Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe von Arbeitslosengeld

 

Beteiligte

…, Kläger und Revisionskläger

Bundesanstalt für Arbeit,Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Beteiligten streiten über die Höhe des ab 1. April 1986 an den Kläger gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg).

Der Kläger meldete sich am 1. April 1986 arbeitslos und beantragte Alg, nachdem er zuvor bis 31. Dezember 1985 bei der Firma M      & P       U                    GmbH als Personalberater tätig gewesen war. Nach den Feststellungen des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) erzielte der Kläger im Dezember 1985 bei seiner Arbeitgeberin ein Monatsgehalt in Höhe von 4.000,-- DM, Sachbezüge in Höhe von 269,40 DM und eine sog Zukunftssicherung in Höhe von 226,-- DM. Darüber hinaus wurde ihm ein von seiner geschäftlichen Leistung während des gesamten Jahres abhängiger Bonus in Höhe von 24.000,-- DM in einer Summe gezahlt.

Mit Bescheid vom 3. Juli 1986 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. April 1986 Alg, nach der Feststellung des LSG unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Monatsgehalts von 4.000,-- DM.

Der vom Kläger wegen der Höhe des Alg eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1987 als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg nach einem Bruttomonatsentgelt von 4.495,40 DM in gesetzlichem Umfang zu gewähren, weil neben dem Monatsverdienst von 4.000,-- DM die Sachbezüge und die Zukunftssicherung zu berücksichtigen seien (Urteil vom 14. September 1989). Das LSG hat die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Bonuszahlung sei gemäß § 112 Abs 2 Satz 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) aF bei der Berechnung des Alg als einmalige oder wiederkehrende Zuwendung nicht berücksichtigungsfähig; maßgeblich sei nur das laufende Arbeitsentgelt (Urteil vom 16. Dezember 1991).

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG idF des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (AFKG). Er führt aus, der Jahresbonus müsse als reguläres Arbeitsentgelt, das während des gesamten Jahres anteilmäßig im Monat verdient sei, bei der Bemessung des Alg berücksichtigt werden, da es sich nicht um eine Zuwendung iS des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG aF handele. Eine andere Auslegung sei mit Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar, weil einerseits kein sachlicher Grund vorliege, allein auf Zahlungsart und Zahlungszeitpunkt abzustellen, andererseits aber die Bonuszahlung in vollem Umfang der Beitragspflicht unterlegen habe. Es verstoße auch gegen Art 14 GG und das Sozialstaatsprinzip, aus einem bestimmten Gehalt Beiträge anzufordern, diese Gehaltsbestandteile dann aber bei der Berechnung der Sozialleistung selbst außer acht zu lassen, und widerspreche dem Äquivalenzprinzip, das der Sozialversicherung zugrunde liege.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG aufzuheben sowie unter Abänderung des Urteils des SG und des Bescheides vom 3. Juli 1986 idF des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1987 die Beklagte zu verurteilen, höheres Arbeitslosengeld nach einem Arbeitsentgelt bis zur Leistungsbemessungsgrenze von 5.600,-- DM zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die jährliche Bonuszahlung dürfe bei der Bemessung des Alg nicht berücksichtigt werden, da es sich insoweit um eine Zuwendung handele. Dieser Begriff sei als Gegensatz zum fortlaufend gezahlten Arbeitsentgelt zu verstehen; Zuwendungen seien hiernach Lohnbestandteile, die als Gegenleistung für die Arbeit in mehreren Lohnabrechnungszeiträumen in einer Summe gezahlt würden, so daß der Entgeltbestandteil nicht in jedem Lohnabrechnungszeitraum, in dem er erarbeitet werde, zur Verfügung stehe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien Zuwendungen unabhängig davon, ob sie begrifflich als einmalige oder wiederkehrende anzusehen seien, von der Berücksichtigung als Arbeitsentgelt bei der Bemessung des Alg gänzlich ausgeschlossen.

II

Die Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet, da der Senat in Ermangelung tatsächlicher Feststellungen durch das LSG nicht in der Lage ist zu entscheiden, ob dem Kläger für die Zeit ab 1. April 1986 mehr an Alg zusteht, als ihm zugesprochen worden ist. Es fehlen bereits Feststellungen darüber, in welcher Höhe dem Kläger von der Beklagten Alg zugesprochen worden ist.

Nach § 111 Abs 1 AFG - hier idF des am 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (7. AFG-ÄndG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) - beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 4 und 5 EStG hat, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 68 vH, für die übrigen Arbeitslosen 63 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112). Gemäß § 111 Abs 2 AFG bestimmt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Leistungssätze unter Berücksichtigung der Steuerklasse und anderer Kriterien jeweils für ein Kalenderjahr durch Rechtsverordnung. Arbeitsentgelt iS des § 111 Abs 1 AFG ist - hier nach § 112 Abs 2 AFG idF des insoweit am 1. Januar 1982 in Kraft getretenen AFKG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) - das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Einmalige und wiederkehrende Zuwendungen bleiben außer Betracht; dies gilt auch für Zuwendungen, die anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin endet. Bemessungszeitraum sind gemäß § 112 Abs 3 Satz 1 AFG - hier idF des 7. AFG-ÄndG - die letzten vor dem Ausscheiden des Klägers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor Entstehung des Anspruchs.

Zwar hat der Kläger seine Einwände gegen die Alg-Bewilligung auf die Nichtberücksichtigung der Bonuszahlung beschränkt. Wenn mit der Klage eine höhere Leistung begehrt wird, ist jedoch, was das LSG nicht beachtet hat, der geltend gemachte Anspruch unter jeglichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten zu prüfen, bevor die Klage ganz oder teilweise abgewiesen wird. Das Gericht ist weder an das tatsächliche und rechtliche Vorbringen des Klägers hierzu gebunden, noch darf es seine Prüfung hierauf beschränken, wenn weitere Anspruchsmerkmale von Bedeutung sind (BSGE 67, 20, 21 = SozR 3-4100 § 138 Nr 3; BSG SozR 4100 § 136 Nr 5; BSG SozR 4100 § 138 Nr 24). Dies folgt aus § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein, und aus dem Amtsermittlungsprinzip des § 103 SGG. Klageziel ist hier die Gewährung von höherem Alg als bewilligt. Wie sich dieses den Streitgegenstand bestimmende Klageziel erreichen läßt, ist nicht entscheidend; erheblich ist allein, ob die Rechtslage ein höheres Alg rechtfertigt.

Diese Frage kann vom Senat nicht beantwortet werden; das LSG hat nämlich tatsächliche Feststellungen, die für die Höhe des Alg von Bedeutung sind, alleine insoweit getroffen, als es einen monatlichen Bruttoverdienst von 4.000,-- DM, 226,-- DM an Zukunftssicherung und 269,40 DM an Sachbezügen - die beiden letzteren ohne nähere Spezifizierung - angenommen hat, wobei es bei seiner Beurteilung fälschlicherweise nur vom Entgelt des Monats Dezember 1985 ausgegangen ist. Diese Fakten genügen jedoch nicht, um die Richtigkeit der Höhe des dem Kläger bewilligten Alg nachvollziehen zu können. Selbst die Höhe der dem Kläger tatsächlich gewährten Leistung ist nicht festgestellt. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des SG, das das LSG bestätigt hat. Das SG hat nämlich die Beklagte verurteilt, Alg nach einem Bruttomonatsentgelt von 4.495,40 DM in gesetzlichem Umfang zu gewähren, die Klage jedoch im übrigen abgewiesen, weil die Bonuszahlung von 24.000,-- DM nicht bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen sei, ohne gleichzeitig deutlich zu machen, in welcher Höhe genau dem Kläger Alg zusteht. Es hat damit lediglich ein Grundurteil erlassen (§ 130 SGG).

Zu Recht ist das LSG freilich bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß der Jahresbonus in Höhe von 24.000,-- DM bei der Berücksichtigung des Arbeitsentgeltes iS des § 112 Abs 2 AFG aF nicht - auch nicht anteilmäßig - zu berücksichtigen ist; es handelt sich hierbei nämlich um eine einmalige oder wiederkehrende Zuwendung, die nach § 112 Abs 2 Satz 3 AFG idF des AFKG bei der Bemessung von Alg außer Betracht bleibt. Dieser Begriff ist im Gesetz nicht näher erläutert. Er ist nach der Rechtsprechung des BSG als Gegensatz zum fortlaufend gezahlten Arbeitsentgelt zu verstehen (BSG SozR 4100 § 112 Nr 25; BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn 1 und 11; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand August 1992, § 112 RdNr 6; GK-AFG, Stand November 1992, § 112 RdNr 20; aA Gagel, AFG, Stand Mai 1991, § 112 RdNr 162). Fortlaufend gezahltes Arbeitsentgelt sind Lohnbestandteile, die als Gegenleistung für die jeweils im Abrechnungszeitraum erbrachte Arbeit gezahlt werden; Zuwendungen sind Lohnbestandteile als Gegenleistung für die Arbeit in mehreren Lohnabrechnungszeiträumen in einer Summe, die somit nicht in jedem Lohnabrechnungszeitraum, in dem sie erarbeitet sind, zur Verfügung stehen (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 11). Der Begriff der Zuwendung betrifft also das für mehrere Abrechnungszeiträume gezahlte Arbeitsentgelt, das vom Gesetzgeber in anderen Berechnungsvorschriften als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bezeichnet wird (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 11). Einmalige Zuwendungen sind dabei solche, die nicht in ständiger Wiederholung gezahlt und dem Arbeitnehmer in der Regel aus besonderen Anlässen gewährt werden, während unter wiederkehrenden Zuwendungen solche Leistungen verstanden werden, die nicht laufend, sondern im Laufe des Jahres nur einmal oder in mehrmonatigen Abständen erbracht werden, auch wenn sie fester Bestandteil des jährlichen Arbeitsentgelts sind (GK-AFG, aaO).

Letztlich kommt es auf diese begriffliche Unterscheidung nicht an, da der Gesetzgeber durch § 112 Abs 2 Satz 3 AFG idF des AFKG die Berücksichtigung von Zuwendungen - sei es, daß sie einmalig, sei es, daß sie wiederkehrender Natur sind - gänzlich ausgeschlossen hat (BSG SozR 4100 § 112 Nr 25; BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn 1 und 11). Dies ergibt sich, wie das BSG in früheren Urteilen bereits ausführlich dargelegt hat (BSG SozR 4100 § 112 Nr 25; BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn 1 und  11), aus Inhalt und Zweck der Bestimmung unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte, ihres Wortlauts und der mit ihr verbundenen gesetzgeberischen Absicht.

Es ist nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger als Arbeitnehmer aufgrund seiner Arbeitstätigkeit am Jahresende mit einer Bonuszahlung rechnen konnte. Gerade dieser Fall ist nämlich in § 112 Abs 2 Satz 3 Halbs 2 AFG aF in Form des aufgestauten Arbeitsentgeltes erfaßt, so daß es unmaßgeblich ist, aus welchen Motiven Zusatzzahlungen gewährt werden und ob sie Entgeltcharakter aufweisen. Die Vorschrift des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG aF stellt ausschließlich auf die Art des regelmäßigen laufenden Zuflusses ab; es ist somit bedeutungslos, ob statt der konkret vereinbarten Zusatzzahlungen andere Formen der Zahlung, zB Zahlung in 12 gleichen Monatsraten, zusammen mit dem Festgehalt hätten vereinbart werden können, solange dies tatsächlich nicht geschieht (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 1).

Anderes kann entgegen der Ansicht des Klägers nicht dem Urteil des Senats vom 15. Februar 1990 - 7 RAr 78/88 - (SozR 3-7825 § 3 Nr 1) entnommen werden. In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob die Nachzahlung einer rückwirkend (tarifvertraglich) vereinbarten Lohnerhöhung während des Bemessungszeitraums für die Höhe des Zuschusses zum Vorruhestandsgeld bedeutsam ist. Hierzu hat der Senat ausgeführt, derartige Nachzahlungen stellten keine Zuwendungen iS des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG aF dar, sondern seien neues laufendes Arbeitsentgelt. Der Entscheidung liegt hinsichtlich des Begriffs der Zuwendung ersichtlich kein abweichendes Verständnis zugrunde.

Ein dem Kläger günstigeres Ergebnis läßt sich schließlich nicht aus § 112 Abs 7 AFG - hier idF des insoweit am 1. Januar 1984 in Kraft getretenen Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) - herleiten. Danach ist ua dann vom am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung vom ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt, wenn es mit Rücksicht auf die vom Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre, vom Arbeitsentgelt nach den Abs 2 - 6 auszugehen. Abgesehen davon, daß es hier um die Berücksichtigung eines gerade im Bemessungszeitraum zugeflossenen höheren Arbeitsentgelts geht, der Kläger sich also auf eine im Verhältnis zum laufenden Arbeitsentgelt für davorliegende Zeiten günstigere Bemessung aus dem "letzten" Entgelt beruft, würde die Einbeziehung einmaliger oder wiederkehrender Zuwendungen in diese Vergleichsberechnung dazu führen, daß der generelle Ausschluß besonderer Zahlungen iS des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG aF auf dem Umweg über § 112 Abs 7 AFG konterkariert würde (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 1).

Diese Auslegung des § 112 AFG aF verstößt nicht gegen die Verfassung, wie das BSG mehrfach entschieden hat (BSG SozR 4100 § 112 Nr 25; BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn 1 und 11). Sie steht sowohl mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 GG) als auch mit der Eigentumsgarantie (Art 14 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1, 28 Abs 1 Satz 1 GG) in Einklang. Das Abstellen auf die Zahlungsweise bei der Auslegung des Begriffs der Zuwendung ist nicht in einem solchen Maße sachwidrig, daß Art 3 GG verletzt wäre. Denn die Ordnung der Arbeitslosenversicherung wird entgegen der Ansicht des Klägers, der sich zu Unrecht auf eine nicht einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 51, 1 ff = SozR 2200 § 1315 Nr 5 = NJW 1979, 2295 ff) zum Rentenversicherungsrecht stützt, nicht von der Notwendigkeit einer Äquivalenz zwischen Beitrags- und Versicherungsleistung beherrscht (BSGE 43, 255, 266 = SozR 4100 § 80 Nr 1; BSG SozR 4100 § 112 Nrn 3 und 25; BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn 1 und 11).

Zur Gestaltung dieser Ordnung besitzt der Gesetzgeber anerkanntermaßen einen weiten Spielraum, der es sogar rechtfertigt, Arbeitsentgelte solcher Arbeitnehmer der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit zu unterwerfen, die wegen des Bezugs anderweitiger Sozialleistungen im Fall der Arbeitslosigkeit regelmäßig überhaupt kein Alg erhalten können (BVerfGE 53, 313 ff = SozR 4100 § 168 Nr 12). Das BVerfG hat unter Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung sozialversicherungsrechtlicher Systeme generell von Verfassungs wegen nicht gehalten sei, Geldleistungen der Höhe nach in voller Äquivalenz zu den Beiträgen festzusetzen, entschieden, daß insbesondere die individuellen Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit angesichts der für die Arbeitslosenversicherung typischen kurzen Anwartschaftszeiten, des extrem kurzen Bemessungszeitraums und der üblicherweise kurzen Leistungsbezugszeit als vorrangiger Maßstab nicht in Betracht kommen (BVerfGE 51, 115, 124 f = SozR 4100 § 112 Nr 10).

Es liegt auch kein Verstoß gegen Art 14 GG vor. Zwar unterliegen Ansprüche und Anwartschaften auf Alg dem Eigentumsschutz (vgl BVerfGE 72, 9, 18 ff = SozR 4100 § 104 Nr 13); indessen ergibt sich die konkrete Reichweite dieses Schutzes erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die der Gesetzgeber vorzunehmen hat. Eigentumsschutz setzt damit eine gesetzlich anerkannte Rechtsposition voraus (BVerfGE 83, 201, 208 f). Bereits hieran mangelt es vorliegend, weil der Alg-Anspruch des Klägers auf einer Anwartschaft beruht, die er erst nach Inkrafttreten des AFKG, also nach dem 1. Januar 1982, erworben hat. Schon das AFKG hatte jedoch die Änderung des § 112 Abs 2 aF AFG iS der Nichtberücksichtigung der Zuwendungen normiert, und zwar zulässigerweise, nämlich gedeckt durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Ziel des AFKG war es, die Arbeitsförderung funktionsfähig zu erhalten und hierbei auch die Anpassung von Leistungen an die Finanzsituation vorzunehmen (BT-Drucks 9/846 S 31). Dementsprechend ist auf Vorschlag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) die Fassung beschlossen worden, die § 112 Abs 2 Satz 3 AFG durch das AFKG erhalten hat (BT-Drucks 9/966 S 20). Zur Begründung wurde ua angegeben, im Hinblick auf die veränderten wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen habe es der Ausschuß für vertretbar gehalten, Mehrarbeitszuschläge und aufgelaufene Arbeitsentgelte bei der Bemessung des Alg nicht mehr zu berücksichtigen. Diese Entgelte, die unter besonderen Voraussetzungen gezahlt würden, gehörten nicht zum gewöhnlichen laufenden Arbeitsentgelt, mit dem der Arbeitnehmer rechnen könne (BT-Drucks 9/966 S 79 zu Art 1 § 1 Nr 32 - § 112 AFG). Gemeint sind damit der arbeitslose Arbeitnehmer und dessen am Tarifgefüge orientierte Lohnchancen bei einem neuen Arbeitgeber (Urteil des Senats vom 22. März 1989 - 7 RAr 104/87). Dem Gesetzgeber ging es also bei der vorgenommenen Änderung des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG um die Beseitigung einer nicht mehr als tragbar empfundenen Gesetzeslage. Die Änderung diente ferner dem öffentlichen Interesse an einer Anpassung und Konsolidierung der Arbeitsförderung, indem sie dazu beitrug, die Leistung an die Finanzsituation der Bundesanstalt anzugleichen, wozu die neuen Regelungen des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG geeignet waren, ohne daß sie übermäßig belastend wirkten.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 51, 115, 124 f = SozR 4100 § 112 Nr 10) verstößt die durch das AFKG geschaffene Rechtslage schließlich nicht gegen das Sozialstaatsgebot, da der Gesetzgeber den Anforderungen des Art 20 Abs 1 GG genügt, wenn dem Arbeitslosen nur ein angemessener Ersatz für den Ausfall gewährleistet wird, den er erleidet; der Gesetzgeber ist durch das Gebot des sozialen Rechtsstaats nicht verpflichtet, eine Ausgestaltung des Systems der Arbeitslosenversicherung vorzusehen, die dem Arbeitslosen die Aufrechterhaltung seines bisherigen Lebensstandards in vollem Umfang ermöglicht.

Die Zurückverweisung der Sache an das LSG beruht auf § 170 Abs 2 Satz 2 SGG. Bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das LSG Feststellungen zum Arbeitsentgelt für den richtigen Bemessungszeitraum unter Berücksichtigung der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden, zu den Voraussetzungen des § 111 Abs 1 AFG aF (Familienstand) und zur maßgeblichen Lohnsteuerklasse zu treffen haben. Es wird außerdem zu prüfen haben, welche Bescheide im Rahmen des Widerspruchs-, des Klage- und des späteren Verfahrens ergangen sind, die gemäß §§ 86, 96 SGG ggf in die Entscheidung einzubeziehen sind. Hier ist ua auf Bescheide hinzuweisen, mit denen dem Kläger rückwirkend ab 1. April 1986 höheres Alg (unter Berücksichtigung der gezahlten Zukunftssicherung und der Sachbezüge) gewährt worden ist und die nach §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind, da es sich weder um Ausführungsbescheide iS des § 154 Abs 2 SGG gehandelt hat noch um Abhilfebescheide, die den Kläger völlig klaglos gestellt haben (vgl BSG SozR 1500 § 96 Nr 12). Angesichts der ohnedies erforderlichen Zurückverweisung kommt es nicht darauf an, daß die Beteiligten die Verletzung des § 96 SGG im Revisionsverfahren nicht gerügt haben (vgl BSG SozR 1500 § 53 Nr 2). Das LSG ist ferner nicht gehindert, auch Bescheide zu berücksichtigen, die bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden sind (vgl BSGE 61, 45, 48 mwN = SozR 4100 § 113 Nr 5). Das SG hat versehentlich nicht über den gesamten Streitgegenstand befunden (vgl hierzu BSG Breithaupt 1978, 864, 869), so daß an sich die Voraussetzungen des § 140 SGG für ein Urteilsergänzungsverfahren vorlagen. Mit der Zurückverweisung der Sache an das LSG ist der Rechtsstreit jedoch wiederum im Rahmen des § 170 Abs 5 SGG so zu behandeln, als wäre die Sache erstmals im Berufungsverfahren zum LSG gelangt (vgl ua Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Kapitel RdNr 396). Das LSG wird schließlich über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517865

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