Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.08.1961)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württenberg von 24. August 1961 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Mit Bescheid vom 7. Oktober 1957 lehnte das Versorgungsamt Ansprüche des Klägers nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ab, weil die als Schädigungsfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG stünden. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) am 17. Februar 1959 enthält u. a. folgende Vermerke: „Kl. Vertreter legt nach dem Vortrag des Inhalts der Akten die Vertretung nieder”, und danach: „Kläger zieht seine Klage zurück”. Ob diese Angaben dem Kläger vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt und von ihm genehmigt wurden, ist nicht angegeben.

Im März 1959 beantragte der Kläger, das Verfahren vor dem SG wieder aufzunehmen. Die in der Verhandlungsniederschrift vom 17. Februar 1959 protokollierte Klagerücknahme habe allein sein damaliger Prozeßbevollmächtigter, und zwar nach Niederlegung der Vertretung erklärt. Er selbst sei über die vom Vorsitzenden in überlautem Ton und mit einer Erklärungsfrist von drei Minuten ausgesprochene Drohung, er werde die Akten der Staatsanwaltschaft vorlegen und den Fall seiner Anstellungsbehörde, der Oberfinanzdirektion, melden, zutiefst erschrocken gewesen, so daß er sich nicht mehr gerührt und nichts mehr zu sagen gewagt habe, als der Vorsitzende den Schriftführer angewiesen habe; „Also schreiben Sie, die Klage ist zurückgenommen.” Es fehle daher an einer rechtswirksamen Klagerücknahme. Die in die Verhandlungsniederschrift aufgenommene Erklärung „Kläger zieht seine Klage zurück”, werde von ihm nach allen hierfür infrage kommenden gesetzlichen Vorschriften angefochten.

Nach einem Wechsel im Vorsitz, der Kammer und nachdem der neue Kammervorsitzende vom Vorsitzenden, von den Beisitzern und vom Schriftführer der Kammer in der Besetzung vom 17. Februar 1959 schriftliche Auskünfte über die zur Protokollierung der Klagerücknahme führenden Vorgänge eingeholt hatte, erging in der mündlichen. Verhandlung am 29. September 1959 ein Beweisbeschluß, der die Feststellung der vom Kläger geltend gemachten Schädigungsfolgen betraf. Die Beweisaufnahme wurde im weiteren Verfahren durchgeführt. In der mündlichen Verhandlung am 9. November 1960, bei der erneut ein anderer Vorsitzender mitwirkte, wurden von den in der Sitzung am 17. Februar 1959 anwesenden Personen der Vorsitzende, die Beisitzer, der Schriftführer, der Bevollmächtigte des Beklagten und der damalige Prozeßbevollmächtigte des Klägers als Zeugen darüber vernommen, ob der Kläger seine Klage zurückgenommen habe. Mit Urteil vom 9. November 1960 erklärte das SG den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Es nahm an, daß eine wirksame Klagerücknahme vorliege.

Im Berufungsvorfahren schlössen die Beteiligten einen Teilvergleich über die bisher noch nicht untersuchten und besonders beschiedenen Körperschäden. Mit Urteil vom 24. August 1961 wies das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurück. Eine Klagerücknahmeerklärung brauche nicht ausdrücklich zu erfolgen. Werde sie in die Sitzungsniederschrift aufgenommen, so hänge ihre Wirksamkeit auch nicht davon ab, ob das Protokoll vorgelesen und genehmigt werde, weil die Klagerücknahme keine Aussage im Sinne des § 122 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darstelle, sondern einen wesentlichen Vorgang der Verhandlung, dessen Protokollierung nicht vorgelesen und genehmigt zu werden brauche. Andererseits sei jedoch der Nachweis der Unrichtigkeit der Niederschrift über die Klagerücknahme möglich, denn die Feststellung der Klagerücknahme gehöre nicht zu den nur durch das Protokoll beweisbaren für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten, bezüglich derer gegen den Inhalt des Protokolls nur der Nachweis der Fälschung zulässig sei (§ 122 … Abs. 3 SGG i.V.m. § 164 der Zivilprozeßordnung – ZPO –). Dem SG sei jedoch darin beizupflichten, daß die Beweisaufnahme nicht die Unrichtigkeit der Sitzungsniederschrift vom 17. Februar 1959 ergeben habe. Zwar sei nicht erwiesen, daß der Kläger die Rücknahme der Klage durch Worte oder durch Bejahung einer entsprechenden Frage des Vorsitzenden ausdrücklich erklärt habe. Nach den Aussagen des an der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 1959 beteiligten Vorsitzenden, der Beisitzer und des Schriftführers habe der Vorsitzende jedoch am Schluß der sich über längere Zeit hinziehenden Verhandlung deutlich ins Protokoll diktiert; „Der Kläger nimmt die Klage zurück”. Hiergegen habe der Kläger weder durch Worte noch durch Gesten etwas eingewandt. Auch der frühere Prozeßbevollmächtigte des Klägers habe damals den bestimmten Eindruck gewonnen, die Klage sei zurückgenommen worden, zumal der Kläger ihn nach der Verhandlung sogar gefragt habe, ob seine Klagerücknahme richtig gewesen sei. Aus diesem Verhalten des Klägers gehe deutlich hervor, daß er die Klage habe zurücknehmen wollen und sich der Tragweite seines Verhaltens bewußt gewesen sei. Es spreche auch nichts dafür, daß er am Schluß der mündlichen Verhandlung völlig verwirrt und eingeschüchtert gewesen sei. Er habe vielmehr, wie der Schriftführer bekundet habe, nach der Verhandlung einen ruhigen Eindruck gemacht und sich beim gemeinsamen Verlassen des Gerichts von den Zeugen mit Handschlag verabschiedet. Die rechtswirksame Klagerücknahme könne auch nicht angefochten oder widerrufen werden, denn es wäre mit dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Rechtsgang und mit der notwendigen Rechtssicherheit unvereinbar, wenn die Rechtswirksamkeit einer Prozeßhandlung auf unbestimmte Zeit in der Schwebe bliebe. Eine widerrechtliche Drohung im Sinne von § 123 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) könne nicht darin erblich werden, daß der Vorsitzende den Kläger auf die Möglichkeit oder gar auf die Pflicht des Gerichts aufmerksam gemacht habe, die Akten der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Die Frage, ob ein Widerruf der Klagerücknahme zulässig sei, wenn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorlägen, könne dahingestellt bleiben, weil diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt seien. Schließlich sei auch die Rüge des Klägers unbegründet, das SG habe nach dem Erlaß des Beweisbeschlusses vom 29. September 1959 die Klagerücknahme nicht mehr berücksichtigen dürfen. An eine etwa z.Zt. der Verkündung dieses Beschlusses bestehende abweichende Auffassung über die Wirksamkeit der Klagerücknahme sei das SG nicht gebunden gewesen, da kein eine wirksame Klagerücknahme verneinendes Zwischenurteil ergangen sei. Das SG habe auch nicht deswegen in der Sache entscheiden müssen, weil die Klagerücknahme etwa durch übereinstimmendes Verhalten der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 29. September 1959 rückgängig gemacht worden sei.

Eine solche Vereinbarung könne sich verfahrensrechtlich nur auswirken, wenn nach erfolgter Klagerücknahme jederzeit wie im Zivilprozeß eine neue Klage über den gleichen Streitgegenstand erhoben werden könnte. Abgesehen davon, daß im sozialgerichtlichen Verfahren die Erhebung einer neuen Klage über den gleichen Gegenstand nach Klagerücknahme überhaupt für unzulässig gehalten werde, sei am 29. September 1959 eine neue Klageerhebung jedenfalls infolge Ablaufs der einmonatigen Klagefrist nicht mehr zulässig gewesen. Das LSG ließ die Revision nicht zu.

Mit der Revision beantragt der Kläger,

das angefochtene Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24. August 1961 aufzuheben bzw. dahin abzuändern, daß der Berufung des Klägers gegen das angefochtene Urteil des SG Ulm vom 9. November 1960 stattgegeben, dasselbe wie auch der Bescheid vom 7. Oktober 1957 aufgehoben werde, daß ferner als Schädigungsfolgen „tiefe Narben und Schmerzen im linken Oberschenkel mit Bewegungseinschränkung der linken Hüfte” festgestellt und der Beklagte zur Rentengewährung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 60 v.H. ab 1. Dezember 1953 verurteilt werde;

hilfsweise,

das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Sache an die unteren Gerichte zur Ergänzung des Verfahrens und Sachentscheidung zurückzuverweisen;

hilfsweise,

das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben, in der Sache selbst etwa noch erforderliche Beweise durchzuführen und zu entscheiden wie im Hauptantrag.

Die Revision rügt Verletzung der §§ 102, 106, 122 SGG, der §§ 119 ff. BGB, 123, 202 SGG i.V.m. 318, 303 ZPO. Beide Vorinstanzen hätten zu Unrecht angenommen, der Rechtsstreit sei durch Rücknahme der Klage in der Hauptsache erledigt. Dies stehe in klarem Widerspruch zum Verhandlungsprotokoll vom 29. September 1959, nach dem das Gericht in eine Erörterung des sachlichen Klagevorbringens eingetreten sei, einen Beweisbeschluß erlassen und ihn später durchgeführt habe. In dieser Verhandlung habe der Richter auf ausdrücklichen Hinweis des Klägers erklärt, eine Zwischenentscheidung über die Rechtswirksamkeit der Klagerücknahme sei nicht notwendig, weil die Fassung des Beweisbeschlusses genüge 9 um nachzuweisen, daß die Fortsetzung des Verfahrens in konkludenter Form erfolgt sei. Damit sei seitens des Gerichts die Klage als nicht zurückgenommen angesehen worden. Hieran sei das Gericht gebunden gewesen. Wenn es den Erlaß eines Zwischenurteils für entbehrlich gehalten und nach eigener Ansicht durch eine konkludente Handlung ersetzt habe, könne der nachfolgende Richter bzw. die Berufungsinstanz keine anderweitigen allein zu Lasten des Klägers gehenden Folgerungen ziehen.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen. Soweit das LSG festgestellt habe, daß die Klage tatsächlich zurückgenommen worden sei, habe die Revision keine begründeten Einwände erhoben, so daß diese Feststellung das Revisionsgericht nach § 163 SGG binde. Die Rüge der Revision, das SG und das LSG seien an die dem Beweisbeschluß zugrunde liegende Rechtsauffassung gebunden gewesen, greife nicht durch, weil diese Rechtsauffassung nicht in einem nach § 318 ZPO ergangenen Zwischenurteil fixiert worden sei. Daß ein solches Zwischenurteil nicht ergangen sei, stelle keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil dessen Erlaß ausschließlich im Ermessen des Gerichts stehe.

Die Revision des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Sie ist auch statthaft 9 weil das Verfahren des LSG an einem wesentlichen und von der Revision noch ausreichend gerügten Mangel leidet (§ 162 Abs. 1 Nr. 2, § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Die vom Kläger nach § 102 SGG erhobene Rüge, das LSG habe keine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch Klagerücknahme annehmen dürfen, greift durch. Ein wesentlicher Mangel des Berufungsverfahrens liegt vor, wenn das LSG eine vom SG zu Unrecht ausgesprochene Prozeßabweisung bestätigt (vgl. BSG 4, 200 f.). Die Feststellung des LSG, der Kläger habe seine Klage wirksam zurückgenommen, ist unter Verletzung des § 128 SGG und damit auch der Verfahrensvorschrift des § 102 SGG zustande gekommen.

Zwar ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, gegen die in der Sitzungsniederschrift vom 17. Februar 1959 aufgenommene Feststellung „Kläger zieht seine Klage zurück” genüge der Nachweis der bloßen Unrichtigkeit. Denn nur insoweit ist der Nachweis der Protokollfälschung erforderlich als der Inhalt des Protokolls die Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten betrifft (§ 122 Abs. 3 SGG i.V.m. § 164 Satz 2 ZPO). Um eine solche Förmlichkeit handelt es sich nicht bei der Klagerücknahme. Unter „Förmlichkeit” im Sinne des § 164 ZPO ist nur der äußere Hergang der Verhandlung im Gegensatz zu ihrem Inhalt zu verstehen (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 26. Aufl. § 164 Anm. 1; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl. § 65 III 4 S. 309). Der Satz „Kläger zieht seine Klage zurück” betrifft den rechtlichen Inhalt des Parteivorbringens. Er ist das Ergebnis einer aus äußeren Umständen – hier aus dem schlüssigen Verhalten des Klägers – gezogenen rechtlichen Schlußfolgerung. Demgemäß werden z. B. die Zurücknahme des Widerspruchs nach § 48 II EheG und der Rechtsmittelverzicht nicht zu den Förmlichkeiten im Sinne des § 164 ZPO gerechnet (vgl. Baumbach/Lauterbach aaO). Das gleiche gilt für die Klagerücknahme. Das LSG hat deshalb zu Recht geprüft, ob eine Unrichtigkeit des Protokolls über die darin aufgenommene Klagerücknahme vorliegt. Es hat jedoch das Gesetz verletzt, weil die von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen keine wirksame Klagerücknahme ergeben.

Die Klagerücknahme erfordert eine Erklärung gegenüber dem Gericht (vgl. Rosenberg aaO, 127 II S. 618 f.). Diese braucht zwar nicht ausdrücklich zu erfolgen, sondern kann auch stillschweigend durch schlüssiges Verhalten vorgenommen werden (vgl. BAG, Urteil vom 14. Juli 1961 – 1 AZR 291/60 –; Wieczorek, ZPO, § 271 B Ic). Sie muß aber unmißverständlich (vgl. BGHZ 4, 339) bzw. völlig eindeutig und unzweifelhaft (Wieczorek aaO) sen. An einer eindeutigen und unzweifelhaften Klagerücknahme fehlt es im vorliegenden Fall.

Der Kläger hat eine Rücknahme seiner Klage weder durch von ihm ausgehende Worte noch durch Bejahung einer entsprechenden Frage des Vorsitzenden ausdrücklich erklärt. Aus der vom LSG festgestellten Tatsache, daß er gegen die vom Vorsitzenden ins Protokoll diktierte Klagerücknahme keine Einwendungen durch Worte oder Gesten erhoben hat, läßt sich hier nicht ohne weiteres auf eine Klagerücknahme schließen, vielmehr kommt es entscheidend auf die näheren Umstände an. Insoweit ist von Bedeutung, daß der Vorsitzende des Gerichts – wie das LSG festgestellt hat – den Kläger zuvor „auf die Möglichkeit oder gar die Pflicht des Gerichts, die Akten der Staatsanwaltschaft vorzulegen, aufmerksam gemacht hat”. Zwar mag dies an sich – wie das LSG ausgeführt hat – keine Drohung im Sinne des § 123 BGB gewesen sein. Es liegt aber auf der Hand, daß der Kläger hierdurch in seiner freien Willensbildung erheblich beeinträchtigt werden konnte. Wenn das Gericht auch nach § 183 GVG i.V.m. §§ 61 Abs. 1, 114 Abs. 3 SGG der Strafverfolgungsbehörde unter Umständen Anzeige erstatten kann, so besteht dieses Recht oder diese Pflicht doch unabhängig von der Frage, ob der Kläger die Rücknahme der Klage erklärt. Es kann nicht als angängig erachtet werden, wenn der Kläger durch das Inaussichtstellen einer Strafanzeige zur Rücknahme der Klage bewogen werden soll. Dieser nachdrückliche Hinweis auf eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft mußte sich um so stärker auf die Geistes- und Gemütsverfassung des Klägers auswirken, als sein Prozeßbevollmächtigter in der gleichen Sitzung die Vertretung niedergelegt hatte. Beide Umstände mußten dazu führen, daß der Kläger danach verwirrt und eingeschüchtert den weiteren Verlauf der Verhandlung beiwohnte. Die Feststellung des LSG, der Kläger sei nicht „völlig” verwirrt und eingeschüchtert gewesen, steht nicht entgegen, denn sie schließt nicht aus, daß er in einem geringeren Grade als „völlig” eingeschüchtert gewesen ist. Bei dieser Sachlage konnte dahingestellt bleiben, ob der Kläger auch noch durch die Andeutung des Vorsitzenden eingeschüchtert wurde, man werde den Fall seiner Anstellungsbehörde (Oberfinanzdirektion) melden. Das LSG hat hierzu in den Urteilsgründen trotz Erwähnung im Tatbestand keine Stellung genommen. War der Kläger aber verwirrt und eingeschüchtert, so kann sein bloßes Schweigen zu der vom Vorsitzenden ins Protokoll diktierten Klagerücknahme nicht als eindeutige und unzweifelhafte Zustimmung hierzu gewertet werden.

Wenn der ehemalige Prozeßbevollmächtigte des Klägers damals den bestimmten Eindruck gewonnen hatte 9 die Klage sei zurückgenommen worden, zumal ihn der Kläger nach der Verhandlung gefragt habe, ob seine Klagerücknahme richtig war, so reicht dies gleichfalls nicht aus 9 um eine Klagerücknahme anzunehmen. Diese Frage des Klägers an seinen früheren Prozeßbevollmächtigten kann als Klagerücknahme schon deshalb nicht gewertet werden, weil sie erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung und auch nicht an das Gericht gestellt wurde. Sie kann auch nicht als hinreichendes Indiz für eine in der mündlichen Verhandlung erklärte Klagerücknahme in Betracht kommen, weil sie eine doppelte Bedeutung haben kann. Mit ihr konnte der Kläger sowohl eine Antwort darauf begehrt haben, ob die Beendigung des Rechtsstreits zweckmäßig war, als auch darauf, ob überhaupt die Klagerücknahme rechtswirksam war. Der persönliche Eindruck dieses Zeugen aber ist auch deshalb kein entscheidendes Argument, weil er nur dessen Auffassung wiedergibt und nicht erkennen läßt, welche besonderen Umstände den Zeugen bestimmt haben, im Schwelgen des Klägers eine Klagerücknahme zu erblicken. Nach alle dem ist die Feststellung des LSG, aus dem Verhalten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 17. Februar 1959 gehe deutlich hervor, daß er seine Klage zurückgenommen habe, nicht haltbar. Hingegen hat das SG in seiner Besetzung vom 29. September 1959 zutreffend eine wirksame Klagerücknahme verneint. Es wäre daher zweckmäßig gewesen, wenn es damals der Bitte des Klägers, ein Zwischenurteil zu dieser Frage zu erlassen entsprochen hätte 9 zumal – nach dem seinerzeitigen Verhalten des Beklagten zu schließen – ein Rechtsmittel hiergegen wohl nicht eingelegt und somit eine schnellere sachliche Prüfung des Anspruchs des Klägers ermöglicht worden wäre. Da das LSG wegen der nicht wirksamen Klagerücknahme eine Entscheidung in der Sache selbst unterlassen hat, leidet sein Verfahren an einem wesentlichen Mangel. Diesen hat der Kläger noch ausreichend gerügt. Aus der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm (§ 102 SGG) und dem Revisionsvorbringen, das LSG habe zu Unrecht eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch Klagerücknahme angenommen, kann nämlich noch die Rüge abgeleitet werden, eine Rücknahme sei wirksam nicht erklärt worden. Auf Grund des festgestellten Verfahrensmangels ist die Revision bereits statthaft. Es konnte deshalb offenbleiben, ob auch die weiteren von der Revision noch erhobenen Rügen begründet sind. Auf diese Rügen kommt es nicht mehr an.

Die Revision ist auch begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf dem festgestellten Verfahrensmangel (§ 162 Abs. 2 SGG). Es unterliegt daher der Aufhebung. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist den erkennenden Senat nicht möglich, weil hierfür die nötigen Feststellungen fehlen. Der Rechtsstreit war deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Anspruch selbst an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Unterschriften

Dr. Weiß, Schindler, Dr. Maisch

 

Fundstellen

Haufe-Index 926782

NJW 1963, 1125

DVBl. 1963, 684

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