Leitsatz (redaktionell)

Lehrbeauftragte an Universitäten, die semesterweise als "freie Wissenschaftler" mit Lehrverpflichtungen für sachlich und thematisch eng begrenzte Gebiete betraut werden und eine Vergütung nur für tatsächlich durchgeführte Lehrveranstaltungen erhalten, stehen nicht in einem versicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis (Fortführung von BSG 1980-03-27 12 RK 26/79 = SozR 2200 § 165 Nr 45).

 

Orientierungssatz

Versicherungspflicht von Lehrbeauftragten:

Die Tatsache, daß Lehrbeauftragte nur semesterweise mit Lehrverpflichtungen betraut werden und gegenüber beamteten Hochschullehrern einen geringeren mitgliedschaftsrechtlichen Status haben spricht gegen ihre Eingliederung in die Hochschule iS einer abhängigen Beschäftigung. Weitere Pflichten, wie insbesondere die Teilnahme an der Forschung und der akademischen Selbstverwaltung, haben sie nicht zu erfüllen. Sie tragen auch, was ein weiteres wichtiges Merkmal einer selbständigen Tätigkeit gegenüber einer abhängigen Beschäftigung darstellt, ein Unternehmerrisiko insofern, als ihnen eine Vergütung nur für tatsächlich erbrachte Leistungen gewährt wird; daraus folgt, daß ihnen ein Anspruch auf ein Mindesteinkommen, auf Entschädigung für zB wegen Störungen ausgefallene Stunden oder auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle nicht zusteht (Fortführung von BSG vom 1980-03-27 12 RK 26/79 = SozR 2200 § 165 Nr 45, vergleiche die Urteile des BSG vom 1976-12-16 12/3 RK 4/75 = USK 76196, vom 1978-07-13 12 RK 14/78 = SozR 2200 § 1227 Nr 17 und vom 1979-02-01 12 RK 7/77 = SozR 2200 § 165 Nr 36).

 

Normenkette

AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1970-12-21

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 28.03.1979; Aktenzeichen L 8 Kr 94/76)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 06.01.1976; Aktenzeichen S 9 Kr 96/73)

 

Tatbestand

Streitig ist die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 2) und 3) in der Rentenversicherung der Angestellten und hinsichtlich der Beigeladenen zu 2) auch in der Krankenversicherung. Beide waren 1972/73 Lehrbeauftragte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, einer Einrichtung des klagenden Landes.

Die Beigeladene zu 2) erhielt im Fachbereich Erziehungswissenschaften der genannten Universität einen vierstündigen Lehrauftrag (Übungsauftrag) für "Didaktik und Methodik des Turnens" und erteilte - ua - in der Zeit vom 12. April 1972 bis 14. Februar 1973 den entsprechenden Unterricht. Die Beigeladene zu 3) erhielt im Fachbereich Neuere Philologie einen vierstündigen Lehrauftrag für "Phonologie des modernen Französisch" und unterrichtete in der Zeit vom 4. Januar bis 14. Juli 1973; daneben arbeitete sie als Angestellte in einem Unternehmen. Den Lehraufträgen lag ein vorgedrucktes Schreiben des Kanzlers der Universität zugrunde; darin wurde die Vergütung auf 136,-- DM je Vorlesungsmonat und Wochenstunde festgesetzt und ua folgendes mitgeteilt:

"Die Ausübung des Lehrauftrages unterliegt den Bestimmungen des

Erlasses vom 1971-12-22 (H I 4 - 422/900 - 396).

Nach diesem Erlaß sind Lehrbeauftragte freie Wissenschaftler

und nicht an Weisungen gebunden, sondern lediglich verpflichtet,

ein bestimmtes Fach in einem zeitlich festgelegten Umfang an

einer Hochschule zu vertreten.

Der Lehrauftrag ist ein Dienstvertrag (§ 611 BGB) der

selbständig Tätigen. Der Lehrauftrag setzt voraus, daß der

Beauftragte den Unterricht aufgrund eigener wissenschaftlicher

Tätigkeit erarbeitet und selbständig gestaltet.

Nach Erteilung des Lehrauftrages soll der Lehrbeauftragte

seine Veranstaltungen im Benehmen mit dem zuständigen

Herrn Dekan selbständig ankündigen. Für Vorlesungen, die

der Lehrbeauftragte gemeinsam mit anderen Hochschullehrern

ankündigt, kann ihm keine Lehrauftragsvergütung

gezahlt werden.

Der Ausfall von Vorlesungen des Lehrbeauftragten infolge

Krankheit oder anderweitiger Verhinderung ist mir, soweit

ausgefallene Vorlesungen im jeweiligen Semester nicht

nachgeholt werden können, umgehend auf dem Dienstwege

anzuzeigen. Kann ein Lehrbeauftragter, der vorübergehend

erkrankt war, die ausgefallenen Stunden während des Semesters

nachholen, so wird die festgesetzte Vergütung voll ausbezahlt.

Kann ein erkrankter Lehrbeauftragter seine Verpflichtung während

des Semesters nicht mehr erfüllen, so entfällt der Anspruch auf

Vergütung. Wenn der Lehrauftrag nur teilweise ausgeführt wird,

so wird die Vergütung hierfür ebenfalls nur anteilig gezahlt.

Nach der erstmaligen Erteilung wird der Lehrauftrag jeweils

nach Bedarf von Semester zu Semester erneuert. Der

Lehrbeauftragte hat keinen Rechtsanspruch auf Erneuerung seines

Lehrauftrages. Über die Erneuerung des Lehrauftrages erhält

der Lehrbeauftragte eine schriftliche Mitteilung".

Durch eine Betriebsprüfung erhielt die Beklagte von diesen Lehraufträgen Kenntnis und forderte durch Bescheid vom 28. Juni 1973 und Widerspruchsbescheid vom 4. September 1973, später ergänzt durch den Bescheid vom 29. August 1975, Beiträge zur Angestelltenversicherung für die Beigeladenen zu 2) und 3) und zur Krankenversicherung für die Beigeladene zu 2) nach; diese seien als Lehrbeauftragte an der Universität abhängig beschäftigt gewesen. Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteile des Sozialgerichts -SG- Frankfurt vom 6. Januar 1976 und des Hessischen Landessozialgerichts -LSG- vom 28. März 1979).

Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die persönliche Abhängigkeit der Lehrbeauftragten ergebe sich, auch wenn das Direktionsrecht des Klägers bezüglich der Ausführung des Lehrauftrages stark eingeschränkt sei, durch deren Eingliederung in die Universität als einen "übergeordneten Organismus"; dem stehe nicht entgegen, daß nach den Erlassen des Hessischen Kultusministers Lehraufträge zur Ergänzung von Lehre und Forschung erteilt würden und der Unterricht dabei aufgrund selbständiger wissenschaftlicher Tätigkeit zu erarbeiten und zu gestalten sei; hierdurch werde nur zum Ausdruck gebracht, daß Lehrbeauftragte bezüglich Lehre und Forschung frei und unabhängig seien; der Gestaltungsfreiheit hinsichtlich des Lehrinhalts stehe aber gegenüber, daß der Lehrstoff zwischen den Fachbereichen einerseits und den Lehrbeauftragten andererseits auch hinsichtlich der zeitlichen Gestaltung festgelegt werde, wobei eine strikte Bindung an den Gesamtlehrplan der Hochschule nicht bestehe; die Lehraufträge würden jeweils nur für ein Semester mit einer schriftlichen Bestätigung und Festlegung des Lehrauftrages für ein Semester sowie der wöchentlichen Stunden durch den Kläger erteilt; während der Lehrbeauftragte den Lehrauftrag während des Semesters jederzeit zurückgeben könne, sei der Widerruf durch die Universität nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, zB bei Verstoß gegen die demokratischen Grundsätze des Staates, möglich, ein Fall, der sich aber bisher noch nicht ereignet habe; nach Abschluß des Semesters habe der Lehrbeauftragte gegenüber der Universität eine Erklärung über die gehaltenen Vorlesungen abzugeben, da andernfalls die Semesterwochenpauschale gekürzt werde; die Eingliederung der Lehrbeauftragten in den Lehrbetrieb der Universität komme weiter darin zum Ausdruck, daß die jeweiligen Vorlesungen zu Beginn des Semesters im Vorlesungsverzeichnis der Universität mit Angabe der genauen Zeiten sowie Hörsäle festgelegt und dabei die entsprechenden Räume durch die Verwaltung zugewiesen würden; Abweichungen von den Vorlesungszeiten seien nur nach Absprache mit der Universitätsverwaltung im Rahmen des Lehrplanes möglich; auch das Honorar werde vom Kläger festgesetzt und nicht etwa frei vereinbart; demgegenüber sei es unerheblich, daß es sich nach dem Willen der Vertragschließenden bei dem Verhältnis der Lehrbeauftragten zur Universität um einen Dienstvertrag selbständiger Personen habe handeln sollen; denn ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis unterliege der Versicherungspflicht, gleichgültig ob es dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen sei; daß die Lehrbeauftragten im Einzelfall berechtigt seien, ihre Lehrveranstaltungen anders als geplant durchzuführen, sei nicht so bedeutungsvoll, daß ihre Eingliederung in den Universitätsbetrieb verneint werden könne; was dabei zunächst die Möglichkeit angehe, daß der Lehrbeauftragte seinen Lehrauftrag infolge von Erkrankung nur teilweise ausführe und insoweit von einer Vergütung abgesehen werde, so habe ein derartiger Fall hier nicht vorgelegen; weiterhin seien auch keine Vorlesungen außerhalb der Universitätsgebäude gehalten worden, sondern nur in den verfügbaren Räumlichkeiten der Universität; auch das Fehlen mitgliedschaftlicher Rechte der Lehrbeauftragten im Rahmen des Universitätsbetriebes sei nicht so erheblich, daß daraus auf das Entfallen von Sozialversicherungspflicht geschlossen werden könne; zwar hätten die Mitglieder der Universität das Recht und auch die Pflicht, sich an der Selbstverwaltung der Universität zu beteiligen, während die Lehrbeauftragten über ein derartiges Recht nicht verfügten und nur bei Entscheidungen in ihren Angelegenheiten anzuhören seien; im Hinblick auf die inhaltlich freie Gestaltung der Lehrveranstaltungen und die Weisungsfreiheit beider Personengruppen sei es aber sachgerecht, die Stellung der Lehrbeauftragten mit der der beamteten und angestellten Hochschullehrer zu vergleichen; dann zeige sich, daß die letzteren, obwohl sie hinsichtlich ihrer Stellung im Rahmen der Universität - besonders bei der Selbstverwaltung - noch weitergehende Rechte als Lehrbeauftragte hätten, überwiegend keine selbständig Tätigen seien, was um so mehr für eine Eingliederung der Lehrbeauftragten in die Universität spreche.

Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision vertritt der Kläger die Ansicht, daß die Beigeladenen zu 2) und 3) nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu ihm gestanden hätten; denn sie seien nicht in den Organismus der Universität in einer Weise eingegliedert gewesen, daß sich aus diesem irgendwelche Sachzwänge bei der Ausübung ihrer Lehrtätigkeit ergeben oder daß sie konkrete Weisung erhalten hätten; bei der im Einvernehmen mit der Universität erfolgten Ankündigung der Lehrveranstaltungen im Vorlesungsverzeichnis und der Bestimmung von Ort und Zeit durch die Verwaltung der Universität habe es sich lediglich um organisatorische und den äußeren Rahmen der Lehrveranstaltungen betreffende Maßnahmen gehandelt; durch die zwischen der Universität und den Lehrbeauftragten - jeweils nur wenige Male - geschlossenen Lehrauftragsverträge habe das Lehrangebot der Universität lediglich erweitert werden sollen, indem ein besonderer praktischer Sachverstand von Personen genutzt worden sei, die außerhalb der Universität entsprechende Erfahrungen gesammelt hätten; die Lehrveranstaltungen der Beigeladenen zu 2) und 3) seien kein notwendiger Bestandteil des Lehrplanes gewesen, der mit einer Prüfung abgeschlossen habe; es habe auch ein Unternehmerrisiko insofern bestanden, als die Beigeladenen zu 2) und 3) nur ein Recht auf Vergütung für tatsächlich erteilte Unterrichtsstunden und insbesondere keinen Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall gehabt hätten; der feste Stundensatz und die Tatsache, daß das für den Lehrauftrag zu zahlen gewesene Honorar zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 2) und 3) vor Abschluß des Vertrages über den Lehrauftrag vereinbart worden sei, bewiesen lediglich, daß die Universität darauf achte, daß für die zahlreichen Lehrbeauftragten, die bei ihr tätig seien, eine gleichartige Vergütung bestehe; ein Unterworfensein unter Weisungen ergebe sich daraus nicht; nach alledem folge trotz der mangelnden Sachaufklärung durch das LSG bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt, daß die Beigeladenen zu 2) und 3) ihren Lehrauftrag als eine selbständige Tätigkeit durchgeführt hätten.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt vom

6. Januar 1976 und des Hessischen Landessozialgerichts

vom 28. März 1979 sowie die Bescheide der Beklagten vom

28. Juni 1973, 4. September 1973 und 29. August 1975

aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus: Im vorliegenden Falle sei entscheidend, daß die Beigeladenen zu 2) und 3) in den Übungs- und Lehrbetrieb der Universität Frankfurt eingegliedert gewesen seien, weil ihrer beider Lehrveranstaltungen zu Beginn des Semesters im Vorlesungsverzeichnis der Universität unter Angabe von Ort und Zeit der Lehrveranstaltung veröffentlicht worden seien und daraus ihre Teilnahme am Ablauf des "Arbeitsprogramms" der Universität folge; verstärkend komme die funktionsgerechte Teilhabe auch dadurch zum Ausdruck, daß die Lehrveranstaltungen der beiden Beigeladenen regelmäßig in den Räumen der Universität abgehalten worden seien; demgegenüber falle es nicht ins Gewicht, daß sie praktisch ohne Bindungen an Weisungen hätten arbeiten können, weil ein Beschäftigungsverhältnis auch vorliege, wenn die Weisungsbefugnis stark eingeschränkt sei und die Eingliederung in den Betrieb in den Vordergrund rücke; diese habe sich hier in der Pflicht der beiden Beigeladenen geäußert, einen Teil des Vorlesungs- und Übungsbetriebes der Universität mit ihrer Lehr- bzw Übungstätigkeit abzudecken; dabei sei es ohne Belang, daß die Beigeladenen zu 2) und 3) sich nicht dem Diktat des Klägers hinsichtlich des Zeitpunktes der Lehrveranstaltungen unterworfen hätten; sie hätten aber mit der Universität abgesprochen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten die Lehrveranstaltungen stattfinden sollten; auch die Möglichkeit, den Lehrauftrag zurückzugeben, spräche nicht gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, weil auch unzweifelhaft versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse jederzeit vom Arbeitnehmer gekündigt werden könnten; ebenso spreche es nicht gegen das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, wenn die Beigeladenen zu 2) und 3) nur nach Maßgabe der tatsächlich gegebenen Unterrichtsstunden entlohnt worden seien; dies und die Tatsache, daß das Honorar von der Klägerin festgesetzt und nicht frei ausgehandelt worden sei, sprächen im Gegenteil für das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses; denn auch gewerbliche Arbeitnehmer würden regelmäßig nach der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden entlohnt; für eine selbständige Tätigkeit würde es demgegenüber nur sprechen, wenn ein Fixum vereinbart worden wäre, und zwar ohne Rücksicht auf die tatsächlich geleistete Stundenzahl, was hier nicht der Fall gewesen sei.

Die Beigeladene zu 1) hat sich im Revisionsverfahren, die Beigeladenen zu 2) und 3) haben sich während des gesamten Verfahrens nicht zur Sache geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Die Urteile der Vorinstanzen und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind aufzuheben.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) waren als Lehrbeauftragte der Universität nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als selbständige freie Mitarbeiter tätig und unterlagen deshalb nicht der Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) und § 165 Abs 1 Nr 2 Reichsversicherungsordnung (RVO).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl zuletzt das Lehrbeauftragte einer Fachhochschule betreffende Urteil des erkennenden Senats vom 27. März 1980 - 12 RK 26/79 -, SozR 2200 § 165 Nr 45 = USK 80 104, mwN) setzt die Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO und § 2 Abs 1 Nr 1 AVG eine persönlich abhängige Beschäftigung voraus. Diese ist - im Unterschied zur Tätigkeit eines Selbständigen - dadurch gekennzeichnet, daß der Beschäftigte bei seiner Tätigkeit entweder an Weisungen des Beschäftigenden gebunden ist oder aufgrund einer ihrem Inhalt nach frei gestalteten Tätigkeit, insbesondere bei Diensten höherer Art, funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozeß des Beschäftigenden teilhat und damit auch ohne Weisungsgebundenheit in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist. Als eingegliedert gilt nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl die Urteile vom 31. August 1976 - 12/3/12 RK 20/74 -, SozR 2200 § 1227 Nr 4, vom 30. November 1978 - 12 RK 33/76 -, BSGE 47, 201 ff = USK 78 194, und - 12 RK 6/77 -, SozR 2200 § 162 Nr 2 = USK 78 210 und vom 14. Mai 1981 - 12 RK 11/80 -, jeweils mwN), wer sich dienstbereit der Verfügungsbefugnis eines Arbeitgebers über seine Arbeitskraft unterwirft. Der Begriff des sozialrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses stimmt sonach im wesentlichen mit dem des Arbeitsverhältnisses überein.

Zu der Frage, ob ein Lehrbeauftragter einer Hochschule als Angestellter versicherungspflichtig ist, hat der Senat in dem genannten Urteil vom 27. März 1980 (vgl auch die Urteile vom 19. Dezember 1979 - 12 RK 52/78 -, SozR 2200 § 166 Nr 5 = USK 79 225, und vom 1. Februar 1979 - 12 RK 7/77 -, SozR 2200 § 165 Nr 36 = USK 7929; vgl ferner das Urteil des 8. Senats des BSG vom 28. Februar 1980 - 8a RU 88/78 -, SozR 2200 § 539 Nr 64 = USK 8028) erwogen:

Daß Lehrbeauftragte nur semesterweise, also von vornherein zeitlich beschränkt, mit Lehrverpflichtungen betraut werden und gegenüber beamteten Hochschullehrern einen geringeren mitgliedschaftsrechtlichen Status haben, spricht gegen ihre Eingliederung in die Hochschule im Sinne einer abhängigen Beschäftigung. Gegenstand ihrer Tätigkeit an der Hochschule ist im übrigen die Erteilung akademischen Unterrichts für ein sachlich und thematisch eng begrenztes Gebiet. Weitere Pflichten, wie insbesondere die Teilnahme an der Forschung und der akademischen Selbstverwaltung, haben sie nicht zu erfüllen. Sie tragen auch, was ein weiteres wichtiges Merkmal einer selbständigen Tätigkeit gegenüber einer abhängigen Beschäftigung darstellt, ein Unternehmerrisiko insofern, als ihnen eine Vergütung nur für tatsächlich erbrachte Leistungen gewährt wird; daraus folgt, daß ihnen ein Anspruch auf ein Mindesteinkommen, auf Entschädigung für zB wegen Störungen ausgefallene Stunden oder auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle nicht zusteht (vgl insoweit auch die Urteile des Senats vom 16. Dezember 1976 - 12/3 RK 4/75 -, USK 76 196, betr. einen Tennislehrer; vom 13. Juli 1978 - 12 RK 14/78 -, SozR 2200 § 1227 Nr 17 = USK 78 105, betr. die Filialleiterin eines Schuhhandelsgeschäftes, und vom 1. Februar 1979 - 12 RK 7/77 -, SozR 2200 § 165 Nr 36 = USK 7929, betr. eine Kursleiterin der Jugendhilfe). Von Bedeutung ist auch, wie die Stellung der Lehrbeauftragten vertraglich geregelt ist. Zwar kann allein durch die Bezeichnung einer Tätigkeit als die eines "freien Mitarbeiters" nicht über die Frage der Versicherungspflicht verfügt werden. Andererseits steht es in der Macht der Parteien eines Rechtsverhältnisses, dieses nach ihrem Willen in seinen Einzelheiten so auszugestalten, daß es sich objektiv als abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausweist (vgl das schon genannte Urteil des Senats vom 27. März 1980 und auch die Urteile vom 31. Oktober 1972 - 2 RU 186/69 -, BSGE 35, 20, 21 f = USK 72 216, vom 24. Oktober 1978 - 12 RK 58/76 -, SozR 2200 § 1227 Nr 19 = USK 78 134, vom 30. November 1978 - 12 RK 33/76 -, SozR 2200 § 165 Nr 32 = USK 78 194, und vom 14. Mai 1981 - 12 RK 11/80 -).

Gegenüber diesen Gesichtspunkten kann die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei Lehrbeauftragten nicht damit begründet werden, daß sie hinsichtlich Zeit, Ort und äußerem Rahmen ihrer Tätigkeit bestimmten Bindungen der Hochschule unterliegen (vgl Urteile vom 27. März 1980 und 1. Februar 1979 - aaO -). Denn abgesehen davon, daß der Lehrbetrieb einer Hochschule nur dann reibungslos durchführbar ist, wenn die vielfältigen Veranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden, schließt die Vorgabe bestimmter allgemeiner äußerer Umstände einer Tätigkeit ihre Selbständigkeit grundsätzlich nicht aus, wie dies der Senat auch in den Urteilen zur Versicherungspflicht eines Reiseleiters vom 17. Mai 1973 (- 12 RK 23/72 -, BSGE 36, 7 = USK 73 78), eines Bezirksstellenleiters eines staatlichen Lottounternehmens vom 1. Dezember 1977 (- 12/3/12 RK 39/74 -, SozR 2200 § 1227 Nr 8 = USK 77 194) und von Bezirksleitern von Landesbausparkassen vom 29. Januar 1981 (- 12 RK 46/79 und 63/79 -, BSGE 51, 164) dargelegt hat.

Im übrigen entspricht eine das Lehrangebot der Hochschule lediglich ergänzende und nur lose an den Universitätsbetrieb angebundene Lehrbeauftragtentätigkeit nicht dem Leitbild eines berufsmäßigen, auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesenen und deshalb in dem Betrieb eines Arbeitgebers voll eingegliederten Arbeitnehmers, wie ihn die Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 29. März 1962 - 3 RK 74/57 -, SozR Nr 30 zu § 165 RVO = BSGE 16, 289, 295) für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung im allgemeinen fordert. Diese Auffassung wird, was nach der Ansicht des Senats im Interesse einer möglichst einheitlichen Beurteilung von Lehrbeauftragten nicht unberücksichtigt bleiben kann (vgl Urteil vom 27. März 1980 - aaO -), im Ergebnis auch von anderen obersten Bundesgerichten geteilt (vgl BFH, Urteil vom 17. Juli 1958 - IV 101/56 U, BStBl III, 1958, 360 f; BAG, Urteile vom 16. Dezember 1957 - 3 AZR 92/55 -, AP Nr 3 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten m zust Anm G. Hueck, vom 16. März 1972 - 5 AZR 460/71 -, aaO Nr 10 m zust Anm Söllner = USK 7225, und vom 26. Januar 1977 - 5 AZR 796/75 - AP Nr 13 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten = USK 7744; vgl weiter aus dem Schrifttum; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung einschließlich des Sozialgesetzbuches, 1. - 9. Aufl bis einschließlich 56. Nachtragslieferung 1981, S. 307 k; Seibert, DVBl 72, 304).

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf die vom LSG unangefochten festgestellten Tatsachen waren die Beigeladenen zu 2) und 3) während ihrer Tätigkeit als Lehrbeauftragte für den Kläger nicht als abhängig Beschäftigte anzusehen. Der äußere Ablauf ihrer Lehrtätigkeit war im schriftlichen Lehrauftrag und in den darin genannten Bestimmungen entsprechend den sachlichen Notwendigkeiten eines geordneten Studienbetriebes vorgegeben; darüber hinaus waren während des Semesters keine konkretisierenden Einzelanweisungen mehr erforderlich und wurden auch nicht erteilt. Die Lehraufträge wurden immer nur für jeweils ein Semester erteilt; sie betrafen, wie ihre Themen - Didaktik und Methodik des Turnens, Phonologie des modernen Französisch - zeigen, eng begrenzte Gebiete, durch deren Abdeckung mit Lehraufträgen an Praktiker die Universität ihr Lehrangebot in Randbereichen ergänzte. Weitere Pflichten außer der Unterrichtserteilung - wie etwa Teilnahme an Forschung und akademischer Selbstverwaltung - hatten die Beigeladenen zu 2) und 3) nicht zu erfüllen. Deshalb geht ein Vergleich mit beamteten Dozenten fehl; deren Einbindung in die akademische Selbstverwaltung ist gerade Ausdruck ihrer stärkeren Eingliederung in den Universitätsbetrieb.

Die Beigeladenen trugen auch ein Unternehmerrisiko insofern, als ihnen eine von der tatsächlichen Erbringung ihrer Dienstleistungen unabhängige Mindestvergütung und eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle nicht zustand. Daß es bei ihnen zu einer konkreten Einkommenseinbuße durch Unterrichtsausfall in den hier streitigen Zeiten nicht gekommen ist, ändert nichts, denn entscheidend ist nicht ein tatsächlich eingetretener Verlust, sondern nur die Gefahr eines solchen, dh die Ungewißheit des wirtschaftlichen Erfolges des eigenen Arbeitseinsatzes.

Schließlich spricht auch der Inhalt der den Beigeladenen zu 2) und 3) schriftlich erteilten Lehraufträge für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Nur eine solche hat ihnen von der Universität übertragen werden sollen und haben die beiden Beigeladenen übernehmen wollen. Verdeutlicht wird dies im Falle der Beigeladenen zu 3) noch dadurch, daß sie in der hier streitigen Zeit hauptberuflich als Angestellte gearbeitet hat.

Bei einer alle Umstände berücksichtigenden Würdigung des Gesamtbildes ihrer Lehrtätigkeit waren die Beigeladenen zu 2) und 3) somit keine abhängig Beschäftigten des Klägers und deshalb nicht versicherungspflichtig nach den §§ 165 Abs 1 Nr 2 RVO, 2 Abs 1 Nr 1 AVG. Ob sie als selbständige Lehrer der Versicherungspflicht nach den §§ 166 Abs 1 Nr 2 RVO, 2 Abs 1 Nr 3 AVG unterlegen haben, war nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 543252

BB 1982, 806 (LT1)

RegNr, 9482

Das Beitragsrecht Meuer, 299 A 67 a 35/1 (LT1)

AP § 611 BGB, Nr 23

SozR 2200 § 165, Nr 61 (LT1)

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