Leitsatz (amtlich)

Der Versicherungsschutz nach RVO § 537 Nr 10 iVm Nr 1 aF wird nicht ohne weiteres dadurch ausgeschlossen, daß die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, unter Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften ausgeübt worden ist (vergleiche BSG 1957-05-28 2 RU 150/55 = BSGE 5, 168).

 

Normenkette

RVO § 537 Nr. 10 Fassung: 1942-03-09, Nr. 1 Fassung: 1942-03-09

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. März 1965 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin ist die Witwe des am 3. Februar 1960 beim Fällen eines Baumes tödlich verunglückten Arbeiters Alfred S (S.). Sie ist der Ansicht, ihr Ehemann sei durch einen Arbeitsunfall ums Leben gekommen.

Die Forstgenossenschaft (FG) L. ließ Anfang des Jahres 1960 in ihrem Wald zahlreiche Buchen fällen und aufbereiten. Für diese Arbeit hatte sie zunächst die Treckerfahrer D und T in ihren Forstbetrieb eingestellt. Das für den Holzeinschlag erforderliche Arbeitsgerät hatten die Holzfäller selbst zu stellen; der Lohn wurde nach Akkordleistung bemessen. D stellte seine eigene Ein-Mann-Motorkettensäge zur Verfügung. Zum Fällen starker Bäume wurde aber eine größere Säge benötigt. Diese mieteten sich die beiden Holzfäller von S., der eine solche Motorkettensäge besaß. S. unterwies D und T in der Bedienung der Zwei-Mann-Motorsäge und schärfte auch laufend die Sägeketten. Hin und wieder suchte S. die Holzfäller auf dem Holzschlag auf, um sich von dem ordnungsmäßigen Gebrauch seiner Säge zu überzeugen und erforderlichenfalls Ratschläge zu erteilen. Ende Januar erkrankte D Für ihn sprang der Treckerfahrer J der schon bei der Aufbereitung des geschlagenen Holzes beschäftigt war, am 3. Februar 1960 beim Fällen der Bäume ein. Am Nachmittag dieses Tages war eine der starken gefällten Buchen in einem benachbarten Baum in einer Schräglage von 45° hängengeblieben. Um den Stamm ganz zu Boden zu bringen, unternahmen es T und J eine weitere Buche so umzusägen, daß sie auf den schräg liegenden Stamm aufschlagen und diesen mit niederreißen sollte. Zur Zeit dieses Vorgangs war S. gerade wieder auf der Einschlagstelle eingetroffen und verfolgte die Durchführung dieser Arbeit. Als der fallende Baum auf den Stamm aufschlug, glitt er zurück und traf S. so schwer, daß dieser tödlich verletzt wurde.

Die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) lehnte durch Bescheid vom 15. Juni 1960 die Hinterbliebenenrente mit folgender Begründung ab: Der Ehemann der Klägerin habe nicht beim Fällen der Bäume mitgeholfen. Seine von ihm in Form von Anweisungen an die Holzfäller freiwillig geleistete Hilfe habe in seinem eigenen Interesse als dem Eigentümer der Motorsäge gelegen und lediglich der persönlichen Unterstützung der Waldarbeiter gedient.

Der hiergegen gerichteten Klage hat das Sozialgericht (SG) Hildesheim nach Beweiserhebung über die von der Klägerin behauptete Beteiligung ihres Ehemannes beim unfallbringenden Fällen der Buche durch Urteil vom 25. August 1964 stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen. Das SG ist der Ansicht, der Ehemann der Klägerin habe im Zeitpunkt des Unfalls unter Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF gestanden und hat dazu ausgeführt: S. habe nicht einen bloßen Gefälligkeitsdienst den beiden Waldarbeitern bewiesen, vielmehr ihnen geholfen, einen schwierigen und gefahrvollen Arbeitsvorgang zu bewältigen, indem er auf Grund eigener Erfahrungen im Bäume fällen Verhaltensanweisungen zur Begegnung der aus dem Niederreißen des sog. Hängers entstehenden Gefahr erteilt habe. Diese Betätigung habe im wirtschaftlichen Interesse der FG gelegen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 11. März 1965 zurückgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt: Eine dem Unternehmen der FG zugute kommende Tätigkeit im Sinne des § 537 Nr. 10 RVO aF sei zwar nicht darin zu erblicken, daß S. seine Motorsäge den Waldarbeitern überlassen und von Zeit zu Zeit die Sägeketten geschärft habe. Ebensowenig böten die gelegentlichen Besuche S.'s an der Holzschlagstelle, bei denen er Anleitungen für den ordnungsmäßigen Gebrauch seiner Säge erteilt habe, einen Anhalt für die Annahme, er habe der FG gedient. Auch nachdem T auf die Mithilfe des im Bäume fällen weniger erfahrenen J angewiesen gewesen sei, habe sich nicht erweisen lassen, daß S. aus einem über die Kontrolle der Behandlung seiner Säge hinausgehenden Interesse am Holzfällen in den Wald gekommen sei. Nach dem Ergebnis der Beweiserhebung sei das vor allem deshalb unwahrscheinlich, weil er erst am späten Nachmittag zum Arbeitsplatz gekommen sei und bei der jahreszeitlich bedingten zeitig eintretenden Dunkelheit keine Gelegenheit mehr zu nennenswerter Hilfeleistung gehabt hätte. Entscheidend sei jedoch, daß er beim Eintreffen am Holzschlag eine überaus gefährliche Lage vorgefunden habe. Die beiden Holzfäller hätten beim Beseitigen eines sog. Hängers unter Außerachtlassung der Unfallverhütungsvorschriften gehandelt, als sie den schräg liegenden Stamm durch einen fallenden Baum zu Boden schlagen lassen wollten. Dafür sei ein genau durchdachter Arbeitsplan erforderlich gewesen. Hierbei sei der Rat S.'s, der mit den Arbeiten beim Holzfällen vertraut und darin erfahren gewesen sei, erwünscht gewesen. T habe S. in dieser Arbeitsphase auch als zur Arbeitskolonne gehörig betrachtet. S. habe jedenfalls auf die Gefahr hingewiesen und Verhaltensmaßregeln gegeben, außerdem erklärt, wie die Säge habe geführt werden müssen. Zwar sei darin nur eine geringe Beteiligung zu erblicken gewesen; sie reiche aber aus, den Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO aF zu begründen; die Mithilfe stelle eine ernstliche, dem Unternehmen der FG dienende Tätigkeit dar. Was sich die drei beteiligten Leute im Augenblick der gefährlichen Arbeit über deren Nutzen vorgestellt hätten, sei unerheblich. Es genüge, daß der vorgestellte Erfolg den Unternehmenszweck irgendwie gefördert habe. Das sei der Fall gewesen; denn der "Hänger" habe schnell beseitigt werden müssen, weil er vor allem eine Gefahr für die sich in der Nähe aufhaltenden Menschen gebildet habe. Schon deshalb habe diese Arbeit im Interesse der FG gelegen. Damit habe die Betätigung des S. nicht nur eine ernstliche, dem Unternehmen der FG dienende Tätigkeit dargestellt, sondern auch dem mutmaßlichen Willen der FG entsprochen. Dabei sei es ohne Bedeutung, daß die Holzfäller verbotswidrig gehandelt hätten. Die unfallbringende Handlung sei trotz des Verstoßes gegen die Unfallverhütungsvorschriften dem Unternehmen der FG zuzurechnen. Die Voraussetzungen der Nr. 10 des § 537 RVO aF seien gegeben.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Das Urteil ist der Beklagten am 21. April 1965 zugestellt worden. Sie hat gegen das Urteil am 4. Mai 1965 Revision eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Revisionsbegründungsfrist begründet.

Die Revision rügt unrichtige Anwendung des § 537 Nr. 10 RVO aF; außerdem habe das LSG gegen §§ 103, 117 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verstoßen. Dazu wird ausgeführt: Das LSG habe verkannt, daß S. lediglich im Rahmen des Vermietens seiner Motorsäge, also in seinem eigenen Unternehmen, tätig geworden sei, als er den Holzfällern Ratschläge bei der Arbeit erteilt habe. Eine im betrieblichen Interesse der FG liegende Hilfeleistung habe S. auch nicht anläßlich der Beseitigung des sog. Hängers erbracht. Dabei habe es sich weder um eine wesentliche Arbeit für die FG gehandelt noch hätte die Mithilfe S.'s dem mutmaßlichen Willen der FG entsprechen können, da seine Ratschläge nicht nur unzweckmäßig gewesen seien, sondern auch gegen die Unfallverhütungsvorschriften verstoßen hätten. Schon deshalb habe eine derartige Hilfeleistung der FG nicht erwünscht sein können, die sonst mit Ersatzansprüchen der Beklagten hätte rechnen müssen. Die Annahme des LSG, S. habe beim Unfall unter Versicherungsschutz gestanden, beruhe vor allem auf nicht fehlerfrei zustande gekommenen tatsächlichen Feststellungen und einem Sachverhalt, welcher der Ergänzung bedürfe.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie begegnet der Revisionsbegründung u. a. besonders mit dem Hinweis, daß es nicht Aufgabe ihres Ehemannes gewesen sei, sich um die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften zu kümmern; im übrigen hätten den Holzfällern auch gar nicht die Geräte und Werkzeuge zur Verfügung gestanden, die nötig gewesen wären, um den "Hänger" vorschriftsmäßig und in der aus Sicherheitsgründen gebotenen Eile zu beseitigen.

II

Die Revision ist zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.

Ob der Unfall des Ehemannes der Klägerin als Arbeitsunfall zu werten ist, richtet sich, wie das LSG zutreffend angenommen hat, nach § 537 Nr. 10 RVO in der bis zum Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. Juni 1960 - UVNG - (BGBl I 241) geltenden Fassung - RVO aF - (Art. 4 § 1 UVNG). Das LSG hat mit zutreffenden Ausführungen bejaht, daß S. im Zeitpunkt des Unfalls eine Tätigkeit ausgeübt habe, die unter § 537 Nr. 10 in Verbindung mit Nr. 1 RVO aF fällt. Der erkennende Senat hat für die Auslegung dieser Vorschrift Grundsätze entwickelt, die inzwischen in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig gebilligt worden sind (BSG 5, 168 ff; BSG in SozR Nr. 15 und 16 zu § 537 RVO aF; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-6. Aufl., Bd. II, S. 475 ff; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., S. 157 ff, insbes. Anm. 101-106 zu § 539 Abs. 2 RVO nF). Hiernach ist für die Anwendung der Vorschrift - von weiteren, im vorliegenden Streitfall aber unzweifelhaft gegebenen Voraussetzungen abgesehen - entscheidend, daß es sich bei der zum Unfall führenden Verrichtung S.'s um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit handelte, daß sie dem mutmaßlichen Willen des Unternehmens entsprach und daß durch sie ein innerer Zusammenhang mit dem Unternehmen der FG hergestellt wurde.

Diese Erfordernisse erfüllen, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, zwar nicht alle Hilfeleistungen, welche S. aus Anlaß der Waldarbeit für die FG im Januar und Februar 1960 erbracht hat. So hat es zu Recht eine dem Unternehmen der FG förderliche Tätigkeit S.'s weder darin gesehen, daß er seine Motorkettensäge den Holzfällern mietweise überlassen und gegen Entgelt die Sägeketten geschärft hat, noch aber auch darin, daß er bei seinen gelegentlichen Besuchen auf dem Holzschlag, zu denen auch seine Anwesenheit am Unfallnachmittag gehörte, die beiden Holzfäller im Gebrauch seiner Säge angeleitet und beraten hat. Soweit das LSG nach Lage des Falles zu erwägen hatte, ob über diese Betätigung hinaus S. sich in die von der FG unternommene Waldarbeit leitend oder aufsichtsführend selbst eingeschaltet hatte und deswegen versicherungsrechtlich wie die beiden regelrecht beschäftigten Holzfäller zu behandeln sei, hat es dies auf Grund der auch von der Klägerin nicht ernstlich beanstandeten Beurteilung des Sachverhalts zu Recht verneint.

Ebenso hat das LSG die Sachlage im übrigen zutreffend beurteilt und den Versicherungsschutz S.'s nach § 537 Nr. 10 RVO aF bejaht, als es zu dessen tödlichem Unfall kam.

Nach den insoweit von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (§ 163 SGG) beteiligte sich S., der damals die beiden Holzfäller bei der gefahrvollen Beseitigung eines sog. Hängers antraf, an dieser Arbeit dadurch, daß er Ratschläge für die Sägeführung und das beim Fällen der zum Niederreißen des "Hängers" bestimmten Buche erforderliche Verhalten der beiden die Säge bedienenden Arbeiter gab. Zwar handelte es sich hierbei, wie das LSG nicht verkannt hat, für S. um eine nur geringfügige Mitwirkung. Aber auch eine solche geringe Betätigung hat das LSG mit Recht als eine Hilfeleistung von wirtschaftlicher Bedeutung und damit als eine Arbeitsleistung gewertet. Ihr Zweck ging jedenfalls über das sonst von S. bei seinen Besuchen auf dem Holzschlag verfolgte eigene Interesse hinaus und betraf betriebliche Belange der FG. Die erfolgreiche Beseitigung der durch den sog. Hänger nicht nur für die Waldarbeiter selbst, sondern auch für die Allgemeinheit hervorgerufenen Gefahr berührte die Belange der FG als der für die Waldordnung verantwortlichen Unternehmerin des Holzeinschlags. Deshalb hat das LSG die bei dem hauplanmäßigen Fällen der Bäume festgestellte Hilfeleistung S.'s zu Recht als eine rechtlich wesentliche Arbeitsleistung angesehen. Daß hierbei schon wegen des verhängnisvollen Ausgangs der Mitwirkung S.'s beim Fällen des Baumes kein konkreter wirtschaftlicher Nutzen für die FG erzielt werden konnte, ist unerheblich, wie es für die Annahme einer ernstlichen Arbeit im Sinne des § 537 Nr. 10 RVO aF auch ohne Bedeutung ist, ob die Hilfeleistung nicht unentbehrlich war, wenn sie nur den Holzfällern dazu verhelfen konnte, die gefahrvolle Arbeit leichter und schneller durchzuführen (vgl. Brackmann aaO S. 476). Sie durfte sich nur nicht als die bloße Unterstützung der beiden Waldarbeiter darstellen und lediglich einer ihnen persönlich nützenden, etwa bequemeren Arbeitsausübung dienen (Brackmann aaO; Lauterbach aaO). Für das Vorliegen eines solchen Falles bietet, wie auch dem Revisionsvorbringen nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist, der festgestellte Sachverhalt keinen Anhalt.

Soweit die Schlußfolgerung des LSG, S. habe unter den vorstehend dargelegten Umständen eine betriebsförderliche Arbeit für die FG geleistet, auf der Feststellung beruht, S. habe im Interesse des forstwirtschaftlichen Unternehmens erwünschte Ratschläge bei der Bewältigung der gefahrvollen Situation erteilt und sei dazu auf Grund seiner persönlichen Erfahrungen im Holzfällen auch besonders befähigt gewesen, greift die Revision diese Feststellungen ohne Erfolg an. Ihre Rüge, das angefochtene Urteil lasse keine ausreichenden Tatsachen erkennen, aus denen auf eine solche Arbeitserfahrung geschlossen werden könne, ist nach Meinung des erkennenden Senats nicht berechtigt. Wohl trifft es zu, daß S. nach den Aktenunterlagen als Melker, Straßenbau- und Steinbruchsarbeiter tätig war, während eine frühere Betätigung in eigener Land- und Forstwirtschaft erst im Revisionsverfahren von der Klägerin behauptet ist und daher dem LSG noch nicht bekannt sein konnte. Trotzdem hat das LSG S. ohne Verstoß gegen verfahrensrechtliche Vorschriften als erfahrenen Holzfäller bezeichnet. Die Revision übersieht, daß dem LSG Umstände bekannt waren, aus denen es die Überzeugung von dem wirtschaftlichen Wert der beratenden Hilfe am Unfallnachmittag für die FG gewinnen konnte. S. hatte sich eine große Motorsäge angeschafft und früher selbst im Dienst der FG als Holzfäller gearbeitet. Somit ist bei der Prüfung der Rechtslage im Revisionsverfahren nach § 163 SGG davon auszugehen, daß S. ein erfahrener und im Zeitpunkt der hier in Betracht kommenden Ereignisse auch ein der FG erwünschter Ratgeber war. Dies rechtfertigt nicht nur die Annahme des LSG, daß S. die beratende Mithilfe an der Arbeit der beiden Holzfäller aus einem diesen wie auch ihm selbst notwendig erscheinenden Grunde im betrieblichen Interesse der FG erteilte, sondern daß sein Tun zu dieser Zeit auch dem mutmaßlichen Willen der FG entsprach. Dem steht nicht, wie die Revision meint, entgegen, daß die beratende Teilnahme S.'s an der Beseitigung des "Hängers" sich nach der Art ihrer Durchführung als unzweckmäßig erwies und eindeutig gegen die Unfallverhütungsvorschriften der Beklagten verstieß (Abschnitt 29 § 11 Abs. 4 dieser Vorschriften). Dies vermag nach Lage des Falles nicht in Frage zu stellen, daß es sich bei der Hilfeleistung S.'s um eine dem Forstunternehmen förderliche Tätigkeit handelte. Daß der Versicherungsschutz nicht ohne weiteres durch die Verbotswidrigkeit dieser Tätigkeit ausgeschlossen wurde (§ 542 Abs. 2 RVO aF), wird von keiner Seite bezweifelt; freilich gilt dies nicht für jede Art der Mißachtung von Anordnungen. Die Grenze liegt hierbei nach der in Schrifttum und Rechtsprechung herrschenden Auffassung dort, wo eine nach § 537 Nr. 10 RVO aF zu beurteilende Tätigkeit als unsinnig angesehen werden muß oder den Interessen des Unternehmens offensichtlich zuwiderläuft (BSG 5, 168, 172; Brackmann aaO S. 476 a). Da aber die in Betracht kommende Tätigkeit S.'s auf das Interesse des Unternehmens der FG gerichtet war, wurde der Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO aF nicht durch den Verstoß gegen die Unfallverhütungsvorschriften der Beklagten ausgeschlossen.

Hiernach hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Klägerin ist daher die Hinterbliebenenrente zu Recht bewilligt worden.

Die auf § 117 SGG gestützte Rüge der Revision, es hätten, um die das angefochtene Urteil tragenden tatsächlichen Feststellungen verfahrensrechtlich einwandfrei treffen zu können, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, im Verwaltungsverfahren der Beklagten und vor dem SG gehörten Zeugen erneut vor dem Prozeßgericht zweiter Instanz vernommen werden müssen, ist schon deshalb nicht berechtigt, weil der behauptete Verfahrensmangel als nach § 295 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung in Verbindung mit § 202 SGG geheilt anzusehen ist (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Bd. 1, S. II/82 Anm. 2 zu § 117 SGG; Spielmeyer in SGb 1964, 90; BGH in NJW 1964, 108; MDR 1964, 1001).

Die Revision mußte somit als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 102

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