Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeit des Mitinhabers eines Handwerksbetriebes

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berufsunfähigkeit des Mitinhabers eines Handwerksbetriebes (Anschluß an BSG 1979-03-13 1/5 RJ 52/77 = SozR 2200 § 1246 Nr 39).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Angesichts der Vielgestaltigkeit des Berufsbildes des selbständigen handwerklichen Unternehmers kann von einem pflichtversicherten Handwerker der keinen Einmannbetrieb führt, sondern Arbeitnehmer beschäftigt, nicht ohne weiteres gesagt werden, ob sein bisheriger Beruf iS des RVO § 1246 Abs 2 körperliche Mitarbeit erfordert oder nicht. Dies bedarf vielmehr der Feststellung im Einzelfall. Führt sie zu dem Ergebnis, daß der Handwerker lediglich die organisatorischen und kaufmännischen Aufgaben des Betriebes wahrnimmt, die körperlich-manuellen Tätigkeiten hingegen seinen Beschäftigten überläßt, so kann er seinen bisherigen Beruf auch dann unverändert weiter ausüben, wenn seine Fähigkeit zur Ausführung der in seinem Handwerk anfallenden körperlichen Arbeiten krankheitsbedingt zurückgeht oder entfällt.

2. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Handwerker die körperliche Mitarbeit in seinem Betrieb aus gesundheitlichen Gründen hat aufgeben und den Ausfall seiner körperlichen Arbeitskraft durch Einstellung eines sonst nicht benötigten Arbeitnehmers hat ausgleichen müssen. Unabhängig davon können die handwerklich-manuelle Befähigung des Handwerkers und sein Vermögen zur körperlichen Mitarbeit auch dann wieder Bedeutung gewinnen, wenn sich etwa durch konjunkturelle Einflüsse die Ertragslage und/oder der Beschäftigtenstand des Betriebes wesentlich verschlechtern und dieser nunmehr wieder auf die manuell-handwerklichen Fähigkeiten des Betriebsinhabers angewiesen ist.

 

Normenkette

RVO § 1246 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 26.06.1978; Aktenzeichen L 3 J 309/75)

SG Itzehoe (Entscheidung vom 06.10.1975; Aktenzeichen S 5 J 76/74)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. Juni 1978 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Anspruch eines selbständigen Handwerksmeisters auf Gewährung einer Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU-Rente).

Der am 14. Februar 1922 geborene Kläger erlernte von 1938 bis 1941 im Betriebe seines Vaters das Zimmererhandwerk. Von 1941 bis Juni 1945 leistete er Wehrdienst. Nach dem Besuch der Hochbauschule in H legte er im August 1947 die Ingenieurprüfung ab. Ab September 1947 war er als Zimmerer versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1952 führt er zusammen mit seinem Bruder als Teilhaber das vom Vater übernommene Baugeschäft fort.

Im Mai 1949 erlitt der Kläger einen Unfall mit Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen. Ihm wurde deswegen ab Dezember 1949 eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt. Nach anfänglich höheren Sätzen wird sie seit dem 1. September 1953 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH bemessen.

Den Antrag des Klägers vom 3. Juni 1973 auf Bewilligung einer BU-Rente lehnte die Beklagte nach ärztlicher Untersuchung des Klägers mit Bescheid vom 14. Januar 1974 ab, weil der Kläger noch leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen und im Stehen fortgesetzt und vollschichtig verrichten könne.

Das Sozialgericht (SG) Itzehoe hat nach Erhebung weiterer ärztlicher Gutachten die Klage abgewiesen (Urteil vom 6. Oktober 1975). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat ebenfalls ärztliche Gutachten sowie Stellungnahmen der Handwerkskammer L eingeholt und den Bruder des Klägers sowie die in dessen Betrieb beschäftigte Kontoristin M S als Zeugen vernommen. Sodann hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26. Juni 1978). Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer BU-Rente seien nicht erfüllt. Der Kläger erziele trotz vorhandener Gesundheitsstörungen als Mitinhaber eines gutgehenden Baugeschäftes durch eigene, gesundheitlich zumutbare Arbeiten ein Einkommen, das mehr als die Hälfte des Einkommens eines vergleichbaren gesunden Versicherten betrage. Nach der Organisation des Betriebes betrage der Umfang der vom Kläger ebenso wie von seinem Bruder zu verrichtenden rein handwerklichen Tätigkeiten höchstens 10 % seiner Arbeitsleistung. Der Kläger erhalte den im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen vollen Anteil am Gewinn des Unternehmens ohne irgendwelche Abzüge für durch Gesundheitsstörungen bedingte Minderleistungen. Auch hätten sich bei dem Arbeitseinsatz des Klägers für seinen Betriebsteil keine Leistungsschwächen beobachten lassen, die das Betriebsergebnis hätten beeinflussen können. Der Kläger könne demgegenüber nicht geltend machen, daß er nicht mehr in der Lage sei, in größerem Umfange handwerkliche Arbeiten zu verrichten. Denn die Betriebsstruktur des gemeinsamen Unternehmens des Klägers und seines Bruders erfordere von den Mitinhabern im wesentlichen keine handwerkliche Mitarbeit mehr. Deswegen seien die Erwägungen im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Januar 1977 - 5 RJ 10/76 - (BSGE 43, 168 = SozR 2200 § 1246 Nr 14) auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der Rentenanspruch des Klägers lasse sich auch nicht darauf stützen, daß er mit den tatsächlich ausgeübten, überwiegend nicht handwerklichen Tätigkeiten gesundheitlich überfordert sei und auf Kosten seiner Gesundheit arbeite. Zwar habe der Kläger bei dem Arbeitsunfall 1949 eine bleibende Hirnschädigung erlitten. Gleichwohl könne der Auffassung der Sachverständigen Prof. Dr. M M (Gutachten vom 26. Oktober 1977) und Prof. Dr. K/Dr. E (Gutachten vom 4. März 1978), daß der Kläger nur noch leichte Arbeiten im Sitzen fortgesetzt, im Stehen mit Unterbrechung, mit Einlegen halbstündiger Pausen nach zweistündiger Arbeit, ohne größere Anforderungen an psychisches Tempo, Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer verrichten könne, nicht gefolgt werden. Dem stünden Art und Umfang der vom Kläger tatsächlich geleisteten Arbeit entgegen, wie sie sich insbesondere aus den Zeugenaussagen ergäben.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß er als selbständiger Handwerker aufgrund des mit seinem Bruder geschlossenen Gesellschaftsvertrages ein überdurchschnittliches Einkommen beziehe und nicht gezwungen sei, körperliche Arbeiten in vollem Umfange durchzuführen. Dies sei nicht erheblich. Vielmehr müsse bei der Entscheidung der Frage, ob ein selbständiger Handwerker berufsunfähig sei, entsprechend dem Urteil des BSG vom 28. Januar 1977 die Eigenart selbständiger handwerklicher Berufsausübung berücksichtigt werden. Sie bestehe darin, daß der Handwerker in der Regel zugleich Unternehmer und persönlich mitarbeitender Leiter seines Betriebes sei. Das von ihm - dem Kläger - gemeinsam mit seinem Bruder betriebene Unternehmen stelle keinen Großbetrieb dar. Damit sei nach den vom BSG für den sogenannten Einmannbetrieb aufgestellten Grundsätzen, die auf den in einem mittleren Betrieb tätigen Handwerksmeister auszudehnen seien, entscheidend, ob er (Kläger) in der Lage wäre, seinen Betrieb allein und ohne Gehilfen zu führen. Hierzu sei er aufgrund der Einschränkungen seines Leistungsvermögens nicht imstande. Deswegen könne er weder auf die ihm im Betrieb noch möglichen Tätigkeiten noch darauf verwiesen werden, daß sein Bruder den überwiegenden Teil der handwerklich durchzuführenden Arbeiten der Geschäftsinhaber übernommen habe.

Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat der Kläger unter Vorlage des mit seiner Beteiligung abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages vom 11. April 1953 ua weiter vorgebracht, die Gesellschafter hätten aufgrund ärztlicher Unterlagen beschlossen, daß er (Kläger) als arbeitsunfähig zu betrachten sei. Damit erhalte er nur noch die einem Zimmergesellen mit 48-stündiger Arbeitszeit zustehende Entlohnung.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. Juni 1978 und des Sozialgerichts Itzehoe vom 6. Oktober 1975 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Januar 1974 zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 1973 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das LSG habe zu Recht die vom Kläger tatsächlich verrichtete Tätigkeit als ihm zumutbar angesehen. Diese Zumutbarkeit sei nicht an einem mittleren Handwerksbetrieb schlechthin, sondern an dem speziellen Betrieb des Klägers zu messen. Dieser sei jedoch in seiner Struktur und Organisation von vornherein auf die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers eingestellt gewesen. Im übrigen biete der vorliegende Fall Veranlassung, die Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeit eines selbständigen Handwerksmeisters bezüglich des ihm zustehenden Berufsgruppenschutzes und der Verweisbarkeit auf unselbständig ausgeübte Tätigkeiten zu überdenken.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer BU-Rente. Rechtsgrundlage hierfür ist § 1 Abs 5 des Handwerkerversicherungsgesetzes (HwVG) iVm § 1246 RVO. Hiernach erhält Rente wegen Berufsunfähigkeit der Versicherte, der berufsunfähig ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 1246 Abs 1 RVO). Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs 2 Sätze 1 und 2 RVO).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine BU-Rente. Die Voraussetzungen des - für den Bereich der Handwerkerversicherung lediglich entsprechend anwendbaren (vgl Urteil des Senats vom 13. März 1979 - 1/5 RJ 52/77 - = SozR 2200 § 1246 Nr 39) - § 1246 Abs 2 RVO sind nicht erfüllt. Der Kläger kann seine bisherige Berufstätigkeit auch nach Eintritt der angeblich Berufsunfähigkeit bedingenden Umstände ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben. Bereits dies schließt das Vorliegen von Berufsunfähigkeit aus. Auf eine Verweisung auf andere Tätigkeiten und auf die soziale Zumutbarkeit dieser Verweisung kommt es nicht mehr an (Urteile des Senats vom 13. März 1979, aaO, und vom 28. Juni 1979 - 1 RA 63/78 -).

Wie der Senat unter Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung des BSG in seinem Urteil vom 13. März 1979 (aaO) ausgesprochen hat, kann angesichts der Vielgestaltigkeit des Berufsbildes des selbständigen handwerklichen Unternehmers von einem pflichtversicherten Handwerker, der keinen Einmannbetrieb führt, sondern Arbeitnehmer beschäftigt, nicht ohne weiteres gesagt werden, ob sein bisheriger Beruf im Sinne des § 1246 Abs 2 RVO körperliche Mitarbeit erfordert oder nicht. Dies bedarf vielmehr der Feststellung im Einzelfall. Führt sie zu dem Ergebnis, daß der Handwerker lediglich die organisatorischen und kaufmännischen Aufgaben des Betriebes wahrnimmt, die körperlich-manuellen Tätigkeiten hingegen seinen Beschäftigten überläßt, so kann er seinen bisherigen Beruf auch dann unverändert weiter ausüben, wenn seine Fähigkeit zur Ausführung der in seinem Handwerk anfallenden körperlichen Arbeiten krankheitsbedingt zurückgeht oder entfällt. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Handwerker die körperliche Mitarbeit in seinem Betriebe gerade aus gesundheitlichen Gründen hat aufgeben und den Ausfall seiner körperlichen Arbeitskraft durch Einstellung eines sonst nicht benötigten Arbeitnehmers hat ausgleichen müssen. Unabhängig davon können die handwerklich-manuelle Befähigung des Handwerkers und sein Vermögen zur körperlichen Mitarbeit auch dann wieder Bedeutung gewinnen, wenn sich etwa durch konjunkturelle Einflüsse die Ertragslage und/oder der Beschäftigtenstand des Betriebes wesentlich verschlechtern und dieser nunmehr wieder auf die manuell-handwerklichen Fähigkeiten des Betriebsinhabers angewiesen ist.

Unter Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe ist der Kläger auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG zur Ausübung seines bisherigen Berufes weiterhin imstande.

Das LSG hat festgestellt, der Betrieb des Klägers und seines Bruders, nach dessen Aussage in dem Betrieb 6 Gesellen, 4 Lehrlinge und ein Helfer beschäftigt sind, sei seit etwa einem Jahrzehnt so organisiert, daß der Umfang der vom Kläger ebenso wie von seinem Bruder zu verrichtenden rein handwerklichen Tätigkeiten höchstens 10 % seiner Arbeitsleistung betrage und die Betriebsstruktur von den Mitinhabern im wesentlichen keine handwerkliche Mitarbeit mehr erfordere. Gegen diese Feststellungen sind zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht worden; sie sind daher für den Senat bindend (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Zwar hat der Kläger demgegenüber geltend gemacht, er könne nur deshalb noch im Betrieb tätig sein, weil sein Bruder den überwiegenden Teil der körperlich-handwerklich durchzuführenden Arbeiten der Geschäftsinhaber übernommen habe. Hierin liegt jedoch keine zulässige Revisionsrüge. Vielmehr handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen. Dieses ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich unbeachtlich. In den Feststellungen des LSG findet es keine Stütze. Das Berufungsgericht hat im Gegenteil ausdrücklich festgestellt, daß auch der Bruder des Klägers höchstens 10 % seiner Arbeitsleistung mit rein handwerklichen Tätigkeiten erbringt und die Struktur des Unternehmens auch von ihm eine wesentliche handwerkliche Mitarbeit nicht mehr erfordert. Der festgestellte Sachverhalt bietet somit keine Anhaltspunkte dafür, daß der geringe Umfang der eigentlich handwerklichen Tätigkeit des Klägers auf gesundheitlichen Gründen beruht und durch erhöhte körperliche Arbeitsleistungen seines Bruders kompensiert wird.

Zur Ausübung der hiernach im wesentlichen leitenden, beaufsichtigenden und kontrollierenden Tätigkeit innerhalb seines Handwerksbetriebes ist der Kläger gesundheitlich noch fähig. Dafür spricht zunächst, daß der Kläger diese Tätigkeit tatsächlich ausübt (zum herausragenden Beweiswert dieser Tatsache gegenüber ihr scheinbar entgegenstehenden medizinischen Befunden vgl BSG SozR 2200 § 1247 Nr 24 mit eingehenden weiteren Nachweisen). Im Einklang damit ist das LSG unter ausdrücklicher Ablehnung der insbesondere von den Sachverständigen Prof. Dr. K und Dr. E vorgenommenen Einschätzung des Leistungsvermögens zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger mit der Tätigkeit in seinem Betrieb nicht überfordert sei und nicht auf Kosten seiner Gesundheit arbeite. Auch dagegen hat die Revision keine zulässigen und begründeten Rügen vorgebracht. Ihr Vorbringen, die Gesellschafter hätten beschlossen, den Kläger mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen hinsichtlich seiner Beteiligung am Betriebsgewinn als arbeitsunfähig zu betrachten, ist schon deswegen unerheblich, weil der Kläger dies erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorgebracht hat und es sich wiederum um ein in der Revisionsinstanz unzulässiges neues tatsächliches Vorbringen handelt. Davon abgesehen ist Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 182 Abs 1 Nr 2 RVO) nicht gleichbedeutend mit Berufsunfähigkeit (§ 1246 Abs 2 RVO). Beiden Begriffen ist allerdings gemeinsam, daß die Frage, ob Arbeitsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit vorliegen, sich nach objektiven medizinischen und vor allem rechtlichen Gesichtspunkten richtet und einer Disposition durch privatrechtliche Vereinbarung entzogen ist.

Das LSG hat somit ohne Rechtsfehler den Kläger für weiterhin berufsfähig angesehen. Es ist mit dieser Entscheidung nicht von dem Urteil des 5. Senats des BSG vom 28. Januar 1977 (BSGE 43, 168 = SozR 2200 § 1246 Nr 14) abgewichen. Nach jenem Urteil kann ein selbständiger Handwerksmeister, der einen Handwerksbetrieb mittlerer Größe betreibt und wesentliche körperliche Tätigkeiten seines Handwerks nicht mehr verrichten kann, bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit auch dann nicht auf die Tätigkeit in einem solchen Handwerksbetrieb verwiesen werden, wenn er ihn gemeinsam mit seinem Bruder betreibt und dieser die wesentlichen körperlichen Tätigkeiten für den Versicherten mitverrichtet. Bereits in diesem Urteil kommt der vom erkennenden Senat in seinem Urteil vom 13. März 1979 vertiefte rechtliche Gesichtspunkt zum Ausdruck, daß bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit eines speziell in einem mittleren Betrieb selbständig tätigen Handwerkers die Eigenart der selbständigen handwerklichen Berufsausübung und somit notwendigerweise auch die Struktur und Organisation des jeweiligen Betriebes zu berücksichtigen sind. Diese sind in dem vom 5. Senat entschiedenen Rechtsstreit dadurch geprägt worden, daß eine körperlich-handwerkliche Mitarbeit der beiden Mitinhaber erforderlich gewesen und der auf den hierzu gesundheitlich nicht fähigen Versicherten entfallende Anteil von seinem Bruder übernommen worden ist. Der vorliegende Fall ist nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG grundlegend anders gelagert. Die Betriebsstruktur des gemeinsamen Unternehmens des Klägers und seines Bruders erfordert von den Mitinhabern im wesentlichen keine handwerkliche Mitarbeit mehr. Die noch erforderlichen rein handwerklichen Tätigkeiten machen beim Kläger ebenso wie bei seinem Bruder höchstens 10 % ihrer Arbeitsleistung aus und haben somit denselben Umfang. Damit fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, daß der Bruder des Klägers die auf diesen entfallenden körperlichen Arbeiten übernommen hat. Dieser besonderen Fallgestaltung trägt das angefochtene Urteil rechtsfehlerfrei und ohne Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG Rechnung.

Der Kläger ist nach alledem zur Ausübung seines bisherigen Berufes weiterhin in der Lage. Bereits aus diesem Grunde ist er nicht berufsunfähig. Dies muß zur Zurückweisung seiner Revision führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654987

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