Entscheidungsstichwort (Thema)

Zinsen auf Zuschüsse zu den Kosten notwendiger Krankenhausbehandlungen (§ 18 Abs. 5 Bundesversorgungsgesetz -BVG-)

 

Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagter und Revisionsbeklagter

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin, versorgungsberechtigte Kriegswitwe, verlangt Zinsen auf Zuschüsse zu den Kosten notwendiger Krankenhausbehandlungen (§ 18 Abs. 5 Bundesversorgungsgesetz -BVG-). Nachdem der Beklagte solche Zuschüsse unter Anrechnung von Leistungen anderer Stellen für Behandlungen vom 28. Februar 1977 bis zum 19. April 1977 bewilligt hatte (Bescheide vom 16. März 1977, 5. August 1977, Widerspruchsbescheid vom 19. August 1977), sodann auch für die Zeit vom 6. Februar 1978 bis 4. April 1978 (Bescheide vom 16. Februar 1978 und 30. November 1978), setzte das Versorgungsamt während des anschließenden Streitverfahrens die Beträge ohne Anrechnung anderer Leistungen auf 5.920,13 DM für die erste Behandlung und auf 6.847,06 DM für die zweite fest (Bescheid vom 6. Februar 1980). Den Antrag auf Verzinsung lehnte die Verwaltung ab (Bescheid vom 3. März 1980). Die Klägerin beschränkte darauf ihre Klage auf den Zinsanspruch. Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verurteilt, den erstgenannten Betrag für die Zeit vom 1. Oktober 1977 bis 31. Januar 1980 mit 4% zu verzinsen und den zweitgenannten Betrag für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis zum 31. Januar 1980 (Urteil vom 4 Juni 1981). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen, nachdem die Klägerin sie für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1977 zurückgenommen hatte (Urteil vom 1. Februar 1983 = KOV-Mitteilungen Berlin 1983, 8). Die Krankenhausbehandlung als Sachleistung sei nicht zu verzinsen; gleiches gelte für die an deren Stelle gemäß § 18 Abs. 5 BVG gewährten Geldbeträge. Sie bildeten keine Bestandteile der Lebensgrundlage wie Geldleistungen, die der Verzinsung zugänglich seien.

Die Klägerin vertritt mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision die Auffassung, der Zuschuß gemäß § 18 Abs. 5 BVG decke nicht voll die Krankenhauskosten und sei daher i.S. des § 44 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) wie eine Geldleistung zu behandeln, hingegen nicht als ein Sachleistungssurrogat.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Urteils des LSG die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Verpflichtung des Beklagten zur Verzinsung mit dem 1. Januar 1978 beginnt.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das LSG hat zu Unrecht die Klage abgewiesen, soweit die Zinsansprüche noch streitig sind, d.h. für die Zeit nach dem 1. Januar 1978. Das Urteil des SG war, soweit es Leistungen für die Zeit vor diesem Zeitpunkt betrifft, durch Klagerücknahme (§ 153 Abs. 1, 5 102 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) gegenstandslos geworden.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und des Beklagten hat das SG zutreffend den nachträglich zuerkannten Anspruch auf ungekürzte Zuschüsse als "Anspruch auf Geldleistungen" (genauer: die Verpflichtung des Beklagten zum Leisten von Geld; Merten, VSSR 1974, 324, 339) bewertet, der nach § 44 Abs. 1 SGB I vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I 3015) zu verzinsen ist. Der darüber ergangene Ablehnungsbescheid, der entsprechend , 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits über die Zuschüsse für zwei verschiedene stationäre Krankenhausbehandlungen geworden war (BSG SozR 4100 § 186a Nr. 4; BSG, USK 80179), ist rechtswidrig. Die Klägerin, die in beiden Fällen über die allgemeinen Krankenhausleistungen hinausgehende Unterbringungs- und Behandlungsarten in Anspruch nahm, erhielt den für die notwendige Krankenhausbehandlung erforderlichen Betrag als einen "Zuschuß" (§ 18 Abs. 5 Satz 1 BVG i.d.F. des 3. Neuordnungsgesetzes vom 28. Dezember 1966 - BGBl. I 750 - /7. Anp-KOV vom 9. Juni 1975 - BGBl. I 1321 - /Bekanntmachung vom 22. Juni 1976 - BGBl. I 1633 -). Diese an sie überwiesene Geldzahlung war eine "Geldleistung" i.S. des SGB I und unterschied sich dadurch von den beiden anderen Arten von Sozialleistungen, den Sach- und Dienstleistungen, wie sie in § 11 Satz 1 SGB I unterschieden werden. Zu den Geldleistungen in diesem Sinn rechnen grundsätzlich alle an Leistungsberechtigte erbrachte Sozialleistungen in Geld, mit denen soziale Rechte i.S. der §§ 1 bis 10, 18 ff., 38 ff. SGB I erfüllt werden (BSGE 50, 40, 44 = SozR 2100 27 Nr. 2; BSG SozR 1200 § 44 Nr. 9; Grüner, Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil -, SGB I/3, § 11, Anm. I; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -, K § 11, Rz 3 und 4; weitergehend, worauf es hier aber nicht ankommt: Zeihe, SGb 1984, S. 61 zu BSGE 56, 1 = SozR 1200 § 44 Nr. 9). Allgemein ist der Begriff der Geldleistungen i.S. des SGB I schon deshalb einheitlich zu verstehen, weil sich dieses Gesetz die Vereinheitlichung des Sozialrechts zum obersten Ziel gesetzt hat (Gitter in: Bochumer Kommentar zum Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -, 1979, § 44, Rz 2). Es ist kein vernünftiger Grund dafür erkennbar, daß der Zuschuß des § 18 Abs. 5 BVG nach seinem Zweck nicht zu den nach § 44 SGB I zu verzinsenden Geldleistungen gehören soll.

Wenn ein Versorgungsberechtigter auf die Krankenhausbehandlung als Sach- und Dienstleistung verzichtet und stattdessen den Zuschuß gemäß § 18 Abs. 5 BVG in Anspruch nimmt, um damit die von ihm selbst direkt zu bezahlenden Krankenhauskosten - teilweise - zu bestreiten (RdSchr des BMA vom 6. März 1967, BVBl. 1967 S. 48 Nr. 23), ist die übliche Sachlage gegeben, die eine Verzinsung rechtfertigt. Zinsen sind Vergütungen für die Möglichkeit, Kapital auf Kosten eines anderen, des Zinsgläubigers, zu nutzen (von Maydell in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2, 1979, § 246, Rz 3 und 7). Andererseits sollen sie den Gläubiger dafür entschädigen, daß ihm zeitweilig eine Geldleistung vorenthalten wird, die er benötigt und deren verspätete Zahlung ihn typischerweise zur Kreditaufnahme oder zur Auflösung von Ersparnissen oder zur Einschränkung seiner Lebensführung zwingen kann (Begründung zum SGB I - BT-Drucks. 7/868 S. 30, zu § 44 -). Die Zinspflicht soll schließlich die zügige Befriedigung 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) fördern.

Die Ablösung des Anspruches auf Krankenhausbehandlung (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, S. 2 Halbs 1, Satz 3, § 12 Abs. 1, § 10 Abs. 4 Satz 1 Buchst c, Abs. 7 BVG) durch den Zuschuß nimmt diesem nicht den Charakter einer Geldleistung. Dies entspricht einem allgemeinen Grundsatz des Verzinsungsrechts. Falls ein Sachwert zu ersetzen ist, muß nach den §§ 290 und 849 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch der ersetzende Betrag verzinst werden.

Das LSG und der Beklagte können sich schließlich nicht erfolgreich auf eine vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung veröffentlichte Liste von "Geldleistungen" i.S. des § 44 SGB I berufen, in der der Zuschuß des § 18 Abs. 5 BVG nicht aufgezählt ist (Rundschreiben vom 21. Oktober 1976, BVBl. 1977, S. 3 Nr. 5). Diese Zuordnung betrifft die bundesstaatliche Verteilung der Ausgaben für Opfer von Gewalttaten (§ 4 des Opferentschädigungsgesetzes vom 11. Mai 1976 - BGBl. I 1181 -) und damit eine andere Rechtsbeziehung als die Sozialrechtsverhältnisse, die Sozialleistungen i.S. des § 11 SGB I zum Gegenstand haben. Bei jener Verteilung geht es allein um die Wirkung für das bundesstaatliche Erstattungsverhältnis. Zu den Geldleistungen i.S. des § 11 SGB I und damit auch des 44 gehören aber nicht Geldbeträge, die ein Leistungsträger an einen anderen erstattet (BSGE 49, 227 = SozR 1200 § 44 Nr. 2). Dann können auch für dieses Erstattungsverhältnis sachgemäß Geldleistungen, die zwischen den Leistungsträgern auszugleichen sind, im Hinblick auf § 11 Abs. 1 anders begrenzt werden als für das Rechtsverhältnis, das soziale Rechte betrifft.

Allerdings hat das SG unzutreffend den Zuschuß nach § 18 Abs. 5 BVG als eine Ermessensleistung (§ 39 SGB I) beurteilt und deswegen den Zinsanspruch, der gemäß § 44 Abs. 1 SGB I nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt der Fälligkeit der zu verzinsenden Schuld beginnt, von der in § 40 Abs. 2 i.V.m. § 41 SGB I getroffenen Regelung abhängig gemacht; nach ihr werden die in das Ermessen der Verwaltung gestellten Sozialleistungen mit dem Zeitpunkt fällig, in dem die Entscheidung über sie bekanntgegeben wird. Wenn der Berechtigte nach § 18 Abs. 5 Satz 1 BVG einen Zuschuß erhalten "kann", dann ist mit dieser Formulierung aber der Verwaltung kein Ermessensspielraum überlassen. Vielmehr wird damit, wie das LSG mit Recht entschieden hat, dem Berechtigten ein Wahlrecht eingeräumt. Er hat ungeachtet dessen ebenso wie auf die Krankenhausbehandlung, für die das oben dargelegt wurde, auf die Ersatzleistung des Zuschusses einen Rechtsanspruch (vgl. dazu § 38 SGB I und § 18 Abs. 1 und 2 BVG), so daß diese nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 41 SGB I mit der gesetzlichen Voraussetzung entstanden und fällig geworden ist. Anders ist es mit der Übernahme von Kosten für Leistungen, die über die allgemeinen notwendigen Krankenhausbehandlung hinausgehen; sie ist nach § 18c Abs. 3 Satz 3 BVG ins Ermessen der Verwaltung gestellt (früher § 14 Abs. 4 Halbsatz 2 BVG i.d.F. des 2, Neuordnungsgesetzes vom 21. Februar 1964 - BGBl. I 85 -; dazu BSGE 27, 26, 29 = SozR Nr. 3 zu § 14 BVG). Die Voraussetzungen für den Zuschuß waren jeweils mit dem Abschluß der von der Klägerin zu zahlenden Krankenhausbehandlung erfüllt.

Der Zuschuß für die erste stationäre Behandlung (Frühjahr 1977) kann erst für die Zeit nach dem 1. Januar 1978 verzinst werden; dementsprechend hat die Klägerin durch eine Klagerücknahme im Berufungsverfahren den weitergehenden Ausspruch des SG gegenstandslos gemacht. § 44 ist nach Art II § 23 Abs. 2 Satz 1 SGB I am 1. Januar 1978 in Kraft getreten, erfaßt nach Satz 2 aber auch die vor diesem Zeitpunkt fällig gewordenen, noch nicht verjährten Geldleistungsschulden, soweit das Verwaltungsverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist. In diesem Sinn noch nicht beendet war das Verfahren auch dann, wenn am 1. Januar 1978 noch ein Gerichtsverfahren über den vorher von der Verwaltung abgelehnten Antrag anhängig war (BSG SozR 1200 § 44 Nrn. 1, 3 und 4; seither ständige Rechtsprechung). Der Anspruch verjährt nach dem seit 1976 geltenden Recht (§ 45 Abs. 1, Art II § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB I) in vier Jahren nach dem Ablauf des Jahres der Entstehung, war also Ende 1977 noch nicht verjährt.

Nach den Feststellungen des LSG beruhen die Ansprüche der Klägerin auf ihren Anträgen. Dann beginnt nach § 44 Abs. 2 SGB I die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach dem Eingang des vollständigen Leistungsantrages bei dem zuständigen Träger, hier beim Versorgungsamt (§ 24 Abs. 2 SGB I, § 18c Abs. 1 BVG, § 2 Satz 1, § 6 Abs. 1, § 16 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung vom 6. Mai 1976 - BGBl. I 1169 -). Vollständig war der Leistungsantrag jeweils erst mit dem Einreichen der Krankenhausrechnungen (§§ 1 und 7 Abs. 1 Satz 1 KOVVfG a.F., § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I), nach denen die Verwaltung die notwendigen Kosten gemäß der Anzahl der Pflegetage berechnen konnte (vgl. dazu BSG SozR 1200 § 44 Nr. 8 und 71). Das war nicht etwa erst der Antrag, der zu dem nachträglich zu Gunsten der Klägerin erlassenen Bescheid vom 6. Februar 1980 führte (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 4). SG und LSG haben von ihrem Rechtsstandpunkt aus die Daten der maßgebenden Anträge nicht in ihren Urteilen festgestellt. Das Revisionsgericht kann indes die fehlenden Erkenntnisse den Versorgungsakten entnehmen; denn diese Vorgänge gehören zu dem von Amts wegen zu beachtenden Verwaltungsverfahren, und beziehen sich außerdem auf den Inhalt der in den Urteilen angeführten Bescheide über die Zuschüsse. Im ersten Fall ergänzte die Klägerin ihren vorausgegangenen Antrag vom Februar 1977 bereits mit der am 21. April 1977 beim Versorgungsamt eingegangenen Eingabe. Der Verzinsungsbeginn war dann vor dem 1. Januar 1978, von dem ab der Klägerin - nach Teilrücknahme der Klage - der Zinsanspruch zuerkannt worden ist, eingetreten. Im zweiten Fall reichte die Klägerin sogleich nach Abschluß der Behandlung mit dem am 6. April 1978 beim Versorgungsamt eingegangenen Schreiben die ersten Abrechnungen ein. Am 1. Januar 1979, von dem ab das SG Zinsen zugesprochen hat, war die Frist von sechs Monaten abgelaufen.

Die Verzinsung endete in beiden Fällen nach § 44 Abs. 1 SGB I mit dem Kalendermonat vor der Zahlung, d.h. Ende Januar 1980; auf Grund des Bescheides vom 6. Februar 1980 wurden die vollen Zuschüsse an die Klägerin ausbezahlt.

Mithin war die Berufung des Beklagten erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.9a RV 23/83

1985-06-25BSG

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518875

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