Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindererziehungszeiten bei Erziehung im Ausland (hier: Großbritannien) für deutsche Staatsangehörige

 

Orientierungssatz

1. Die deutsche Staatsangehörigkeit begründet keine Bindung an die deutsche Rentenversicherung, da die §§ 1251a, 1227a RVO gerade nicht auf die Staatsangehörigkeit abstellen.

2. Die Nichtberücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung im Ausland, in denen wegen einer nach deutschem Recht rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland weder Pflichtbeiträge entrichtet worden sind noch unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach der RVO bestehen, entspricht der Regelungsabsicht des Gesetzgebers.

3. §§ 1227a Abs 5 S 1 und 2, 1251a Abs 1 S 1, Abs 3 S 1 RVO sind nicht verfassungswidrig (Anschluß an BSG vom 25.4.1990 - 4 RA 48/89).

4. Auf das SozSichAbk GBR läßt sich der Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten nicht stützen, weil deutsche Staatsangehörige daraus nur einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Hinblick auf die in Großbritannien geltenden Rechtsvorschriften herleiten können. Auch aus den Bestimmungen der EWGV 1408/71 läßt sich ein Anspruch nicht herleiten.

 

Normenkette

RVO § 1251a Abs 3 S 1, § 1227a Abs 5 S 1, § 1251a Abs 1 S 1, § 1227a Abs 5 S 2; SozSichAbk GBR Art 3 Abs 1; EWGV 1408/71 Art 3; GG Art 3 Abs 1; EWGV 1408/71 Art 10

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 13.07.1988; Aktenzeichen III JBf 210/87)

SG Hamburg (Entscheidung vom 14.10.1987; Aktenzeichen 20 J 340/87)

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt eine Erhöhung ihres Altersruhegeldes wegen Kindererziehungszeiten.

Sie wurde 1921 in O       (Niederbayern) geboren und ist deutsche Staatsangehörige. Seit 1949 lebt sie ständig in Großbritannien. Die Beklagte gewährte ihr ab 1. November 1986 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (Bescheid vom 3. September 1986). Bei der Berechnung der Rente wurden zwölf Monate Kindererziehungszeiten für das am 13. April 1944 in Deutschland geborene Kind H        gutgebracht; die ab 1949 in Großbritannien geborenen fünf weiteren Kinder der Klägerin blieben dagegen unberücksichtigt.

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Bescheid vom 5. Januar 1987) erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 14. Oktober 1987 ab. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) mit Entscheidung vom 13. Juli 1988 zurück: Nach §§ 1251a Abs 3 Satz 1, 1227a Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) seien Kindererziehungszeiten vor 1986 nur ausnahmsweise auch bei Auslandsaufenthalt von Eltern und Kind anzurechnen, wenn die für die Anerkennung von Erziehungszeiten im Inland maßgeblichen Gründe, nämlich Interesse der Allgemeinheit an Geburt und Erziehung von Kindern sowie die fehlende Möglichkeit des erziehenden Elternteils zum Erwerb deutscher Pflichtbeitragszeiten, auch für die Erziehung im Ausland gälten, weil die Bindung an die deutsche Rentenversicherung bestehen bleibe. An einer derartigen Bindung der Klägerin oder ihres Ehemannes an die deutsche Rentenversicherung fehle es. Ein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht lasse sich nicht feststellen, insbesondere sei Art 10 Abs 1 der EWG-Verordnung 1408/71 nicht einschlägig. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) sei nicht verletzt, wenn die Zeit der Kindererziehung rentenversicherungsrechtlich unterschiedlich behandelt werde, je nachdem, ob sie im Inland oder im Ausland zurückgelegt worden sei.

Die Klägerin hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, daß auch die fünf in Großbritannien geborenen Kinder bei ihrer Altersrente berücksichtigt werden müssen, und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Urteile sowie unter Abänderung des Bescheides vom 3. September 1986 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 1987 zu verurteilen, ihr auch für ihre in Großbritannien geborenen Kinder Kindererziehungszeiten anzurechnen und ihr Altersruhegeld entsprechend neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf ein kraft Einbeziehung weiterer Kindererziehungszeiten erhöhtes Altersruhegeld.

Die Höhe des Altersruhegeldes bemißt sich gemäß § 1254 Abs 1 Satz 1 RVO ua auch nach der Zahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre iS des § 1258 RVO. Nach § 1258 Abs 1 RVO sind bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre iS der §§ 1253 und 1254 RVO an erster Stelle "die auf die Wartezeit anzurechnenden Versicherungszeiten (§§ 1249 bis 1251a RVO)" zu berücksichtigen. Hierzu zählen aufgrund von § 1251a RVO auch "Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986" (§ 1250 Abs 1 Buchst c RVO). Nach § 1251a Abs 1 Satz 1 RVO idF des Art 6 Nr 18 Buchst a des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261), rückwirkend in Kraft getreten am 1. Januar 1986 (Art 85 Abs 2 RRG 1992), werden für die Erfüllung der Wartezeit Müttern und Vätern, die nach dem 31. Dezember 1920 geboren sind, Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 in den ersten zwölf Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes angerechnet, wenn sie ihr Kind im Geltungsbereich dieses Gesetzes erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten haben. Gemäß § 1251a Abs 1a Satz 1 RVO, eingefügt durch Art 6 Nr 18 Buchst b RRG 1992, steht der Erziehung und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes die Erziehung und der gewöhnliche Aufenthalt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze oder in Berlin vor dem 1. Februar 1949 gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraumes aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden. Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten liegen im Streitfall nicht vor. Denn nach den - mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen und daher das Revisionsgericht gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindenden - Feststellungen des LSG hat die Klägerin die fünf Kinder, für die sie die Anrechnung von Kindererziehungszeiten begehrt, in Großbritannien geboren und aufgezogen, das aber heißt außerhalb des Gebiets, das im Gesetz allein als maßgebend bezeichnet ist.

Die streitigen Kindererziehungszeiten können auch nicht aufgrund von § 1251a Abs 3 RVO in entsprechender Anwendung des § 1227a Abs 5 Satz 1 und 2 RVO angerechnet werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen und dem gesetzgeberischen Willen (vgl BT-Drucks 10/2677; BR-Drucks 500/84; Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 10/3519, S 14) sollen Kindererziehungszeiten Beitragszeiten in der Rentenversicherung ersetzen, an deren Erwerb der Erziehende durch die Erziehung von Kindern im Inland gehindert wird. Bei der Erziehung eines Kindes im Ausland erfolgt dagegen eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten nur, wenn trotz des Auslandsaufenthaltes noch eine Verbindung zur inländischen Rentenversicherung besteht. In Ausführung dieser Grundentscheidung bestimmt zunächst § 1227a Abs 5 Satz 1 RVO, daß die Absätze 1 bis 4 der Vorschrift auch für Mütter und Väter gelten, die ihr Kind in einem Staat außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erziehen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufhalten, wenn sie wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem Staat während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach der RVO haben (Fall der Ausstrahlung iS von § 4 des SozialgesetzBuches, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -SGB IV-). Darüber hinausgehend läßt sodann § 1227a Abs 5 Satz 2 RVO die Absätze 1 bis 4 der Vorschrift auch für die Ehegatten 1. der in Satz 1 genannten Personen oder 2. der Personen gelten, die wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nur deshalb keine Pflichtbeitragszeiten nach der RVO haben, weil sie zu den in § 1229 RVO genannten Personen gehören oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sich beide Ehegatten mit dem Kind in demselben Staat gewöhnlich aufhalten. "Geltungsbereich dieses Gesetzes" ist dabei in Fällen, wo es um die Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 geht, im Sinn der aufgrund von Art 6 Nr 18 RRG 1992 rückwirkend ab 1. Januar 1986 geltenden Fassung von § 1251a Abs 1 und 1a RVO zu verstehen.

Bei der Klägerin ist keiner der beiden Tatbestände des § 1227a Abs 5 RVO erfüllt. Nach den unangefochtenen und daher für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG hat weder die Klägerin noch ihr Ehemann wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in Großbritannien während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt der Kinder Pflichtbeiträge nach der RVO entrichtet. Vielmehr sind für die Klägerin zuletzt 1944 Pflichtbeiträge zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet worden; für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1984 liegen zwölf freiwillige Beiträge vor. Dies reicht für eine Bindung an die deutsche Rentenversicherung nicht aus. Die deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin begründet ebenfalls keine Bindung an die deutsche Rentenversicherung, da die §§ 1251a, 1227a RVO gerade nicht auf die Staatsangehörigkeit abstellen. Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Ehemann der Klägerin zu dem in § 1227a Abs 5 Satz 2 Nr 2 RVO genannten Personenkreis zählt.

Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht aus allgemeinen Rechtserwägungen begründet. Entgegen der Auffassung der Revision enthält die Regelung über Kindererziehungszeiten in der RVO im Hinblick auf die hier vorliegende Fallgestaltung keine planwidrige, durch die Rechtsprechung auszufüllende Regelungslücke. Der erkennende Senat schließt sich insofern der Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) in den Urteilen vom 12. Juli 1988 (in BSGE 63, 282 = SozR 2200 § 1251a Nr 2) und vom 25. April 1990 (4 RA 48/89 -) an. Die Nichtberücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung im Ausland, in denen wegen einer nach deutschem Recht rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland weder Pflichtbeiträge entrichtet worden sind noch unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach der RVO bestehen, entspricht der Regelungsabsicht des Gesetzgebers (BT-Drucks 10/2677; BR-Drucks 500/84; Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 10/3519, S 14). Der Gesetzgeber wollte gerade den Nachteil, den nicht selten Familien mit Kleinkindern in der gesetzlichen Rentenversicherung dadurch tragen, daß ein Ehegatte - in der Regel die Frau - während der Kindererziehung nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, eigene Rentenansprüche durch Erwerbstätigkeit aufzubauen, ausgleichen. Die Absicht des Gesetzgebers, allein erziehungsbedingte Nachteile beim Aufbau eines Rentenversicherungsschutzes auszugleichen, wird besonders durch die Regelung in §§ 1255 Abs 6a Satz 2, 1255a Abs 5 Satz 2 RVO deutlich, wonach sich Zeiten der Kindererziehung nicht auswirken, wenn während der Zeit der Kindererziehung Beitrags-, Ersatz-, Ausfall- oder Zurechnungszeiten zumindest in Höhe des Wertes zurückgelegt worden sind, der einem Bruttoarbeitsentgelt von 75 vH des durchschnittlichen Arbeitsentgeltes entspricht (s BT-Drucks 10/2677 S 31; Finke/Francke/Heller, Erziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, DAngVers 1985 S 300, 301). Bei Auswanderung ins Ausland entstehen dagegen keine erziehungsbedingten Nachteile in der deutschen Rentenversicherung. Denn Pflichtbeiträge bleiben hier nicht wegen der Erziehung von Kindern aus, sondern mangels eines in der inländischen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses.

Als mögliche Anspruchsgrundlage für die Klägerin kommt schließlich auch nicht ein sog verfassungswidriges Unterlassen des Gesetzgebers in Betracht. Denn selbst wenn ein derartiger Fall bejaht werden sollte (hierzu s unten sogleich anschließend), folgt daraus noch keine auf konkrete Sozialleistungen gerichtete Berechtigung iS von § 2 Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil (SGB I). Zwar wäre das Verfahren gemäß Art 100 Abs 1 Satz 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen. Das BVerfG könnte aber, sofern es ebenfalls die Verfassungswidrigkeit annähme, lediglich diesen Rechtszustand als solchen feststellen und den Gesetzgeber zum Erlaß geeigneter Normen auffordern. Eine den Anforderungen des § 2 Abs 1 Satz 2 SGB I genügende Norm könnte es selbst nicht aufstellen. Dies fiele ausschließlich in die Kompetenz des Gesetzgebers.

Soweit es im vorliegenden Fall für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die verfassungsmäßige Gültigkeit der §§ 1227a Abs 5 Satz 1 und 2, 1251a Abs 1 Satz 1, Abs 3 Satz 1 RVO ankommt, bestehen für den erkennenden Senat keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die ihn dazu zwängen, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen (Art 100 Abs 1 Satz 1 GG). Eine Vorlage an das BVerfG setzt voraus, daß die Gültigkeit des anzuwendenden Gesetzes für die (End)Entscheidung des Gerichts erheblich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht für den Fall der Gültigkeit der Norm anders entscheiden würde als für den Fall ihrer Ungültigkeit (BVerfGE 2, 266, 271; 11, 330, 334 f; 65, 265, 277 mwN, ständige Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall kommt es allein darauf an, ob es im Einklang mit der Verfassung steht, daß Zeiten der Kindererziehung im Ausland nur dann Versicherungszeiten iS von § 1250 Abs 1 Buchst c RVO sind, wenn der erziehende Elternteil oder der Ehegatte wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in einem Staat außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach der RVO hat oder solche Zeiten nur deshalb nicht hat, weil er in der dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit war (§§ 1227a Abs 5 Satz 1 und 2, 1251a Abs 1 Satz 1, Abs 3 Satz 1 RVO). Hingegen ist nicht erheblich, ob die durch das Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG) in die RVO eingefügten Bestimmungen zur Regelung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten (§§ 1227a, 1231a, 1250 Abs 1 Buchst c, 1251a, 1255 Abs 6a, 1255a Abs 5, 1385 Abs 3 Buchst f, Abs 6 RVO) in anderer Beziehung den Bestimmungen des GG widersprechen, etwa wenn der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten wäre, die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Rentenversicherungsrecht durch Einbeziehung anderer Personenkreise oder durch eine für die Rentenberechnung günstigere Regelung nachzubessern. Denn im Falle der Ungültigkeit der genannten Vorschriften könnte kein anderes Urteil in der Sache ergeben, als wenn der geltend gemachte Anspruch schon nach den §§ 1251a Abs 3, 1227a Abs 5 RVO nicht besteht.

Die Frage, ob es dem GG widerspricht, wenn der Gesetzgeber die Anerkennung von Kindererziehungszeiten grundsätzlich an die Erziehung im Inland anknüpft und Ausnahmen nur für Fälle zuläßt, die zumindest noch eine bestimmte rechtliche Verbindung zur inländischen deutschen Rentenversicherung haben, hat bereits der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 12. Juli 1988 aaO mit ausführlicher Begründung für den Bereich der Angestelltenversicherung (§§ 2a Abs 5 Satz 1 und 2, 28a Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 des Angestellten-Versicherungsgesetzes -AVG-) verneint. Er hat diese Auffassung in seinen Urteilen vom 25. April 1990 - 4 RA 48/89 -, 12. Juli 1990 - 4 RA 49/89 -, 16. August 1990 - 4 RA 4/90 - und 30. Oktober 1990 - 4 RA 44/89 -, hier erweitert auf die Regelung des Art 2 § 61 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes -AnVNG- aufrechterhalten und bestätigt. Der erkennende Senat schließt sich für die mit den zitierten Vorschriften des AVG wortgleichen Bestimmungen der §§ 1227a Abs 5 Satz 1 und 2, 1251a Abs 1 Satz 1, Abs 3 Satz 1 RVO der Ansicht des 4. Senats an und verneint aus denselben Gründen wie der 4. Senat eine Verfassungswidrigkeit der genannten RVO-Norm.

Aus über- oder zwischenstaatlichem Recht läßt sich der Anspruch der Klägerin ebenfalls nicht herleiten. Auf das Abkommen vom 20. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über soziale Sicherheit (BGBl II 1961 S 242) kann sich die Klägerin nur insoweit stützen, als an die Stelle dieses Abkommens nicht grundsätzlich die EWG-Verordnung 1408/71 getreten ist (Art 6 Buchst a EWG-Verordnung 1408/71). Die Klägerin fällt unter den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich der EWG-Verordnung 1408/71, Art 2 und 4. Insbesondere erfüllt die Klägerin das Merkmal des Arbeitnehmers iS von Art 2 Abs 1 iVm Art 1 dieser Verordnung. Der Begriff "Arbeitnehmer" ist von allgemeiner Tragweite und erstreckt sich auf jede Person, die, ob sie nun eine Erwerbstätigkeit ausübt oder nicht, die Versicherteneigenschaft nach den für die soziale Sicherheit geltenden Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten hat. Daraus folgt, daß Rentner, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zum Bezug von Rente berechtigt sind, auch wenn sie keine Erwerbstätigkeit ausüben, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem System der sozialen Sicherheit unter die Bestimmungen der Verordnung über die Arbeitnehmer fallen (vgl EuGH, Urteil vom 31. Mai 1979, in SozR 6050, Art 22 Nr 4). Von den daneben weiterhin anwendbaren Vorschriften des Sozialversicherungsabkommens (vgl Art 7 Abs 2 Buchst c der EWG-Verordnung 1408/71 iVm Anhang III/A Nr 30) ist für die vorliegende Fallgestaltung allenfalls Art 3 Abs 1 einschlägig. Hiernach hat ein Staatsbürger einer Vertragspartei die Rechte und unterliegt den Pflichten der anderen Vertragspartei unter denselben Bedingungen wie ein Staatsangehöriger der letzteren. Auf diese Regelung läßt sich der Anspruch der Klägerin aber schon deshalb nicht stützen, weil die Klägerin als deutsche Staatsangehörige daraus nur einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Hinblick auf die in Großbritannien geltenden Rechtsvorschriften herleiten kann.

Auch aus den Bestimmungen der EWG-Verordnung 1408/71 läßt sich der geltend gemachte Anspruch nicht herleiten. Insoweit schließt sich der erkennende Senat ebenfalls der Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 25. April 1990 aaO an, in der ein Verstoß gegen "Europarecht" durch die deutsche Regelung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten mit eingehender Begründung verneint wird.

Nach alledem war die Revision der Klägerin gemäß § 170 Abs 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1667088

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