Leitsatz (amtlich)

Ein versicherter Rentner, der bei notwendiger Krankenhauspflege - außer in dringenden Fällen - ein Krankenhaus ohne Zustimmung der Krankenkasse aufsucht, kann nur dann von der Krankenkasse Ersatz der ihm entstandenen Kosten verlangen, wenn er es aus entschuldbaren Gründen unterlassen hat, vor Inanspruchnahme der Krankenhauspflege die Zustimmung der Krankenkasse zu beantragen. Unterläßt er schuldhaft einen solchen Antrag, so überschreitet die Krankenkasse nicht die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens, wenn sie die Erstattung der Kosten der als "Privatpatient" genossenen Krankenhauspflege in vollem Umfang ablehnt.

 

Normenkette

RVO § 184 Fassung: 1933-08-14

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Juli 1959 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der im Jahre 1885 geborene Kläger begehrt von der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse, bei der er als Rentner seit 1. April 1950 pflichtversichert war, die Erstattung von Kosten, die ihm aus Anlaß einer zweimaligen Krankenhausbehandlung zum Zwecke operativer Beseitigung von Leistenbrüchen und eines Nabelbruchs entstanden sind. Er befand sich deswegen vom 3. bis 20. Mai 1955 und vom 7. bis 26. November 1955 im Krankenhaus, und zwar als "Privatpatient" in der 2. Klasse. Rund 2 1 / 2 Monate nach Beendigung seines zweiten Krankenhausaufenthaltes - am 10. Februar 1956 - beantragte er bei der Beklagten, ihm nachträglich die Krankenhauspflege zu bewilligen und ihm die Kosten der Krankenhausbehandlung in Höhe der Kosten der 3. Klasse zu ersetzen.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 15. Februar 1956 ab: Die Krankenkassen hätten Krankenhauspflege nur als Sachleistung zu gewähren; sie werde in der 3. Klasse bereitgestellt und müsse vorher beantragt und bewilligt werden.

Der Kläger lehnte den ihm von der Beklagten entsprechend Abschn. III des sog. Verbesserungserlasses des RAM vom 2. November 1943 (AN S. 485) angebotenen Abgeltungsbetrag von DM 1,- für jeden Tag der Krankenhauspflege ab und trug mit Widerspruch vom 7. März 1956 vor: Sein eigener Kostenanteil, für den er Ersatz beanspruche, betrage DM 415,80; aus seiner privaten Krankenversicherung habe er für Krankenhauspflegekosten und ärztliche Behandlung DM 764,70 erhalten. Seine Ansprüche gegen die Beklagte seien noch nicht verjährt. Auch schreibe § 1545 der Reichsversicherung (RVO) nichts darüber vor, wann ein Anspruchsberechtigter einen Antrag auf Leistungen stellen müsse. Der Kläger habe von der Beklagten bis dahin niemals Krankenhilfe in Anspruch genommen, während die Beklagte für seine Versicherung während sechs Jahren mehrere Hundert Mark an Beiträgen eingenommen habe. Der Kläger fügte die Abrechnungsbelege und zwei Bescheinigungen des behandelnden Arztes über die Notwendigkeit seiner Operationen bei (Bescheinigungen vom 3. Mai 1955 und vom 7. November 1955).

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 1956, mit dem die Beklagte seinen Widerspruch zurückwies, erhob der Kläger Klage. Er wandte sich besonders gegen die von der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid u. a. gegebene Begründung, daß sein Krankenhausaufenthalt zu lange gedauert habe; auf jede seiner drei Operationen entfielen durchschnittlich weniger als 14 Tage. Ferner führte er aus, er habe die 2. Klasse nur in Anspruch genommen, weil die 3. überfüllt gewesen und seine Operationen dringend gewesen seien. Im übrigen verlange er nur Ersatz der Krankenhauspflegekosten der 3. Klasse in Höhe von DM 9,- täglich.

Das Sozialgericht (SG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Beklagte habe die Erstattung der Krankenhausbehandlungskosten nicht in ermessenswidriger Weise abgelehnt. Die Beklagte hätte vor dem Beginn der Krankenhauspflege Gelegenheit haben müsse, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der stationären Behandlung des Klägers zu prüfen. Nach dem Ablauf der verhältnismäßig langen Zeit bis zur erstmaligen Antragstellung seit Inanspruchnahme der Krankenhauspflege sei es der Beklagten nicht mehr möglich gewesen, die ihr zustehende Prüfung vorzunehmen, zumal die kurzen Bescheinigungen des Privatarztes nichts Genaueres ergeben hätten.

Gegen das Urteil des SG legte der Kläger Berufung ein, mit der er vorbrachte: Während der mehrjährigen Dauer seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten habe er sie niemals in Anspruch genommen, er sei auch durch kein Merkblatt oder in sonstiger Weise darauf aufmerksam gemacht worden, daß er als Rentner im Falle einer Krankenhausbehandlung bereits vor einer Aufnahme in das Krankenhaus Antrag auf Erstattung der Krankenhauspflegekosten stellen müsse. Wenn er entsprechend belehrt worden wäre, hätte er sich daran gehalten. Er habe nicht in laufender Verbindung mit der Beklagten gestanden, weil er privat gegen Krankheit versichert gewesen sei. Ihm sei überhaupt nicht bewußt gewesen, daß er Mitglied der Beklagten war. Nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen seiner privaten Krankenversicherung habe er die Krankenhauspflege mit Recht "selbst gewählt", seinen Erstattungsantrag habe er jedoch auf die Kosten der 3. Klasse beschränkt. Die Beklagte hätte im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens in eine Nachprüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Krankenhauspflege eintreten müssen. Er habe nicht die Absicht gehabt, die Beklagte zu schädigen. Dieser sei auch kein rechtswidriger Nachteil entstanden. Er sei in Unkenntnis der Notwendigkeit, vor Inanspruchnahme der Krankenhauspflege einen Antrag bei der Beklagten zu stellen, "unwissentlich" über ein Formerfordernis "gestolpert". Der Geschäftsführer der Beklagten habe bei seiner Entscheidung über den Antrag des Klägers die Vorschriften "starr nach den Buchstaben" angewandt, er habe ohne den Willen gehandelt, "mit alten Menschen ins Reine zu kommen". Dies verstoße gegen die Würde des Menschen. Das SG habe die Notwendigkeit der Krankenhausaufnahme des Klägers angezweifelt, ohne zu berücksichtigen, daß er krankenversicherter Rentner gewesen sei.

Das Landessozialgericht (LSG) erhob über die Frage, ob die Krankenhauspflege des Klägers notwendig war, Beweis durch Einholung eines Befundberichts mit gutachtlicher Stellungnahme des Chirurgen Dr. B (Bl. 56 f der Akten des LSG).

Das LSG verurteilte die Beklagte,

dem Kläger die Krankenhauspflegekosten für die Krankenhausbehandlung vom 3. bis 20. Mai 1955 und vom 7. bis 26. November 1955 in satzungsmäßiger und vertraglicher Höhe zu erstatten, jedoch höchstens bis zu 300,- DM.

Nach Auffassung des LSG war die Berufung des Klägers, obwohl sie nach § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an sich ausgeschlossen gewesen wäre, nach § 150 Nr. 2 SGG zulässig, weil das SG - von seinem Rechtsstandpunkt aus - hätte ermitteln müssen, "ob die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der vom Kläger selbst gewählten Krankenhauspflege im Februar 1956 noch auf andere Weise als durch die vorgelegten Bescheinigungen hätte geprüft werden können, etwa durch Einholen eines ausführlichen Gutachtens von Dr. B.". Die Unterlassung entsprechender Aufklärung stelle einen vom Kläger gerügten wesentlichen Mangel des Verfahrens dar (§ 150 Nr. 2 SGG), auf dem das angefochtene Urteil, das die nachträgliche Möglichkeit einer Prüfung für rechtserheblich halte, auch beruhe. - Die Berufung des Klägers habe Erfolg haben müssen, weil die Krankenhauspflege nicht nur zweckmäßig, sondern notwendig gewesen sei (§§ 184, 182 Abs. 2 RVO), so daß der Beklagten keine Wahl zugestanden habe, ob sie die Krankenhauspflege bewilligen wolle. Der Kläger müsse von der Beklagten so gestellt werden, wie wenn er die Krankenhauspflege als Sachleistung von ihr erhalten hätte. Allerdings habe die Beklagte dem Kläger nicht mehr zu vergüten als anderen Versicherten. Auf die Vorschriften der Krankenordnung, wonach - außer in dringenden Fällen - der Antrag auf Bewilligung von Krankenhauspflege vor Leistungsgewährung gestellt werden müsse, komme es nicht an, weil darin nur "eine Ordnungsvorschrift für den Regelfall" liege, deren Verletzung für sich allein keinen Rechtsverlust des Versicherten zur Folge haben könne. Ein zwingendes Bedürfnis für eine vorherige Prüfung der Notwendigkeit der von dem Kläger in Anspruch genommenen Krankenhauspflege könne nicht bejaht werden, weil die medizinische Notwendigkeit der Krankenhauspflege eine Leistungsverweigerung aus Ermessensgründen verboten hätte. Eine nachträgliche Prüfung sei auch nicht unmöglich gewesen, wie das Gutachten des Dr. B ergebe; dieser habe die Notwendigkeit der Operationen des Klägers überzeugend begründet. Ob Dr. B den Kläger als Kassenarzt oder als Privatarzt in das Krankenhaus eingewiesen habe, sei für den Klageanspruch ohne Bedeutung. - Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte legte mit dem beim Bundessozialgericht (BSG) am 5. September 1959 eingegangenen Schriftsatz vom 4. September 1959 gegen das ihr am 11. August 1959 zugestellte Urteil Revision mit dem Antrage ein,

das Urteil des LSG aufzuheben.

Mit der am 10. November 1959 begründeten Revision macht die Beklagte geltend, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG sei nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG unzulässig, da es sich bei dem Streit um wiederkehrende Leistungen für weniger als 13 Wochen handele. Die Berufung sei auch entgegen der Ansicht des LSG nicht nach der Ausnahmevorschrift des § 150 Nr. 2 SGG zulässig; denn ein von dem Kläger gerügter Verfahrensmangel des SG habe nicht vorgelegen. In der Sache selbst hält die Beklagte den Anspruch des Klägers nicht für begründet; der Kläger fordere einen Zuschuß zu den von ihm aufgewandten - bzw. durch die private Krankenkasse gezahlten - Krankenhauskosten, nach der gesetzlichen Regelung seien die Krankenkassen jedoch nur zur "Sachleistung" der Krankenhauspflege, nicht aber zur Kostenerstattung für eine als Privatpatient in Anspruch genommene Krankenhausbehandlung verpflichtet. Wenn die Krankenkassen Zuschüsse zur Krankenhauspflege leisten müßten, hätten sie keine Möglichkeit, einen Einfluß auf die Dauer der Behandlung zu nehmen. Nehme daher ein Versicherter ohne vorherige Zustimmung der Krankenkasse Krankenhausbehandlung in Anspruch, so stehe ihm kein Ersatzanspruch zu, und die Krankenkasse handele bei Ablehnung der Kostenübernahme nicht ermessenswidrig. Auch sei zu berücksichtigen, daß der Kläger die Krankenhauspflege erst nach Monaten beantragt habe, daß seine Einweisung nicht von einem Kassenarzt vorgenommen worden sei, daß er die Krankenhauspflege in der 2. Klasse in Anspruch genommen und schließlich daß er auf Grund seiner privaten Versicherung nahezu vollständig Ersatz erhalten habe. Die Beklagte habe in Anbetracht ihrer Finanzlage damals keine großzügigere Behandlung solcher Erstattungsansprüche krankenversicherter Rentner vornehmen können.

Der Kläger war im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Revision ist rechtzeitig eingelegt und begründet worden. Sie hat auch Erfolg.

Das SG hat die Klage abgewiesen, ohne die Berufung zuzulassen (§ 150 Nr. 1 SGG). Die Berufung, die an sich nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG ausgeschlossen ist, weil der erhobene Anspruch auf Erstattung von Kosten für Krankenhauspflege, d. h. für wiederkehrende Leistungen, nur einen Zeitraum von nicht mehr als 13 Wochen umfaßt (BSG 2, 135; 4, 206), ist jedoch, wie das LSG zutreffend angenommen hat, nach der Ausnahmevorschrift des § 150 Nr. 2 SGG zulässig, denn das Verfahren vor dem SG leidet, wie der Kläger vor dem LSG zutreffend gerügt hat, an unzureichender Sachaufklärung (§ 103 SGG). Das SG hat nämlich sein Urteil auch darauf gestützt, daß es der beklagten Krankenkasse z. Zt. der nachträglichen Antragstellung des Klägers nicht mehr möglich gewesen sei, "genau festzustellen, wie der Gesundheitszustand des Klägers zu Beginn der Krankenhausbehandlungen ... gewesen war".

Diese Annahme des SG beruht auf einem Irrtum, wie das vom LSG eingeholte Gutachten des Dr. B zeigt: Auch die beklagte Krankenkasse hätte durch Rückfrage bei dem behandelnden Krankenhausarzt unschwer den Gesundheitszustand des Klägers bei der Krankenhausaufnahme ermitteln können. Das LSG hat danach die Zulässigkeit der Berufung zu Recht bejaht.

In sachrechtlicher Hinsicht unterliegt jedoch die Rechtsauffassung des LSG Bedenken. Allein die Tatsache, daß die ohne Zustimmung der Krankenkasse durchgeführten Krankenhausbehandlungen des Klägers notwendig waren, rechtfertigt noch ohne weiteres den Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihm durch die Krankenhausbehandlung entstanden sind. Zwar ist ein solcher Erstattungsanspruch jedenfalls in Höhe der hier verlangten Kosten der 3. Klasse in aller Regel begründet, wenn der Versicherte sich in ein Krankenhaus aufnehmen läßt, nachdem die Krankenkasse eine medizinisch notwendige Krankenhauspflege abgelehnt und dadurch die rechtlichen Grenzen des ihr bei Gewährung von Krankenhauspflege eingeräumten Ermessens überschritten hat (vgl. BSG 9, 232). Das Besondere des vorliegenden Falles liegt darin, daß der Kläger es entgegen der Krankenordnung der Beklagten unterlassen hat, vor der stationären Behandlung im Krankenhaus bei der Beklagten den Antrag auf Bewilligung von Krankenhauspflege zu stellen, obgleich ein "dringender Fall" (z. B. schwerer Unfall), der die sofortige Krankenhausaufnahme erforderte, nicht vorlag. Das LSG hat zwar mit Recht angenommen, daß dem Antrag auf Leistungen der Krankenversicherung (§ 1545 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 1551 Abs. 1 RVO), der allein das Verwaltungsverfahren betrifft, keine materiell-rechtliche Bedeutung zukommt; es hätte aber die Vorschrift der Krankenordnung der Beklagten, nach der - außer in dringenden Fällen - die Gewährung von Krankenhauspflege einen vorhergehenden Antrag voraussetzt, nicht nur als eine "Ordnungsvorschrift" betrachten dürfen, deren Verletzung ohne Rückwirkung auf den Leistungsanspruch ist. Diese Vorschrift der Krankenordnung beruht auf § 347 RVO, wonach die Krankenordnung auch die "Meldung und Überwachung der Kranken sowie ihr Verhalten" zu regeln hat. Die Beklagte beruft sich mit Recht darauf, daß es ihr im allgemeinen ohne rechtzeitige Antragstellung der Versicherten nicht möglich wäre, eine etwa notwendige Überwachung der Dauer des Krankenhausaufenthalts in die Wege zu leiten, wobei es für die rechtliche Bedeutung einer Verletzung dieser Vorschrift unerheblich ist, ob nun gerade der Kläger die Krankenhauspflege über Gebühr in Anspruch genommen hat oder ob er sie - wie er eindringlich dargelegt hat - auf eine angemessene Zeit beschränkt hat. Bei dem Verlangen der Krankenkassen, vor dem Aufsuchen des Krankenhauses - abgesehen von dringenden Fällen - in Form eines Bewilligungsantrags unterrichtet zu werden, handelt es sich um berechtigte Belange der Krankenkassen, die bei Ausübung des ihnen zustehenden Ermessens (§ 184 RVO) u. a. darauf bedacht sein müssen, auf die Durchführung der Krankenhauspflege etwa bei Bettennot im Interesse anderer Kranker Einfluß zu nehmen; bei nicht dringenden Fällen kann es im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens der Krankenkasse liegen, andere Zeiten für die Durchführung von Krankenhauspflege vorzusehen, als dies vom Standpunkt des einzelnen Versicherten aus zweckmäßig erscheint. Es kommt hinzu, daß es - generell gesehen - für die Krankenkassen zumindest eine Erschwerung bei der Nachprüfung der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung bedeutet, wenn sie darüber erst nach Beendigung der stationären Behandlung entscheiden können. Zudem würde der dem geltenden Recht entsprechende Charakter der gesetzlichen Krankenversicherung als einer Sachleistungen gewährenden Institution in Frage gestellt und ihre Umwandlung in eine "Krankheitskostenversicherung" (wie sie für die Privatversicherung typisch ist) in die Wege geleitet werden, wenn es den Versicherten allgemein ohne vorherige Zustimmung der Krankenkasse gestattet wäre, bei notwendiger Krankenhausbehandlung ein Krankenhaus aufzusuchen und von der Krankenkasse nachträglich Erstattung der Kosten in der dem Recht betreffenden Kasse entsprechenden Höhe zu verlangen. Eine solche grundlegende Umwandlung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

Der Kläger kann sich auch nicht unter Berufung auf seinen Stand als krankenversicherter Rentner der Pflichten entziehen, die die Krankenordnung dem Versicherten (§ 347 RVO) auferlegt; denn er steht seit Erlaß des Selbstverwaltungsgesetzes vom 22. Februar 1951 (BGBl I, 124) in der Fassung vom 13. August 1952 (BGBl I, 427) den übrigen Mitgliedern der Krankenversicherungsträger gleich (vgl. §§ 2 Abs. 4 und 4 Abs. 1 GSv), die Krankenordnung ist daher auch für ihn verbindlich. Sie enthält die Satzung ergänzende, ihr im wesentlichen gleichstehende und somit für alle Versicherten verbindliche Rechtsvorschriften (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II § 347 Anm. 2). Die RVO hat im übrigen in § 325 besondere Vorsorge getroffen, daß die Mitglieder über die Vorschriften der Krankenordnung unterrichtet werden. Die Krankenkassen handeln daher nicht schlechthin rechtswidrig, wenn sie die nachträgliche Bewilligung von eigenmächtig in Anspruch genommener Krankenhauspflege oder die Erstattung der dafür von dem Versicherten aufgewandten Kosten ablehnen. Sie haben vielmehr in solchen Fällen bei Ausübung ihres Ermessens zu prüfen, ob besondere Gründe die Unterlassung einer rechtzeitigen Antragstellung rechtfertigen oder doch entschuldigen. Sie würden daher rechtswidrig handeln, wenn sie ohne eine solche Prüfung allein wegen der nicht rechtzeitig eingeholten Zustimmung den Ersatz von Aufwendungen des Versicherten für die Krankenhauspflege ablehnen würden.

Das LSG hätte daher prüfen müssen, ob unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles die Ablehnung der nachträglichen Bewilligung der Krankenhauspflege und der damit verbundenen Anerkennung des Erstattungsanspruchs einen Ermessensmißbrauch der beklagten Krankenkasse darstellt. Es wird festzustellen haben, ob der Kläger seine Verpflichtung gekannt hat, die vorherige Zustimmung der Krankenkasse zur Krankenhausbehandlung einzuholen, insbesondere, ob ihm die Krankenordnung nach § 325 RVO ausgehändigt worden ist. Wenn der betagte Kläger in entschuldbarer Weise die Vorschrift der Krankenordnung über die Notwendigkeit vorheriger Beantragung von Krankenhauspflege nicht gekannt oder beachtet hat, darf ihm die Unterlassung vorheriger Antragstellung nicht zum Nachteil gereichen.

Da das LSG dem Kläger den von ihm in bestimmter Höhe erhobenen Anspruch auf Kosten der Krankenhauspflege zugesprochen hat, ohne die notwendige Prüfung vorzunehmen, ob der Kläger die Antragstellung vor Inanspruchnahme von Krankenhauspflege entschuldbar unterlassen hat, war die Entscheidung des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 21

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