Leitsatz (amtlich)

Solange ein Bescheid über die Berechtigung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach ArVNG Art 2 § 51a nicht bindend geworden ist, kann der Berechtigte im Rahmen der gesetzlichen Belegungsvorschriften die Zahl und/oder die Klasse der nachzuentrichtenden Beiträge auch nach Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist (1975-12-31) noch erhöhen, indem er eine Änderung oder Ergänzung des Bescheides bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist oder - bei Einlegung eines Widerspruchs - bis zum Ablauf des Widerspruchsverfahrens beim Versicherungsträger beantragt und dieser einen entsprechenden neuen Bescheid erteilt (Fortführung von BSG 1980-02-22 12 RK 12/79; Abweichung von BSG 1979-06-07 12 RK 33/78, 1979-10-12 12 RK 49/78 und 3/79).

 

Normenkette

ArVNG Art 2 § 51a Abs 1 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1407 Abs 2 Fassung: 1957-02-23; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 01.12.1978; Aktenzeichen L 6 J 174/78)

SG Koblenz (Entscheidung vom 22.06.1978; Aktenzeichen S 1 J 607/77)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger berechtigt ist, noch im Widerspruchsverfahren den Umfang der Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 51a Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) zu erweitern, nachdem er zuvor (fristgerecht) einen konkretisierenden Nachentrichtungsantrag gestellt hat.

Der Kläger ist selbständiger Schreinermeister, Möbelhändler und Bestatter. Am 15. Juli 1975 beantragte er die Zulassung zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach Art 2 § 51a ArVNG in folgendem Umfang: Drei Beiträge für 1956, zehn Beiträge für 1958 und je sechs Beiträge für die Jahre 1959 bis 1961 jeweils in der Beitragsklasse 1000 zum Gesamtwert von 5.580,-- DM. Zugleich bat er um die Bewilligung der Ratenzahlung.

Die Beklagte entsprach mit Bescheid vom 29. März 1976 dem Antrag, verteilte die vom Kläger angegebene Gesamtsumme jedoch anders, teilweise aus Rechtsgründen, teilweise weil dies für den Kläger günstiger war (drei Beiträge für 1956 und zehn Beiträge für 1958 jeweils in der Klasse 600, zwölf Beiträge für 1959, zwölf Beiträge für 1960 und fünf Beiträge für 1961 jeweils in der Klasse 800).

Mit Schreiben vom 14. November 1976 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er den Bescheid erst vor wenigen Tagen erhalten habe. Er erhob Einwände gegen einen Teil der im Bescheid vorgenommenen Neuverteilung der Beiträge und teilte mit, er habe sich nunmehr entschlossen, weitere Beiträge für die Jahre 1961 bis 1972 im Gesamtwert von 13.752,-- DM zu entrichten. Dies lehnte die Beklagte jedoch ab (Bescheid vom 20. Dezember 1976). Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1977, Urteil des Sozialgerichts -SG- Koblenz vom 22. Juni 1978; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Rheinland-Pfalz vom 1. Dezember 1978).

Das LSG hat den Antrag des Klägers vom 15. Juli 1975 dahin ausgelegt, daß dort eine einmalige, genau im einzelnen umrissene Nachentrichtung begehrt wird. Die Beklagte habe diesem Begehren entsprochen. Eine Anfechtung sei nur insoweit möglich, als die Beklagte Veränderungen gegenüber dem Antrag vorgenommen habe. Im übrigen sei der Kläger nicht beschwert. Diese Auslegung werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, auch einen nicht näher spezifizierten Antrag zu stellen; denn hierdurch ändere sich nichts daran, daß ein Antrag, der vollständige Angaben über die Belegungszeiten und Beitragsklassen enthalte, nicht zugleich als fristwahrender formloser Antrag für weitere Beitragsentrichtungen angesehen werden könne. Ohne Erfolg berufe sich der Kläger schließlich darauf, ihm sei zugesichert worden, er könne seine Vorstellungen noch innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides anders konkretisieren. Eine solche Auskunft sei in dem Sinne zutreffend gewesen, daß er die Möglichkeit gehabt habe, die in dem Bescheid vorgenommenen Veränderungen anzufechten und auch noch bis Ende 1975 abweichende Anträge zu stellen. Dagegen sei es nicht möglich, Angaben, die in dem ursprünglichen Antrag nicht einmal andeutungsweise enthalten waren, nach Ablauf der Ausschlußfrist nachzuholen.

Mit der zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, daß es nur einen einheitlichen Antrag auf Zulassung zur Nachentrichtung gebe, ebenso wie es nur einen einheitlichen Rentenantrag gebe. Liege ein rechtzeitig gestellter Antrag vor, dann seien spätere Ergänzungen als Konkretisierung zu bewerten, nicht aber als neuer Antrag.

Teile man diese Auffassung jedoch nicht, so müsse berücksichtigt werden, daß der Kläger im Vertrauen auf die Zukunft des Sachbearbeiters beim Versicherungsamt der Stadt P davon ausgehen durfte, seinen Antrag später noch erweitern zu können. Die Absicht dazu habe schon 1975 bestanden. Der Kläger habe eine Ergänzung jedoch zunächst unterlassen, weil er nicht in den Bearbeitungsablauf seines Antrags eingreifen wollte.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts und des

Sozialgerichts aufzuheben und die Beklagte

unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Dezember 1976

in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom

28. Juli 1977 zu verurteilen, dem Kläger die

Nachentrichtung von Beiträgen nach Maßgabe

seines Schreibens vom 14. November 1976 zu

gestatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG.

Unter welchen Voraussetzungen ein Antrag auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Art 2 § 49a AnVNG (= Art 2 § 51a ArVNG) auch nach Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist (31. Dezember 1975) und nachdem der Versicherungsträger einen Bescheid über den Umfang der zulässigen Nachentrichtung erteilt hat, noch geändert werden kann, hat der Senat unter Zusammenfassung und Ergänzung, zum Teil allerdings auch in Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung im Urteil vom 22. Februar 1980 (12 RK 12/79) entschieden und dazu in den Gründen ausgeführt:

Die Nachentrichtung von Beiträgen nach den Sondervorschriften in Art 2 § 49a AnVNG erfolgt "auf Antrag". Damit hat der Gesetzgeber der Entrichtung der Beiträge - anders als bei der Beitragsnachentrichtung nach der allgemeinen Vorschrift in § 140 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) - ein Verwaltungsverfahren vorgeschaltet, das durch die Stellung eines Antrages eingeleitet und durch einen Bescheid des Versicherungsträgers abgeschlossen wird. Außerdem hat der Gesetzgeber für den Antrag eine Frist bis zum 31. Dezember 1975 gesetzt. Mit dieser Ausschlußfrist hat er den Kreis der Personen, die zu der - für sie in der Regel besonders günstigen (vgl BVerfGE 49, 192, 204 ff) - Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG berechtigt sind, auf diejenigen beschränkt, die bis zum Ablauf der genannten Frist einen Antrag gestellt haben. Da der Erwerb der Nachentrichtungsberechtigung somit von der fristgemäßen Stellung eines entsprechenden Antrages abhängig war, hat der Senat diesen Antrag in ständiger Rechtsprechung als rechtsgestaltend angesehen, und zwar auch insofern, als es nicht um das Recht zur Beitragsnachentrichtung überhaupt, sondern um den Umfang der Beitragsnachentrichtung (Zahl und Klasse der Beiträge) geht; er hat deshalb eine nachträgliche Änderung, insbesondere eine Erweiterung des Antrages, grundsätzlich für unzulässig gehalten (Urteile vom 7. Juni 1979, 12 RK 33/78, und vom 12. Oktober 1979, 12 RK 49/78 und 3/79).

Soweit es sich um die rechtliche Wirkung des Nachentrichtungsantrages im allgemeinen handelt, hält der Senat daran fest, daß der Antrag nicht nur die dargelegte verfahrensrechtliche Bedeutung hat (Einleitung eines Verwaltungsverfahrens), sondern daß er auch auf die materielle Rechtslage einwirkt, weil der Antragsteller, wie ausgeführt, erst mit der fristgemäßen Stellung des Antrags die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen in dem in Art 2 § 49a AnVNG vorgesehenen Rahmen erwirbt. Insofern hat der Antrag in der Tat gestaltende Wirkung. Ihm darüber hinaus eine Gestaltungswirkung auch für den Umfang der Beitragsnachentrichtung einzuräumen, würde voraussetzen, daß der Antrag entsprechend konkretisiert ist, dh die Zahl und Klasse der nachzuentrichtenden Beiträge sowie den Belegungszeitraum angibt. Gerade das trifft aber für eine große Zahl von Anträgen, insbesondere die kurz vor Ablauf der genannten Frist (31. Dezember 1975) gestellten, nicht zu. Dennoch haben die Versicherungsträger diese Anträge - als Anträge "dem Grunde nach" - für wirksam gehalten. Hiergegen sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben.

Wie in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anerkannt ist, genügt es, soweit das Gesetz die Stellung eines Antrags vorschreibt, daß der Berechtigte in erkennbarer Weise seinen Willen zum Ausdruck bringt, von seinem Antragsrecht Gebrauch zu machen (vgl zB BSG SozR Nrn 10 und 26 zu Art 2 § 42 ArVNG; SozR 446ß § 21 Nr 1; SozR 2200 § 1241d Nr 1; BSG-Urteile vom 1980-01-31 - 11 RA 36/79 - und vom 1980-02-21 - 4 RJ 53/79 -). Dies gilt unabhängig davon, ob der Antrag verfahrensrechtliche oder materielle Bedeutung hat. Diese Rechtsprechung berücksichtigt einerseits die Stellung des Bürgers, andererseits die Aufgabe der Verwaltungsbehörde im Rahmen eines sozialen Leistungssystems. Soweit dem Bürger vom Gesetzgeber Möglichkeiten sozialer Sicherung angeboten werden, kann er deren Auswirkungen auf seine besondere Situation oft nur schwer überschauen; daher muß es genügen, wenn er seinem Willen, von einem Recht Gebrauch zu machen, überhaupt erkennbaren Ausdruck gibt. Ist dies geschehen, so ist es Aufgabe der Verwaltung, dem Antragsteller bei der konkreten Gestaltung seines Rechts in dem je nach Lage des Einzelfalles gebotenen Umfange behilflich zu sein. Zu einer dem Wesen des Sozialstaats (Art 20 Abs 1 GG) entsprechenden Verwirklichung sozialer Rechte gehört auch ein Verwaltungsverfahren, das auf einem engen Zusammenwirken (Kooperation) des Antragstellers und des Versicherungsträgers beruht und eine sachgerechte Aufklärung und Beratung des Antragstellers durch den Versicherungsträger einschließt. Diesem Gedanken widerspräche es, bereits für den - oft entscheidenden - "Einstieg" in das Verfahren eine endgültige Festlegung aller Einzelheiten zu fordern oder aus einer etwaigen Festlegung von Einzelheiten deren Unabänderlichkeit zu folgern. Die Forderung nach einseitiger Präzisierung bereits im Antrag und das Festhalten des Antragstellers an einer im Antrag vorgenommenen Präzisierung würde bedeuten, daß der einzelne vorab das leistet, was eigentlich erst Aufgabe des Verfahrens ist, nämlich die sachgerechte Abgrenzung der Ansprüche unter Berücksichtigung des Zwecks der Normen und der besonderen Bedürfnisse des einzelnen. Im übrigen ist für Anträge auf Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG zu berücksichtigen, daß ein großer Teil der Antragsteller vorher nicht der Sozialversicherung angehört hatte, deshalb mit den Regeln der Beitragsentrichtung nicht vertraut war und bei der Beitragsnachentrichtung nach der genannten Sondervorschrift außerdem vor der - nicht selten schwierigen - Frage stand, für welche Zeiten und in welcher Beitragsklasse die Nachentrichtung zulässig und für sie am zweckmäßigsten war. Da insoweit eine sachgemäße Aufklärung durch den Versicherungsträger bis zum Ablauf der Antragsfrist häufig nicht mehr erfolgen konnte, andererseits das Gesetz jeden "Antrag", auch einen formlosen, nicht näher konkretisierten, wenn er nur fristgemäß gestellt war, genügen läßt, haben die Versicherungsträger mit Recht auch die noch Ende 1975 bei ihnen eingegangenen zahlreichen "Grundanträge" als wirksam angesehen. Da sie nicht konkretisiert waren, beschränkt sich ihre Gestaltungswirkung auf den Erwerb einer Nachentrichtungsberechtigung dem Grunde nach.

Eine Frist, bis zu der solche Anträge konkretisiert werden mußten, enthält das Gesetz nicht. Schon deshalb besteht keine rechtliche Notwendigkeit, eine später durch den Nachentrichtungsberechtigten erfolgte (und zur Ausübung des Nachentrichtungsrechts auch erforderliche) Konkretisierung in dem Sinne für abschließend zu halten, daß sie nicht mehr geändert werden könne. Da andererseits die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG - als eine zeitlich befristete Maßnahme - einmal zum Abschluß kommen muß, kann den Nachentrichtungsberechtigten keine zeitlich unbegrenzte Änderungsbefugnis zustehen. Als äußerste Grenze hat der Senat insoweit stets den Zeitpunkt der tatsächlichen Entrichtung der Beiträge angesehen. Sobald sie entrichtet sind, verbietet sich nach allgemeinen, nicht nur für die Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG geltenden Grundsätzen eine Änderung von Beitragsklasse und Belegungszeit (Urteil des Senats vom 13. September 1979, 12 RK 39/78, mit weiteren Nachweisen).

Aber auch für die Zeit vor der tatsächlichen Beitragsentrichtung kann der Berechtigte nicht uneingeschränkt befugt sein, nach Belieben von den einmal gewählten Beitragsklassen und Belegungszeiten abzuweichen (daß er keinen Anspruch auf Einräumung eines entsprechenden Vorbehalts in dem Nachentrichtungsbescheid des Versicherungsträgers hat, hat der Senat im Urteil vom 30. Januar 1980, 12 RK 13/79, entschieden). Das maßgebende Ereignis, nach dem die beantragte Beitragsnachentrichtung grundsätzlich nicht mehr geändert werden kann, ist vielmehr der Eintritt der Bindungswirkung des Bescheides, den der Versicherungsträger auf den Antrag hin erteilt. Daß ein solcher Bescheid zu ergehen hat, folgt aus dem gesetzlichen Antragserfordernis in Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG, dem auf seiten des Versicherungsträgers die Pflicht zur Bescheidung des Antrages entspricht. Dieser - das Verwaltungsverfahren abschließende - Bescheid legt die Berechtigung des Antragstellers zur Entrichtung von Beiträgen im einzelnen nach Zeit und Höhe fest. Als feststellender Verwaltungsakt kann er nach § 77 SGG in Bindung erwachsen (vgl BSGE 45, 247, 249). Mit dem Eintritt der Bindung des Bescheides erlischt deshalb grundsätzlich die Befugnis des Berechtigten, von den im Bescheid festgelegten Beitragsklassen und Entrichtungszeiträumen abzuweichen. Bis dahin, dh solange der Bescheid noch nicht bindend geworden ist, bleibt der Berechtigte dagegen - im Rahmen der gesetzlichen Belegungsvorschriften (vgl insbesondere Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG) - zur Änderung der von ihm beantragten und im Bescheid nach Grund, Zeit und Höhe festgestellten Beitragsnachentrichtung befugt. Das kann allerdings nur in einem geordneten Verwaltungsverfahren geschehen, indem der Berechtigte bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist oder - bei Einlegung eines Widerspruchs - bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens bei dem Versicherungsträger eine im einzelnen genau bezeichnete Änderung des ergangenen Bescheides beantragt und dieser darauf einen entsprechenden Änderungsbescheid erläßt. Daß auch ein bereits erteilter Bescheid noch geändert werden kann, hat die Beklagte (des früheren Rechtsstreits) im übrigen selbst angenommen und in einem Teil ihrer Nachentrichtungsbescheide den Bescheidempfängern sogar ausdrücklich zugestanden (vgl auch den vom Senat mit Urteil vom 13. September 1979, 12 RK 60/78, entschiedenen Fall).

Was hiernach für Nachentrichtungsanträge gilt, die bis zum Ablauf der Antragsfrist nicht konkretisiert waren, muß - schon aus Gründen der Gleichbehandlung aller Antragsteller - auch für diejenigen gelten, die noch vor Ablauf der Antragsfrist einen bereits konkretisierten Antrag gestellt hatten. Auch sie waren deshalb zur Änderung ihres Nachentrichtungsantrages bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens befugt.

Diese Ausführungen des Senats zur Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG gelten auch für den vorliegenden Fall, der eine Nachentrichtung nach der entsprechenden Vorschrift der Arbeiterrentenversicherung (Art 2 § 51a ArVNG) betrifft. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Nachentrichtung nach Abs 2 der genannten Vorschriften oder, wie hier, nach deren Absatz 1 erfolgen soll. Absatz 3 dieser Vorschriften, der das bei der Beitragsnachentrichtung anzuwendende Verfahren regelt und wegen der Unvollkommenheit der Regelung einer ergänzenden Rechtsfortbildung durch den Richter (vgl § 43 SGG) bedarf, wie sie der Senat in seinem Urteil vom 22. Februar 1980 vorgenommen hat, gilt in gleicher Weise für die Absätze 1 und 2 der genannten Vorschriften. Auch der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits hat deshalb nach Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist und nach Erteilung des Nachentrichtungsbescheides der Beklagten vom 29. März 1976 seinen Nachentrichtungsantrag noch während der gegen den Bescheid laufenden Widerspruchsfrist ändern können.

Mit seinem Änderungsantrag hat er allerdings nicht, wie der Kläger in dem am 22. Februar 1980 entschiedenen Fall, eine Herabsetzung der Nachentrichtungssumme, sondern umgekehrt deren Erhöhung begehrt. Auch eine solche Erhöhung ist indessen während der Dauer des Verwaltungsverfahrens noch zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob die gesetzliche Ausschlußfrist für Nachentrichtungsanträge (1975-12-31) nicht nur den Kreis der Nachentrichtungsberechtigten festlegen soll, sondern darüber hinaus auch den Zweck hat, den gesamten Umfang der von allen Nachentrichtungsberechtigten zu zahlenden Beiträge zu begrenzen und damit die - für die Berechtigten in vielen Fällen besonders günstige - Nachentrichtungsregelung für die Versichertengemeinschaft tragbar zu machen. Nachdem die Versicherungsträger mit Recht auch solche Nachentrichtungsanträge als wirksam angesehen haben, die bis zum Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist nur dem Grunde nach gestellt waren, so daß in allen diesen - sehr zahlreichen - Fällen der Umfang der nachzuentrichtenden Beiträge über das Ende des Jahres 1975 hinaus offenblieb und erst durch die spätere Konkretisierung der Anträge näher bestimmt wurde, hält es der Senat nicht für angemessen, daß in anderen Fällen, in denen bis Ende 1975 eine Konkretisierung erfolgt war, eine nachträgliche Erweiterung des Antrages allein mit der Begründung abgelehnt wird, sie seit mit dem Zweck der Ausschlußfrist unvereinbar. Auch der Kläger hat deshalb noch im November 1976, dh nach Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist und nach Erteilung des Nachentrichtungsbescheides vom 29. März 1976, die Summe seiner Nachentrichtungsbeiträge erhöhen können, sofern die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen war.

In einem solchen Fall ist es auch unerheblich, ob die Erhöhung durch Wahl einer höheren Beitragsklasse, Vermehrung der Zahl der Beiträge oder durch beides zugleich erfolgt. Nicht entscheidend ist ferner, ob der Antragsteller sich eine Erhöhung schon in dem ursprünglichen Antrag vorbehalten hatte oder ob dies, wie beim Kläger, nicht der Fall war.

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt hiernach davon ab, ob der dem Kläger von der Beklagten erteilte Nachentrichtungsbescheid vom 29. März 1976 schon bindend geworden war, als der Kläger mit seinem Schreiben vom 14. November 1976 die Nachentrichtung weiterer Beiträge beantragte. Da seit dem Datum des Bescheides mehr als sieben Monate vergangen waren, erscheint es möglich, daß die Widerspruchsfrist inzwischen abgelaufen war. Es ist also der Behauptung des Klägers nachzugehen, er habe den Bescheid erst einige Tage vor dem 14. November 1976 erhalten (zur Beweislast siehe Peters/Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage, 28. Nachtrag, SGG § 84 Anm 2).

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656213

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