Leitsatz (amtlich)

Bei Angestellten, die vor dem 1968-01-01 wegen Überschreitens der damaligen Jahresarbeitsverdienstgrenze (AVG § 5) nicht versicherungspflichtig waren, sich aber freiwillig weiterversichert hatten, steht die Ableistung des Grundwehrdienstes am 1968-01-01 der Befreiung von der Versicherungspflicht nach AnVNG Art 2 § 1 Abs 1 idF des FinÄndG 1967 nicht entgegen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Befreiung von der Angestelltenversicherungspflicht nach AnVNG Art 2 § 1 idF des FinÄndG 1967:

Das Recht auf Befreiung von der Angestelltenversicherungspflicht nach AnVNG Art 2 § 1 idF des FinÄndG 1967 wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Aufhebung der Jahresarbeitsverdienstgrenze infolge Ableistung des Wehrdienstes ruht; eine Befreiung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Angestellte bis zur Einberufung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfrei war und während der Dauer des Wehrdienstes nicht der Versicherungspflicht nach AVG § 2 Abs 1 Nr 8 unterliegt.

 

Normenkette

AnVNG Art. 2 § 1 Abs. 1 Fassung: 1967-12-21; AVG § 5 Fassung: 1965-06-09, § 2 Abs. 1 Nr. 8

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Mai 1970 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung gemäß Art. 2 § 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des Art. 2 § 2 Nr. 1 des Finanz-Änderungsgesetzes 1967 (FinÄndG) vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1259) zu befreien ist.

Der im August 1943 geborene Kläger ist seit April 1966 bei einer Firma in Düsseldorf als Angestellter beschäftigt. Er war vom 1. Februar 1967 an wegen Überschreitens der damaligen Jahresarbeitsverdienstgrenze - JAV - (§ 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - in der bis zum 31. Dezember 1967 geltenden Fassung) in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungsfrei und berechtigt, die frühere Versicherung freiwillig fortzusetzen. Von April 1967 bis Oktober 1968 leistete der Kläger den Grundwehrdienst. Im Oktober 1968 nahm er die Tätigkeit bei seiner bisherigen Firma mit einem Monatsgehalt von mehr als 1.800,- DM wieder auf. Bereits vorher hatte er sich ausreichend privat versichert.

Die Beklagte lehnte den im Juni 1968 gesteilten Befreiungsantrag ab, weil der Kläger nicht bis zum 31. Dezember 1967 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfrei gewesen sei (Bescheid vom 30. September 1968). Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1968).

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf wies die Klage ab (Urteil vom 11. Dezember 1968). Der Berufung des Klägers gab das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen statt im wesentlichen mit folgender Begründung:

Zwar solle nach Art. 2 § 1 AnVNG idF des FinÄndG 1967 nur solchen Angestellten eine Befreiung von der Versicherungspflicht ermöglicht werden, die ohne Unterbrechung vor und nach dem 1. Januar 1968 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden haben. Eine Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses könne aber nicht darin erblickt werden, daß der Kläger während der Zeit vom April bis Oktober 1968 seinen Grundwehrdienst nach den §§ 4 Abs. 1, 5 des Wehrpflichtgesetzes (WPflG) geleistet habe. Dies gelte um so mehr, als der Kläger im Anschluß an den Wehrdienst sein Beschäftigungsverhältnis bei seiner bisherigen Firma fortgesetzt habe.

Maßgebend dafür, daß der Kläger i.S. von § 1 Abs. 1 AnVNG idF des FinÄndG 1967 zu denjenigen Angestellten gehöre, die wegen Überschreitens der JAV vor dem 1. Januar 1968 nicht versicherungspflichtig waren und aufgrund des FinÄndG 1967 versicherungspflichtig geworden sind, sei die weitgehende Bestandswahrung, die der Gesetzgeber dem zum Dienst für die Allgemeinheit herangezogenen Wehrpflichtigen hinsichtlich seines beruflichen Status und des daran anknüpfenden Versicherungsverhältnisses gewährleiste. Diese Bestandswahrung komme in verschiedenen Vorschriften zum Ausdruck. So bleibe nach den §§ 1 Abs. 1, 2 des Arbeitsplatzschutzgesetzes bei der Einberufung zum Grundwehrdienst das Arbeitsverhältnis bestehen; es ruhe nur und dürfe nicht gekündigt werden. Personen, die vor einer Wehrdienstleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig waren, blieben nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 AVG und § 1227 Abs. 1 Nr. 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in das System der sozialen Sicherung einbezogen. Bei diesen Vorschriften handele es sich um den Ausfluß eines Prinzips, das bei der Gesetzesanwendung allgemeine Gültigkeit habe und über die vom Gesetzgeber getroffenen Einzelregelungen hinaus zu beachten sei. Dieses Prinzip gebiete es, Arbeits- und Sozialversicherungsverhältnisse eines Wehrpflichtigen in ihrem Grundbestand bei Ableistung des Wehrdienstes unberührt zu lassen.

Da der Kläger auch einen den Anforderungen des Art. 2 § 1 AnVNG genügenden Versicherungsvertrag abgeschlossen habe und sein Befreiungsantrag entsprechend dieser Bestimmung noch vor Ablauf des 30. Juni 1968 bei der Beklagten eingegangen sei, müsse er ab 1. Januar 1968 von der Versicherungspflicht befreit werden (Urteil vom 20. Mai 1970).

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des Art. 2 § 1 AnVNG idF des FinÄndG 1967 durch das Berufungsgericht.

Entgegen der Ansicht des LSG erfülle der Kläger die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift nicht: Da die Rechte und Pflichten aus dem ursprünglichen Arbeitsverhältnis während des Wehrdienstes des Klägers geruht hätten, fehle es bereits daran, daß sein Beschäftigungsverhältnis - als Grundlage sowohl der Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der JAV als auch der Versicherungspflicht durch das FinÄndG 1967 - durchgängig, d.h. vor und nach dem 1. Januar 1968 bestanden habe (Hinweis auf das Urteil des 1. Senats des Bundessozialgerichts - BSG - vom 26. Februar 1969 zu Art. 2 § 1 AnVNG in der bis zum 31. Dezember 1967 geltenden Fassung; vgl. DAngVers 1969, 153). Auch die vom LSG zur Begründung seiner abweichenden Auffassung herangezogenen Vorschriften würden keine andere Betrachtungsweise erlauben. Das Arbeitsplatzschutzgesetz diene der arbeitsrechtlichen Sicherung des Wehrdienstleistenden; § 2 Abs. 1 Nr. 8 AVG sei eine Sondervorschrift, die den sozialversicherungsrechtlichen Schutz des Wehrdienstleistenden abschließend regele.

Dabei sei es ohne rechtliche Bedeutung, ob der Kläger bis zum 31. Dezember 1967 nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 AVG versicherungspflichtig war oder ob ihm als freiwillig Versichertem die zu entrichtenden Beiträge als Sonderleistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz gewährt wurden. In beiden Fällen sei der Kläger vor dem 1. Januar 1968 nicht wegen Überschreitens der JAV versicherungsfrei gewesen und sei auch nicht aufgrund des FinÄndG 1967 versicherungspflichtig geworden. Eine unterschiedliche Betrachtungsweise je nachdem, ob die vor der Einberufung zum Wehrdienst versicherungsfreien Angestellten bis dahin freiwillige Beiträge entrichtet haben oder nicht, sei auch nicht gerechtfertigt.

Die Versicherungspflicht sei beim Kläger erst nach dem Ende des Wehrdienstes mit der Wiederaufnahme seines Beschäftigungsverhältnisses eingetreten. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Inkrafttreten des FinÄndG 1967 und dem "Versicherungspflichtigwerden" sei aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben gewesen (Hinweis auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16. Juli 1968 in DAngVers 1968, 360).

Auch müsse Art. 2 § 1 AnVNG idF des FinÄndG 1967 als Ausnahme- und Übergangsvorschrift eng ausgelegt und angewandt werden. Zum anderen sei nach den Ausführungen des BSG in dem genannten Urteil vom 26. Februar 1969 Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift, unter bestimmten Voraussetzungen einen infolge der eingetretenen Versicherungsfreiheit erreichten Besitzstand zu schützen und den betroffenen Personen deshalb die Möglichkeit einzuräumen, die bisherige anderweitige Gestaltung ihrer Altersversorgung beizubehalten. Auch diese Erwägungen träfen für den Kläger nicht zu.

Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. Dezember 1969 zurückzuweisen.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht nach § 166 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vertreten.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).

II

Die Revision ist nicht begründet.

Dem LSG ist darin beizupflichten, daß der Kläger entsprechend seinem Antrag von der Versicherungspflicht als Angestellter nach Art. 2 § 1 Abs. 1 Buchst. b AnVNG idF des FinÄndG 1967 zu befreien ist.

Das LSG ist mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 28. April 1971 - 12/11 RA 156/70 und 12/11 RA 158/70) davon ausgegangen, daß die besagte Befreiungsvorschrift in der Regel das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses als Angestellter am 31. Dezember 1967 und 1. Januar 1968 voraussetzt. Es hat auch mit zutreffenden Gründen eine Änderung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers durch den vom April 1967 bis Oktober 1968 geleisteten Wehrdienst verneint.

Mit Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß das Arbeitsverhältnis während des Wehrdienstes des Klägers nach § 1 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 des Gesetzes über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst idF vom 21. Mai 1968 (BGBl I 551) nur geruht hat. Das Arbeitsverhältnis lebt nach der Beendigung des Wehrdienstes mit allen Rechten und Pflichten wieder auf. Der Arbeitnehmer soll dann - wie insbesondere aus § 6 des Gesetzes erhellt - so gestellt werden, als wäre er nicht zur Ableistung des Wehrdienstes aus dem Betrieb abwesend gewesen.

Der Revision ist zwar zuzugeben, daß das Arbeitsplatzschutzgesetz primär der arbeitsrechtlichen Sicherung des Wehrdienstleistenden dient. Es enthält daneben aber auch versicherungsrechtliche Regelungen. So bestimmt § 5 Abs. 1 des Gesetzes, daß eine bestehende Versicherung in der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst durch die Einberufung zum Grundwehrdienst nicht berührt wird. Dies gilt auch dann, wenn die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung durch Überversicherung (Höherversicherung) oder auf andere Weise gewährt wird. Nach Abs. 2 der Vorschrift hat der Arbeitgeber während des Wehrdienstes die Beiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) weiterzuentrichten, und zwar in der Höhe, in der sie zu entrichten gewesen wären, wenn das Arbeitsverhältnis aus Anlaß der Einberufung des Arbeitnehmers nicht ruhen würde. Nach Abs. 3 aaO gelten diese Bestimmungen auch für Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes, die einer Pensionskasse angehören oder als Leistungsempfänger einer anderen Einrichtung oder Form der betrieblichen oder überbetrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung in Betracht kommen.

Folgt bereits daraus, daß nicht nur das Arbeitsverhältnis als solches, sondern auch der bis zur Einberufung zum Wehrdienst erlangte zusätzliche Versicherungs- und Versorgungsschutz durch den Grundwehrdienst erhalten bleiben soll, so ergeben sich die sozialversicherungsrechtlichen Folgerungen deutlich aus den weiteren Gesetzen, die in Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht notwendig geworden sind. In § 31 des Soldatengesetzes idF der Bekanntmachung vom 22. April 1969 (BGBl I 313) ist bestimmt, daß der Bund für das Wohl der Soldaten zu sorgen hat, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten. Nach dieser Fürsorgepflicht des Staates war ua auch die Weiterführung der Versicherung in den gesetzlichen Rentenversicherungen während des Wehrdienstes zu regeln (§ 30 Abs. 1 Satz 2 des Soldatengesetzes). Insoweit bestimmt § 2 Abs. 1 Nr. 8 AVG in der durch das Erste Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476) erfolgten neuen Fassung, daß Personen, die vor der Wehrdienstleistung in keinem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung pflicht- oder freiwillig versichert waren, bei Einberufung zu einem Wehrdienst von länger als drei Tagen für die Dauer der Wehrdienstleistung in der Angestelltenversicherung pflichtversichert sind. Bestand die Pflichtversicherung nach dieser Vorschrift am 31. Dezember 1967, so scheidet eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach Art. 2 § 1 AnVNG schon mangels einer Versicherungsfreiheit vor dem 1. Januar 1968 aus.

Anders ist die Rechtslage bei Angestellten, die bei der Einberufung zum Wehrdienst vor dem 1. Januar 1968 wegen Überschreitens der damaligen JAV nicht versicherungspflichtig waren, aber sich - wie der Kläger - freiwillig weiterversichert hatten. Für diese Personen bestand auch während des Grundwehrdienstes bis zum 31. Dezember 1967 keine Versicherungspflicht. Sie konnten sich während der Wehrdienstleistung freiwillig weiterversichern und erhielten nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 2 Nr. 1 des Unterhaltssicherungsgesetzes idF des Änderungsgesetzes vom 26. März 1965 (BGBl I 162) für die Zeit des Grundwehrdienstes vor Vollendung des 25. Lebensjahres ihre Beiträge vom Bund erstattet.

Diese unterschiedliche Regelung des sozialversicherungsrechtlichen Schutzes danach, ob die bei der Einberufung versicherungsfreien Wehrdienstpflichtigen freiwillige Beiträge geleistet haben oder nicht, läßt die Vorstellung des Gesetzgebers über das Verhältnis von Wehrdienstpflicht und gesetzlicher Rentenversicherung erkennen: Er wollte denjenigen Wehrpflichtigen, die in ihrem Berufsleben bereits eine Stellung erreicht hatten, in der sie wegen Überschreitens der JAV vor dem 1. Januar 1968 versicherungsfrei waren, diesen Status auch während des Wehrdienstes erhalten, wenn sie vorher in der Rentenversicherung freiwillig versichert waren. Da das Angestelltenverhältnis während des Wehrdienstes nur ruht, muß dann aber diese vom Gesetzgeber gewollte Unterscheidung - entgegen der Ansicht der Revision - auch für die Auslegung der Befreiungsvorschrift des Art. 2 § 1 Abs. 1 AnVNG jedenfalls dann maßgebend sein, wenn - wie hier - nach Beendigung des Wehrdienstes die Arbeit bei der bisherigen Beschäftigungsfirma wieder aufgenommen worden ist.

Dem auch während des Wehrdienstes bis zum 31. Dezember 1967 versicherungsfrei gebliebenen Dienstleistenden darf, wenn er sich vom 1. Januar 1968 an von der Versicherungspflicht befreien lassen will, nicht zum Nachteil gereichen, daß die allgemeine Einführung der Versicherungspflicht für Angestellte in die Zeit der Erfüllung der für ihn im allgemeinen unausweichlichen Wehrdienstpflicht fiel. Es entspricht vielmehr den aufgezeigten Absichten des Gesetzgebers, ihn hinsichtlich der Befreiung von der Versicherungspflicht nach Art. 2 § 1 Abs. 1 AnVNG ebenso zu stellen, wie wenn sein Arbeitsverhältnis am 31. Dezember 1967 nicht geruht hätte, sondern er zu diesem Zeitpunkt tatsächlich wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfrei beschäftigt gewesen wäre.

Der somit im Falle des Klägers zuzustimmenden Auslegung der Befreiungsvorschrift durch das LSG steht auch nicht - wie die Revision meint - die zu Art. 2 § 1 AnVNG in der bis zum 31. Dezember 1967 geltenden Fassung ergangene Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 26. Februar 1969 (DAngVers 1969, 153) entgegen. Der 1. Senat hat einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Inkrafttreten des neuen Rechts und dem Versicherungspflichtig werden gefordert. Er hat einen solchen Zusammenhang verneint, wenn beim Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelung keine Angestellten-Eigenschaft vorliegt, die Versicherungspflicht zur Folge haben kann. Im Hinblick auf die Bestimmungen des Arbeitsplatzschutzgesetzes über das bloße Ruhen des Arbeitsverhältnisses kann hier aber nicht gesagt werden, daß die Angestellten-Eigenschaft des Klägers durch die Wehrdienstleistung bei Inkrafttreten des FinÄndG 1967 gefehlt hat.

Damit im Einklang steht auch die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 AVG, wonach bei Wehrdienstleistenden, denen nach § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 1, § 11 a Abs. 1 und § 15 a des Arbeitsplatzschutzgesetzes Entgelt weiterzugewähren ist, das Beschäftigungsverhältnis als durch den Wehrdienst nicht unterbrochen gilt. Diese gesetzliche Fiktion - insbesondere für Wehrdienstleistende des öffentlichen Dienstes - rechtfertigt gerade den Umkehrschluß, daß im privaten Dienst nicht nur das Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern auch das Beschäftigungsverhältnis in sozialversicherungsrechtlicher Sicht ruht (ebenso Hanow/Lehmann/Bogs, Kommentar zum 4. Buch der RVO, 5. Aufl. 1969, Anm. 47 zu § 1227), mithin dem Grunde nach fortbesteht. Denn der Begriff des Ruhens setzt gerade den (latenten) Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses voraus (vgl. BSG 2, 147). Dies gilt um so mehr, als für das Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses die Zahlung eines Entgelts nicht unbedingt begriffsnotwendig ist (vgl. Urteil des BSG vom 14. Oktober 1970 - 4 RJ 333/69 - mit weiteren Nachweisen). Die vom 1. Senat in der Entscheidung vom 26. Februar 1969 aaO für die Anwendung des Art. 2 § 1 Abs. 1 AnVNG geforderte Angestellten-Eigenschaft kann daher auch als gegeben angesehen werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis im Zeitpunkt des für die Befreiung von der Versicherungspflicht maßgebenden Stichtages infolge Wehrdienstleistung geruht hat.

Auch der vom 1. Senat herausgestellte Sinn und Zweck der Übergangsregelung, nämlich den durch die eingetretene Versicherungsfreiheit erreichten Besitzstand zu schützen, trifft beim bloßen Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses infolge der Wehrdienstleistung zu. Es darf nicht verkannt werden, daß für den Kläger insoweit am 1. Januar 1968 hinsichtlich der bisherigen Gestaltung seiner Alters- und Invaliditätsvorsorge die gleiche Interessenlage bestanden hätte, wenn er zu diesem Zeitpunkt gerade nicht seinen Wehrdienst hätte leisten müssen.

Da die übrigen Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß Art. 2 § 1 Abs. 1 AnVNG idF des FinÄndG 1967 nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ebenfalls vorliegen, muß der Revision der Beklagten der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669211

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