Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 28.06.1995; Aktenzeichen L 3 Ar 501/93)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Juni 1995 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Rechtsstreit betrifft die Zahlung von höherem Unterhaltsgeld (Uhg) ab 2. September 1991.

Die im Jahre 1966 geborene Klägerin, Mutter einer am 9. Juli 1987 geborenen Tochter, war nach Erlangung der mittleren Reife in der Zeit vom 2. Januar 1985 bis 5. Mai 1988 als Büglerin (nach den Feststellungen des Landessozialgerichts ≪LSG≫ bei 27 Wochenarbeitsstunden) und vom 22. Mai 1989 bis 30. September 1990 als Verkäuferin (gegen einen monatlichen Bruttoverdienst von 900,00 DM bei 27 Wochenarbeitsstunden) tätig. Die letzte Arbeitsstelle gab die Klägerin wegen der Notwendigkeit zur Betreuung ihrer Tochter auf; sie meldete sich arbeitslos, stellte jedoch keinen Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg). Auf der Lohnsteuerkarte war für das Jahr 1991 die Steuerklasse V eingetragen.

Am 22. August 1991 beantragte sie die Förderung ihrer Teilnahme an einer am 2. September 1991 beginnenden und auf drei Jahre angelegten beruflichen Bildungsmaßnahme „Umschulung zur Bürokauffrau – medienorientiert”). Dabei gab sie an, der Arbeitsvermittlung nur 25 Stunden wöchentlich zur Verfügung zu stehen. Ab 2. September 1991 nahm die Klägerin an der Maßnahme teil, die sich aus theoretischem Unterricht und einem Praktikum zusammensetzte; der theoretische Unterricht fand regelmäßig von montags bis freitags zwischen 8.15 Uhr und 12.30 Uhr (bei 25 Unterrichtsstunden à 45 Minuten) statt.

Das Arbeitsamt bewilligte der Klägerin ua Uhg ab 2. September 1991 in Höhe von wöchentlich 91,80 DM (unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D, einer Nettolohnersatzquote von 73 % und eines Bemessungsentgelts von 190,00 DM) und ab 1. Oktober 1991 in Höhe von 96,00 DM nach einem dynamisierten Bemessungsentgelt von 200,00 DM (Bescheide vom 9. Oktober 1991; Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1992).

Während des Klageverfahrens erklärte sich die Beklagte bereit, Uhg ab 2. September 1991 nach einem Bemessungsentgelt von 320,00 DM zu bewilligen, weil die Klägerin mit ihrem letzten Monatsverdienst (900,00 DM brutto) untertariflich bezahlt gewesen sei und unter Anwendung der Härtefallregelung des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) von einem tariflichen Arbeitsentgelt in Höhe von 12,94 DM pro Stunde auszugehen sei. Diese Erklärung nahm die Klägerin als Teilanerkenntnis an und beantragte, die Beklagte darüber hinaus unter Abänderung der Bescheide vom 9. Oktober 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 1992 zu verurteilen, ihr ab 2. September 1991 Uhg nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 490,00 DM zu zahlen. Diesem Antrag gab das Sozialgericht (SG) statt (Urteil vom 26. Januar 1993), weil gemäß § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG angesichts des Umstandes, daß es sich um eine Bildungsmaßnahme mit Vollzeitunterricht handele, bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts von einem Lohnfaktor von 12,94 DM (in der Arbeitsstunde erzielbares tarifliches Arbeitsentgelt) und einem Zeitfaktor von 37,5 (Wochenarbeitsstunden) auszugehen sei.

Das LSG hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Juni 1995). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe höheres als von der Beklagten mittlerweile aufgrund des Teilanerkenntnisses zugebilligtes Uhg nicht zu. Nach § 44 Abs 2 AFG iVm § 112 AFG bemesse sich das Uhg grundsätzlich nach dem Verdienst der letzten Beschäftigung und der Arbeitsstundenzahl, für die die Klägerin zur Verfügung gestanden habe (25 Wochenarbeitsstunden). Die Beklagte sei zu Recht zunächst von einem Bemessungsentgelt von 190,00 DM ausgegangen. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erster Instanz abgegebene Erklärung, sie stehe der Arbeitsvermittlung vollschichtig zur Verfügung, sei nicht überzeugend, weil sie im Widerspruch zu den vor der Maßnahme herrschenden Verhältnissen und der im Maßnahmeantrag sowie in einem Alg-Antrag (vom 4. Juli 1994) erklärten Einschränkung der Arbeitsbereitschaft auf 25 Wochenstunden stehe. Der Härtefallregelung des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG sei durch das von der Beklagten in der ersten Instanz abgegebene Teilanerkenntnis hinreichend Rechnung getragen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG iVm § 112 Abs 7 AFG sowie des Art 3 Grundgesetz. Sie ist der Auffassung, das LSG habe dem Unterhaltscharakter des Uhg nicht Rechnung getragen. Da ein Anspruch auf Uhg auch dann bestehe, wenn vor Beginn der Maßnahme keine Leistungen nach dem AFG bezogen worden seien, könne es für die Leistungshöhe nicht darauf ankommen, ob sie (die Klägerin) im Bemessungszeitraum eine volle oder nur eine Teilzeittätigkeit ausgeübt habe. § 46 Abs 1 Satz 2 AFG mache nämlich gerade deutlich, daß das ansonsten geltende Versicherungsprinzip bei denjenigen Personen außer Betracht bleiben müsse, die wegen der Betreuung und Erziehung eines Kindes keiner oder nur einer eingeschränkten Erwerbstätigkeit nachgegangen seien. Abzustellen sei für diese allein auf die tatsächliche zeitliche Belastung durch die Maßnahme, so daß bei einer Vollzeitmaßnahme – wie hier – nicht auf das Arbeitsentgelt einer vorausgegangenen Teilzeitbeschäftigung zurückgegriffen werden dürfe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, bei der Bemessung des Uhg dürfe nicht von einem aus 37,5 Wochenstunden errechneten Bemessungsentgelt ausgegangen werden; entscheidend sei auch unter Anwendung der Härtevorschrift des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG die Arbeitszeit, für die sich die Klägerin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 124 Abs 2, 153 Abs 1, 165 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 9. Oktober 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 1992, wobei zu berücksichtigen ist, daß durch die Ausführung des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 26. Januar 1993 die Klägerin mittlerweile teilweise klaglos gestellt ist. Dies wird das LSG bei seiner erneuten Entscheidung ebenso zu beachten haben wie den Umstand, daß Folgebescheide ergangen sind (§ 96 SGG), die die Revisionsinstanz nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur auf entsprechende Rüge hin zu beachten hat (BSGE 66, 11, 12 = SozR 4100 § 112 Nr 52; BSG SozR § 113 Nr 5). Das LSG wird selbst Bescheide, die ggf erst nach Erlaß des zweitinstanzlichen Urteils ergangen sind, in seine Überprüfung einzubeziehen haben. In der Sache begehrt die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 AFG) höhere Leistungen, als ihr ab 2. September 1991 durch die Bescheide vom 9. Oktober 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 1992 zugestanden worden sind.

Ob sie indes einen Anspruch auf höheres Uhg besitzt, steht noch nicht fest.

Nach § 44 Abs 1 AFG (hier idF des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes – HStruktGAFG – vom 18. Dezember 1975 – BGBl I 3113) wird Teilnehmern an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht ein Uhg gewährt. Diese Vorschrift findet auf Teilnehmer an Maßnahmen zur beruflichen Umschulung entsprechende Anwendung (§ 47 Abs 1 Satz 2 AFG idF des HStruktGAFG). Vorliegend steht bereits nicht sicher fest, ob die am 2. September 1991 begonnene Maßnahme als berufliche Fortbildung, Umschulung oder gar als Ausbildung zu qualifizieren ist; das LSG wird hierzu und zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 44 Abs 2 AFG, den allgemeinen Vorschriften zur Förderung der beruflichen Bildung (§§ 33 ff AFG), den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 46 AFG sowie den von der Art der Bildungsmaßnahme abhängigen besonderen Zugangsvoraussetzungen ggf weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen haben. Eine genauere Überprüfung würde sich nur dann erübrigen, wenn die Bestimmungen über die Leistungshöhe keine weiter gehende Verurteilung der Beklagten zuließen. Ob dies der Fall ist, ist ebenfalls noch offen.

Die Höhe des Uhg richtet sich nach § 44 Abs 2 Satz 1 AFG (idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des AFG ≪7. AFGÄndG≫ vom 20. Dezember 1985 – BGBl I 2484). Gemäß dieser Vorschrift beträgt das Uhg für einen Teilnehmer, der die Voraussetzungen des § 111 Abs 1 Nr 1 AFG erfüllt, 73 vH (Nr 1), für die übrigen Teilnehmer 65 vH (Nr 2) des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts iS des § 112 AFG. Die entsprechenden Leistungssätze bestimmt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung unter Berücksichtigung der Steuerklasse und anderer Kriterien jeweils für ein Kalenderjahr durch Rechtsverordnung (§ 44 Abs 2c AFG idF des 7. AFGÄndG). Für die Höhe des Uhg sind mithin drei Faktoren von Bedeutung: der Familienstatus, der die Nettolohnersatzquote des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts bestimmt, die Lohnsteuerklasse, die für die Leistungsgruppe der nach § 44 Abs 2c AFG erlassenen Leistungsverordnung maßgebend ist, und das – ggf zu dynamisierende (§ 112a AFG) – Bemessungsentgelt.

Mit 73 vH hat die Beklagte der Klägerin den höchsten Leistungssatz zugebilligt und mit der Leistungsgruppe D in den Ausgangsbescheiden der im Jahre 1991 eingetragenen Lohnsteuerklasse Rechnung getragen. Ob ein höheres Ausgangs-Bemessungsentgelt als 320,00 DM zugrunde zu legen ist, läßt sich gegenwärtig noch nicht abschließend entscheiden; für das Begehren der Klägerin, das Uhg über das Teilanerkenntnis hinaus nach dem Arbeitsentgelt einer Vollzeitbeschäftigung zu bemessen, findet sich indes keine Rechtsgrundlage. Die Verweisung in § 44 Abs 2 Satz 1 AFG auf § 112 AFG bedeutet nämlich, daß die Regelbemessung des Uhg in strenger Anlehnung an § 112 AFG vorzunehmen ist (vgl BSG SozR 3-4100 § 44 Nrn 2 und 11; vgl auch BSG SozR 4100 § 44 Nr 35), und diese Vorschrift läßt es ebensowenig wie § 44 AFG selbst zu, beim Zeitfaktor des Bemessungsentgelts von mehr als 25 Stunden auszugehen.

Arbeitsentgelt iS von § 112 AFG (hier idF des Gesetzes vom 23. September 1990 zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands und der Vereinbarung vom 18. September 1990 – BGBl II 885) ist das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat (Abs 1 Satz 1). Der Bemessungszeitraum umfaßt nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat. Für die Berechnung des in der Woche durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts wird das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt (Lohnfaktor) mit der Zahl der Arbeitsstunden vervielfacht, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt – Abs 3 Satz 1 – (Zeitfaktor). Arbeitsentgelt, das nach Monaten bemessen ist, gilt als in der Zeit von Arbeitsstunden erzielt, die sich ergibt, wenn die Zahl der vereinbarten wöchentlichen Arbeitsstunden mit dreizehn vervielfacht und durch drei geteilt wird (Abs 3 Satz 2).

Unter Berücksichtigung der dargestellten Berechnungsmethode war dem Uhg der Klägerin ein (anfängliches) Bemessungsentgelt von 190,00 DM (dynamisiert – Faktor: 1,047 – ab 1. Oktober 1991 von 200,00 DM) zugrunde zu legen. Dem Gesamtzusammenhang der vom LSG festgestellten Tatsachen ist zu entnehmen, daß vom Bemessungszeitraum die Monate Juli, August und September 1990 umfaßt werden. In dieser Zeit erzielte die Klägerin bei einer Wochenarbeitszeit von 27 Stunden jeweils 900,00 DM monatlich; nach Maßgabe des § 112 Abs 3 Satz 2 AFG galt dieser Verdienst als in 117 Stunden (27 × 13: 3) erzielt. Das während des Bemessungszeitraums in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt beträgt damit (abgerundet) 7,69 DM (900,00 DM: 117 = 7,69).

Diesen Stundensatz (Lohnfaktor) hat die Beklagte zutreffend mit 25 (Zeitfaktor) vervielfältigt. In Abweichung zu § 112 Abs 3 Satz 1 AFG ist zwar als tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die vereinbarte Arbeitszeit (27 Stunden) zugrunde zu legen, wenn nicht nur vorübergehend weniger als die tariflichen oder üblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden vereinbart waren (§ 112 Abs 4 Nr 3 AFG); jedoch greift vorliegend für den Zeitfaktor § 112 Abs 8 Satz 1 AFG ein. Danach ist die Zahl von Arbeitsstunden zugrunde zu legen, die der Arbeitslose wöchentlich zu leisten imstande ist, wenn er infolge tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen nicht mehr die Zahl von Arbeitsstunden leisten kann, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Das ist hier nach den Feststellungen des LSG für die Klägerin der Fall, weil sie dem Arbeitsmarkt nur noch für 25 Wochenstunden zur Verfügung stand. Die Multiplikation des im Bemessungszeitraum erzielten Stundenverdienstes mit der Zahl 25 ergibt das vorstehend angegebene (gerundete) Bemessungsentgelt (§ 112 Abs 10 AFG).

Die Teilnahme an einer Vollzeitmaßnahme vermag die Bemessung des Uhg nach einem einer Vollzeitbeschäftigung entsprechenden Arbeitsentgelt nicht zu stützen. Die gegenteilige Auffassung läßt sich weder aus § 3 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AFuU) vom 23. März 1976 idF der 19. Änderungsanordnung vom 8. März 1991 (ANBA 1991, 454) noch aus dem Sinn und Zweck des Uhg herleiten.

Wie ausgeführt, wird Uhg nach § 44 Abs 1 AFG für die Teilnahme an Maßnahmen mit ganztägigem Unterricht gewährt. Der Begriff des ganztägigen Unterrichts ist gesetzlich nicht definiert. Er wird in § 34 Abs 1 Satz 1 AFG (hier idF des 7. AFGÄndG) lediglich als Vollzeitunterricht bezeichnet. Eine nähere Begriffserläuterung enthält § 3 Abs 2 der auf der Grundlage der §§ 39 und 191 Abs 3 AFG erlassenen AFuU, wonach eine Maßnahme im ganztägigen Unterricht durchgeführt wird, wenn der Unterricht in jeder Woche an mindestens fünf Werktagen stattfindet und mindestens 25 Unterrichtsstunden (nicht Zeitstunden) umfaßt. Diesen Anforderungen genügt nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG die hier zu beurteilende Maßnahme. Gleichwohl zwingt das Vorliegen einer Vollzeitmaßnahme nicht zu einer von der Regelbemessung abweichenden Ermittlung des Bemessungsentgelts. § 3 Abs 2 AFuU enthält keine die Berechnungsgrundlagen des § 112 AFG modifizierende Regelung. Er stellt lediglich eine Vermutung dafür auf, wann von ganztägigem Unterricht auszugehen ist (vgl BSG, Urteil vom 25. Januar 1996 – 7 RAr 30/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Daß eine Bildungsmaßnahme aufgrund des § 3 Abs 2 AFuU als Voll- und nicht als Teilzeitmaßnahme zu beurteilen ist, betrifft aber den Anspruchsgrund und nicht die Anspruchshöhe.

Auch Sinn und Zweck des Uhg, den Lebensunterhalt des Maßnahmeteilnehmers und ggf seiner Familie sicherzustellen (BT-Drucks V/2291 S 55; BSG SozR 3-4100 § 44 Nrn 2 und 4), rechtfertigen nicht das Klagebegehren. Wie der 11. Senat bereits entschieden hat (vgl BSG, Urteil vom 25. April 1996 – 11 RAr 89/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; s außerdem die Urteile vom 25. April 1996 – 11 RAr 87/95 und 11 RAr 91/95 –, beide unveröffentlicht), folgt aus der unterhaltssichernden Funktion kein Vergütungsanspruch für die während der Maßnahme aufgewandte Zeit. Auch wenn das Uhg für die Teilnahme an einer Maßnahme gewährt wird, stellt es eine Lohnersatzleistung dar, die das Einkommen gewährleisten soll, das ohne die Maßnahme aus einer Erwerbstätigkeit erzielt worden wäre (vgl insoweit auch BSG SozR 3-4100 § 44 Nrn 2 und 4).

Dem steht, wie der 11. Senat bereits ausgeführt hat, nicht § 44 Abs 2b (idF des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1990 vom 22. Dezember 1989 – BGBl I 2406) entgegen, wonach für einen begrenzten Zeitraum auch Teilnehmern an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung mit Teilzeitunterricht Uhg gewährt wird, der Bemessung des Uhg in diesem Fall jedoch nur die Hälfte des Arbeitsentgelts iS des § 112 AFG zugrunde zu legen ist (BSG, Urteile vom 25. April 1996, aaO).

Die Berechnung des Bemessungsentgelts im bezeichneten Sinne steht ferner nicht in Widerspruch zu dem Urteil des BSG vom 29. August 1974 (BSGE 38, 109 ff = SozR 4100 § 44 Nr 1). Der erkennende Senat hat sich in dieser Entscheidung nicht mit der Bemessung des Uhg, sondern mit den Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach auseinandergesetzt. In Fortführung der früheren Rechtsprechung hat er darauf hingewiesen, daß auch die Tätigkeit der Hausfrau einen Beruf iS der Vorschriften des AFG über die individuelle Förderung der beruflichen Bildung darstelle und ein Anspruch auf Uhg nur bestehe, wenn die Tätigkeit als Hausfrau wegen der Teilnahme an der Maßnahme mindestens 14 Stunden in der Woche nicht ausgeübt werden könne. Diese Ausführungen rechtfertigen nicht die Schlußfolgerung, das Uhg sei in Abweichung zur Regelbemessung des § 112 AFG zu bemessen.

Die Klägerin könnte sich selbst dann nicht mit Erfolg auf dieses Urteil berufen, wenn aufgrund der Entscheidung angenommen würde, eine zur Förderung berechtigende Hausfrauentätigkeit sei in ihrem jeweiligen Umfang uneingeschränkt einer bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts zu berücksichtigenden Beschäftigung gleichzustellen. Nach § 42 AFG in der ursprünglichen Fassung vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) wurden Personen gefördert, die entweder eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt hatten oder eine solche Beschäftigung ausüben wollten. Diese Rechtsnorm räumte Beschäftigten, Selbständigen und bisher Nichterwerbstätigen nur bis zum 31. Dezember 1975 einen Anspruch auf Förderung ein. Seit dem Inkrafttreten des § 46 AFG (idF des HStruktGAFG am 1. Januar 1976) knüpft die Förderung zur beruflichen Fortbildung und Umschulung – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – an eine vorherige Beitragsleistung an. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift (hier idF des 7. AFGÄndG) werden Antragstellern Leistungen nach § 44 Abs 2, 2a und 2b sowie nach § 45 AFG gewährt, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Alg aufgrund eines Anspruchs von einer Dauer von mindestens 156 Tagen oder im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe bezogen haben. Das in dieser Regelung zum Ausdruck kommende Sozialversicherungsprinzip hat der Gesetzgeber nur ausnahmsweise durchbrochen, indem er bestimmte Tatbestände, nicht aber die Erziehung eines Kindes, einer Beitragsentrichtung gleichstellt. Soweit die Klägerin die Maßgeblichkeit des Versicherungsprinzips unter Hinweis auf § 46 Abs 1 Satz 2 AFG verneint, übersieht sie, daß diese Ausnahmeregelung bei Antragstellern, die zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Aufnahme einer Beschäftigung gezwungen sind und die überwiegend wegen der Betreuung und Erziehung eines Kindes keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, lediglich auf die Rahmenfrist von drei Jahren und nicht auf die Anspruchsvoraussetzungen der beitragspflichtigen Beschäftigung verzichtet.

Von der oben dargelegten Regelbemessung kann nicht gemäß § 112 Abs 7 AFG abgewichen werden, wobei offenbleiben kann, ob es sich bei dieser Vorschrift um eine eigenständige, neben § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG anwendbare Regelung handelt oder ob ihre Tatbestände nur in § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG als spezielle Regelung hineinzulesen sind. Nach § 112 Abs 7 AFG ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt, wenn es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach den Abs 1 bis 6 auszugehen (Alt 1), oder der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Entstehung des Anspruchs länger als drei Jahre zurückliegt (Alt 2). Keine dieser Tatbestandsvoraussetzungen ist hier erfüllt. Da der Bemessungszeitraum die Monate Juli bis September 1990 umfaßt, scheidet Alt 2 aus. Nichts anderes gilt aber auch für Alt 1, wobei § 112 Abs 8 Satz 3 AFG ohnedies verdeutlicht, daß der Zeitfaktor 25 unberührt bliebe.

Hinsichtlich des § 112 Abs 7 Alt 1 AFG (unbillige Härte) hat das BSG wiederholt darauf hingewiesen, daß der Grundgedanke dieser Vorschrift darin bestehe, einen Ausgleich für die Fälle zu schaffen, in denen der Arbeitslose gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum, dessen Lohnbedingungen die Faktoren des Bemessungsentgelts iS der Regelbemessung nach § 112 Abs 1 bis 6 AFG zu entnehmen sind, ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es den beitragspflichtigen Tätigkeiten entspricht, die der Arbeitslose überwiegend ausgeübt hat. Ob es mit Rücksicht auf die überwiegend ausgeübte Tätigkeit unbillig hart wäre, vom Regelbemessungsentgelt auszugehen, ergibt sich aus dessen Vergleich mit dem wöchentlichen Arbeitsentgelt der überwiegend ausgeübten Tätigkeit (BSG SozR 3-4100 § 44 Nr 11 mwN und § 112 Nr 19). Dabei bedarf es nicht ausnahmslos eines Tätigkeitswechsels. Eine unbillige Härte kann auch dann anzunehmen sein, wenn es im Rahmen einer für den gesamten Dreijahreszeitraum verrichteten Beschäftigung zu Änderungen der Arbeitszeit oder des Arbeitsverdienstes gekommen ist (vgl BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 2).

Nach diesen Grundsätzen bleibt für eine Bemessung des Uhg nach § 112 Abs 7 Alt 1 AFG im vorliegenden Fall kein Raum. In den letzten drei Jahren vor Beginn der Maßnahme hat die Klägerin ausschließlich aus einer Teilzeitbeschäftigung Arbeitseinkommen erzielt. Diese Beschäftigung umfaßte durchgehend 27 Wochenstunden. Ein Härtefall infolge eines Wechsels der Berufstätigkeit oder einer veränderten Arbeitszeit bzw eines höheren Entgelts scheidet demnach aus. Daß sich die Bemessung des Uhg nach der Teilzeitarbeit richtet, obwohl eine Maßnahme mit einem höheren Zeitaufwand verbunden ist, begründet allein ebensowenig eine unbillige Härte wie der Umstand, daß Teilnehmer wegen der notwendigen Betreuung aufsichtsbedürftiger Kinder oder infolge anderer tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen gehindert sind, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen (BSG, Urteil vom 12. Mai 1982 – 7 RAr 88/80 –, DBlR Nr 2787 zu § 112 AFG).

Ob indes eine abweichende Bemessung aus § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG (hier idF des 7. AFGÄndG) herzuleiten ist, soweit er über § 112 Abs 7 AFG hinausgehende Fälle erfassen könnte (vgl dazu: BSG SozR 3-4100 § 44 Nr 11), läßt der Senat noch offen. Nach § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG bemißt sich das Uhg wie in einem Fall des § 112 Abs 7 AFG, wenn es unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach § 44 Abs 2 oder Abs 2b AFG auszugehen. Eine unbillige Härte scheidet jedenfalls unter dem Aspekt des Zeitfaktors aus, weil die Arbeitszeit, die ohne Teilnahme an der Maßnahme hätte erbracht werden können (25 Wochenstunden), nicht von der Arbeitszeit abweicht, die die Beklagte der Bemessung des Uhg zugrunde gelegt hat (vgl BSG, Urteil vom 28. Juni 1996 – 11 RAr 87/95 – unveröffentlicht). Dem entspricht die ausdrückliche Regelung in § 112 Abs 8 Satz 3 AFG, daß rechtliche oder tatsächliche Bindungen sogar bei einer Bemessung nach § 112 Abs 7 AFG zu berücksichtigen sind. Die Klägerin könnte somit über § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG keine andere Rechtsfolge für sich beanspruchen; diese Norm ermöglicht nämlich keine günstigere Bemessung als bei § 112 Abs 7 AFG (BSG, Urteil vom 25. April 1996 – 11 RAr 89/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG, Urteil vom 25. April 1996 – 11 RAr 91/95 –, unveröffentlicht; vgl auch BSG, Urteil vom 25. April 1996 – 11 RAr 87/95 –, unveröffentlicht). Ob eine unbillige Härte mit Rücksicht auf den Lohnfaktor anzunehmen ist, wenn während der Beschäftigung im Bemessungszeitraum – uU wegen des Erfordernisses der Kinderbetreuung – nicht nur eine kürzere Arbeitszeit gewählt worden war, sondern auch eine untertarifliche Bezahlung erfolgt ist, bedarf noch keiner endgültigen Entscheidung. Die Überlegung könnte insbesondere naheliegen, weil nach § 46 Abs 1 Satz 2 AFG die Vorbeschäftigung nicht innerhalb der Dreijahresfrist vor Beginn der Maßnahme liegen muß und im Falle des Fehlens einer Vorbeschäftigung in dieser Frist die Regelung des § 112 Abs 7 Alt 2 AFG eingreifen würde. Eine Beschäftigung innerhalb der Dreijahresfrist mit untertariflicher Bezahlung könnte dann die Antragsteller gegenüber denjenigen benachteiligen, deren Beschäftigung außerhalb dieses Zeitraums liegt, weil bei diesen sich der Lohnfaktor nach dem tariflichen/ortsüblichen Entgelt berechnet.

Entscheidungserheblich wäre diese Frage allerdings nur, wenn das von der Beklagten unter Berücksichtigung eines Ausgangs-Bemessungsentgelts von 320,00 DM anerkannte Uhg nicht ohnedies beim Lohnfaktor nach dem Arbeitsentgelt bemessen ist, das sich aufgrund des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG ergibt (vgl hierzu: BSG, Urteile vom 25. April 1996, aaO). Für eine Entscheidung hierüber enthält das Urteil des LSG nicht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden und bei der Kostenentscheidung zu beachten haben, daß die Klage aufgrund des Teilanerkenntnisses der Beklagten teilweise Erfolg hatte.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174575

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