Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Berufung. Anerkennungsbescheid für Kurzarbeitergeldvoraussetzungen. Rechtsschutzinteresse. kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Wahlmöglichkeit

 

Orientierungssatz

1. Wird mit der Klage die Anerkennung der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergeldes begehrt, handelt es sich um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen. Als Leistungen iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG werden alle Sozialleistungen zugunsten des einzelnen angesehen, gleich, ob sie nun als Sozialleistungsansprüche oder als typische Sozialleistungen bezeichnet werden. Hieraus ergeben sich keine Beschränkungen auf reine Geld- oder Geldersatzleistungen (Sachleistungen) (vgl BSG vom 25.7.1985 - 7 RAr 33/84 = BSGE 58, 291 = SozR 1500 § 144 Nr 30).

2. Wird mit einer Klage Kurzarbeitergeld begehrt, steht für dieses Ziel die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG zur Verfügung. Hiernach kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Mit der weniger weitreichenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kann das Begehren nicht unmittelbar und möglicherweise auch nicht ohne ein weiteres Verfahren erreicht werden. Die Rechtsordnung gibt dem Rechtsuchenden aber nur das Recht, den begehrten Rechtsschutz auf dem kürzesten Wege zu suchen, soweit ihm nicht ausdrücklich Wahlmöglichkeiten eingeräumt sind (vgl BSG vom 17.4.1986 - 7 RAr 71/84).

 

Normenkette

AFG § 72 Abs 1 S 4; SGG § 144 Abs 1 Nr 2, § 54 Abs 4, § 54 Abs 1

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 22.08.1985; Aktenzeichen L 9 Al 54/84)

SG Nürnberg (Entscheidung vom 29.11.1983; Aktenzeichen S 4 Al 499/83)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) nach den §§ 63 und 64 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die Zeit vom 6. April bis 3. Mai 1981 vorgelegen haben. Sie betreibt in C. (Frankreich) ein Produktionswerk, in dem Anfang 1981 Kurzarbeit eingeführt wurde. In diesem Werk waren 23 entsandte deutsche Arbeitnehmer beschäftigt, für die die Arbeitsdirektion M. die Zahlung von Kug ablehnte. Am 20. März 1981 zeigte die Klägerin den Arbeitsausfall beim Arbeitsamt N. an und beantragte für diese Arbeitnehmer die Gewährung von Kug.

Mit Bescheid vom 6. April 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1981 lehnte das Arbeitsamt die Gewährung von Kug mit der Begründung ab, der Sitz des Betriebes sei außerhalb des Geltungsbereiches des AFG.

Durch Urteil vom 26. Februar 1982 hat das Sozialgericht (SG) die angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert, daß für die Zeit vom 6. April bis 3. Mai 1981 die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug "anerkannt werden". Dieses Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen, weil dieses gegen Verfahrensregeln verstoßen habe. Daraufhin entschied das SG entsprechend den von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen, daß die angefochtenen Bescheide aufzuheben seien und die Beklagte die Voraussetzungen der §§ 63 und 64 AFG für den streitigen Zeitraum anzuerkennen habe. Mit der Klageschrift war zunächst auch beantragt worden, den vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmern Kug zu gewähren. Die Berufung wurde nicht zugelassen (Urteil vom 29. November 1983).

Mit der Berufung hat die Beklagte wesentliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt und in der Sache selbst auf das Territorialitätsprinzip verwiesen. Zur Begründung ihrer Verfahrensrügen hat sie ua geltend gemacht, mit den angefochtenen Bescheiden seien nicht nur die Anzeige über Arbeitsausfall und der damit verbundene Anerkennungsantrag, sondern auch die beantragte Gewährung von Kug abgelehnt worden. In der mündlichen Verhandlung sei die Klägerin zweifelsfrei von der Anfechtungs- und Leistungsklage zur Anfechtungs- und Feststellungsklage übergegangen. Sie habe neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide nur die Anerkennung der in den §§ 63, 64 Abs 1 AFG genannten Kug-Voraussetzungen beantragt. Diese Klage hätte das Erstgericht als unzulässig verwerfen müssen. Zwar werde auch mit einem Anerkennungsbescheid der Kug-Anspruch dem Grunde nach bejaht; dennoch komme die Gewährung dieser Leistung nur dann in Betracht, wenn die persönlichen Voraussetzungen gegeben seien und die betrieblichen Voraussetzungen entsprechend der Anzeige vorlägen oder, soweit es sich um künftige Tatsachen handele, diese tatsächlich auch einträten. Das bedeute, daß die Anfechtungs- und Feststellungsklage dann zulässig sei, wenn nur der Anerkennungsantrag abgelehnt werde. Werde aber, wie hier, auch die Gewährung von Kug abgelehnt, so sei nur die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Da das SG die Beklagte nicht zur Leistung verurteilt habe und diese die Voraussetzungen der §§ 64 Abs 2 und 3, 65 AFG selbst prüfen müsse, liege eine unzulässige Zurückverweisung der Sache vor.

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil vom 29. November 1983 aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 22. August 1985). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei ungeachtet des § 144 Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, weil ein von der Beklagten gerügter Verfahrensmangel vorliege und das angefochtene Urteil hierauf beruhe. Das Erstgericht habe im Ergebnis die Streitsache unzulässigerweise an die Beklagte zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen, so daß ein Verfahrensfehler iS des § 150 Nr 2 SGG gegeben sei. Zwar habe der Tenor der Entscheidung dem wörtlichen Antrag der Klägerin entsprochen; ihr wirkliches Begehren beschränke sich jedoch nicht auf eine reine Anerkennung der betrieblichen Voraussetzungen, sondern umfasse auch die Gewährung von Kug an die betroffenen Arbeitnehmer. Jeder vernünftige Prozeßbeteiligte hätte deshalb auch die Verpflichtung zur unmittelbaren Leistung gefordert. Das SG habe in Verkennung dieser Sachlage nicht über die nach § 65 AFG für den Leistungsanspruch erforderlichen persönlichen Voraussetzungen entschieden. Die Beklagte hätte deshalb ohne eine zwingende Maßgabe des Gerichts erneut hierüber zu entscheiden gehabt. Dies komme einer zumindest teilweisen unzulässigen Zurückverweisung gleich. Auch in der Sache erweise sich die Berufung als begründet, was näher ausgeführt wird.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 144 Abs 1 Nr 2 SGG sowie eine Verkennung des Territorialitätsprinzips. Die Berufung sei nicht statthaft. Ein wesentlicher Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens habe nicht vorgelegen. Das SG habe die Sache nicht an die Beklagte zurückverwiesen. Für die Annahme des LSG, daß der von der Klägerin gestellte Antrag ihrem wirklichen Begehren nicht entsprochen habe, fehle jede Grundlage. Die Klägerin habe im gerichtlichen Verfahren ausschließlich neben der Aufhebung des angefochtenen Bescheides einen positiven Anerkennungsbescheid nach § 72 Abs 1 Satz 4 AFG begehrt. Da die Beklagte verpflichtet sei, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen diesen zu erteilen, könne ihn ein Arbeitgeber bei Verweigerung auch erstreiten. Die Entscheidung hierüber sei deshalb keine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde. Es seien auch keine Gründe ersichtlich, warum eine entsprechende Verpflichtungsklage, die die Bindungswirkung gemäß §§ 47, 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) auslöse, unzulässig sei. Das LSG habe deshalb zu Unrecht die Statthaftigkeit der Berufung bejaht. Darüber hinaus sei die Berufung unbegründet. Das Berufungsgericht habe übersehen, daß im vorliegenden Falle auch hinsichtlich der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug das Territorialitätsprinzip durchbrochen werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. August 1985 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29. November 1983 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Berufungsgerichts für zutreffend.

Der beigeladene Betriebsrat der Klägerin hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin mit ihrer Rüge, das LSG habe, weil es die Berufung als statthaft angesehen hat, gegen die Vorschriften der §§ 144 Abs 1 Ziffer 2, § 150 Ziffer 2 SGG verstoßen, die Tatsachen hinreichend bezeichnet hat, die diesen Verfahrensmangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Bei einer zulässigen Revision ist ohnehin, bevor über die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen entschieden werden kann, vorab von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt. Das Revisionsgericht hat dabei auch Mängel im Verfahren des LSG zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen von unverzichtbaren Prozeßvoraussetzungen ergeben. Zu diesen Prozeßvoraussetzungen gehört auch die Zulässigkeit der Berufung (BSGE 1, 227, 230; BSG SozR 1500 § 147 Nr 2 mwN). Entscheidet das LSG in der Sache über eine Berufung, obwohl es sie durch Prozeßurteil als unzulässig hätte verwerfen müssen, dann handelt es verfahrensfehlerhaft. Es hat dann nicht beachtet, daß es an einer Sachurteilsvoraussetzung für diese Entscheidung fehlt. Damit ist auch eine Sachentscheidung durch das Revisionsgericht nicht möglich, weil es sich um einen in der Revisionsinstanz fortwirkenden Verstoß gegen einen verfahrensrechtlichen Grundsatz handelt, der im öffentlichen Interesse zu beachten ist und dessen Befolgung dem Belieben der Beteiligten entzogen ist (BSG SozR 1500 § 150 Nrn 11 und 18). Der Senat stimmt im Ergebnis mit dem LSG darin überein, daß hier ein solcher Mangel nicht besteht, soweit es um die Zulässigkeit der Berufung geht.

An sich ist die Berufung gemäß § 144 Abs 1 Nr 2 SGG nicht zulässig. Sie betrifft Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu dreizehn Wochen (drei Monaten), nämlich für die Zeit vom 6. April bis 3. Mai 1981. Daran ändert sich auch nichts, wenn man der Klägerin darin folgt, sie habe mit ihrer Klage lediglich die Anerkennung der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung des Kug begehrt. Auch dann handelt es sich um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen. Wie der Senat bereits zu § 144 Abs 1 Nr 1 SGG entschieden hat (BSGE 58, 291, 295 = SozR 1500 § 144 Nr 30), werden als Leistungen im Sinne dieser Vorschrift alle Sozialleistungen zugunsten des einzelnen angesehen, gleich, ob sie nun als Sozialleistungsansprüche oder als typische Sozialleistungen bezeichnet werden. Daß sich hieraus keine Beschränkungen auf reine Geld- oder Geldersatzleistungen (Sachleistungen) ergeben, ist angesichts der Tatsache, daß das Sozialrecht auch typische Sozialleistungen kennt, nicht zweifelhaft. Nach § 11 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) sind Gegenstand der sozialen Rechte die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Sie alle definiert das Gesetz ausdrücklich als Sozialleistungen. Zu ihnen gehören gemäß § 19 SGB 1 auch die Leistungen der Arbeitsförderung und hierunter ausdrücklich das Kug (§ 19 Abs 1 Nr 4 SGB 1), ohne daß es einer inhaltlichen Klärung bedarf, ob und in welcher Weise sie im einzelnen zur Verwirklichung sozialer Rechte dienen (BSGE 56, 1, 2f = SozR 1200 § 44 Nr 9). Zwischen den "Leistungen" iS von § 144 Nrn 1 und 2 SGG besteht kein Unterschied. Diese wiederum entsprechen denen der "Sozialleistungen", soweit sie Ansprüche des einzelnen gegen die öffentliche Hand betreffen. Daher werden auch die zur Vorbereitung des Leistungsanspruchs gemäß § 72 Abs 1 Satz 4 AFG zu treffenden Entscheidungen über die dort genannten Anspruchsvoraussetzungen von den Bestimmungen des Berufungsausschlusses gemäß § 144 Abs 1 Nr 2 AFG erfaßt. Auf eine solche Entscheidung, die auch dazu dient, dem Arbeitgeber Entscheidungshilfen für die künftige Planung zu geben, weshalb sie unverzüglich getroffen werden soll, hat der Arbeitgeber als Prozeßstandschafter der Arbeitnehmer einen Anspruch, dh er hat einen Anspruch auf das Befinden über eine Sozialleistung. Da das SG die Berufung nicht zugelassen hat (§ 150 Nr 1 SGG) und es sich hier auch nicht um einen Kausalitätsstreit gemäß § 150 Nr 3 SGG handelt, kann somit die Berufung ungeachtet der Bestimmung des § 144 Nr 2 SGG im vorliegenden Falle gemäß § 150 Nr 2 SGG nur dann zulässig sein, wenn die Beklagte einen wesentlichen Mangel im Verfahren des SG gerügt hat und dieser auch tatsächlich vorliegt. Das ist hier der Fall, allerdings aus anderen Gründen, als es das LSG vorgenommen hat. Das folgt aus der Auslegung der von der Klägerin gestellten Anträge, die der Senat von sich aus vornehmen kann, da dies im Rahmen der Prüfung der Prozeßvoraussetzungen erforderlich ist.

Auszugehen ist nämlich hiernach davon, daß die Klägerin nicht, wie das LSG meint, eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben hat, sondern eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mit dem Ziel, einen Anerkennungsbescheid gemäß § 72 Abs 1 Satz 4 AFG zu erlangen. Dies hat das LSG bei seiner Auslegung des Klageantrages gemäß § 123 SGG nicht berücksichtigt. Es ist davon ausgegangen, daß der wörtliche Antrag der Klägerin vor dem SG ihrem wirklichen Begehren nicht entsprochen habe, weil ihr eigentliches Ziel die Gewährung der Leistung sei. Wie die Klägerin nunmehr in der Revisionsinstanz ausdrücklich hervorgehoben hat, begehrt sie in Wirklichkeit nur die Anerkennung der betrieblichen Voraussetzungen für das Kug nach den §§ 63 und 64 Abs 1 AFG. Da dies dem Wortlaut des Antrages der Klägerin vor dem SG entspricht, muß der Senat davon ausgehen, daß sie damit ihr tatsächliches Klageziel bezeichnet hat. Dafür spricht auch, daß sie im Schriftsatz vom 5. Dezember 1983 vor dem SG auf den Vortrag der Beklagten, es seien auch die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 65 AFG zu prüfen, ausdrücklich an ihrem bisher gestellten Antrag festgehalten und damit den ursprünglich in der Klageschrift gestellten Leistungsantrag nicht mehr aufrechterhalten hat. Dies hat zur Folge, daß das SG dadurch, daß es dem Begehren der Klägerin entsprochen hat, keine Zurückverweisung an die Verwaltung vorgenommen hat. Es hat dem Klageziel auf der Grundlage des § 72 Abs 1 Satz 4 AFG entsprochen.

Indes hat das SG bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, daß die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unzulässig war. Allerdings führt auch ein solcher schwerwiegender Mangel im Verfahren, der an sich von Amts wegen zu beachten ist, nicht ohne weiteres zur Zulässigkeit der Berufung. Vielmehr bedarf es im Hinblick auf die Statthaftigkeit des Rechtsmittels einer entsprechenden Rüge. Das heißt, es müssen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich der Mangel des Verfahrens vor dem SG ergibt (BSG SozR 1500 § 150 Nr 11). Das ist hier der Fall. Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Verfahrensrügen vor dem LSG ua geltend gemacht, daß nicht nur die Anerkennung der betrieblichen Voraussetzungen, sondern auch die Gewährung von Kug in den angefochtenen Bescheiden abgelehnt worden sei. Die Klägerin habe dagegen eine Anfechtungs- und Feststellungsklage erhoben, die nur dann zulässig sei, wenn nur der Anerkennungsantrag abgelehnt worden sei. Werde aber, wie hier, auch die Gewährung von Kug abgelehnt, so sei nur die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Damit hat die Beklagte die Tatsachen, die den Mangel im Verfahren des SG ergeben sollen, hinreichend dargelegt. Dieser Mangel liegt auch vor.

Die Klägerin hat eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben, die unzulässig ist, weil für sie kein Rechtsschutzinteresse besteht. Die Klägerin begehrt Kug. Für dieses Ziel steht ihr die kombinierte Anfechtungs- und Leistungs- klage gemäß § 54 Abs 4 SGG zur Verfügung. Hiernach kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt - wie hier - eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Mit der weniger weitreichenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kann die Klägerin ihr Begehren nicht unmittelbar und möglicherweise auch nicht ohne ein weiteres Verfahren erreichen. Die Rechtsordnung gibt dem Rechtsuchenden aber nur das Recht, den begehrten Rechtsschutz auf dem kürzesten Wege zu suchen, soweit ihm nicht ausdrücklich Wahlmöglichkeiten eingeräumt sind (BSGE 8, 3, 8; 41, 218, 219 = SozR 3100 § 35 Nr 3; Urteile des Senats vom 17. Mai 1983 - 7 RAr 13/82, insoweit in SozR 4100 § 63 Nr 2 nicht veröffentlicht -, 14. Februar 1985 - 7 RAr 68/83 - und 17. April 1986 - 7 RAr 71/84 -). Solche Wahlmöglichkeiten hatte die Klägerin nicht.

Sie hat mit ihrem Schreiben vom 19. März 1981 die Gewährung von Kug für ihre entsandten Mitarbeiter beantragt. Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 27. März 1981 die Gewährung dieser Leistung ausdrücklich abgelehnt. In dem Widerspruchsbescheid vom 3. August 1981 heißt es dann auch, das Arbeitsamt habe es zu Recht abgelehnt, den betroffenen Arbeitnehmern der Klägerin aus Anlaß des Arbeitsausfalles Kug zu gewähren. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin ihr Ziel, die Gewährung von Kug für ihre entsandten Arbeitnehmer auf dem kürzesten Wege nur dadurch erreichen, daß sie eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhob. Die von ihr eingelegte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kann allenfalls bewirken, daß ein Teil des Streitstoffes geklärt würde; insbesondere hätte nunmehr die Verwaltung über die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug zu befinden. Die Klägerin hat also einen Umweg beschritten, um ihr Ziel zu erreichen. Sie läuft außerdem Gefahr, ein neues gerichtliches Verfahren betreiben zu müssen. Für eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wäre daher nur Raum, wenn die angefochtenen Bescheide lediglich über die Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Kug nach den §§ 63 und 64 Abs 1 AFG entschieden hätten. Würde zeitlich danach die Leistung begehrt, hätte der Antragsteller die Möglichkeit, im Wege der Klageerweiterung eine Leistungsklage zu erheben. Ob dies in jedem Falle in seinem Belieben steht, ist unerheblich, denn hier ist entscheidend, daß die Klägerin von Anfang an ihr Klageziel mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen konnte. Dies war in dem von ihr in bezug genommenen Urteil des Senats vom 17. Mai 1983 nicht möglich, weil im Gegensatz zum vorliegenden Falle ein Leistungsantrag erst nach Erstattung der Anzeige gemäß § 64 Abs 1 Nr 4 AFG gestellt worden war, über den in den angefochtenen Bescheiden nicht entschieden war.

Ist hiernach die Berufung der Beklagten zulässig, dann muß sie schon deshalb Erfolg haben, weil die Klage unzulässig ist. Schon aus diesem Grunde hätte das LSG der Berufung der Beklagten stattgeben und die Klage abweisen müssen. Für eine Überprüfung des Begehrens der Klägerin in der Sache bestand daher kein Raum. Mit dieser Entscheidung verstößt der Senat nicht gegen den Grundsatz, daß auch im Revisionsverfahren das Gericht das angefochtene Urteil nicht zum Nachteil des Revisionsklägers ändern darf, wenn er nicht zugleich Revisionsbeklagter ist. Durch die Abweisung der Klage als unzulässig wird die Klägerin nicht in eine ungünstigere Lage versetzt als durch das ihre Klage als unbegründet abweisende Berufungsurteil. Das Berufungsurteil würde, wenn es rechtskräftig geworden wäre, die Beteiligten in der Sache binden (§ 141 Abs 1 SGG). Durch die Abweisung der Klage wegen des Fehlens einer Prozeßvoraussetzung erwächst lediglich die Entscheidung, daß die Prozeßvoraussetzung gefehlt hat, in Rechtskraft (Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 141 Anm 3b bb).

Die Revision kann nach allem keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659142

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