Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.01.1991; Aktenzeichen L 2 J 155/90)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 1991 dahin abgeändert, daß die Rente erst ab 1. Januar 1989 zu gewähren ist; im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitgegenstand ist das Wiederaufleben einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des ersten Ehemannes der Klägerin (Versicherter). Umstritten ist in diesem Zusammenhang vor allem die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei der Prüfung des § 1265 Abs 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Unterhaltsverzicht der früheren Ehefrau unbeachtet bleiben kann.

Die Ehe der am 16. März 1928 geborenen Klägerin mit dem im Jahre 1924 geborenen Versicherten wurde am 7. Juni 1971 durch Urteil des Landgerichts Landau (rechtskräftig durch Rechtsmittelverzicht am gleichen Tage) aus dem alleinigen Verschulden des Versicherten geschieden. Aus der Ehe ist eine am 3. Juli 1957 geborene Tochter hervorgegangen. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens verzichteten die Klägerin und der Versicherte gegenseitig auf Unterhalt einschließlich des Notbedarfs. Die Klägerin erhielt die elterliche Gewalt über die gemeinsame Tochter.

Der Versicherte starb zwischen dem 13. und 15. Oktober 1971. Zur Zeit der Scheidung und seines Todes war er arbeitslos. Er war alkoholabhängig und hatte (nach Angaben der Klägerin) wegen des zunehmenden Alkoholmißbrauchs im Jahre 1970 seine letzte Arbeitsstelle verloren. Kurz vor der Scheidung war er in der Landesnervenklinik der Pfalz erfolglos behandelt worden. Die Klägerin erzielte sowohl im Zeitpunkt der Scheidung als auch noch beim Tode des Versicherten ein monatliches Arbeitseinkommen von DM 935,– brutto.

Den nach dem Tode des Versicherten gestellten Antrag der Klägerin auf Hinterbliebenenrente lehnte die Beklagte ab. Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg, weil (ungeachtet des Unterhaltsverzichts) nach dem damals geltenden § 1265 Satz 2 RVO (Fassung durch Gesetz vom 9. Juni 1965 – BGBl I, 476) ein Unterhaltsanspruch wegen des eigenen Einkommens der Klägerin nicht bestanden hatte.

Am 11. Juli 1975 ging die Klägerin eine zweite Ehe ein. Diese wurde am 6. Mai 1982 geschieden.

Im Dezember 1988 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Hinterbliebenenrente unter Hinweis auf die neue Rechtslage (zunächst § 1265 Satz 2 RVO idF des Gesetzes vom 16. Oktober 1972 – BGBl I, 1965, geändert durch Gesetz vom 7. Mai 1975 – BGBl I, 1061 –, jetzt § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO idF des Gesetzes vom 11. Juli 1985 – BGBl I, 1450) und auf die geänderte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 90 = BSGE 64, 167). Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 8. Februar 1989 ab. Widerspruch und Klage der Klägerin blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 1989, Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Koblenz vom 26. Juni 1990). Das SG hat ausgeführt, der Unterhaltsverzicht könne nicht als unbeachtlich angesehen werden, denn wesentliche Ursache für den Unterhaltsverzicht sei es gewesen, den Versicherten überhaupt zu der gewünschten Scheidung zu bewegen. Der Versicherte sei sehr stark dem Alkohol verfallen gewesen. Die Klägerin habe um ihre Gesundheit gefürchtet, sei ständigen Bedrohungen des Versicherten ausgesetzt gewesen und habe diesem für sie unerträglichen Zustand ein schnelles Ende setzen wollen. Der Versicherte sei jedoch zu einer einverständlichen Scheidung nur durch die Erklärung des Verzichts zu bewegen gewesen.

Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz die Beklagte durch Urteil vom 21. Januar 1991 zur Gewährung von Witwenrente nach § 1265 RVO ab 1. Dezember 1988 mit der Begründung, der Anspruch auf Witwenrente lebe nach § 1291 Abs 2 Satz 1 RVO wieder auf, weil die Klägerin aufgrund der durch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I, 1965) geänderten Fassung des § 1265 RVO ab 1. Januar 1973 einen Witwenrentenanspruch erworben habe. Die Voraussetzungen des Satzes 2 dieser Vorschrift seien erfüllt. Dem stehe der im Scheidungsverfahren erklärte Unterhaltsverzicht nicht entgegen. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten und des Erwerbseinkommens der Klägerin habe weder im Zeitpunkt der Scheidung noch des Todes des Versicherten ein Unterhaltsanspruch bestanden, noch habe die Klägerin damit rechnen können, daß ihr früherer Ehemann jemals wieder unterhaltsfähig würde. An diesem Ergebnis ändere sich auch nichts, wenn man unterstelle, es habe sich um eine Konventionalscheidung gehandelt.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich die Beklagte mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügt ua, das LSG hätte zur Bedeutung des Unterhaltsverzichtes den im Scheidungsverfahren tätig gewordenen Rechtsanwalt Dr. L. … als Zeugen vernehmen müssen. Dieser hätte bekundet, daß der Versicherte sich nicht hätte scheiden lassen, wenn die Klägerin nicht auf Unterhalt verzichtet hätte. Eine sorgfältige Sachverhaltsaufklärung hätte möglicherweise auch ergeben, daß die Klägerin den Unterhaltsverzicht abgegeben habe, um ihrerseits nicht mit Unterhaltsansprüchen des Versicherten überzogen zu werden.

Ferner habe das LSG seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es unterlassen habe, genaue Feststellungen über die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) zu treffen, der dem früheren Ehemann der Klägerin in der Zeit vor der Scheidung zustand.

Materiell leide das Urteil auch an dem Mangel, daß das LSG entgegen § 1290 Abs 4 RVO die Rente bereits ab Beginn des Antragsmonats zugesprochen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 1991 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26. Juni 1990 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie legt dar, daß aufgrund der bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse der Unterhaltsverzicht lediglich deklaratorischen Charakter hatte. Für das Scheidungsverfahren habe er lediglich eine beschleunigende Wirkung gehabt. Im übrigen beruft sie sich auf das Urteil des LSG.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist im wesentlichen unbegründet. Dem Anspruch der Klägerin auf (wiederaufgelebte) Geschiedenenwitwenrente steht weder entgegen, daß vor der zweiten Eheschließung keine Rente zu zahlen war, noch, daß die Klägerin bei ihrer Scheidung von dem Versicherten auf Unterhalt verzichtet hat.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach § 1291 Abs 2 Satz 1 iVm § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO, da der Antrag der Klägerin vor dem 31. März 1992 gestellt worden ist und sich auf einen auch für die Zeit vor Inkrafttreten des RRG 1992 (1. Januar 1992) geltend gemachten Anspruch bezieht (vgl § 300 Abs 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches, ≪SGB VI≫; dazu auch Ruland, NJW 1992, 1).

Maßgeblich sind dabei für den Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente in der Zeit bis 31. Dezember 1972 § 1265 RVO idF durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 9. Juni 1965 (BGBl I, 476) und für die Zeit danach idF des RRG vom 16. Oktober 1972 (BGBl I, 1965) mit Änderungen durch die Gesetze vom 7. Mai 1975 (BGBl I, 1061) und vom 11. Juli 1985 (BGBl I, 1450).

Das Wiederaufleben richtet sich nach § 1291 Abs 2 Satz 1 und Abs 3 RVO idF des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeitengesetzes vom 11. Juli 1985 (BGBl I, 1450).

Nach § 1291 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 3 RVO lebt ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente, der wegen der Eingehung einer neuen Ehe entfallen ist, mit Ablauf des Monats auf, in dem diese neue Ehe aufgelöst worden ist, wenn der Antrag spätestens 12 Monate nach Auflösung der Ehe gestellt ist. Dabei bezieht sich die letztgenannte Klausel (Antragstellung) nur auf die rückwirkende Gewährung. Im übrigen richtet sich der Rentenbeginn nach § 1290 Abs 3 oder 4 RVO (vgl dazu BSGE 18, 62).

Das Wiederaufleben scheitert nicht bereits daran, daß die Klägerin vor der zweiten Eheschließung keinen Rentenantrag gestellt hatte und daß der Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente, selbst wenn er einmal bestanden hat, jedenfalls im Zeitpunkt der erneuten Eheschließung durch Auslaufen des einen Zahlungsanspruch begründenden Tatbestandes aus § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 3 RVO bereits weggefallen war; denn von den hier fehlenden Voraussetzungen konnte lediglich die Verpflichtung zur Zahlung betroffen sein, nicht jedoch das Stammrecht (Weiterentwicklung von BSG SozR 2200 § 1291 Nr 24).

Die Klägerin hatte nach dem Tode ihres früheren Ehemanns, des Versicherten, dem Grunde nach einen Geschiedenenwitwenrentenanspruch erworben. Allerdings war ein solcher Anspruch noch nicht mit dem Tode des Versicherten im Jahre 1971 entstanden; denn nach der damals geltenden Fassung des § 1265 RVO war der geschiedenen Frau Hinterbliebenenrente nur zu gewähren, wenn der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt zu leisten hatte oder geleistet hat, ferner (wenn eine Witwenrente nicht zu gewähren war) auch, wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Versicherten nicht bestanden hatte. Diese Voraussetzungen waren nicht gegeben, da nach den Feststellungen des LSG ein Unterhaltsanspruch der Klägerin damals jedenfalls auch wegen ihres eigenen Einkommens entfiel.

Diese Rechtslage änderte sich aber durch das RRG mit Wirkung ab 1. Januar 1973. Geschiedenenwitwenrente nach § 1265 Satz 2 RVO (in der damals geltenden Fassung) war bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen auch dann zu gewähren, wenn wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit eine Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Ehemanns nicht bestand. Die Renten, deren Voraussetzungen erstmalig durch dieses Gesetz begründet wurden, waren erst ab 1. Januar 1973 zu zahlen (Art 2 § 19 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes ≪ArVNG≫ vom 23. Februar 1957 – BGBl I, 45 – idF des RRG vom 16. Oktober 1972).

Sieht man einmal von dem Unterhaltsverzicht ab, auf dessen Unbeachtlichkeit noch einzugehen sein wird, so erfüllte die Klägerin zunächst alle Voraussetzungen des neuen Rechts.

Die Ehe des Versicherten war aus alleinigem Verschulden des Versicherten geschieden worden. Daraus ergab sich dem Grunde nach eine Unterhaltspflicht des Versicherten gegenüber der Klägerin (§ 58 Abs 1 des Ehegesetzes ≪EheG≫). Wegen der Einkommensverhältnisse der Ehegatten erwuchs daraus allerdings nach den Feststellungen des LSG in der Zeit vor dem Tode des Versicherten kein aktueller Unterhaltsanspruch der Klägerin. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall unbeachtlich, weil die besonderen Voraussetzungen des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO vorliegen. Nach dieser Vorschrift kommt es auf die Grundvoraussetzungen des § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO (Unterhaltspflicht zur Zeit des Todes des Versicherten oder tatsächliche Unterhaltszahlung im letzten Jahr vor dem Tode) unter zwei Voraussetzungen nicht an:

Erstens wird vorausgesetzt, daß eine Witwenrente nicht zu gewähren ist (§ 1265 Abs 1 Satz 2 RVO erster Halbsatz). Diese Voraussetzung ist nach den Feststellungen des LSG gegeben, da der Kläger verstorben ist, ohne sich wieder zu verheiraten.

Zweitens darf der Unterhaltsanspruch nur wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit entfallen sein (§ 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO).

Auch diese Voraussetzung ist nach den Feststellungen des LSG gegeben. Es hat festgestellt, daß die Klägerin erwerbstätig war und daraus ein Einkommen erzielt hat, das die möglichen Alg-Ansprüche des Versicherten überstieg.

Die Rüge der Beklagten, das LSG habe seine Aufklärungspflicht verletzt (§ 103 SGG), indem es keine Ermittlungen über die Höhe des Alg angestellt habe, das dem Versicherten in der Zeit vor der Scheidung zugestanden habe, ist nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagte hat nicht dargelegt, warum das LSG sich zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Es ist auch nicht dargetan, inwiefern der in der Revisionsbegründung genannte Zeuge Dr. L. … hierzu Aussagen hätte machen können.

Die Klägerin erfüllte auch die weiteren Voraussetzungen des § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO.

Beim Tode des Versicherten hatte sie ein waisenrentenberechtigtes Kind – ihre am 3. Juli 1957 geborene Tochter – zu erziehen (§ 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 2 RVO). Dieser Tatbestand blieb bis einschließlich 2. Juli 1975 (Vollendung des 18. Lebensjahres der Tochter) bestehen (§ 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 3 RVO).

Die Klägerin hat allerdings vor ihrer Wiederverheiratung keinen Antrag auf Geschiedenenwitwenrente gestellt. Insoweit ist aber durch die Rechtsprechung des BSG bereits geklärt, daß der fehlende Antrag einem Wiederaufleben der Rente nicht entgegensteht (BSG SozR 2200 § 1291 Nr 24 S 77 mwN).

Die Beklagte stützt ihre ablehnende Entscheidung deshalb auch nicht auf die fehlende Antragstellung, sondern darauf, daß die Voraussetzungen des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 3 RVO noch vor der Wiederverheiratung weggefallen waren. Die Tochter der Klägerin war ab 3. Juli 1975 wegen Vollendung des 18. Lebensjahres nicht mehr Kind im Sinne des Waisenrentenrechts (§ 1267 RVO) und auch nicht mehr zu erziehen (BSG SozR 2200 § 1268 Nrn 16, 17, 22).

Es war also – ungeachtet etwaiger Weiterzahlung der Renten bis zum Monatsende – zumindest eine der Anspruchsvoraussetzungen für die Geschiedenenwitwenrente einige Tage vor der am 11. Juli 1975 erfolgten zweiten Eheschließung entfallen. Dennoch ist der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen. Dabei kann dahinstehen, welche Bedeutung der Fortzahlung einer Waisenrente und einer Geschiedenenwitwenrente über den Zeitpunkt der zweiten Eheschließung hinaus beizumessen ist. Entscheidend ist, daß hier nur eine der Voraussetzungen für die laufende Zahlung der Rente entfallen war, nicht jedoch das Stammrecht des der Klägerin zustehenden Anspruchs. Allerdings ist der Beklagten zuzugeben, daß das Wiederaufleben eines Rentenanspruchs grundsätzlich nur möglich ist, wenn vorher ein solcher Anspruch bestanden hat (BSGE 14, 238; 16, 202, 203; 46, 51; SozR 2200 § 1291 Nr 24; SozR 3-2200 § 1291 Nr 4). In der Rechtsprechung des BSG ist aber zugleich hervorgehoben worden, daß das Bestehen eines Stammrechts ausreicht und deshalb die Rente selbst dann wiederauflebt, wenn sie wegen eines Ruhenstatbestandes in der Zeit vor der Wiederverheiratung nicht auszuzahlen war (BSG aaO).

Über die bereits entschiedenen Fälle hinaus ist diese Rechtsprechung dahin weiterzuentwickeln, daß ein Wiederaufleben auch dann in Betracht kommt, wenn lediglich die „variablen” Voraussetzungen des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 3 RVO vor der erneuten Eheschließung entfallen waren. Dies ergibt sich aus der Grundstruktur des § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO:

Diese Vorschrift enthält in der seit 1972 und damit seit der Zeit vor der Wiederverheiratung der Klägerin (1975) geltenden Fassung durch das RRG vom 16. Oktober 1972 (BGBl I, 1965) neben den Grundvoraussetzungen der geschiedenen Ehe und des Todes des Versicherten für das Stammrecht zwei weitere Voraussetzungen.

Nach § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO ist Voraussetzung, daß eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten wegen seiner Vermögens- und Erwerbsverhältnisse oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit nicht bestanden hat. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des Todes an. Die Verhältnisse in diesem Zeitpunkt entscheiden über das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen. Spätere Änderungen sind unbeachtlich.

Ferner wird nach § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 2 RVO vorausgesetzt, daß im Zeitpunkt der Scheidung ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen oder für ein Kind, das wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen Waisenrente erhielt, zu sorgen war oder die Ehefrau das 45. Lebensjahr vollendet hatte. Hier kommt es auf den Zeitpunkt der Scheidung von dem Versicherten an und zwar ausschließlich. Spätere Änderungen können diese Voraussetzung weder herbeiführen noch entfallen lassen.

Demgegenüber finden sich ua in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 3 RVO Voraussetzungen, die nicht das Entstehen des Anspruchs an sich betreffen, sondern lediglich die Zeiträume markieren, für die nach Begründung des Stammrechts Geschiedenenwitwenrente zu zahlen ist. Es handelt sich hier um Zeiten, in denen die geschiedene Ehefrau berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist, ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht oder für ein Kind sorgt, das wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen Waisenrente erhält, und um die Zeit ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres.

Hieraus ist abzulesen, daß die Geschiedenenwitwenrente nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO keine Rente ist, die kontinuierlich vom Tode des Versicherten bis zur Wiederverheiratung oder zum Tode der früheren Ehefrau zu zahlen ist, sondern daß es sich um eine Leistung handelt, die für bestimmte Bedarfslagen im Leben der geschiedenen Ehefrau vorgesehen ist. Eine solche Rente entfällt nicht insgesamt mit dem Ende einer Bedarfslage, sondern besteht in Form eines Stammrechts weiter, bis eine neue Bedarfslage entsteht, die nach § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 3 RVO wiederum einen Rentenzahlungsanspruch auslöst.

Daraus folgt weiter, daß die geschiedene Ehefrau im Falle der Wiederverheiratung nicht etwa überhaupt keine Versorgungsposition verliert, wie in den Fällen, in denen die Voraussetzungen des Hinterbliebenenrentenanspruchs von vornherein nicht gegeben waren, sondern daß ihr bestimmte Bedarfslagen absicherndes Stammrecht auf Geschiedenenwitwenrente wegfällt. Dieser Fall ist im Endergebnis den Fällen vergleichbar, in denen die Geschiedenenwitwenrente lediglich wegen des Einkommens der geschiedenen Ehefrau ruht (§ 1281 RVO). Dementsprechend besteht auch in gleicher Weise wie in Ruhensfällen ein Bedürfnis, nach Scheitern der zweiten Ehe der Berechtigten wieder die Rechtsposition einzuräumen, die sie durch die zweite Eheschließung verloren hat. (Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang die weitere Voraussetzung hat, daß eine Witwenrente nicht zu gewähren ist, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden).

Das Rentenstammrecht der Klägerin konnte also nach der Scheidung ihrer zweiten Ehe (Mai 1982) gemäß § 1291 RVO wieder aufleben. Im Zeitpunkt der Antragstellung (Dezember 1988) waren auch die Voraussetzungen für die Zahlung der Rente gegeben; denn inzwischen war wieder eine der Bedarfslagen des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 3 RVO eingetreten; die Klägerin hatte im März 1988 das 60. Lebensjahr vollendet.

Klärungsbedürftig ist danach nur noch die Frage, welche Bedeutung im Rahmen von § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO dem Unterhaltsverzicht beizumessen ist, den die Klägerin bei der Scheidung von dem Versicherten erklärt hat.

In dieser Frage folgt der erkennende Senat der bisherigen Rechtsprechung, daß ein Unterhaltsverzicht im Rahmen von § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO uneingeschränkt und im Rahmen von § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO grundsätzlich einen Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente ausschließt. Er schließt sich der bisherigen Rechtsprechung auch insofern an, als aus Billigkeitsgründen in eng begrenzten Ausnahmefällen ein Unterhaltsverzicht dann als unschädlich für einen Rentenanspruch nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO anzusehen ist, wenn er im Hinblick auf die in Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO genannten wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten nur deklaratorischen Charakter hatte ≪”leere Hülse”≫ (SozR 2200 § 1265 Nrn 92, 93, 94 und 98; SozR 3-2200 § 1265 Nr 4; BSG Urteil vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 42/91).

Den Tatbestand der „leeren Hülse” sieht der erkennende Senat dann als erfüllt an, wenn - aus den genannten Gründen sowohl im Zeitpunkt der Scheidung als auch im Zeitpunkt des Todes kein Unterhaltsanspruch bestand und - nach den bei Abschluß des Unterhaltsverzichts gegebenen objektiven Umständen vernünftigerweise in Zukunft nicht mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau gerechnet werden konnte; es ist also eine Bewertung aus der Sicht eines verständigen Dritten vorzunehmen, dem alle bei Abschluß des Unterhaltsverzichts vorhandenen objektiven Umstände bekannt waren (auch diejenigen, die erst im Laufe des Verfahrens bis zur Entscheidung über den Hinterbliebenenrentenanspruch bekannt geworden sind).

Der Tatbestand der „leeren Hülse” wird demgegenüber nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Unterhaltsverzicht Wirkungen hat, die keinen Bezug zu Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau haben. Insbesondere ist unbeachtlich, ob der Unterhaltsverzicht den Zweck und die Wirkung hatte, die geschiedene Ehefrau vor Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ihrem früheren Ehemann zu schützen; denn der Ausschluß einer Unterhaltsverpflichtung der Frau gegenüber dem Versicherten hat unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluß auf den Geschiedenenwitwenrentenanspruch (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 94 S 335).

Unbeachtlich sind auch der subjektive Kenntnisstand und die subjektiven Beweggründe der Hinterbliebenen. Es geht im Rahmen der Billigkeitserwägungen nicht darum, ein bestimmtes „ungeschicktes” Verhalten zu entschuldigen. Es geht vielmehr allein darum, in den Fällen, in denen der Verzicht keine Veränderung der objektiven unterhaltsrechtlichen Situation der Hinterbliebenen im Bereich des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO bewirkt hat, diesem auch keinen Einfluß auf den Rentenanspruch einzuräumen. Gerechtfertigt ist dies aus dem Gedanken, daß durch den Verzicht ebenso wie durch Nichtbeachtung eines solchen Verzichts zu keinem Zeitpunkt ein erhöhtes Risiko des Rentenversicherungsträgers geschaffen wurde oder wird, das heißt also, bei Erklärung des Unterhaltsverzichts eine Situation gegeben war, bei der vernünftigerweise damit zu rechnen war, daß der Rentenversicherungsträger ohne den Verzicht, gleichviel, wann der Versicherte verstirbt, ebenfalls Rente zu zahlen gehabt hätte.

Stellt man demgegenüber aber auf die subjektiven Vorstellungen der Hinterbliebenen ab, so würden diejenigen geschiedenen Ehefrauen Nachteile erleiden, die im Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts über wesentliche, dem Unterhaltsanspruch entgegenstehende Umstände nicht informiert waren, obwohl sie, ebenso wie die anderen, durch ihre Verzichtserklärung objektiv zu keiner Risikoerhöhung beigetragen haben. Der Rentenversicherungsträger würde demgegenüber ohne sachlich überzeugenden Grund von einem Risiko entlastet; denn er hätte, wenn der Verzicht nicht ausgesprochen worden wäre, bei objektiver Aussichtslosigkeit des Entstehens von Unterhaltsansprüchen das Risiko der Rentengewährung tragen und (bei der hier als Bedingung vorausgesetzten tatsächlichen Verwirklichung dieses Risikos im Zeitpunkt des Todes) auch Rente zahlen müssen. Der Umfang der subjektiv bei den Eheleuten vorhandenen Kenntnisse hat demgegenüber auf den Umfang des Risikos der Rentenversicherung keinerlei Einfluß.

Aus ähnlichen Überlegungen heraus erscheint es nicht sachgerecht, auf die subjektiven Beweggründe für den Unterhaltsverzicht abzustellen. Die Beweggründe werden in der Regel vielfältig sein. Je stärker die Verhältnisse in der Ehe unerträglich oder bedrohlich sind, um so stärker werden diese in den Vordergrund treten. Die finanziellen Aspekte werden aber selten ganz außer Betracht gelassen. Eine Abwägung des Gewichts dieser Beweggründe würde deshalb dazu führen, daß die besonders bedrohten und schon in der Ehe durch die ehelichen Verhältnisse benachteiligten Ehefrauen von der Rentengewährung ausgeschlossen wären, während diejenigen Ehefrauen, die außer dem finanziellen Aspekt keine wesentlichen weiteren Gründe zu bedenken haben, in den Genuß von Geschiedenenwitwenrente kämen. Dies zeigt sich besonders an dem vorliegenden Fall, aber auch an dem Fall, der dem Urteil des BSG vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 42/91 – zugrundelag.

Abgesehen von den dargelegten Gründen stößt auch die nachträgliche Ermittlung, welche Umstände der Hinterbliebenen im Zeitpunkt der Erklärung des Unterhaltsverzichts bekannt waren, welche Beweggründe für sie maßgeblich waren und welches Gewicht ihnen beigemessen wurde, auf große Schwierigkeiten und Unsicherheiten, weil derartige subjektive Elemente meist nicht überzeugend zu belegen sind, zumal wenn die Scheidung – wie in den meisten Fällen von Geschiedenenwitwenrenten – sehr lange zurückliegt, und der auf der Gegenseite Beteiligte, der Versicherte, nicht mehr zur Verfügung steht.

Kommt es aber somit nicht auf die subjektiven Kenntnisse und Beweggründe an, so entfallen auch Überlegungen dazu, welches die wesentliche Ursache für den Unterhaltsverzicht war. Entscheidend ist dann allein die objektive Wirkung des Verzichts auf mögliche Unterhaltsansprüche der Hinterbliebenen, dh ob auch ohne den Verzicht wegen der in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO genannten wirtschaftlichen Verhältnisse kein Unterhaltsanspruch bestanden hat (Verneinung einer Kausalität zwischen Verzicht und Wegfall von Unterhaltsansprüchen).

Von den danach nur noch zu beachtenden objektiven Gegebenheiten sind lediglich diejenigen bedeutsam, die einen Bezug zu den in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO genannten wirtschaftlichen Verhältnissen haben.

Nach allem erscheint es dem Senat erforderlich und ausreichend, den rentenunschädlichen, deklaratorischen Charakter eines Unterhaltsverzichts allein danach zu bestimmen, ob im Zeitpunkt der Scheidung wie auch des Todes des Versicherten nach objektiven Kriterien ein wirtschaftlicher Dauerzustand vorlag, der im Zeitpunkt der Scheidung vernünftigerweise objektiv die Folgerung rechtfertigte, daß die Realisierung eines Unterhaltsanspruchs auch in Zukunft ausgeschlossen war.

Dies ist nach den Feststellungen des LSG hier der Fall. Im Hinblick auf ihr eigenes regelmäßiges Einkommen, die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten und dessen Alkoholabhängigkeit, die kurz vor der Scheidung erfolglos behandelt wurde, war objektiv die Folgerung gerechtfertigt, daß die Realisierung eines Unterhaltsanspruchs auch in Zukunft ausgeschlossen war.

Einen Sonderfall bildet allerdings in diesem Zusammenhang die sogenannte Konventionalscheidung.

Der erkennende Senat sieht diesen Fall nur dann als gegeben an, wenn aus den vorhandenen Unterlagen des Ehescheidungsverfahrens zu entnehmen ist, daß der Unterhaltsverzicht offensichtlich zu einer dem aktenkundigen Sachstand widersprechenden Entscheidung in der Schuldfrage geführt hat (ähnlich BSG Urteil vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 42/91 –).

Maßgeblich hierfür ist die Überlegung, daß im Rahmen von § 1265 Abs 1 RVO den Sozialgerichten die Prüfung der Schuldfrage nicht gestattet ist. Sie sind insoweit an die Entscheidungen der Zivilgerichte im Ehescheidungsverfahren gebunden (vgl BSGE 10, 171, 172; 13, 166, 167; 27, 256, 257 f). Auch soweit eine Scheidung ohne Schuldausspruch erfolgt, sind die im Ehescheidungsverfahren geschaffenen, für den Unterhaltsanspruch bedeutsamen Grundtatsachen allein maßgeblich, ohne daß insoweit weitere Prüfungen angestellt werden dürften. Dies hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 22. Juli 1992 – 13 RJ 17/91 -(SozR 3-2200 § 1265 Nr 8) im einzelnen ausgeführt. Die Gründe liegen nicht zuletzt in den besonderen Schwierigkeiten und Unsicherheiten der Ermittlung und wohl auch im Bereich des Persönlichkeitsschutzes der früheren Eheleute.

Wollte man nun aber bei Erklärung eines Unterhaltsverzichts im einzelnen nachprüfen, inwieweit dieser Unterhaltsverzicht die Entscheidung über die Schuldfrage oder die Parteirollen (§ 61 Abs 2 EheG) beeinflußt hat, müßte genau das geschehen, was der Gesetzgeber aus wohlerwogenen Gründen durch die Gestaltung des § 1265 RVO ausgeschlossen hat. Dies würde den Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung bei weitem überschreiten.

Auch unter diesen Voraussetzungen erscheint es dem erkennenden Senat allerdings zulässig, solche Umstände zu berücksichtigen, die ohne weitere Ermittlung aus vorhandenen Unterlagen des Ehescheidungsverfahrens eindeutig ablesbar sind.

Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin den Unterhaltsverzicht zwar erklärt, um möglichst schnell die Scheidung herbeizuführen, weil sie sich von ihrem Ehemann bedroht fühlte. Hieraus und aus dem vorhandenen Ehescheidungsurteil ergibt sich aber kein Anhalt, daß dadurch die Entscheidung des Landgerichts Landau zur Schuldfrage beeinflußt worden ist.

Auch insoweit sind die Aufklärungsrügen der Beklagten nicht hinreichend substantiiert. Sie hat lediglich den Zeugen Dr. L. … dazu benannt, daß der Versicherte bekundet habe, er werde sich nicht scheiden lassen, wenn die Klägerin nicht bereit wäre, auf Unterhalt zu verzichten. Hieraus ergibt sich jedoch allenfalls, daß der Unterhaltsverzicht zur Beschleunigung des Scheidungsverfahrens beigetragen hat, nicht aber, – worauf es hier allein ankommt – daß er zu einer Änderung der Entscheidung in der Schuldfrage geführt hat. Ohne jeglichen objektiven Anhalt war das LSG auch nicht verpflichtet, von sich aus nach weiteren Scheidungsunterlagen zu forschen.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß – wie oben dargestellt – nach Auffassung des Senats nur dann ein Einfluß des Unterhaltsverzichts auf die Entscheidung der Schuldfrage berücksichtigt werden darf, wenn dieser aus den Unterlagen des Ehescheidungsverfahrens eindeutig ablesbar ist. Eine Vernehmung der im Scheidungsverfahren tätig gewordenen Anwälte scheidet damit aus.

Mit seiner Entscheidung zum Begriff der „leeren Hülse” weicht der erkennende Senat nicht von den Urteilen des 4. Senats des BSG (SozR 2200 § 1265 Nrn 92, 93 und 94) ab. Der 4. Senat des BSG hat auf Anfrage erklärt, daß diese Urteile nicht im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung stehen. Er will sie dahin interpretiert wissen, daß es auch seiner Ansicht nach nicht auf den subjektiven Kenntnisstand und die subjektiven Beweggründe ankommt, der Tatbestand der „leeren Hülse” also allein anhand objektiver Kriterien festzustellen ist (Beschluß vom 17. November 1992 – 4 S (A) 4/92 –).

Auch eine Abweichung von den Urteilen des 5. Senats des BSG (SozR 2200 § 1265 Nr 98; SozR 3-2200 § 1265 Nr 4 und Urteil vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 42/91 –) liegt nicht vor. Der 5. Senat hat auf Anfrage erklärt, daß er keine Veranlassung sehe, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, weil er nie entschieden habe, daß subjektive Kenntnis und Beweggründe für das Vorliegen einer „leeren Hülse” Bedeutung haben könnten (Beschluß vom 13. Oktober 1992 – 5 S (J) 8/92 –). Soweit in den Urteilen des 5. Senats auf die „Kausalität” und „Beweggründe” abgestellt wird, ist – wie sich besonders deutlich aus dem Urteil vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 42/91 – entnehmen läßt – stets nur gemeint, daß die subjektiven Überlegungen und Vorstellungen unbeachtlich sind, wenn die objektiven Bedingungen den Verzicht als leere Hülse erscheinen lassen.

Zu dem Sonderfall der Konventionalscheidung hat der 4. Senat des BSG in seinem Beschluß (aaO) seine Rechtsprechung dahin interpretiert, daß im Rahmen von § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO dieser Fall in Übereinstimmung mit der Auffassung des erkennenden Senats nur dann vorliege, wenn der Unterhaltsverzicht zu einer dem aktenkundigen Sachstand des Ehescheidungsverfahrens widersprechenden Entscheidung in der Schuldfrage geführt hat.

Der 5. Senat hat zu diesem Problemkreis erklärt, er habe bisher nur erwogen, daß ein deklaratorischer Unterhaltsverzicht dann nicht unbeachtlich sein könne, wenn der Unterhaltsverzicht zu einer Umkehrung in der Schuldfrage geführt habe. Die Frage, ob dafür nur auf Scheidungsakten zurückgegriffen werden könne, habe er bisher nicht entschieden (Beschluß vom 13. Oktober 1992, aaO).

Da somit nunmehr nach übereinstimmender Auffassung des 4., 5. und 13. Senats in Fällen wie dem vorliegenden der Unterhaltsverzicht als „leere Hülse” anzusehen ist und der Tatbestand der Konventionalscheidung im Sinne dieser Rechtsprechung nicht gegeben ist, stand dieser Verzicht dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nicht entgegen.

Die Revision der Beklagten hat allerdings Erfolg, soweit sie den Beginn der Rente betrifft. Entgegen der Auffassung des LSG war der Klägerin Rente erst ab 1. Januar 1989 zu zahlen.

Eine Rente an einen früheren Ehegatten ist gemäß § 1290 Abs 4 RVO (vorbehaltlich der Regelung in § 1268 Abs 4 RVO) erst vom Ablauf des Antragsmonats an zu gewähren. Antragsmonat war der Dezember 1988, so daß die Zahlung erst ab 1. Januar 1989 erfolgen konnte.

§ 1290 Abs 3 RVO, der für Fälle der Wiedergewährung einer Rente die Zahlung ab Beginn des Antragsmonats vorsieht, war im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Diese Vorschrift setzt nicht nur voraus, daß zu irgendeinem früheren Zeitpunkt einmal dem Grunde nach ein Rentenanspruch bestanden hat; es muß vielmehr bereits Rente gewährt worden sein. Dies gilt auch für die wiederaufgelebte Geschiedenenwitwenrente. Das Gesetz enthält insoweit keinen Ansatz für eine Differenzierung. Der Umstand, daß hier ein Stammrecht wiederauflebt, ist dem Wiederaufleben eines Zahlungsanspruchs, auf den es bei § 1290 Abs 3 RVO allein ankommt, nicht gleichzuachten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173141

BSGE, 39

NJW 1993, 3285

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