursverwalter könne ebenfalls nicht zur Umlage herangezogen werden, da ihm die Unternehmereigenschaft fehle. Eine Umlegung der Beiträge auf den Konkursbetrieb sei ebenso unzulässig, da der Konkursbetrieb nicht zu den Unternehmern im Sinne des § 186 c Abs. 3 AFG gehöre. Nach dem Villen des Gesetzgebers sollten sämtliche Unternehmen nicht zur Umlage herangezogen werden, bei denen der Konkurs eintritt aus Rechtsgründen unmöglich sei. Zu diesen Unternehmen zähle auch der Konkursbetrieb, da er nicht konkursfähig sei. Die Absicht des Gesetzgebers, die konkursfähigen Betriebe von der Umlageregelung auszuschließen, sei eindeutig. Der Fall, daß ein Betrieb der gewerblichen Wirtschaft, wie hier der Konkursbetrieb, nicht konkursfähig sei, sei vom Gesetzgeber offensichtlich nicht bedacht und aus diesem Grunde nicht in die Liste der beitragsfreien Betriebe aufgenommen worden. Insoweit sei die Aufzählung in § 186 c Abs. 2 AFG nicht abschließend. Die somit bestehende Regelungslücke sei durch Auslegung oder darüber hinausgehend durch Gesetzesanalogie zu schließen. Eine Beitragspflicht des Konkursbetriebes lasse sich auch nicht damit begründen, daß die Arbeitnehmer des Betriebes des Gemeinschuldners Kaug erhalten hätten. Denn die Mittel für diese Leistungen an die Arbeitnehmer aus der Konkursausfallversicherung seien bereits durch Beitragsleistung der Gemeinschuldnerin mitfinanziert worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG sowie die Bescheide vom 28. September 1976, 26. Oktober 1976, 8. Dezember 1976 und 22. Dezember 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 1977 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ua aus, daß die streitbefangenen Beitragsbescheide insoweit nicht mehr angegriffen werden könnten, als darin die Umlagepflicht dem Grunde nach enthalten sei. Mit den früheren, nicht angefochtenen Bescheiden sei nämlich diese Pflicht bereits bindend festgestellt worden, wie aus § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hervorgehe. Vorsorglich macht die Beklagte weiter geltend, daß sich aus der Regelung des § 186 c AFG eindeutig ergebe, daß nur die generell konkursunfähigen öffentlich-rechtlichen Unternehmen von der Umlagepflicht ausgenommen sein sollten.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist begründet.

Die streitigen Beitragsbescheide vom 28. September 1976, 26. Oktober 1976, 8. Dezember 1976 und 22. Dezember 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 1977 sind rechtswidrig, soweit damit die Beklagte eine Umlage zur Aufbringung der Mittel für das Kaug fordert. Dabei kann dahinstellen, ob diese Bescheide überhaupt in einer den Kläger bindenden Weise ordnungsgemäß zugestellt worden sind, insbesondere ob sie nicht dem Konkursverwalter statt der SWA i.K. zuzustellen waren (s dazu BFH vom 17. März 1970 – II 65/63 – DB 70, 1816; Kohlrust/Eimert, Das Zustellungsverfahren nach dem Verwaltungszustellungsgesetz § 9 Anm. 4, Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 63 Anm. 6, zu § 9 VwZG S 186/68 –2–). Denn die streitige Umlageforderung ist auch aus materiellen Gründen nicht gerechtfertigt. Zu Unrecht meint die Beklagte, daß diese Bescheide schon deshalb rechtmäßig seien, weil bereits in früheren (nicht angegriffenen) Bescheiden, die Umlagepflicht bindend festgestellt worden sei. Bei den hier angesprochenen Bescheiden handelt es sich nämlich um Bescheide, mit denen lediglich ein Betrag in bestimmter Höhe als Umlage angefordert wird. Die Bescheide werden als Bescheide „über den Beitrag zum Kaug für das Jahr …” bezeichnet. Es wird dann angegeben, daß als Maßstab die Entgelt summe gilt und festgestellt: „Ihren Beitrag haben wir wie folgt berechnet … Wir bitten Sie, den Beitrag bis zum … zu überweisen”. Diese Entscheidungen beschränken sich somit eindeutig auf Beitragsanforderungen in bestimmter Höhe. Eine Entscheidung über die Umlagepflicht dem Grunde nach ist in diesen Bescheiden hingegen nicht enthalten. Man kann auch nicht davon ausgehen, daß eine solche Entscheidung aus dem Einzug der Umlage mittelbar entnommen werden muß. Für die Zugehörigkeit zum Kreis der umlagepflichtigen Unternehmer ist nämlich eine Entscheidung gesetzlich nicht vorgesehen und nicht erforderlich; denn beitragspflichtig sind in der gesetzlichen Unfallversicherung gem § 723 ff RVO die Unternehmer, die in den Berufsgenossenschaften zusammengeschlossen sind. In ihrer Mitgliedschaft zur fachlichen und örtlich zuständigen BG ist die Beitragspflicht begründet (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand April 1977 S 540 a; BSG Urteil vom 26. Januar 1978 – 2 RU 90/77 –). Rechte und Pflichten eines Mitglieds der BG entstehen unmittelbar kraft Gesetzes (§ 659 RVO), so daß es keines besonderen Verwaltungsaktes hierfür bedarf (Brackmann aaO S 512).

Die Voraussetzungen der Umlagepflicht liegen nicht vor. Umlagepflichtig sind nach § 186 c Abs. 3 AFG die Mitglieder der gewerblichen Berufsgenossenschaften, das sind gem § 658 Abs. 1 RVO die Unternehmer. Die Voraussetzungen der Umlagepflicht werden von dem Kläger in erster Linie mit der Begründung geleugnet, daß weder er als Konkursverwalter noch die SWA i. K. als Unternehmer angesehen werden können. Das ist allerdings unzutreffend. Unternehmer im Sinne des Unfallversicherungsrechts und damit Mitglied der BG ist nach wie vor die SWA. Sie wurde bis zur Konkurseröffnung in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) betrieben. Daß die AG als solche Unternehmer ist und nicht etwa der Vorstand oder die Aktionäre, folgt bereits aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Aktiengesetz (AktG), wonach die AG eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person des Privatrechts) ist.

Die Unternehmerstellung der AG hat sich durch den Konkurs nicht geändert. Zwar bestimmt § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG, daß die AG durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft aufgelöst wird. Die Rechtspersönlichkeit der AG endet aber damit nicht (einhellige Ansicht, vgl. ua Gessler, Kommentar zum AktG, Stand 1975, § 262 Anm. 1; Eckardt in Gessler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Kommentar zum AktG, 1973, § 262 Anm. 7; Wiedemann in Großkommentar zum AktG, 1973, § 262 Anm 2; Baumbach/Hueck, Kommentar zum AktG, 13. Aufl, 1968, Übersicht § 262 Anm. 2; Weber bei Jaeger, KO, Kommentar, 8. Aufl, 1973, §§ 207, 208 Anm. 4). Bis zur Vollbeendigung bleibt die Gesellschaft als selbständige Rechtspersönlichkeit und mit der rechtlichen Natur als AG bestehen (vgl. ua RGZ 109, 391; 118, 340; Wiedemann aaO; Baumbach/Hueck aaO Anm. 3). Die völlige Beendigung und damit auch das Ende der selbständigen Rechtspersönlichkeit tritt erst ein, wenn keinerlei verteilbares Vermögen mehr vorhanden ist (Baumbach/Hueck aaO). Daß im vorliegenden Fall die SWA noch erhebliches Vermögen besitzt, bedarf angesichts der Tatsache, daß der Betrieb in vollem Umfang weitergeführt wird, keiner näheren Erörterung.

Da Rechte und Pflichten der AG somit durch die Konkurseröffnung nicht berührt worden sind, bleibt sie auch Rechtsinhaber ihres Vermögens und Unternehmer im Sinne der RVO. Sie darf lediglich gem § 6 KO über ihr Vermögen nicht mehr verfügen. Diese Befugnis steht nunmehr allein dem Konkursverwalter zu. Aus alledem folgt, daß die SWA i. K. Mitglied der beklagten BG ist.

Die Mitgliedschaft dieses Unternehmens begründet jedoch keine Umlagepflicht zur Konkursausfallversicherung gem § 186 c Abs. 3 AFG. Nach dem Wortlaut des § 186 c Abs. 3 iVm § 186 c Abs. 2 Satz 2 AFG sind zwar an sich alle Mitglieder der gewerblichen BG'en umlagepflichtig; ausgenommen sind lediglich die Lohnsummen des Bundes, der Länder, der Gemeinden sowie der Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen der Konkurs nicht zulässig ist und solcher juristischer Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert, unter diese Ausnahmevorschriften fällt die SWA i.K. nicht. Die Fälle, in denen ein Unternehmen nach Konkurseröffnung weitergeführt wird, sind jedoch durch Ausdehnung des Wirkungsbereichs der Ausnahmevorschrift ebenfalls von der Umlagepflicht freizustellen. Das Gesetz läßt nämlich insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit erkennen, die den Senat berechtigt, das Vorliegen einer Regelungslücke festzustellen, die nach Sinn und Zweck des Gesetzes und der Ausnahmevorschrift zu schließen ist (BSGE 14, 238, 239; BSG SozR 5070 § 9 Nr. 1; BSG SozR 4100 § 141 e Nr. 1; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, Berlin 1964, S 16 ff, 39; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl, 1975 S 358 f).

Die Sonderbehandlung des überwiegenden Teils der Körperschaften öffentlichen Rechtes erklärt sich daraus, daß die bei den genannten Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer mangels Konkursfähigkeit ihrer Arbeitgeber die Konkursausfallversicherung nicht in Anspruch nehmen können (vgl. Regierungsbegründung zum Gesetz über Kaug, BT-Drucks 7/1750 S 15). Auch die Arbeitnehmer von Betrieben, die nach Konkurseröffnung weitergeführt werden, können Leistungen aus der Konkursausfallversicherung für die Verdienste aus ihrer weiteren Tätigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen, weil ein bereits im Konkurs befindliches Unternehmen nicht erneut in Konkurs gehen kann. Das allein zwingt allerdings noch nicht zur Annahme einer Regelungslücke. Es könnte dem Gesetzgeber darum gegangen sein, die in Konkurs befindlichen Unternehmen in gleicher Weise mit der Konkursausfallgeldumlage zu belasten, um ihnen keinen Konkurrenzvorteil gegenüber anderen Unternehmen einzuräumen (vgl. zu diesem Gedanken die Begründung des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– in der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Verpflichtung der Arbeitgeber für Altersruhegeldbezieher, den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung weiterhin zu zahlen, BVerfG Urteil vom 16. Oktober 1962 – 2 BvL 27/60 – BVerfGE 14, 312, 318). Auch erscheint es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht von vornherein ausgeschlossen, auch die Lohnsummen der in Konkurs befindlichen Betriebe mit der Umlage zu belasten; denn dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, beim Aufbau eines Systems der sozialen Sicherung den beitragspflichtigen Personenkreis so abzugrenzen, wie es für den Aufbau eines leistungsfähigen Systems erforderlich ist (BVerfG Urteil vom 9. Februar 1977 – 1 BvL 1/74 – BVerfGE 44, 70, 90). Der abgabenrechtliche Grundsatz, daß zu Abgaben grundsätzlich nur derjenige herangezogen werden kann, der auch in den Genuß der damit verbundenen Vorteile kommen kann, gilt im Bereich der Sozialversicherung nicht; hier gilt das Prinzip des sozialen Ausgleichs – Solidaritätsprinzip – (BVerfGE 11, 105, 117, 14, 312, 318). Diese Grunde können aber im vorliegenden Fall die Umlagepflicht nicht tragen, weil eine Erhebung der Umlage von Konkursbetrieben der objektiven Zielsetzung des Gesetzes widerstreben würde und damit auch der sachlichen Rechtfertigung entbehrt, die das BVerfG (besonders BVerfGE 14, 312, 318) für die Auferlegung von Lasten fordert, wenn der Belastete hiervon keinen Vorteil zu erwarten hat. Der Zweck des Gesetzes über das Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 ist nämlich, den Arbeitnehmer: in bestimmtem Umfang davor zu schützen, daß er beim Konkurs seines Arbeitgebers seine Ansprüche auf Arbeitsentgelt verliert. Dies geschieht einmal durch die Konkursausfallversicherung und zum anderen dadurch, daß neben den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt nach Konkurseröffnung auch den rückständigen Ansprüchen auf Arbeitsentgelt für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung der Charakter von Masseschulden beigemessen (§ 59 Abs. 1 Nrn 2 und 3 KO) und den übrigen Arbeitsentgeltforderungen eine erste Rangstelle unter den Konkursforderungen eingeräumt wird (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 KO). Diesem vom Gesetzgeber selbst geschaffenen System möglichst weitgehender Absicherung der Arbeitnehmereinkommen würde die Erhebung einer Umlage für das Konkursausfallgeld von den in Konkurs befindlichen Betrieben widersprechen. Eine solche Umlageforderung hätte nämlich gem § 59 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO Vorrang vor den Forderungen der Arbeitnehmer aus der Zeit vor Konkurseröffnung und würde damit ihre Befriedigung beeinträchtigen oder gefährden. Eine solche Beeinträchtigung ist dort hinzunehmen, wo die Belastung durch die Weiterführung des Unternehmens sachlich bedingt ist, wie das zB hinsichtlich der Beiträge zur Unfallversicherung und zu den übrigen Zweigen der Sozialversicherung der Fall ist. Eine Umlagebelastung, die nicht damit zu rechtfertigen ist, daß ein bestimmtes, durch die Fortführung des Betriebes begründetes Risiko abzusichern ist, stellt sich hingegen angesichts des Bestrebens nach Sicherung der Arbeitnehmereinkommen als sachwidrig dar und auch als planwidrig, wenn sie gerade zu dem Zwecke erhoben wird, um Arbeitnehmereinkommen zu sichern. Der gesetzgeberische Plan kann deshalb in einer verfassungskonformen Weise nur dadurch verwirklicht werden, daß der in der Ausnahmevorschrift des § 186 c Abs. 2 Satz 2 AFG enthaltene Rechtsgedanke auf Betriebe ausgedehnt wird, die nach Konkurseröffnung weitergeführt werden. Einer Vorlage an das BVerfG bedarf es dazu nicht, da vor einer solchen Vorlage alle Möglichkeiten verfassungskonformer Rechtsanwendung im Wege der Auslegung und Rechtsergänzung auszuschöpfen sind (vgl. Leibholz/Rinck, Grundgesetz –GG–, 5. Aufl, Einf 4 mit weiteren Nachweisen). Der vorliegende Fall bot hierzu die Möglichkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926257

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