Beteiligte

…, Klägerin und Revisionsklägerin

Barmer Ersatzkasse, Wuppertal, Untere Lichtenplatzer Straße 100-102, Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Klägerin begehrt die Erstattung eines Teils der Kosten für die Entbindung in einer Klinik, die für die Erbringung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zugelassen ist.

Die Klägerin ist freiwilliges Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Sie befand sich vom 6. bis 14. April 1993 zur Entbindung in der ATOS Praxisklinik in Heidelberg, an welcher ihr behandelnder Arzt für Frauenheilkunde Belegarzt ist. Ihren bereits im Oktober 1992 gestellten Antrag, die durch die Entbindung veranlaßten Kosten der stationären Behandlung in Höhe des durchschnittlichen Tagessatzes der örtlich zugelassenen Krankenhäuser zu übernehmen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. November 1992 (Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1993) ab, weil zwischen den Krankenkassen und der Klinik keine vertraglichen Beziehungen bestünden.

Die Klage hatte keinen Erfolg (Urteil vom 27. August 1993). Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Ausgaben für die stationäre Behandlung auf 7.455,48 DM beziffert und ihren Antrag durch Bezugnahme auf die Satzung der Beklagten auf die Erstattung der Kosten für entsprechende Sachleistungen abzüglich eines Abschlags für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfung beschränkt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom 17. Dezember 1993 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sei auf Leistungen durch Ärzte oder Einrichtungen beschränkt, die zur Leistungserbringung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen gesetzlich oder vertraglich ermächtigt seien. Von diesem Grundsatz seien Einrichtungen zur Entbindung iS des § 197 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht ausgenommen. Eine Notfallbehandlung iS des § 13 Abs 3 SGB V habe nicht vorgelegen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 197 RVO und des § 13 Abs 2 SGB V.

Sie beantragt (sinngemäß),

die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, nach Maßgabe des § 25 Abs 2 ihrer Satzung die Kosten für die stationäre Entbindung in Höhe von 7.455,48 DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin zu Recht verneint.

Die freiwillig bei der Beklagten versicherte Klägerin hatte zwar anläßlich ihrer Entbindung einen Anspruch auf Krankenbehandlung als Sach- und Dienstleistung, der nach § 195 Abs 1 Nr 3, § 197 Satz 1 RVO in der seit 1. Januar 1989 geltenden Fassung iVm § 24 Abs 1 Nr 5 der Satzung der Beklagten in der seit 1. Januar 1989 geltenden Fassung auch die stationäre Aufnahme in ein Krankenhaus oder eine andere Einrichtung für längstens sechs Tage nach der Entbindung umfaßt. Soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, gelten für diese Leistung nach § 195 Abs 2 Satz 1 RVO jedoch die Leistungsvorschriften des SGB V entsprechend, was die Behandlung auf Kosten der Krankenkasse in einer nicht zugelassenen Klinik ausschließt.

§ 197 Satz 1 RVO gewährt nur einen Anspruch auf Leistungen in einer Einrichtung, die zur Behandlung von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen ist. Das ist in § 108 SGB V klargestellt, wonach die Krankenkassen Krankenhausbehandlung nur durch die dort abschließend aufgezählten zugelassenen Krankenhäuser erbringen lassen dürfen. Als Krankenhäuser iS des Sozialgesetzbuchs bezeichnet § 107 Abs 1 Nr 1 SGB V Einrichtungen, die der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen. Damit gilt die Beschränkung auf zugelassene Krankenhäuser ausnahmslos für den gesamten Bereich der stationären Behandlung. Die ausdrückliche Erwähnung der Geburtshilfe spricht dafür, daß insbesondere auch die in § 197 Satz 1 RVO genannten "anderen Einrichtungen" hiervon nicht ausgenommen sind.

Das wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Bis zum 31. Dezember 1988 ergab sich der Anspruch auf stationäre Aufnahme in eine "Entbindungs- oder Krankenanstalt" aus § 199 Satz 1 RVO in der damaligen Fassung. Dabei konnte die Versicherte nur unter den Krankenhäusern wählen, die nach § 371 RVO für die Erbringung von Krankenhauspflege vorgesehen waren. Denn die diesbezügliche Regelung für die Krankenhauspflege in § 184 Abs 5 Satz 1 RVO galt kraft ausdrücklicher Verweisung in § 199 Satz 3 RVO auch für Entbindungen. Zwar wurde § 184 Abs 5 RVO später zu Abs 2, ohne daß die Verweisung in § 199 Satz 3 RVO angepaßt wurde (Gesetz zur Verbesserung von Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19. Dezember 1973, BGBl I 1925); eine inhaltliche Änderung war damit jedoch nicht verbunden (so auch Peters, Handbuch der Krankenversicherung II, § 199 RVO Anm 9b). Der wesentliche Inhalt des § 199 Abs 1 RVO wurde als § 58 in den Entwurf zum SGB V übernommen (BT-Drucks 11/2237 S 25). Allerdings entfiel der Hinweis auf § 38 Abs 1 Satz 2 des Entwurfs, die Vorschrift über die zugelassenen Krankenhäuser; lediglich die Verweisung auf die mögliche Auferlegung der vom Versicherten verursachten Mehrkosten wurde beibehalten (§ 58 Satz 3, § 38 Abs 2 des Entwurfs). Dabei blieb es, als die Vorschriften über die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft in die RVO zurückverlegt wurden, denn § 58 des Entwurfs zum SGB V wurde unverändert zu § 197 RVO (BT-Drucks 11/3480 S 71 zu Art 5 Nr 1a und 1b): Satz 3 verweist zwar auf § 39 Abs 2 SGB V, nicht aber auf § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V, wo der Anspruch auf stationäre Behandlung ausdrücklich auf die Behandlung in zugelassenen Krankenhäusern beschränkt wird. Für den daraus von der Klägerin gezogenen Gegenschluß, daß Entbindungen auch in nicht zugelassenen Krankenhäusern zum Leistungsumfang der Krankenkasse gehören, fehlt jeder weitere Anhalt. Insbesondere sind keine Gründe erkennbar, die eine Unterscheidung zwischen Entbindungen und anderen stationären Behandlungen rechtfertigen. Im Hinblick darauf und im Hinblick auf die Kennzeichnung des in § 58 des Entwurfs gewählten Wortlauts als "redaktionelle Änderung" gegenüber dem früheren § 199 Abs 1 RVO (BT-Drucks 11/2237 S 185) ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber die Beschränkung auf zugelassene Krankenhäuser iS des § 108 SGB V im Rahmen der Geburtshilfe für selbstverständlich hielt; neben der allgemeinen Verweisungsvorschrift des § 195 Abs 2 Satz 1 RVO bedurfte dies keiner eigenen ausdrücklichen Regelung. Aus § 197 RVO ergibt sich demnach kein Anspruch der Klägerin auf stationäre Betreuung in der von ihr gewählten Klinik.

Für einen Kostenerstattungsanspruch, der nach § 13 Abs 1 SGB V im SGB V vorgesehen sein muß, fehlen ebenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V in der seit 1. Januar 1993 geltenden Fassung scheitert daran, daß die Klägerin sich in einer Klinik hat behandeln lassen, die zur Behandlung von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zugelassen war. Zwar erlaubt die genannte Vorschrift freiwilligen Mitgliedern und ihren nach § 10 SGB V versicherten Familienangehörigen die Wahl der Kostenerstattung anstelle der eigentlich zu gewährenden Sach- oder Dienstleistung. Damit wird jedoch der Kreis der zur Leistungserbringung zugelassenen Personen oder Einrichtungen nicht erweitert.

Das hat der Senat für den Bereich der ambulanten Krankenbehandlung durch niedergelassene Ärzte in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 10. Mai 1995 (1 RK 14/94, zur Veröffentlichung bestimmt) bereits entschieden. Denn § 13 Abs 2 SGB V enthält weder nach seinem Wortlaut noch nach seiner Entstehungsgeschichte eine Ausnahme zu § 76 Abs 1 SGB V, mit dem das Gesetz die Wahl des Versicherten auf die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer beschränkt. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme nicht zugelassener Ärzte ließe sich mit dem geltenden System der gesetzlichen Krankenversicherung nur schwer vereinbaren. Vor allem wäre die Verwirklichung des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 Abs 1 SGB V in Frage gestellt, weil nur zugelassene Ärzte der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen. Außerdem würden die Regelungen über das Arznei- und Heilmittelbudget, über die Gesamtvergütung und über die Beschränkung des Praxisumfangs bei Zahnärzten unterlaufen (vgl § 84 Abs 1, § 85 Abs 3, § 85 Abs 4b SGB V in der seit 1. Januar 1993 geltenden Fassung). Schließlich sprechen auch verfassungsrechtliche Gründe dagegen, das Recht der Kostenerstattung, das nur freiwilligen Krankenkassenmitgliedern zusteht, generell auf Leistungserbringer auszudehnen, die von den versicherungspflichtigen Mitgliedern nicht in Anspruch genommen werden können (zum Ganzen BSG aaO).

Die aufgezeigten Gesichtspunkte gelten für stationäre Behandlungen entsprechend. Zugelassene Krankenhäuser sind nach § 113 SGB V Wirtschaftlichkeitsprüfungen unterworfen. Die Vergütung für die allgemeinen Krankenhausleistungen können nach § 17 Abs 2 Satz 1 Nr 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) in der seit dem 29. September 1990 geltenden Fassung auf einen festen Gesamtbetrag begrenzt werden. Dies ist durch § 4 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung geschehen. Kostenerstattungen an nicht zugelassene Krankenhäuser müßten den Sinn dieser Budgetierung in Frage stellen. Schließlich könnte es auch im stationären Bereich verfassungsrechtlich problematisch sein, freiwilligen Mitgliedern nicht nur in besonders umschriebenen Ausnahmefällen die freie Wahl unter sämtlichen Krankenhäusern zu eröffnen, während Pflichtmitglieder auf zugelassene Krankenhäuser beschränkt bleiben.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß Mehrkosten nicht entstehen, wenn der Klägerin nur die Kosten erstattet werden, die ein zugelassenes Krankenhaus in Rechnung gestellt hätte. Denn die genannten Regelungen zielen sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Bereich nicht nur auf eine Kostenbegrenzung im einzelnen Behandlungsfall ab, sondern auf eine Überprüfbarkeit des Verordnungsverhaltens der Leistungserbringer in einer Vielzahl von Behandlungsfällen. Die gesetzlich vorgesehenen Kontrollen würden umgangen, wenn die Krankenkasse Kosten nicht zugelassener Leistungserbringer zu tragen hätte, denn diese Kosten könnten weder in die Wirtschaftlichkeitsprüfungen noch in die Berechnung der Gesamtvergütung oder der Gesamtpunktmenge noch in die Budgetierungen einfließen.

Andere Kostenerstattungsregelungen, wie § 64 SGB V oder § 13 Abs 3 SGB V in der seit 1. Januar 1993 geltenden Fassung, greifen nicht ein. Die in § 64 SGB V zur Erprobung vorgesehene Kostenerstattung setzt eigene Satzungsbestimmungen voraus, die hier nicht vorliegen. Da der Klägerin kein Behandlungsanspruch in der von ihr gewählten Klinik zustand, hat die Krankenkasse die Leistung nicht iS des § 13 Abs 3 Alt 2 SGB V zu Unrecht abgelehnt. Beides ist im Revisionsverfahren nicht umstritten, so daß sich nähere Ausführungen dazu erübrigen.

Wie das LSG im Ergebnis zutreffend erkannt hat, handelte es sich bei der Behandlung der Klägerin auch nicht um eine Notfallbehandlung iS des § 13 Abs 3 Alt 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift ist die Krankenkasse zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Dabei ist davon auszugehen, daß eine Entbindung in der Regel eine unaufschiebbare Leistung - auch in der Form der stationären Aufnahme - erfordert. Zum ebenfalls vom Gesetz vorausgesetzten Unvermögen der Krankenkasse, die notwendige Leistung rechtzeitig zu erbringen, hat die Klägerin jedoch lediglich auf das besondere Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt und die Unzumutbarkeit einer Entbindung durch einen anderen Arzt hingewiesen. Das sind keine Umstände, die das Unvermögen der Kasse zur rechtzeitigen Leistung begründen. Im übrigen hat sie das Urteil des LSG in diesem Punkt nicht angegriffen, so daß davon auszugehen ist, daß sie insoweit die angefochtene Entscheidung akzeptiert.

Da das LSG den Anspruch der Klägerin zu Recht verneint hat, ist ihre Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

NJW 1997, 2474

Breith. 1996, 466

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