Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsschadensausgleich. einmaliger Ausgleich nach dem SVG als derzeitiges Bruttoeinkommen

 

Orientierungssatz

Der einem Berufssoldaten nach § 14 Abs 1 Nr 4 iVm § 38 Abs 1 SVG gewährte einmalige Ausgleich ist derzeitiges Bruttoeinkommen gemäß § 30 Abs 4 BVG iVm § 9 Abs 1 Nr 1 BVG§30Abs3u4u5DV.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs 4; BVG§30Abs3u4u5DV § 9 Abs 1 Nr 1; BVG§30Abs3u4u5DV § 9 Abs 2 Nr 1; SVG § 14 Abs 1 Nr 4, § 38 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 10.03.1983; Aktenzeichen L 12 V 266/82)

SG Mannheim (Entscheidung vom 24.11.1981; Aktenzeichen S 5 V 1851/80)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Berufsschadensausgleichs.

Der Kläger war Berufsunteroffizier der Bundeswehr. Er litt an Schädigungsfolgen iS des § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und an den Folgen einer Wehrdienstbeschädigung iS des § 81 Soldatenversorgungsgesetz (SVG); die insgesamt dadurch hervorgerufene Minderung der Erwerbsfähigkeit (Gesamt-MdE) war gemäß § 85 Abs 2 SVG, später nach § 84 Abs 3 SVG mit 60 vom Hundert (vH) bewertet (Bescheide des Wehrbereichsgebührnisamts vom 19. Januar 1979 und des Versorgungsamts vom 19. Mai 1980).

Mit Ablauf des 30. September 1979 wurde der Kläger gemäß § 44 Abs 1 iVm § 45 Abs 2 Nr 1 des Soldatengesetzes (SoldatenG) wegen Erreichens der besonderen Altersgrenze von 53 Jahren für Berufsunteroffiziere in den Ruhestand versetzt. Deshalb erhielt er den einmaligen Ausgleich in Höhe von 8.ooo,- DM gemäß § 38 Abs 1 SVG.

Das Versorgungsamt bewilligte dem Kläger mit Erstbescheid vom 4. Oktober 1979 Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen der Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Die Gewährung dieser Leistung beschränkte es auf die Zeit vom Antragsmonat bis zur Beendigung des Wehrdienstverhältnisses am 30. September 1979.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 1979 berechnete das Versorgungsamt sodann den Berufsschadensausgleich ab 1. Oktober 1979. Dabei setzte es nur noch 75 vH des als Vergleichseinkommen ermittelten Betrages an und wertete den nach § 48 SVG gezahlten Ausgleich von 8.000,- DM als derzeitiges Bruttoeinkommen, das für 60 Monate mit 133,33 DM anzurechnen sei.

Widerspruch und Klage gegen die Anrechnung des Ausgleichs von 8.000,- DM auf das derzeitige Bruttoeinkommen hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts vom 5. August 1980, Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 24. November 1981). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 10. März 1983). Es hat ausgeführt: Der Ausgleich sei der Art nach, wie er im SVG unter den Versorgungsbezügen geregelt sei, zu den "Bezügen und Vorteilen aus früheren Dienstbezügen" iS von § 9 Abs 2 Nr 1 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs 3 bis 5 BVG idF vom 18. Januar 1977 -BGBl I 162- (DVO zu § 30 Abs 3 bis 5) zu zählen und demgemäß als derzeitiges Bruttoeinkommen iS von § 30 Abs 4 BVG anzurechnen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die rechtsverletzende Bewertung des Ausgleichs iS von § 38 SVG als derzeitiges Bruttoeinkommen gemäß § 30 Abs 4 BVG. Ebenso wie eine Abfindung aufgrund eines Auflösungsvertrages müsse auch der umstrittene Ausgleich wie vereinzelt vorkommende Einkünfte gemäß § 2 Abs 1 Nr 26 DVO zu § 33 BVG gewertet werden. Weil es sich um einen einmaligen Ausgleich handele, falle er nicht unter § 9 Abs 2 Nr 1 DVO zu § 30 Abs 3 bis 5, mit dem nur laufende Bezüge erfaßt würden. Der Berufsschadensausgleich solle dem Geschädigten den vollen Ausgleich seines beruflichen Schadens geben. Es sei unrichtig, daß der Einkommensverlust nur in einer generalisierenden Betrachtungsweise ermittelt werde. Ohne die Schädigungsfolgen wäre er (der Kläger) zum Hauptmann befördert worden und hätte beim Eintritt in den Ruhestand ebenfalls 8.000,- DM erhalten. Die vom Beklagten vorgenommene Verkürzung seines Berufsschadensausgleichs verstoße gegen die Artikel 3 und 33 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG).

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Urteile und des Widerspruchsbescheides sowie unter Abänderung des angefochtenen Bescheides zu verurteilen, ihm Berufsschadensausgleich zu gewähren, ohne den Ausgleich nach § 38 SVG anzurechnen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Es hat dieses Rechtsmittel zutreffend nach § 143 SGG für zulässig erachtet. Zwar sind auch Berufungen, die den Berufsschadensausgleich betreffen, immer dann nach § 148 Nr 3 SGG ausgeschlossen, wenn eine Neufeststellung des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich wegen Änderung der Verhältnisse getroffen worden ist, über die als Tatbestandsvoraussetzung desselben Anspruchs schon einmal entschieden war (vgl BSG, Urteil vom 14. September 1978, - 9 RV 8/78 -, nicht veröffentlicht; Urteil vom 24. März 1976, - 9 RV 102/75 - nicht veröffentlicht; BSGE 37, 80, 81; insoweit mißverständlich: Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl, 37. Nachtrag, Anm 5 zu § 148 S III/72-23- und Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl 1980, Anm 6 zu § 148). Eine solche frühere Erstfeststellung über den umstrittenen Ausgleich oder eine gleichartige einmalige Zahlung fehlt aber im vorliegenden Fall, wie schon das LSG erkannt hat (vgl BSG SozR Nr 29 zu § 148 SGG und Breithaupt 1978 S 764).

Indessen ist der Klageanspruch unbegründet. Das haben die Vorinstanzen richtig entschieden.

Nach § 30 Abs 3 BVG idF der Bekanntmachung vom 22. Juni 1976 (BGBl I, 1633), geändert durch das Zehnte Anpassungsgesetz-KOV vom 10. August 1978 (BGBl I, 1217) und das Gesetz vom 19. Januar 1979 (BGBl I, 98) erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust), nach Anwendung des Abs 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von vier Zehnteln des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes.

Die Art des Einkommensverlustes und seine Höhe regelt Absatz 4 aaO. Diese Vorschrift stellt klar, daß der Ausgleich dem individuellen Einkommensschaden mit einem nach den Bedürfnissen der Massenverwaltung generalisierenden und pauschalierenden Leistungsmaßstab abhelfen will (vgl BSGE 45, 227, 234 = SozR 3100 § 30 Nr 33 Seite 137; BSG SozR 3641 § 9 Nr 2 Seite 2). Einkommensverlust ist gemäß § 30 Abs 4 BVG der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Vergleichseinkommen ist das monatliche Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte.

Vergleichseinkommen ist also nicht das Einkommen eines voll vergleichbaren Berufstätigen ohne Schädigung, wie es der Kläger mit dem Vergleich zum Hauptmann erstrebt, sondern statt dessen nur das Durchschnittseinkommen einer bestimmten Berufsgruppe verschieden hoher Einkommensstufen, das nach der Ermächtigung in § 30 Abs 8 BVG in der DVO zu § 30 Abs 3 bis 5 vom 18. Januar 1977 (BGBl I, 162) abweichend von konkreten Einzelfällen bestimmt ist (vgl BSGE 27, 69, 71; BSGE 27, 178, 180). Nach § 4 Abs 3 Satz 1 DVO zu § 30 Abs 3 bis 5 beläuft sich dieses Durchschnittseinkommen für alle Offiziere des militärfachlichen Dienstes auf die dort festgelegten Besoldungsgruppen und Dienstaltersstufen des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG), gleichgültig welchen Dienstgrad der Beschädigte innerhalb dieser Offiziersgruppe wahrscheinlich erreicht hätte (vgl BSG SozR 3100 § 30 Nr 4 Seite 20 und 3100 § 30 Nr 42 Seite 184; BSGE 27, 119, 121; BSG, Urteil vom 14. November 1968, - 10 RV 477/66 - mit Leitsatz veröffentlicht in VersorgB 1969, 85). Mit der Feststellung einer Durchschnittsgröße dieser nicht auf einen bestimmten Dienstgrad bezogenen Art hat der Versorgungsgeber zugleich eine klare Grenze gezogen, mit der eine Erweiterung oder Verringerung dieser Größe durch Zulagen, Abfindungen, individuellen Kürzungen usw ausgeschlossen ist, soweit sie nicht in § 4 Abs 3 Satz 2 oder § 8 aaO genannt sind. Zutreffend hat der Beklagte dieses Durchschnittseinkommen der Berechnung des dem Kläger zu gewährenden Berufsschadensausgleichs zugrunde gelegt, ohne es um den Ausgleich nach § 38 SVG zu erhöhen.

Auf der anderen Seite ist das Einkommen des Beschädigten aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zur Ermittlung des Einkommensverlustes nach den individuellen Verhältnissen festzustellen (vgl BSG SozR Nr 59 zu § 30 BVG und SozR 3641 § 9 Nr 3). Als derzeitiges Bruttoeinkommen gelten nach § 9 Abs 1 Nr 1 DVO zu § 30 Abs 3 bis 5 alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert aus einer früheren oder gegenwärtigen unselbständigen Tätigkeit. Zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, daß die Summe von 8.000,-- DM, die der Kläger gemäß § 14 Abs 1 Nr 4 SVG als Versorgung erhielt, darunter fällt. Zu den Einnahmen aus früherer unselbständiger oder selbständiger Tätigkeit gehören insbesondere nach Abs 2 Nr 1 der obengenannten DVO Wartegelder, Ruhegelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen. Nach § 38 Abs 1 SVG erhält ein Berufssoldat, der vor Vollendung des 65. Lebensjahres nach § 44 Abs 1 oder 2 SoldatenG in den Ruhestand getreten ist, neben seinem Ruhegehalt einen einmaligen Ausgleich in Höhe des Fünffachen der Dienstbezüge (§ 1 Abs 2 Nr 2, 3 und 4 BBesG) des letzten Monats, jedoch nicht über 8.000,- Deutsche Mark. Dieser Betrag verringert sich um jeweils ein Fünftel mit jedem Dienstjahr, das über das vollendete 60. Lebensjahr hinaus geleistet wird.

Zutreffend hat das LSG erkannt, daß diese Leistung ebenso wie das Ruhegehalt zu der gesetzmäßigen Versorgung des Soldaten gehört und dem Ruhegehalt gleichzustellen ist, obwohl es als einmalige Leistung ausgezahlt wird (vgl auch Bundesverfassungsgericht in: BVerfGE 14, 30, 31 und Bundesverwaltungsgericht in: ZBR 1979, 372). Mit einer Abfindung nach dem Kündigungsschutzgesetz oder ähnlichen Abfindungen als sozialem Schmerzensgeld für außergewöhnliche Fälle (vgl BSGE 20, 20, 22 = SozR Nr 2 zu § 96 AVAVG; BSGE 37, 93, 96; BSG SozR 3660 § 2 Nr 1) läßt es sich nicht vergleichen. Schon die Gesetzessystematik des SVG weist den Ausgleich als Dienstzeitversorgung der Berufssoldaten aus (§ 14 Abs 1 Nr 4 SVG). Damit soll dem Berufssoldaten ein Ausgleich dafür gewährt werden, daß er früher als andere Berufssoldaten statt der vollen Dienstbezüge das Ruhegehalt erhält (vgl BT-Drucks 2/2504 Seite 39 zu § 36). Die Regelung entspricht § 103 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) aF und § 5 Abs 2 des Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolG) aF sowie § 48 Abs 1 Beamtenversorgungsgesetz vom 24. August 1976 (BGBl I, 2485), dessen § 93 das BRRG und dessen § 94 das BPolG geändert hat. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einer Entscheidung zu § 5 Abs 2 BPolG aF (BVerfGE 14, 30, 33f) dargelegt, der Begrenzung auf höchstens 8.000,- DM liege der einleuchtende soziale Gesichtspunkt zugrunde, daß von einer bestimmten Höhe der Versorgungsbezüge an, die nach den allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen berechnet würden, eine zusätzliche Abfindung, die mehr als 8.000,- DM betrage, in der Form eines Ausgleichs nicht mehr gerechtfertigt sei. Der Ausgleich sei dem Gesetzgeber nur bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze geboten erschienen; innerhalb dieses Rahmens sei die von ihm gewählte Differenzierung in Anlehnung an die Höhe der zuletzt erzielten Dienstbezüge des Beamten jedenfalls nicht sachfremd, also nicht willkürlich. Diese Rückbeziehung des Ausgleichs auf die zuletzt erzielten Dienstbezüge (§ 38 Abs 1 Satz 1 SVG) legt auch die Wurzeln der Versorgungsleistung in früheren Dienstleistungen iS des § 9 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 2 Nr 2 DVO zu § 30 Abs 3 bis 5 klar zutage. Die Eigenschaft als Versorgung schließt eine Wertung iS des § 2 Nr 26 DVO zu § 33 BVG als vereinzelt vorkommende Einkünfte, die nicht zur Sicherstellung des Lebensunterhalts bestimmt sind, aus.

Es handelt sich damit um derzeitiges Bruttoeinkommen gemäß § 30 Abs 4 BVG. § 2 Abs 1 DVO zu § 33 BVG enthält dazu keine Ausnahme. Solche Einnahmen in Geld aus einer früheren unselbständigen Tätigkeit als derzeitiges Bruttoeinkommen zu erfassen, ist der erklärte Wille des vom Gesetz dazu ermächtigten Verordnungsgebers in § 9 Abs 1 Nr 1 DVO zu § 30 Abs 3 bis 5. Die Regelung differenziert nach unterschiedlichen, sachgebundenen Tatbeständen und verletzt deshalb keine verfassungsmäßigen Grundsätze aus den Art 3 und 33 GG. Im übrigen kann dem Kläger auch darin nicht gefolgt werden, daß er eine Häufung von Nachteilen erleidet. Schon das BVerfG (aaO Seite 33) hat darauf hingewiesen, daß der Ausgleich (§ 38 SVG) einen Tatbestand kompensiert, der nicht nur Nachteile mit sich bringt. Aus der Festsetzung einer von der allgemeinen soldatischen Regelung abweichenden niedrigeren Altersgrenze, die sich aus der Eigenart des Dienstes rechtfertigt, zieht der Soldat auch den Vorteil, daß er dem Dienstherrn nur kürzere Zeit als andere Soldaten zur Verfügung steht und nach der Erreichung der - niedrigeren - Altersgrenze eine berufliche Tätigkeit zu leisten nicht mehr verpflichtet ist.

Nach allem ist eine Anrechnung des umstrittenen Ausgleichs bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs zu Recht erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656117

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