Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine Schädigungsfolge bereits anerkannt, so setzt der Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegen die Versorgungsverwaltung nach § 19 Abs 1 S 1, 2 BVG wegen Aufwendungen für Gesundheitsstörungen, die durch die Schädigungsfolge (mittelbar) verursacht worden sind, nicht auch die Anerkennung dieser Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge gegenüber dem Beschädigten voraus (Fortentwicklung von BSG vom 6.9.1978 - 10 RV 59/77 = SozR 3100 § 19 Nr 7).

2. Das auf eine "echte" Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG ergehende Grundurteil ist in seinen Auswirkungen gemäß § 202 SGG iVm § 304 ZPO ein Zwischenurteil eigener Art und erfordert wegen der Leistungshöhe die Durchführung des Nachverfahrens (Anschluß an und Ergänzung zu BSG vom 17.12.1968 - 6 RKa 36/68 = BSGE 29, 69 = SozR Nr 7 zu § 130 SGG).

 

Orientierungssatz

Wird die Erstattung eines bestimmten Betrages mit einer Leistungsklage beantragt, liegt es im freien Ermessen der Berufungsinstanz, im Rahmen einer Vorabentscheidung ein Grundurteil über den Anspruch auf Erstattung zu erlassen und über die Höhe des Erstattungsbetrages in einem Nachverfahren eine Entscheidung zu treffen

 

Normenkette

BVG § 19 Abs 1 S 1 Fassung: 1982-11-04; BVG § 19 Abs 1 S 2 Fassung: 1982-11-04; SGG § 54 Abs 5, § 130 S 1; ZPO § 304; BVG § 19 Abs 3 S 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 17.01.1985; Aktenzeichen L 7 V 193/82)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 14.06.1982; Aktenzeichen S 32 V 47/80)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte (Land Nordrhein-Westfalen) der klagenden  Ersatzkasse Kosten zu erstatten hat, die durch Heilbehandlungsmaßnahmen für den beigeladenen Hans R. entstanden sind.

Der 1903 geborene Beigeladene ist Mitglied der Klägerin. Er bezieht als Kriegsbeschädigter vom Beklagten Leistungen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vH aufgrund eines Bescheids vom 17. Januar 1959, mit dem ua unter Nr 2 die Schädigungsfolge "Chronische Veränderung im linken Hüftgelenk mit Bewegungseinschränkung nach Verrenkungsbruch" anerkannt worden war.

Am 3. Januar 1977 kam der Beigeladene in seiner Wohnung zu Fall, als er beim Aufstehen an einem Beistelltisch mit Rollen (Dinett) keinen Halt fand und stürzte. Im April 1977 meldete die klagende B. beim Beklagten Kostenersatz gemäß § 20 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) wegen einer dem Beigeladenen vom 9. Januar bis zum 19. März 1977 gewährten stationären Heilbehandlung an, danach auch wegen weiterer stationärer Behandlungen in den Jahren 1977 und 1978. Hierzu überreichte sie eine Erklärung des Beigeladenen, wonach der Unfall auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen sei und er - der Beigeladene - wegen der Schädigung seit Jahren zwei Unterarmstützen bzw Laufstöcke benutze.

Der Beklagte zog die Krankenunterlagen der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in D. sowie des Krankenhauses der Augustinerinnen in K. bei, aus denen hervorgeht, daß der Beigeladene einen linksseitigen pertrochantären Oberschenkelbruch erlitten hat und mit einer Krückstockendoprothese, später mit einer Spezialprothese versorgt worden ist. Nachdem der zugezogene Chirurg Dr. K. , Duisburg, in einem Gutachten ausgeführt hatte, der Unfall sei dem normalen Unfallrisiko anzulasten, teilte der Beklagte mit Schreiben vom 11. April 1979 dem Beigeladenen mit, die Unfallfolgen seien keine Schädigungsfolgen; gegenüber der Klägerin, die auf die schädigungsbedingte Schwere der Verletzung hingewiesen hatte, lehnte er die Kostenerstattung nach mehreren Schreiben ab.

Auf die von der Klägerin im November 1980 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf nach Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. med. H., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik D., durch Urteil vom 14. Juni 1982 den Beklagten verpflichtet, an die Klägerin 77.160,46 DM zu zahlen: Der Unfall sei wesentlich durch anerkannte Schädigungsfolgen verursacht worden, wie dies der zugezogene Sachverständige in seinem Gutachten dargelegt habe.

Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) hat mit der angefochtenen Entscheidung vom 17. Januar 1985 die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte dem Grunde nach verpflichtet sei, der Klägerin die Kosten der stationären Behandlungen des Beigeladenen, die wegen dessen Unfall vom 3. Januar 1977 notwendig geworden seien, zu erstatten. Es hat ausgeführt: Mit dem Einverständnis der Klägerin habe ein Grundurteil ergehen dürfen. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für stationäre Behandlung sowie für Heilmittel und Transportkosten sei, da durch das anerkannte Schädigungsleiden hervorgerufen, aus § 19 Abs 1 Satz 1 und 2 BVG begründet. Daß die Unfallfolgen nicht als mittelbare Folgen der im Bescheid vom 17. Januar 1959 aufgeführten Schädigungsfolgen anerkannt seien, stehe dem Erstattungsanspruch nicht entgegen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 6. September 1978 - 10 RV 59/77 = SozR 3100 § 19 Nr 7). Ob sich eine negative Entscheidung des Beklagten gegenüber dem Beigeladenen auf den Erstattungsanspruch auswirken würde, könne dahinstehen; eine solche Entscheidung liege nicht vor. Zwar habe der Beklagte während des Berufungsverfahrens - durch Bescheid vom 10. Februar 1982 - den im Dezember 1981 gestellten Antrag des Beigeladenen auf Anerkennung der Unfallfolgen als weitere Schädigungsfolge abgelehnt; über den Widerspruch vom 21. Februar 1983 sei aber noch nicht entschieden. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, daß der Unfall im Sinne einer zumindest wesentlich mitwirkenden Ursache auf die Schädigungsfolgen im linken Hüftgelenk zurückzuführen sei; andererseits bestünden keine Anhaltspunkte, daß die vom Beklagten hervorgehobene etwaige alkoholische Neuropathie für den Unfall relevant gewesen sei.

Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die Unfallfolgen seien nicht, wie es § 19 Abs 1 Satz 2 BVG voraussetze, als Schädigungsfolgen anerkannt. Zwar sehe § 10 Abs 1 Satz 1 BVG seit der Neufassung durch das 3. Neuordnungsgesetz (3. NOG) Heilbehandlung auch für Gesundheitsstörungen vor, die durch eine anerkannte Gesundheitsstörung verursacht worden sind; der Wortlaut des § 19 Abs 1, Sätze 1 und 2 BVG sei jedoch insoweit unverändert geblieben. Dem vom LSG zitierten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen; dort sei es nur darum gegangen, von welchem Zeitpunkt an nach § 19 Abs 3 BVG Kostenerstattung verlangt werden könne.

Der Beklagte beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 1985 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. Juni 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen den Erstattungsanspruch der klagenden B. gegen das beklagte Land bejaht.

Das LSG war - worauf in anderem Zusammenhang noch einzugehen sein wird - berechtigt, ein Grundurteil zu erlassen. Denn die Voraussetzungen des § 130 Satz 1 SGG, daß gemäß § 54 Abs 4 oder 5 eine Leistung begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht, liegen vor: Die Klägerin verlangt vom Beklagten mit der "echten" (reinen) Leistungsklage iS von § 54 Abs 5 SGG (da ihr gegenüber kein Verwaltungsakt des Beklagten zu ergehen hatte) eine Geldleistung. Es stand im freien Ermessen des LSG, ein Grundurteil zu erlassen, obgleich vorher ein bestimmter Betrag verlangt worden war (SozR Nr 1 zu § 130 SGG; SozR 1500 § 96 Nr 12).

Anspruchsgrundlage der Klage ist § 19 Abs 1 Satz 1 und 2 BVG idF des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs -SGB 10-, 3. Kapitel, Gesetz vom 4. November 1982 (BGBl I 1450). Danach werden den Krankenkassen, wenn sie nicht nur nach den Vorschriften des BVG verpflichtet sind, Heilbehandlung zu gewähren, die Aufwendungen für Krankenhauspflege einschließlich teilstationärer Behandlung, häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, Heilmittel und Brillen erstattet (Satz 1 aaO). Die Erstattung wird gewährt, wenn die Aufwendungen durch Behandlung anerkannter Schädigungsfolgen entstanden sind (Satz 2).

Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung der Kosten vor, die durch stationäre Behandlungen des Beigeladenen bis zum 7. September 1978 aufgrund des Unfalls vom 3. Januar 1977 notwendig geworden sind. Das LSG hat festgestellt, daß der Unfall des Beigeladenen "im Sinne einer zumindest wesentlich mitwirkenden Ursache" auf die anerkannte Schädigungsfolge "chronische Veränderung im linken Hüftgelenk mit Bewegungseinschränkung nach Verrenkungsbruch" zurückzuführen ist. Hiergegen und gegen die hierzu im einzelnen getroffenen weiteren tatsächlichen Feststellungen hat der Beklagte keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe (Verfahrensrügen) vorgebracht; die Feststellungen sind daher für den Senat gemäß § 163 SGG bindend. Daß dem Berufungsgericht bei seiner Würdigung materielle Rechtsfehler - etwa hinsichtlich des Begriffs der wesentlichen Mitursache iS der für die Kriegsopferversorgung geltenden Kausalnorm - unterlaufen seien, ist nicht ersichtlich. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der als Schädigung anerkannten Gesundheitsstörung und den Folgen des Unfalls vom 3. Januar 1977 steht also fest.

Der Erstattungsanspruch scheitert nicht daran, daß der Beklagte die Unfallfolgen nicht als (mittelbare) Schädigungsfolge anerkannt hat. Dem widerstreitet § 19 Abs 3 Satz 1 BVG nur scheinbar, wonach, wenn die Gesundheitsstörung bei Beginn der Behandlung noch nicht als Schädigungsfolge anerkannt war, die Erstattung nach Abs 1 Satz 1 und Abs 2 der Vorschrift erst nach der Anerkennung gewährt wird. In dem bereits vom LSG herangezogenen Urteil des BSG vom 3. September 1978 (SozR 3100 § 19 Nr 7) sind für den Fall der Behandlung einer Krankheit, die in der Bezeichnung der anerkannten Schädigungsfolgen nicht aufgeführt ist, zwei denkbare Anspruchsnormen genannt worden (S 19 aaO): Es könne geltend gemacht werden, daß es sich um eine Krankheit handele, die durch eine bereits anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sei; dann sei § 19 Abs 1 und 2 BVG die Anspruchsgrundlage, und Ersatz könne schon vom Beginn der Behandlung an verlangt werden. Der Anspruch könne aber auch darauf gestützt werden, daß die Krankheit zwar nicht die Folge einer anerkannten Schädigungsfolge, aber die Folge eines schädigenden Vorgangs im Kriegsdienst sei und als - neue - Schädigungsfolge anerkannt werden müsse; dann könne Ersatz erst nach der Anerkennung (§ 19 Abs 3 Satz 1 BVG) gewährt werden.

Allerdings lag dem vorgenannten Urteil des BSG ein anderer Sachverhalt zugrunde insofern, als dort die Krankheit, derentwegen Kostenerstattung (damals: Kostenersatz) verlangt wurde, nicht von den bereits anerkannten Schädigungsfolgen hervorgerufen worden war, sondern eine neu anzuerkennende Schädigungsfolge darstellte. Dies schmälert aber nicht die Bedeutung der Aussage jenes Urteils für die hier vorliegende andere Fallgestaltung (wie hier, im Anschluß an BSG aaO: Rohr/Sträßer, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, 6. Aufl, § 19 BVG, K IV/I und K 9, 10; die vom Beklagten zitierten Literaturstimmen, Wilke, Komm zum BVG, 5. Aufl, S 212, und Vorberg-van Nuis, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, III. Teil, 4. Aufl, S 224 erwähnen das BSG-Urteil vom 6. September 1978 nicht, wobei noch unklar bleibt, ob Vorberg-van Nuis die Ansicht des Beklagten teilt; vgl auch aaO S 234).

Im übrigen räumt der Beklagte selbst ein, daß gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 BVG Heilbehandlung nicht nur für Gesundheitsstörungen gewährt wird, die als Folge einer Schädigung anerkannt sind, sondern auch für solche, die "durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind". Zwar weist er zutreffend darauf hin, diese Differenzierung sei in § 19 Abs 1 Satz 2 BVG nicht übernommen worden; die fehlende Kongruenz im Wortlaut beider Vorschriften führt aber - anders als die Revision meint - schon deshalb nicht zum gegenteiligen Schluß, weil die Fassung des § 19 Abs 1 Satz 2 BVG allgemeiner gehalten ist, jedenfalls aber nicht mit der ersten - engeren - Fallgruppe des § 10 Abs 1 Satz 1 BVG übereinstimmt. In diesem Zusammenhang gibt ein Vergleich mit § 18c Abs 6 Satz 3 iVm Satz 2 BVG weiteren Aufschluß. Dort ist der Erstattungsanspruch der Versorgungsverwaltung ua gegen die Krankenkasse und auch hinsichtlich der Kosten für stationäre Behandlung geregelt: Wenn ein anderer öffentlich-rechtlicher Leistungsträger eine Zuschuß- oder sonstige Geldleistung oder eine mit einer Zuschußleistung für den gleichen Leistungszweck verbundene Sachleistung nicht erbringt, weil bereits aufgrund des BVG eine Sachleistung gewährt wird, so ist der andere Träger erstattungspflichtig, soweit er sonst Leistungen gewährt hätte (Satz 2 aaO). Jedoch besteht nach Satz 3 aaO die Erstattungspflicht nicht, "wenn die zu behandelnde Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden ist". Was sich aber im Rahmen des § 18c Abs 6 die Versorgungsverwaltung als Inhaber des Erstattungsanspruchs (Kläger) muß entgegenhalten lassen, wird sie als Anspruchsgegnerin (Beklagte) der Krankenkasse nicht verweigern dürfen, wobei es in diesem Zusammenhang ohne Belang ist, daß sich Inhalt und Art der in beiden Vorschriften angesprochenen Leistungen nur zum Teil decken. Denn sowohl § 18c Abs 6 BVG wie auch § 19 BVG sind Ausdruck des allgemeinen Prinzips, daß die Kosten für die Behandlung von Schädigungsfolgen vorrangig der Versorgungsverwaltung zur Last fallen sollen, die für die Behandlung von Nichtschädigungsfolgen dagegen in erster Linie anderen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern, insbesondere der Krankenkasse (vgl SozR 3100 § 18c Nrn 3 und 5). Dabei stellt das BVG der Behandlung von Schädigungsfolgen diejenige Behandlung gleich, die "durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden" ist.

Soweit der Beklagte einwendet, die Entscheidung der Versorgungsverwaltung über die Anerkennung oder Ablehnung einer kostenverursachenden Krankheit als Schädigungsfolge gegenüber dem Beschädigten habe für die Krankenkasse "Tatbestandswirkung", trifft dies den vorliegenden Sachverhalt nicht. Die von ihm genannten BSG-Urteile beziehen sich ihrem Inhalt nach auf § 19 Abs 3 BVG und darauf, daß auch nach Abs 1 Satz 2 aaO "anerkannte Schädigungsfolgen" vorhanden sein müssen (vgl auch grundlegend: BSG in SozR Nr 13 zu § 19 BVG). Wie erörtert, handelt es sich hier nicht um eine solche Fallgestaltung.

Schon aus den vorgenannten Gründen vermag an dem Ergebnis auch nichts zu ändern, daß der Beklagte durch den - im übrigen mit dem Widerspruch angefochtenen - Bescheid vom 10. Februar 1985 den Antrag des Beigeladenen "auf höhere Leistung nach dem BVG" abgelehnt hat mit der Begründung, der Unfall vom 3. Januar 1977 sei weder durch die Schädigungsfolgen entstanden noch durch sie verursacht worden. Hinzu kommt, daß nur der Verfügungssatz des Bescheides eine etwaige Tatbestandswirkung entfalten könnte, nicht dessen Gründe. Die Ablehnung einer höheren Leistung oder der Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen schließt jedenfalls den Erstattungsanspruch wegen der Behandlungskosten nicht notwendig aus. Damit kommt wegen fehlender Vorgreiflichkeit eines Verwaltungsverfahrens auch keine Aussetzung dieses Verfahrens nach § 114 Abs 2 SGG in Betracht.

Der Senat verkennt nicht, daß mit der getroffenen Entscheidung die Rechtsposition der Kasse gegenüber der Versorgungsverwaltung gestärkt wird. Es handelt sich hier aber nur um eine Fallgestaltung, bei der der Beschädigte (Versorgungsberechtigte), weil zugleich Kassenmitglied, durch die Gewährung der Sachleistung nicht selten zufriedengestellt ist und von einem Antrag gegenüber der Verwaltung nach § 48 SGB 10 absieht (vgl auch für den entgegengesetzten Anspruch der Versorgungsverwaltung gegen die Kasse nach § 18c Abs 6 Satz 2 BVG: Kein Scheitern des Anspruchs der Versorgungsverwaltung, wenn der versorgungsberechtigte Versicherte bei der Kasse den - an sich erforderlichen - Antrag nicht gestellt hat; zuerst BSG in SozR 3100 § 18c Nr 3, seitdem ständige Rechtsprechung, zB aaO Nr 9). Wollte man gleichwohl entsprechend der Ansicht des Beklagten für den Anspruch auf Kostenerstattung wegen mittelbarer Schädigungsfolgen stets einen Antrag des Beschädigten verlangen, so würden die Rechte der Krankenkasse mehr als notwendig beschnitten, zumal diese - anders als der Sozialhilfeträger nach § 91a des Bundessozialhilfegesetzes - selbst keinen Antrag, der nach § 1 BVG erforderlich ist, stellen kann.

Das LSG hat, wie bereits erörtert, berechtigterweise über den Anspruch der Klägerin nur dem Grunde nach entschieden. Obwohl der erkennende Senat dieses Urteil bestätigt, ist jedoch das Verfahren damit nicht beendet. Vielmehr muß das Berufungsgericht noch über die Höhe der Forderung in einem Nachverfahren entscheiden, weil bisher nur eine Vorabentscheidung über den Grund des Anspruchs entsprechend § 304 der Zivilprozeßordnung (ZPO) getroffen worden ist. Das BSG hat nämlich im Urteil vom 17. Dezember 1968 - 6 RKa 36/68 (BSGE 29, 69 = SozR Nr 7 zu § 130 SGG) zwischen der kombinierten Anfechtungs- und "unechten" Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) und der - hier vorliegenden - "echten" Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) unterschieden und erkannt, daß im ersten, für Leistungsstreitigkeiten der Sozialgerichtsbarkeit typischen Fall kein Nachverfahren über die Höhe des Anspruchs stattfinde (Hinweis auf BSGE 27, 81, 82 ff), sondern darüber durch den in Ausführung des Grundurteils ergehenden - seinerseits selbständig anfechtbaren - Bescheid des Leistungsträgers entschieden werde. Da ein solcher die Höhe der Leistung festsetzender Bescheid bei einer Klage nach § 54 Abs 5 SGG nicht zu erlassen sei, könne im Streit zwischen einander gleichgeordneten Beteiligten das Prozeßziel nur unvollkommen erreicht werden, wenn keine Möglichkeit bestünde, nach dem Grundurteil das Verfahren mit einer der Vollstreckung fähigen Entscheidung abzuschließen. Deshalb müsse bei "echten" Leistungsklagen nicht anders als im Zivilprozeß Raum für ein Nachverfahren in dem Fall bleiben, daß sich die Beteiligten nicht nach Erlaß des Grundurteils über die Höhe der Leistung einigen und dem Gericht die Erledigung in der Hauptsache mitteilen.

Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von dem vorgenannten Urteil abzuweichen, dem - soweit ersichtlich - im Schrifttum nicht widersprochen worden ist und dem auch die Kommentare zum SGG, soweit sie sich mit der Entscheidung befassen, im wesentlichen gefolgt sind (zB Bley in SGB-SozVers-GesKomm, § 130 SGG Anm 4c; Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, § 130, Rz 4; aA: Hennig/Danckwerts/König, SGG, § 130 Anm 3 mit dem Hinweis, das Urteil sei nicht überzeugend, da derselbe Gesetzestext nicht je nach Klageart verschieden ausgelegt werden könne). Allerdings kann nach Ansicht des Senats wegen des Wortlauts des § 130 Satz 1 SGG, der die Absätze 4 und 5 des § 54 SGG als Anspruchsgrundlagen alternativ nebeneinander stellt, hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erlaß eines Grundurteils kein Unterschied gemacht werden je nachdem, ob es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage oder um eine reine Leistungsklage handelt. Eine Gleichbehandlung beider Fallgruppen ist aber weder geboten noch sachgerecht, soweit es um die Frage der Erforderlichkeit eines Nachverfahrens, also um die Auswirkungen des Grundurteils geht, zumal § 130 Satz 1 SGG selbst hierauf keine Antwort gibt. Daß mit einem auf die Klage nach § 54 Abs 4 SGG ergehenden zusprechenden Grundurteil das Verfahren abgeschlossen wird, ohne daß es eines Nachverfahrens bedarf, ist mit der Typik des sozialgerichtlichen Leistungsstreits, daneben auch mit der Entstehungsgeschichte des § 130 SGG (vgl § 1668 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO- idF vor dem SGG -aF-) begründet worden (vgl BSGE 27, 81). Alle diese Argumente versagen jedoch, wenn das Grundurteil auf eine reine Leistungsklage ergeht. Denn § 1668 Abs 2 RVO aF betraf nicht die reine Leistungsklage, und diese ist auch nicht für das sozialgerichtliche Verfahren typisch. Deshalb drängt sich insoweit gemäß § 202 SGG die entsprechende Anwendung des § 304 ZPO auf, zumal auch andere Verfahrensordnungen die Vorabentscheidung über den Grund als ein Zwischenurteil eigener Art normieren (§ 111 Verwaltungsgerichtsordnung, § 99 Finanzgerichtsordnung), das hinsichtlich seiner (selbständigen) Anfechtbarkeit einem Endurteil gleichsteht (vgl § 304 Abs 2 ZPO). Hinzu kommt, daß es zumindest noch umstritten ist, ob nicht auch Grundurteile nach der Anfechtungs- und Leistungsklage vollstreckungsfähig sind (wegen Einzelheiten vgl zB Bley, aaO § 130 Anm 4d; Meyer-Ladewig, aaO § 198 Rz 3); aus dem Grundurteil nach § 54 Abs 5 SGG dagegen kann zweifelsfrei nicht vollstreckt werden.

Nach alledem konnte die Revision des Beklagten gegen das Grundurteil keinen Erfolg haben; das Verfahren bleibt aber wegen der noch offenen Höhe des geltend gemachten Anspruchs beim Berufungsgericht anhängig. Hinsichtlich der Kosten erscheint es, da eine endgültige Entscheidung ohnehin noch nicht getroffen werden kann, zweckmäßig, die Entscheidung in vollem Umfang dem Schlußurteil (Endurteil) des Berufungsgerichts zu überlassen.

 

Fundstellen

BSGE, 217

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