Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17.05.1994)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 1994 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine in einem Sozialplan zugesagte Leistung als Versorgungsbezug beitragspflichtig ist.

Der 1925 geborene Kläger war von 1946 bis 1984 bei der K.…-GmbH, M.…-Werke T.…, beschäftigt. Für diesen Betrieb wurde am 15. Dezember 1982 ein Sozialplan vereinbart. Dieser sah im Teil I “Vorzeitige Pensionierung von Belegschaftsmitgliedern, die im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 59. Lebensjahr vollendet haben” unter “Nr 6. Ausgleichszahlung “ vor:

  • Belegschaftsmitglieder, bei denen die vorzeitige Pensionierung zu einer Verminderung des späteren Rentenanspruchs wegen entgehender Versicherungszeiten führt, erhalten eine monatliche Ausgleichszahlung (-rente).
  • Als entgehende Versicherungszeit gilt der Zeitraum von dem Beginn der gesetzlichen Rentenzahlung bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres.

    Angefangene entgehende Versicherungsjahre werden anteilig berücksichtigt.

    Die Höhe der monatlichen Ausgleichszahlung beträgt DM 1,50 entgangenes Versicherungsjahr je 100,-- DM Brutto-Monatsentgelt gemäß Ziff 4.1. bis zum Grenzwert von z. Zt. 4.700,-- DM.

    Die Ausgleichszahlung setzt ein mit dem Beginn der gesetzlichen Rente; sie wird unabhängig davon gewährt, ob das Belegschaftsmitglied Anspruch auf betriebliche Altersversorgung durch das Unternehmen hat oder nicht.

    …”

Der Kläger schied zum 1. Juli 1984 vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis aus. Seit dem 1. Juli 1985 erhält er eine Rente von der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (im Januar 1992 ca 2.200,60 DM nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrags), eine Werksrente (im Januar 1991 226,20 DM) sowie eine monatliche Ausgleichszahlung aufgrund des Sozialplanes Teil I Nr 6, die im Januar 1991 171,00 DM betrug. Der Kläger ist in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versicherungspflichtig und Mitglied der beklagten Betriebskrankenkasse. Diese zog Krankenversicherungsbeiträge von der Werksrente und der Ausgleichszahlung ein. Der Kläger beantragte im Dezember 1990, die von der Ausgleichszahlung einbehaltenen Beiträge zu erstatten und in Zukunft keine weiteren Beiträge hierauf mehr zu erheben. Dies lehnte die Beklagte ab und stellte fest, daß die Werksrente und die monatliche Ausgleichszahlung als beitragspflichtige Versorgungsbezüge anzusehen seien. Dem Antrag auf “Befreiung von der Beitragspflicht” könne nicht entsprochen werden (Bescheid vom 30. Januar 1991). Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 22. März 1991).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 5. Januar 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17. Mai 1994). Die Beklagte lege zu Recht bei der Beitragsbemessung die Ausgleichszahlung gemäß dem Sozialplan (Teil I Nr 6) als eine der Rente vergleichbare Einnahme zugrunde. Zum Grundlohn, nach dem die Beiträge bemessen würden, gehörten nach § 180 Abs 5 Nr 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auch die der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge). Darunter fielen nach § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 5 RVO Renten der betrieblichen Altersversorgung (seit 1989 § 237 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung ≪SGB V≫ iVm § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Es reiche für die Heranziehung dieser Leistungen zur Beitragsbemessung aus, daß sie einen Bezug zum bisherigen Arbeitsleben (Betriebsbezug) hätten und mit den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar seien. Der Sozialplan habe die betriebliche Altersversorgung um die Gewährung von Ausgleichszahlungen bei einer Minderung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben ergänzt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt eine Verletzung des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 5 RVO und des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V. Die Ausgleichszahlung sei nicht beitragspflichtig, weil sie nicht zur betrieblichen Altersversorgung gehöre. Der Katalog der dort aufgeführten Versorgungsbezüge sei abschließend. Er (der Kläger) erhalte die betriebliche Altersversorgung in Form der Werksrente. Ausgleichszahlungen nach dem Sozialplan dürften nicht als betriebliche Altersversorgung behandelt werden. Sie würden ihm als Ausgleich für den Verlust eines sozialen Besitzstandes gewährt. Es sei unerheblich, ob die Leistungen nach dem Sozialplan als einmalige Abfindung gezahlt würden oder der Ausgleich durch monatliche Zahlungen erreicht werde. Allenfalls dürfe die Ausgleichszahlung in dem Umfang beitragspflichtig sein, wie sie den entgangenen Rentenbetrag ausgleiche. Die Beklagte habe daher zu prüfen, welche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung er erhalten hätte, wenn er bis zum üblichen Beginn des Bezugs von Altersruhegeld weitergearbeitet hätte. Lediglich die Differenz zwischen der fiktiv zu errechnenden Altersrente und der tatsächlich bezogenen Rente dürfe bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG vom 17. Mai 1994 und des SG vom 5. Januar 1993 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1991 hinsichtlich der Beitragspflicht der Ausgleichszahlung aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Streitig ist nach dem in der Revision gestellten Antrag allein, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist, soweit die Beklagte die Beitragspflicht der Ausgleichszahlung feststellt. Soweit die Beklagte in diesem Bescheid auch die Erstattung von hieraus einbehaltenen Beiträgen abgelehnt hat, hat der Kläger die Anfechtungs- und Leistungsklage im Revisionsverfahren nicht aufrechterhalten. Eine Beiladung der Zahlstelle war nicht notwendig, da allein die Feststellung der Beitragspflicht im Streit ist (vgl schon BSGE 70, 105, 110 = SozR 3-2500 § 229 Nr 1 S 6).

Das LSG hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. In dem angefochtenen Bescheid vom 30. Januar 1991 hat die Beklagte zutreffend die Beitragspflicht der nach Nr 6 des Sozialplanes geleisteten Ausgleichszahlung festgestellt. Der Kläger ist seit 1985 als Rentner versicherungspflichtig. Beiträge sind seit diesem Zeitpunkt nicht nur aus seiner Rente, sondern auch aus den der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zu erheben (§ 180 Abs 5 Satz 1 Nr 2 iVm Abs 8 Satz 2 RVO, § 385 Abs 1 RVO, § 381 Abs 2 RVO; seit 1989 § 237 Satz 1 Nr 2 SGB V iVm § 229 Abs 1 SGB V). Zu den Versorgungsbezügen gehören auch Renten der betrieblichen Altersversorgung (§ 180 Abs 8 Satz 2 Nr 5 RVO; seit 1989 § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V).

Die Ausgleichszahlung, die der Kläger seit Beginn der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Teil I Nr 6 des Sozialplans erhält, ist eine Rente der betrieblichen Altersversorgung iS der genannten Vorschriften und als solche beitragspflichtig. Es handelt sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung iS von § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). Vom Bundesarbeitsgericht (BAG) werden zu den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung iS des BetrAVG alle Leistungen gerechnet, mit denen ein Versorgungszweck verfolgt wird, wenn der Versorgungsanspruch durch ein biologisches Ereignis (Alter, Invalidität oder Tod) ausgelöst wird und diese Leistung aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses zugesagt wird (vgl BAG AP Nr 31 zu § 1 BetrAVG und BAGE 65, 215 = AP Nr 11 zu § 1 BetrAVG – Lebensversicherung). Diesen Begriffsmerkmalen genügt die im Sozialplan zugesagte Ausgleichszahlung. Sie setzt mit dem Beginn der Rente ein, gleichgültig, ob es sich um eine Invaliditätsrente oder eine Altersrente handelt. Sie ist aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden. Die Zahlung verfolgt auch einen Versorgungszweck, denn es soll die Versorgung des Arbeitnehmers mit Beginn des Rentenbezuges verbessert werden. Die Zusage der Leistung in einem Sozialplan schließt es nicht aus, diese als Leistung der betrieblichen Altersversorgung iS des BetrAVG zu verstehen. Das BAG gebt als selbstverständlich davon aus, daß Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in einem Sozialplan zugesagt werden können (vgl BAG Urteil vom 17. Dezember 1991 – 3 AZR 565/90 –). Dementsprechend wird auch in der Literatur die Ansicht vertreten, daß Ausgleichszahlungen, wie sie hier vorliegen, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind (vgl Höfer/Reimers/Wüst, Komm zum BetrAVG ART RdNr 22 – Juni 1993 – und RdNr 61 – September 1994; Heubeck/Höhne, Komm zum Betriebsrentengesetz, 2. Aufl, § 1 Anm 17d).

Unerheblich ist, daß die Ausgleichszahlung nach dem Sozialplan nicht davon abhängt, ob daneben auch Anspruch auf eine “betriebliche Altersversorgung” besteht. Die Beteiligten haben in dem Sozialplan mit “betrieblicher Altersversorgung” anscheinend die auf anderen Vereinbarungen beruhende Werksrente gemeint, zu der im Sozialplan ebenfalls Vereinbarungen enthalten sind (vgl Teil I Nr 5). Selbst wenn bei Abschluß des Sozialplans die damaligen Beteiligten davon ausgegangen sein sollten, die Ausgleichszahlung sei keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung iS des BetrAVG, wäre dies unbeachtlich. Eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung ist immer dann gegeben, wenn die objektiven Merkmale erfüllt sind. Die zugesagte Leistung der betrieblichen Altersversorgung ist auch eine Rente, dh eine regelmäßig wiederkehrende Leistung.

Der Umstand, daß die Rente als Leistung der betrieblichen Altersversorgung in einem Sozialplan vereinbart wurde, der Leistungen bei dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Betrieb vorsah, steht der Beitragspflicht nicht entgegen. Der Senat hat hier nicht zu entscheiden, in welchem Umfang andere Leistungen, die in einem Sozialplan zugesagt werden, beitragspflichtige Einnahmen sind. Jedenfalls Renten, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung iS des BetrAVG darstellen, sind stets als Versorgungsbezüge beitragspflichtig. Die Zwecke, die die Beteiligten bei der Vereinbarung einer solchen Leistung verfolgen, sind für deren Beitragspflicht unerheblich. Entscheidend ist allein, daß die objektiven Merkmale einer Rente der betrieblichen Altersversorgung vorliegen.

Dementsprechend ist auch eine Rente der betrieblichen Altersversorgung beitragspflichtig, die den Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters ersetzt (vgl BSG SozR 3-2500 § 229 Nr 3). Es besteht kein Grund von dieser Rechtsprechung abzuweichen, soweit es sich um Renten handelt, die in einem Sozialplan vereinbart wurden. Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die den Begriff der Renten der betrieblichen Altersversorgung in § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 5 RVO bzw § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V objektiv bestimmt hat, auch soweit Leistungen einbezogen wurden, die nicht zu den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung iS des BetrAVG gehören (vgl zuletzt Urteile vom 30. März 1995 – BSG SozR 3-2500 § 229 Nrn 6, 7 und 8). Dem lag zugrunde, daß jedenfalls alle Renten, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung iS des BetrAVG sind, als Renten der betrieblichen Altersversorgung iS von § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 5 RVO bzw § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V beitragspflichtig sind. Es ist deshalb auch nicht gerechtfertigt, dem Vorbringen der Revision entsprechend diese Leistungen nur insoweit der Beitragspflicht zu unterwerfen, wie sie einen tatsächlichen Rentenverlust wegen des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben ausgleichen.

Hiernach erwies sich die Revision als unbegründet und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 852702

NZA 1996, 1064

AP, 0

Breith. 1996, 703

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