Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der vom Kläger in der Zeit von Januar bis Dezember 1972 besuchte Lehrgang nach den - günstigeren - Vorschriften der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 -AFuU 1969- (ANBA 1970, 85) oder nach der veränderten Fassung vom September 1971 -AFuU 1971- (ANBA 1971, 797) zu fördern ist.

Der Kläger arbeitete mehrere Jahre als Facharbeiter. Zuletzt war er als Programmierer tätig. Am 13. September 1971 ließ er sich von der Beklagten ein Formular für einen Antrag auf Förderung der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung geben. Am 10. November 1971 beantragte er die Förderung seiner Teilnahme an dem Lehrgang Nr. 360 des Berufsfortbildungswerks des Deutschen Gewerkschaftsbundes GmbH Stuttgart, der auf die Zeit von Januar bis Dezember 1972 festgesetzt war. Maßnahmeziel war die Ausbildung zum Datenverarbeitungs-Organisator. Nach einer Bescheinigung des Maßnahmeträgers betrug die Lehrgangsgebühr 5.700,- DM.

Mit Bescheid vom 11. Februar 1972 gewährte die Beklagte dem Kläger Unterhaltsgeld (Uhg) sowie mit Bescheid vom 24. Mai 1972 eine Abschlagszahlung auf die Lehrgangsgebühren in Höhe von 2.250.- DM. Den Berechnungen legte sie die AFuU 1971 zugrunde. Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24. Mai 1972, mit dem er geltend machte, ihm seien am 13. September 1971 Leistungen nach der AFuU 1969 zugesagt worden, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 1972).

Nach Erhebung der Klage bewilligte die Beklagte dem Kläger, wiederum nach den Vorschriften der AFuU 1971, endgültig Lehrgangsgebühren von insgesamt 3150,- DM (Bescheid vom 2. Februar 1973).

Das Sozialgericht (SG) Heilbronn hat durch Urteil vom 20. Juni 1973 die Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Förderungsleistungen nach der AFuU 1969 zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil des LSG vom 11. September 1974). Zur Begründung hat es ausgeführt: Die AFuU 1971 sei nach ihrem § 24 Abs. 2 Satz 1 auf alle Antragsteller anzuwenden, die am oder nach dem 1. Januar 1972 in eine Fortbildungsmaßnahme eingetreten seien. Diese Anordnung sei deshalb auch für die Berechnung der Förderungsleistungen des Klägers maßgebend. Für die Anwendung der AFuU 1969 könne sich der Kläger nicht auf eine Zusage oder Auskunft der Beklagten berufen. Zusagen und Auskünfte seien unverbindlich, wenn ihre Erfüllung dem Gesetz widerspreche. Auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes stehe dem Kläger der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte nicht zu. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, ihre dem Kläger erteilte Auskunft oder Zusage nachträglich zu berichtigen. Im vorliegenden Fall sei es zudem nicht daran gegangen, dem Kläger bei der richtigen Antragstellung oder vernünftigen Gestaltung seines Versicherungsverhältnisses behilflich zu sein, da der Kläger nach seiner Behauptung bei einer richtigen Auskunft der Beklagten an dem Lehrgang des Berufsfortbildungswerkes nicht teilgenommen haben würde.

Mit der - zugelassenen - Revision rügt der Kläger, das LSG habe die rechtlichen Folgen einer Zusage verkannt. Aufgrund des sog. Folgenbeseitigungsanspruchs sei die Beklagte verpflichtet, die Folgen der durch ihr Verschulden fehlerhaften Zusage zu beseitigen. Sie sei daher verpflichtet, dem Kläger die vollen Lehrgangsgebühren zu erstatten.

Der Kläger beantragt,das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Zutreffend ist das LSG zu dem Ergebnis gekommen, daß dem Kläger ein Anspruch auf Förderung der von ihm besuchten Maßnahme nach den Vorschriften der AFuU 1969 nicht zusteht. Die Maßnahme, an der er teilgenommen hat, begann im Januar 1972. Zu diesem Zeitpunkt galt bereits die AFuU 1971, sie trat am 1. Januar 1972 in Kraft (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AFuU 1971). Gleichzeitig trat die AFuU 1969 außer Kraft (§ 24 Abs. 1 Satz 2 AFuU 1971). Die AFuU 1971 ist auf alle Antragsteller anzuwenden, die - wie der Kläger - am 1. Januar 1972 oder danach in eine Maßnahme eingetreten sind (§ 24 Abs. 2 Satz 1 AFuU 1971). Auch aufgrund der Übergangsregelung des § 24 Abs. 2 Satz 3 AFuU 1971 steht dem Kläger, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, ein Anspruch auf Förderung nach der AFuU 1969 nicht zu. Nach dieser Vorschrift werden nur Antragstellern, die vor dem Inkrafttreten der AFuU 1971 bereits eine Maßnahme begonnen hatte, nach der AFuU 1969 zugesagte Leistungen weitergewährt. Der Kläger behauptet zwar, ihm seien im Herbst 1971 Leistungen zugesagt worden. Er hat die Maßnahme jedoch nicht schon vor dem Inkrafttreten der AFuU 1971 begonnen.

Allein aufgrund einer entsprechenden Zusage der Beklagten kann der Kläger Förderung nach der AFuU 1969 nicht beanspruchen. Eine entsprechende Zusage würde jedenfalls mit dem Inkrafttreten der AFuU 1971 ihre Verbindlichkeit verloren haben. Dies ergibt sich aus § 151 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Nach dieser Vorschrift werden Entscheidungen, durch die Leistungen nach diesem Gesetz bewilligt worden sind, insoweit aufgehoben, als die Voraussetzungen für die Leistungen nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind. Der vom LSG besonders betonte Vertrauensschatz in die Bestandskraft von Verwaltungsakten ist also im Bereich des AFG, mit Ausnahme der in § 152 AFG genannten Fälle, weitgehend aufgehoben. Wenn die Beklagte nach § 151 Abs. 1 AFG aber bereits berechtigt ist, gesetzwidrige Entscheidungen aufzuheben, selbst wenn diese bindend geworden sind, so muß sie auch und erst recht dazu berechtigt sein, die Erfüllung einer bindenden Zusage zu verweigern, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Zusage und für die Erbringung entsprechender Leistungen weggefallen sind (BSG SozR 4100 § 151 Nr. 1).

Entgegen der Ansicht der Revision läßt sich das Klagebegehren auch nicht auf einen sog. Folgenbeseitigungsanspruch stützen. Mit diesem von Bachof (Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 1951, S. 98 ff.) entwickelten und von der Rechtsprechung und Lehre fortgebildeten Rechtsinstitut sollen Beeinträchtigungen eines Freiheitsgrundrechts des Bürgers oder eines gleichgestellten Anspruchs auf Unterlassen ausgeglichen werden, die durch ein Tätigwerden der Eingriffsverwaltung hervorgerufen worden sind (vgl. Rüfner in: Badura u.a., Allgemeines Verwaltungsrecht, Lehrbuch -1975- S.404 ff.; Maier/Hannemann, DAngVers 1975, 347 ff., 352; Weyreuther, Verhandlungen des 47. Deutschen Juristentages, Bd. I Teil B, S. 1 bis 187; neuestens BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 - 12 RJ 88/75 -). Durch die unterlassene Aufklärung der Beklagten über eine zu erwartende Rechtsänderung ist der Kläger jedoch weder in einem Freiheitsgrundrecht noch in einem diesem gleichgestellten Anspruch auf Unterlassen beeinträchtigt worden.

Ebensowenig kann der Kläger- den Ersatz der vollen Lehrgangskosten nach dem - günstigeren - Förderungsrecht der AFuU 1969 im Wege des Schadensersatzes unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer - vertragsähnlichen - Nebenpflicht aus dem Arbeitsförderungsverhältnis nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben von der Beklagten verlangen. Ein solcher Anspruch setzt nämlich voraus, daß er auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet ist, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger pflichtgemäß verfahren wäre (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats vom 18. Dezember 1975 -12 RJ 88/75-; BSG, Urteil vom 29. Oktober 1968 - 4 RJ 553/54 - SozEntsch V § 1290 RVO n.F. Nr. 8; BSGE 26, 129; BSG SozR Nr. 3 zu § 1233 RVO; Nr. 46 zu § 51 SGG; Nr. 12 zu § 242 BGB; Nr. 2 zu § 1407 RVO). Ein solcher Anspruch auf Schadensersatz durch Vornahme einer Amtshandlung steht dem Kläger indessen nicht zu. Auch wenn die Beklagte ihn über das Inkrafttreten der AFuU 1971und das gleichzeitige Außerkrafttreten der AFuU 1969 am 1. Januar 1972 rechtzeitig unterrichtet hätte, käme eine Förderung der Teilnahme des Klägers an der von ihm gewählten Maßnahme nach der AFuU 1969 nicht in Betracht. Der Kläger hat auch nicht behauptet, daß er bei einer rechtzeitigen Information durch die Beklagte über die Höhe der Förderung und die Möglichkeiten, noch im Jahre 1971 eine gleichwertige Maßnahme zu beginnen, eine andere, nach dem Recht der AFuU 1969 zu fördernde Maßnahme - also eine solche, die noch im Jahre 1971 begonnen hätte - besucht haben würde. Vielmehr war für ihn nach den unangefochtenen und das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) die - behauptete - Zusage der Beklagten auf Gewährung von Förderungsleistungen nach der AFuU 1969 Vorbedingung für seinen Entschluß, überhaupt an einer Maßnahme teilzunehmen. Damit aber wird deutlich, daß als Schaden nicht die Herstellung eines Zustandes durch Vornahme einer Amtshandlung verlangt werden kann, aufgrund dessen der Kläger weitergehende versicherungsrechtliche Ansprüche geltend machen könnte. Der Kläger kann allenfalls verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er an der Maßnahme nicht teilgenommen. Dabei handelt es sich um einen auf eine Geldleistung gerichtete Schadensersatzanspruch, der nicht auf die Herstellung eines, sozialversicherungsrechtlichen Zustandes gerichtet ist, der bestehen würde, wenn die Beklagte pflichtgemäß gehandelt hätte. Für einen solchen auf Geldleistung gerichteten Schadensersatzanspruch ist aber gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 Abs. 1 SGG), sondern vor die Gerichte der Zivilgerichtsbarkeit gegeben (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 - 12 RJ 88/75 -; BSGE 25, 219, 221; vgl. auch Maier/Hannemann, a.a.O., S. 354; Jakumeit/Wilde, SGb 1971, 365).

Nach allem kann somit die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.12/7 RAr 135/74

Bundessozialgericht

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518767

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