Leitsatz (amtlich)

Die BVGVwV § 30 Nr 4 vom 1965-01-23 idF des 2. NOG- KOV mit ihren zum Teil erhöhten Mindesthundertsätzen für erhebliche äußere Körperschäden hat - anders als allgemeine Verwaltungsvorschriften - den Charakter einer Rechtsnorm. Sie ist deshalb nicht schon mit dem Erlaß des 2. NOG KOV am 1964-01-01 in Kraft getreten, sondern erst mit dem 14. Tage nach Ablauf des Tages, an dem sie im BAnz 1965 Nr 19 verkündet worden ist (entsprechende Anwendung des VO-VerkG vom 1950-01-30 - BGBl 1950, 23).

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1964-02-21; BVGVwV § 30 Nr. 4 Fassung: 1965-01-23

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. Januar 1966 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger ist Beschädigter aus dem ersten Weltkrieg; er erhielt seit 1. August 1952 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. (vordem 50 v. H.) für folgende als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannten Gesundheitsstörungen: "1. Verlust des linken Unterschenkels, 2. Verlust von 12 Zähnen im Unterkiefer, 3. reizlose Narben am rechten Oberschenkel".

Einen vom Kläger im Oktober 1960 gestellten Verschlimmerungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 7. Juni 1962 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 1963 ab. Das Sozialgericht (SG) Schleswig hat die Klage mit Urteil vom 25. August 1964 abgewiesen. Während des beim Landessozialgericht (LSG) anhängigen Berufungsverfahrens hat der Beklagte auf Grund der geänderten Verwaltungsvorschriften (VerwV) zu § 30 BVG (Fassung vom 23. Januar 1965) den gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordenen Bescheid vom 5. August 1965 erteilt, mit dem er dem Kläger ab 1. Februar 1965 Rente nach einer MdE um 50 v. H. gewährte. Das LSG hat die auf Rente nach einer MdE um 50 v. H. für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis 31. Januar 1965 beschränkte Berufung des Klägers mit Urteil vom 13. Januar 1966 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG, wonach für erhebliche äußere Körperschäden Mindesthundertsätze festgesetzt werden können, durch Art. I des Zweiten Neuordnungsgesetzes (NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) eingefügt worden sei. Art. I des 2. NOG sei zwar am 1. Januar 1964 in Kraft getreten (Art. VI § 5 des Gesetzes), jedoch könne der Kläger hieraus keine Rückwirkung seines Anspruchs auf eine höhere Einstufung der MdE herleiten, denn die ab 1. Januar 1964 wirksame Ermächtigung bedeute noch keineswegs, daß die neuen Mindesthundertsätze bereits von diesem Zeitpunkt an Geltung haben müßten. Die Kann-Bestimmung in § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG habe es dem pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung überlassen, wann sie von der Ermächtigung Gebrauch machen wolle. Die auf Grund dieser Ermächtigung in der Neufassung der allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BVG (veröff. im BAnz Nr. 19 v. 29. Januar 1965) vorgenommene Festsetzung von Mindesthundertsätzen für äußere Körperschäden stelle eine wesentliche Änderung der Verhältnisse rechtlicher Art dar, die mit dem Inkrafttreten der VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG (Februar 1965) eingetreten sei. Die Rente des Klägers sei somit zutreffend ab 1. Februar 1965 neu festgesetzt worden, was auch durch den Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 1. Juni 1965 (BVBl 1965/8 S. 91 Nr. 55) unterstrichen werde. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine rückwirkende Feststellung nach § 62 Abs. 1 BVG nicht zulässig. Da es sich bei dem Bescheid vom 5. August 1965 nicht um einen Zugunstenbescheid nach § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes handle könne es dahingestellt bleiben, ob - in einem Zugunstenverfahren - trotz des Erlasses des BMA die erhöhte Rente bereits ab 1. Januar 1964 hätte gewährt werden können. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt. Er beantragt,

unter Aufhebung der Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 13. Januar 1966 und des SG Schleswig vom 25. August 1964 sowie in Abänderung des Bescheides vom 5. August 1965 den Beklagten zu verpflichten, einen neuen Bescheid dahin zu erteilen, daß ihm ab 1. Januar 1964 Rente nach einer MdE um 50 v. H. gewährt wird.

Zur Begründung der Revision bringt der Kläger vor, daß das LSG § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG idF des 2. NOG verletzt habe. Die Feststellung des LSG, daß § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG durch Art. I des 2. NOG eingefügt worden sei, sei unzutreffend und rechtsirrtümlich, weil bereits die Erstfassung des BVG (BGBl 1950 S. 791), wenn auch in § 30 Abs. 1 Satz 2, die Vorschrift über Mindesthundertsätze für erhebliche äußere Körperschäden enthalten habe. Davon abgesehen stellten die allgemeinen Verwaltungsvorschriften im Gegensatz zu den Rechtsverordnungen nur Anweisungen allgemeiner Art - gerichtet an die Verwaltungsbehörden - zur Anwendung und Auslegung von Gesetzen dar. Ihre Zweckbestimmung bestehe in der Sicherstellung der gleichmäßigen Anwendung bestimmter Gesetzesvorschriften auf eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle. Für ihre Gültigkeit bedürfe es weder einer formellen Verkündung noch einer Veröffentlichung im technischen Sinne, sondern nur der Zustellung an die, die es angehe. Diese Zustellung werde u. a. durch die Veröffentlichung im Bundesanzeiger bewirkt. Während bei Gesetzen und Rechtsverordnungen eine mangelnde Bestimmung über den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens das Inkrafttreten mit dem 14. Tage nach Ablauf des Tages, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden sei, bewirke, gelte dies für Verwaltungsvorschriften nicht. Die Gültigkeit von Verwaltungsvorschriften trete in der Regel zur gleichen Zeit mit der der Gesetzesvorschrift ein. zu deren Erläuterung und Auslegung sie erlassen worden seien. Nur dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift - später - geändert werde, ohne daß auch eine Gesetzesänderung erfolge, könne nach der geänderten Verwaltungsvorschrift erst vom Zeitpunkt ihres Erlasses an verfahren werden, es sei denn, ihr sei ausdrücklich rückwirkende Kraft beigelegt worden. Da aber mit der Gesetzesänderung durch das 2. NOG auch die Verwaltungsvorschriften allgemein geändert worden seien, müßten die geänderten Verwaltungsvorschriften von dem Tage an angewendet werden, an dem das Änderungsgesetz in Kraft getreten sei. Dies sei aber der 1. Januar 1964 und nicht der 1. Februar 1965, wie das LSG angenommen habe. Hierfür spreche auch das Urteil des BSG vom 24. August 1956 (BSG 3, 217. 223), zur Frage des Inkrafttretens der Verwaltungsvorschriften zur Zweiten Novelle zum BVG vom 7. August 1953. Ein anderes Ergebnis erscheine auch schlechthin unmöglich, wenn berücksichtigt werde, daß die Verwaltungsvorschriften vom 23. Januar 1965 - wenn auch mit einiger Verspätung gegenüber dem 2. NOG - erlassen worden seien, um eine einheitliche Anwendung insbesondere auch der neuen materiell-rechtlichen Bestimmungen des 2. NOG zu gewährleisten. Es erscheine auch ausgeschlossen, daß bestimmte "Neufassungen" der Verwaltungsvorschriften den Zeitpunkt des Inkrafttretens der übrigen Verwaltungsvorschriften nicht teilen sollten. Dabei werde der Auffassung des BMA im Rundschreiben vom 1. Juni 1965 (V/2-5107.1-2884/65) durchaus zugestimmt, soweit sie den Rechtsstandpunkt vertrete, daß die Verwaltungsvorschriften ihrem Sinn und Zweck nach auch rechtliche Wirkung auf Dritte hätten und insofern Rechtssatzcharakter besäßen. Zur Frage des Anwendungsbeginns der Verwaltungsvorschriften könne ihr allerdings schon deswegen nicht gefolgt werden, weil im Rundschreiben vom 18. Oktober 1953 (vgl. Wilke, KOV 1954 S. 135, 137 Anm. 1) die gegenteilige Auffassung vertreten worden sei.

Der Beklagte beantragt,

die Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 13. Januar 1966 als unbegründet zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und läßt dahingestellt, ob dessen Ausführungen hinsichtlich der Feststellung, § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG sei durch Art. I des 2. NOG eingefügt worden, fehlsam oder nur mißverständlich seien, da diese Feststellung keinerlei Einfluß auf das ergangene Urteil gehabt habe. Er ist mit dem LSG der Auffassung, daß der Zeitpunkt des Inkrafttretens der neugefaßten VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG in den Monat Februar 1965 falle. Mindesthundertsätze für erhebliche äußere Körperschäden seien schon in der VerwV Nr. 7 zu § 30 BVG aF festgelegt gewesen, nur für einige Schädigungsfolgen seien erhöhte Sätze neu eingeführt worden. Maßgeblich hierfür seien allein zwischenzeitlich gewonnene medizinische Gesichtspunkte gewesen, so daß aus der Tatsache, daß im Zuge der allgemeinen Änderung der Verwaltungsvorschriften auch die VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG neu gefaßt worden sei, nicht geschlossen werden könne, daß es sich um eine Neuregelung nach dem 2. NOG handle mit der Folge, daß die zu erbringenden Versorgungsleistungen mit dem 1. Januar 1964 beginnen müßten. Die Änderung der Verwaltungsvorschriften hätte jederzeit und völlig unabhängig vom 2. NOG erfolgen können. Im übrigen habe die VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG, obwohl im allgemeinen Verwaltungsvorschriften kein materielles Recht zu setzen vermöchten, ausnahmsweise Rechtssatzcharakter, weil sie auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruhe und deren Rahmen ausfülle. Auf sie seien deshalb die Normen anzuwenden, die den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Rechtsverordnung regeln.

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden; sie ist daher zulässig, der Sache nach aber nicht begründet.

Die Beteiligten streiten nur darüber, ob dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis 31. Januar 1965 Rente nach einer MdE um 50 v. H. zusteht. Das LSG hat zunächst zutreffend ausgeführt, daß die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Schleswig vom 25. August 1964 im Hinblick auf § 148 Nr. 3 SGG nicht ausgeschlossen gewesen sei, weil sie die Schwerbeschädigteneigenschaft betroffen habe. Der Kläger hat zwar in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG nur noch die Gewährung von Rente für einen abgelaufenen Zeitraum (§ 148 Nr. 2 SGG) beantragt. weil der gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Bescheid vom 5. August 1965 ihn für die Zeit ab 1. Februar 1965 klaglos gestellt hatte; das vermag jedoch nichts daran zu ändern - und darauf kommt es hier entscheidend an -, daß die Berufung im Zeitpunkt ihrer Einlegung eine Dauerrente nach einer MdE um 50 v. H. betraf. Es genügt zwar, wenn nur einer der in § 148 SGG aufgezählten Ausschließungsgründe vorliegt (vgl. BSG in SozR SGG § 148 Nr. 24), um die Berufung unzulässig zu machen, sofern eine Veränderung des Streitgegenstandes auf Grund einer freiwilligen Entschließung des Klägers in Betracht kommt (vgl. BAG in NJW 1957 S. 478 Nr. 33; BGH in NJW 1965 S. 761 Nr. 13). Im vorliegenden Falle war jedoch der vom Beklagten erlassene Bescheid vom 5. August 1965 für die Einschränkung der Berufung maßgeblich, nicht dagegen eine freiwillige Entschließung des Klägers, weshalb dagegen, über die Berufung sachlich zu entscheiden, keine Bedenken bestehen. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht des LSG, die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG sei durch das 2. NOG eingefügt worden, wenn damit gesagt werden sollte, daß es sich dabei um eine neue Bestimmung handle, die vorher nicht vorhanden gewesen sei und deshalb eine wesentliche Änderung des Gesetzes darstelle. Die Revision hat zutreffend ausgeführt, daß die Ermächtigung, "für erhebliche äußere Körperschäden Mindesthundertsätze" festzusetzen, seit Inkrafttreten des BVG (1. Oktober 1950) bestanden hat. Wenn sie außerdem einräumt, bei Änderung einer Verwaltungsvorschrift ohne vorausgehende Gesetzesänderung könne, wenn sich die VerwV nicht selbst Rückwirkung beilege, erst vom Zeitpunkt des Erlasses an nach ihr verfahren werden, dann ist dem zuzustimmen. Um so weniger kann aber dann der Kläger damit argumentieren, daß deshalb, weil das 2. NOG überhaupt (andere) Änderungen und Ergänzungen gebracht habe, die zeitliche Wirksamkeit der später erlassenen Verwaltungsvorschriften mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zusammenfallen müssen. Genausowenig überzeugend ist, wenn die Revision die VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG einerseits als allgemeine Verwaltungsvorschrift (als Anweisung allgemeiner Art) bezeichnet, andererseits aber der Auffassung des BMA im Rundschreiben vom 1. Juni 1965 (BVBl 1965 S. 91 Nr. 55) zustimmt. wonach sie Rechtssatzcharakter besitze und Allgemeinverbindlichkeit beinhalte. Im übrigen ist dem Beklagten zuzustimmen, daß die Verwaltungsvorschriften zum Gesetz jederzeit geändert werden können und damit auch ihre zeitliche Wirksamkeit bestimmt wird, handelt es sich doch in der Regel dabei um Vorschriften, die nur verwaltungsinterne Verbindlichkeit besitzen und sich dadurch von Rechtsnormen unterscheiden. Darüber hinaus trifft - in Übereinstimmung mit dem Rundschreiben des BMA aaO - aber auch zu, daß die VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG den Ausfluß einer gesetzlichen Ermächtigung für die Festsetzung der MdE mit Rechtssatzcharakter und Allgemeinverbindlichkeitswirkung darstellt. Dies bedeutet, daß die Verwaltungsvorschriften zum BVG vom 23. Januar 1965 (veröffentl. im BAnz Nr. 19 1965 am 29. Januar 1965) unterschiedlichen Rang besitzen. Soweit sie auf Grund einer Ermächtigung des Gesetzgebers ergangen sind, kommt ihnen die rechtliche Bedeutung von Rechtsnormen zu, sonst nur die von allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Nicht unbeachtet kann dabei bleiben, daß das 2. NOG wie bereits erwähnt weder wörtlich noch sinngemäß eine Änderung der Ermächtigung hinsichtlich der Festsetzung von Mindesthundertsätzen gebracht hat; deshalb bietet es auch keinen Anknüpfungspunkt für die Frage des Inkrafttretens der VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 2. NOG. Die zeitliche Kopplung des Erlasses der VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG mit den übrigen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des 2. NOG allein kann deshalb eine Gleichsetzung mit diesen nicht rechtfertigen. Besteht sonach keine Möglichkeit, die VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG unter die "allgemeinen" Verwaltungsvorschriften einzuordnen, so hat sie als Rechtssatz zu gelten, was bedeutet, daß für sie entsprechend die Regelungen anzuwenden sind, die im Bundesgesetz über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 30. Januar 1950 (BGBl 1950 S. 23) vorgesehen sind. Da dieses Gesetz die Form vorschreibt, in der die regelmäßig in der Gestalt von Rechtsverordnungen erlassenen Rechtsnormen verbindlich werden muß es entsprechend auch in den Fällen angewendet werden, in denen der Gesetzgeber zwar die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtssätzen ausgesprochen, aber nicht vorgeschrieben hat, daß es des Erlasses einer Rechtsverordnung bedürfe; denn damit wurde nicht auf das Erfordernis verzichtet, der Vorschrift Außenwirkung durch eine Form der Veröffentlichung zu verschaffen, die - wie bei einer Rechtsverordnung - ihren Charakter als Rechtsnorm unzweideutig erkennen läßt. Danach ist die VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG mit dem 14. Tage nach Ablauf des Tages in Kraft getreten, an dem das Verkündungsblatt ausgegeben worden ist. Ausgabedatum des Bundesanzeigers Nr. 19 war der 29. Januar 1965. Damit fällt das Inkrafttreten in den Monat Februar, woraus folgt, daß die Festsetzung der MdE nach der neuen VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG ab 1. Februar 1965 zu erfolgen hat.

Der Kläger räumt im übrigen selbst ein, daß diese Folgerung gerechtfertigt ist, wenn die VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG als solche mit Rechtssatzcharakter anzusehen ist. Er meint nur, es müsse deshalb anders sein, weil keine gesonderte Rechtsverordnung in Ausführung der Ermächtigung des § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG ergangen sei, deshalb komme nur eine Wertung als allgemeine Verwaltungsvorschrift in Betracht; dies habe aber, da die VerwV Nr. 4 im Zusammenhang mit einer Gesetzesänderung ergangen sei, zwangsläufig zur Folge, daß sie auch gleichzeitig mit dieser in Kraft getreten sei. Gerade diese Folgerung geht aber fehl, weil das 2. NOG die Ermächtigung nicht geändert, also insoweit keine Neuregelung getroffen hat. Der Hinweis der Revision auf die in Ausführung der Zweiten Novelle zum BVG erlassenen Verwaltungsvorschriften ist dabei nicht gerechtfertigt, weil dort ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem geänderten Gesetz und den - neuen - Verwaltungsvorschriften bestand. Das BSG hat hierzu auch lediglich ausgeführt, daß die Neufassung der - damals in Frage stehenden - Verwaltungsvorschrift, da sie eine Bestimmung über ihre zeitliche Geltung nicht enthalte, wegen "ihres engen Zusammenhangs mit dem Inkrafttreten der Zweiten Novelle zum BVG" für die Verwaltungsbehörden im allgemeinen vom 1. August 1953 an verbindlich sei (BSG 3, 217, 223). Zwar ist zuzugeben, daß der Einbau des Rechtssatzes der VerwV Nr. 4 zu § 30 BVG in die allgemeinen Verwaltungsvorschriften ohne Außenwirkung und sein gleichzeitiger Erlaß zusammen mit den allgemeinen Verwaltungsvorschriften geeignet sein könnten, Zweifel an seiner rechtlichen Wertung hinsichtlich des Zeitpunktes seines Inkrafttretens zu begründen, was jedoch nicht dazu führen kann, seinen offensichtlichen Zusammenhang mit der gesetzlichen Ermächtigung zu übersehen. Überdies haben neu gesetzte Rechtsnormen in der Regel keine rückwirkende Kraft, sofern sie sich eine solche Wirkung nicht selbst beilegen. Hinzu kommt schließlich noch, daß die Ermächtigung des § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG eine Kann-Bestimmung zum Inhalt hat, deren Ermessensspielraum sich vor allem auch auf die zeitliche Wirksamkeit der zu ihr erlassenen VerwV (mit Rechtssatzcharakter) erstreckt. Ob die streitige Frage anders zu beantworten wäre, wenn das 2. NOG hinsichtlich der maßgeblichen Fassung des § 30 BVG eine Änderung gebracht hätte, kann dahingestellt bleiben.

Hiernach ist die Revision des Klägers gegen das im Ergebnis zutreffende Urteil des LSG unbegründet; sie mußte daher zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2284669

BSGE, 41

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