Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsgeld. Vollzeitmaßnahme. Arbeitsentgelt. Teilzeitarbeit. ganztägiger Unterricht

 

Leitsatz (amtlich)

Das dem Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 2, § 112 Abs. 7 AFG zugrundezulegende Arbeitsentgelt ist auch bei Teilnahme an einer Maßnahme mit ganztägigem Unterricht (§ 44 Abs. 1 AFG) nach der wöchentlichen Arbeitszeit zu bestimmen, die der Antragsteller (hier: Mutter mit zwei Kindern) hätte erbringen können.

 

Normenkette

AFG §§ 44, 112 Abs. 7

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 28.06.1995; Aktenzeichen L 3 Ar 695/93)

SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 26.01.1993; Aktenzeichen S 8 Ar 345/92)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Juni 1995 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt höheres Unterhaltsgeld (Uhg).

Die 1961 geborene Klägerin arbeitete von 1978 bis 1985 als Stationshilfe in einem Krankenhaus und anschließend von November 1985 bis Juni 1987 als Arbeiterin bei einem Kondensatorenhersteller. Danach widmete sich die verheiratete Klägerin, deren Kinder 1987 und 1989 geboren sind, der Familie.

Vom 2. September 1991 bis zum 24. Juni 1994 nahm die Klägerin an einer von der Beklagten ua mit Uhg geförderten Ausbildung zur Bürokauffrau teil. Der Kurs war für Frauen eingerichtet worden, die wegen der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Personen an einer Vollzeitbeschäftigung und Ausbildungen gleichen zeitlichen Umfangs gehindert waren. Der Unterricht sowie das zu der Maßnahme gehörende Praktikum fanden von Montag bis Freitag vormittags von 8.15 Uhr bis 12.30 Uhr statt. Nach Abschluß der Ausbildung beantragte die Klägerin Arbeitslosengeld (Alg), wobei sie geltend machte, nur 25 Stunden in der Woche arbeiten zu können. Seit August 1994 ist die Klägerin beschäftigt.

Antragsgemäß bewilligte das Arbeitsamt (ArbA) Freiburg der Klägerin Uhg, und zwar in Höhe von 141,60 DM wöchentlich. Der Bemessung lag die Nettolohnersatzquote von 73 vH, die Leistungsgruppe D entsprechend der Lohnsteuerklasse V der Klägerin und ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 310,– DM zugrunde (Bescheid vom 16. Oktober 1991). Dieses – nach § 112 Abs. 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bestimmte – Arbeitsentgelt entsprach dem tariflichen Lohn eines Montagehelfers (Wirtschaftsbereich Metall-Elektro), der statt der tariflichen 37 Wochenstunden lediglich 20 Stunden arbeitet (20 × 15,36 DM = 310,– DM). Bei der Antragstellung hatte die Klägerin angegeben, 20 Stunden in der Woche arbeiten zu können. Den Widerspruch, den die Klägerin damit begründete, daß sie eine „Vollzeitmaßnahme” besuche, hat das ArbA zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1992). Ab 2. September 1992 erhöhte sich der Leistungssatz auf 148,80 DM wöchentlich, da sich das wöchentliche Arbeitsentgelt nach § 112a AFG auf 330,– DM erhöht hatte (Bescheid vom 11. September 1992).

Vor dem Sozialgericht (SG) erkannte die Beklagte am 26. Januar 1993 an, daß der Klägerin das Uhg ab 2. September 1991 nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 380,– DM (= 25 × 15,36 DM) zu zahlen sei. Die Klägerin nahm dieses Teilanerkenntnis an, verfolgte ihre Klage indes weiter. Antragsgemäß verurteilte das SG die Beklagte, unter Abänderung des Bescheids vom 16. Oktober 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 1992, des Bescheids vom 11. September 1992 und des Anerkenntnisses der Klägerin ab 2. September 1991 Uhg nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von gerundet 570,– DM zu zahlen; die Berufung ließ das SG zu (Urteil vom 26. Januar 1993). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Juni 1995).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, bei der Bemessung des Uhg habe die Beklagte nach § 112 Abs. 7 und 8 AFG berücksichtigt, daß die Klägerin ihre Arbeitsbereitschaft auf 20 bzw 25 Stunden pro Woche eingeschränkt habe. Durch das Teilanerkenntnis habe die Beklagte über die reine Lohnnersatzfunktion hinaus der zeitlichen Inanspruchnahme der Klägerin durch die Maßnahme Rechnung getragen. Eine Härte, wie sie das SG auch noch bei dieser berichtigten Bemessung festgestellt habe, sei nicht nachzuvollziehen. Da die Bemessung unmittelbar nach § 112 Abs. 7 AFG erfolgt sei, weil die von der Klägerin zuletzt verrichtete Tätigkeit und damit der letzte Bemessungszeitraum länger als drei Jahre zurückgelegen habe, könne das Ergebnis einer Bemessung wie in einem Fall des § 112 Abs. 7 AFG nicht anders lauten. Ebensowenig wie Unterrichtsstunden mit Zeitstunden gleichgesetzt werden könnten, sei es zulässig, die Teilnahme an der streitigen Vollzeitmaßnahme mit einer Vollzeitarbeit gleichzusetzen. Dies sei schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil im Förderantrag die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung auf eine Teilzeitarbeit eingeschränkt gewesen sei.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 44 Abs. 3 Nr. 3 AFG sowie des Art. 3 Grundgesetz (GG). Sie macht im wesentlichen geltend, da es bei der Gewährung von Uhg nicht darauf ankomme, daß vor Beginn der Maßnahme Leistungen nach dem AFG bezogen würden, könne es auch nicht darauf ankommen, ob die Klägerin vor Beginn der Maßnahme halbschichtig oder vollschichtig verfügbar gewesen sei. Es sei darauf zu verweisen, daß die Klägerin eine echte Vollzeitmaßnahme durchlaufen und deshalb auch entsprechend in Anknüpfung an eine echte Vollzeitmaßnahme Uhg zu beanspruchen habe. Die Klägerin werde in unangemessener Weise benachteiligt, wenn man nicht berücksichtige, daß Vollzeitkurse mit 37 Wochenstunden nur für einen Personenkreis durchhaltbar seien, der weder durch Hausarbeit noch Kindererziehung in besonderer Weise eingebunden sei. Unzutreffend sei die Annahme des LSG, die Bemessung des Uhg nach dem Anerkenntnis der Beklagten entspreche der tatsächlichen zeitlichen Belastung der Klägerin durch die Maßnahme. Das LSG habe dabei unberücksichtigt gelassen, daß nicht nur die reinen Schulzeiten, sondern neben Vor- und Nachbereitungszeit auch die Wegezeiten hinzugerechnet werden müßten. Dagegen könne es auch auf den Umfang der Verfügbarkeit der Klägerin unmittelbar nach Beendigung der Maßnahme rechtlich nicht ankommen. Die Klägerin habe eine qualifizierte Ausbildung erworben, die es ihr nach Durchlaufen der vollumfänglichen Fürsorgepflicht für ihre beiden Kinder ermögliche, vollschichtig am Arbeitsleben teilzunehmen. Hierbei trete eine bis dahin möglicherweise eingeschränkte Verfügbarkeit zeitlich zurück gegenüber einer vollen Lebensarbeitszeit bis zum Rentenbeginn. Das AFG sei in gleicher Weise wie jedes andere Gesetz dem Gleichheitsgrundsatz verpflichtet und trage an vielen Stellen der besonderen Situation von erziehungsverpflichteten Müttern Rechnung. Die Angleichung dieser Situation an die insoweit unbelastete Situation von männlichen Förderpersonen verkenne den Gleichheitsgrundsatz und belasse es bei tatsächlicher Ungleichheit.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig.

An einem bestimmten Revisionsantrag, wie ihn § 164 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fordert, fehlt es nicht, auch wenn weder die Revisions- noch die Revisionsbegründungsschrift einen formulierten Revisionsantrag enthält. Das Ziel der Revision, nämlich die Wiederherstellung des Urteils des SG, läßt sich der Revisionsbegründung entnehmen. Das genügt (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nr. 8).

Aufgrund der Revision zu entscheiden hat der Senat nur über die im Urteil des SG erwähnten, bis zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26. Januar 1993 ergangenen Regelungen, nicht auch über die Verwaltungsakte, die das ArbA – ausweislich der in den Gerichtsakten befindlichen Mitteilungen der Beklagten an das LSG – nach dieser Verhandlung erlassen hat. Zwar dürfte das LSG übersehen haben, daß es nach § 96 Abs. 1, § 153 Abs. 1 SGG gehalten war, auch über diese Regelungen zu entscheiden. Die Verletzung des § 96 SGG hat das Revisionsgericht indes nicht von Amts wegen, sondern nur dann zu berücksichtigen, wenn eine entsprechende Rüge erhoben worden ist (BSG SozR 1500 § 53 Nr. 2). Das ist hier nicht geschehen.

In der Sache ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung begründet. Ob der Klägerin, der die Beklagte Uhg nach einem (anfänglichen) wöchentlichen Arbeitsentgelt von 380,– DM eingeräumt hat, das Uhg nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 570,– DM zu zahlen ist, wie das SG entschieden hat, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen des LSG nicht entschieden werden.

Daß der Klägerin überhaupt Uhg zusteht, ist nicht zweifelhaft. Nach § 44 Abs. 1 AFG (idF des Gesetzes vom 8. Dezember 1975, BGBl I 3113) wird Teilnehmern an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht ein Uhg gewährt. Gleiches gilt nach § 47 Abs. 1 AFG für Teilnehmer an Maßnahmen zur beruflichen Umschulung. In ganztägigem Unterricht wird eine Maßnahme jedenfalls dann durchgeführt, wenn der Unterricht, wie das hier der Fall gewesen ist, in jeder Woche an mindestens fünf Werktagen stattfindet und mindestens 25 Unterrichtsstunden umfaßt (BSG SozR 4460 § 11 Nr. 6; § 3 Abs. 2 der Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung idF vom 8. März 1991, ANBA 455). Nach dem Sachverhalt und den getroffenen Feststellungen kann davon ausgegangen werden, daß für die zur Bürokauffrau führende Maßnahme die allgemeinen Förderungsvoraussetzungen (§ 34 Abs. 1 AFG) und für die Förderung der Klägerin, für die nach ihrer bisherigen Tätigkeit als Stationshilfe und Arbeiterin die zur Bürokauffrau führende Bildungsmaßnahme iS des § 47 AFG eine Umschulung darstellte, die persönlichen Förderungsvoraussetzungen (§ 36 AFG; § 42 Abs. 1 AFG) gegeben waren, mit Rücksicht auf die 1987 und 1989 geborenen Kinder nach § 46 Abs. 1 Satz 3 AFG auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 AFG; innerhalb der um die Zeit seit der Geburt des ersten Kindes (22. Juli 1987) verlängerten Rahmenfrist hat die Klägerin die erforderlichen zwei Jahre beitragspflichtiger Beschäftigung aufzuweisen.

Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) beträgt das Uhg für einen Teilnehmer, der – wie die Klägerin im Hinblick auf ihre Kinder – die Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 Nr. 1 AFG erfüllt, 73 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts iS des § 112 AFG. Voraussetzung für dieses Uhg ist ferner, daß die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme aus bestimmten Gründen notwendig ist (§ 44 Abs. 2 Satz 2 AFG), ua damit ein Antragsteller, der keinen beruflichen Abschluß hat, eine berufliche Qualifikation erwerben kann (§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AFG). Auch diese Voraussetzung für das Uhg nach § 44 Abs. 2 AFG erfüllt die Klägerin. Dementsprechend hat das ArbA der Klägerin das Uhg für die hier streitige, vor 1994 liegende Zeit zutreffend nach der Nettolohnersatzquote von 73 vH und, was gemäß § 44 Abs. 2c, § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe d, § 44 Abs. 7, § 113 AFG angesichts der für die Klägerin eingetragenen Steuerklasse V zutrifft, nach den Leistungssätzen der Leistungsgruppe D gewährt. Das alles wird auch von der Klägerin nicht beanstandet. Die Beteiligten streiten jedoch, ob dem Uhg als (anfängliches) Arbeitsentgelt die durch das Anerkenntnis eingeräumten 380,– DM oder, wie das SG gemeint hat, 570,– DM wöchentlich zugrunde zu legen sind, was also im vorliegenden Falle nach § 44 Abs. 2 Satz 1 AFG „Arbeitsentgelt iS des § 112 AFG” ist.

Arbeitsentgelt iS des § 112 AFG ist, wie der Senat zu § 44 Abs. 2 AFG schon entschieden hat, ein Arbeitsentgelt, das sich aus der Anwendung des § 112 AFG ergibt (SozR 4100 § 44 Nr. 48; vgl BSG SozR 4100 § 112 Nr. 17 und BSG SozR 4100 § 44 Nr. 35). Arbeitsentgelt ist daher grundsätzlich das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat (§ 112 Abs. 1 Satz 1 AFG idF des Achten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 14. Dezember 1987, BGBl I 2602). Abweichend hiervon ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt maßgeblichen tariflichen und ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Antragsteller nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt, wenn der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Entstehung des Anspruchs länger als drei Jahre zurückliegt (§ 112 Abs. 7 AFG). Das ist hier der Fall, wen der Bemessungszeitraum nur durch Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gebildet wird (§ 112 Abs. 2 Satz 1 AFG) und die letzte Beschäftigung der Klägerin zu Beginn der Maßnahme im September 1991 mehr als vier Jahre zurücklag.

Maßgeblich ist hiernach ein tarifliches oder ortsübliches Arbeitsentgelt, und zwar das, das vor dem Tag erzielbar ist, von dem ab eine Leistung zu gewähren ist (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 41 und SozR 3-4100 § 112 Nr. 2). Stichtag ist hier also der 1. September 1991. Falls zu diesem Zeitpunkt nur Teilzeitarbeit in Betracht kommt, ist nicht der volle Lohn, sondern nur Lohn für Teilzeitarbeit der Bemessung zugrunde zu legen. Das folgt nicht, wie das LSG annimmt, aus § 112 Abs. 8 AFG, sondern schon aus dem tariflichen oder ortsüblichen Arbeitsentgelt; es sieht für Teilzeitarbeit regelmäßig einen zeitanteiligen Teil des Lohns für die volle Arbeitszeit vor (vgl BSG SozR 3-4100 § 112 Nr. 2). Die Vorschrift des § 112 Abs. 8 AFG betrifft, wie sich aus Wortlaut und Systematik ergibt, den Fall, daß der Leistungsempfänger die Arbeitsstunden, die dem wöchentlichen Arbeitsentgelt seiner Leistung nach § 112 Abs. 1 bis 7 AFG zugrunde zu legen sind, nicht mehr erbringen kann und setzt Änderungen nach dem Bemessungszeitraum bzw im Falle der Bemessung nach § 112 Abs. 7 AFG nach dem Stichtag voraus. Maßgebend ist also, was den Zeitfaktor des Arbeitsentgelts nach § 112 Abs. 7 angeht in weichem Umfange die Klägerin am Stichtag zur Aufnahme einer Arbeit in der Lage gewesen ist.

Hieran ändert nichts, daß die Klägerin an einer „Vollzeitmaßnahme” teilgenommen hat. Zwar ist dafür, ob dem Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme Uhg nach § 44 Abs. 2 und Abs. 2a AFG gewährt werden kann, entscheidend, in welchem Umfang der Teilnehmer durch die Teilnahme zeitlich in Anspruch genommen wird; Uhg soll dann nicht gewährt werden, wenn der Bildungswillige während der Teilnahme seinen Lebensunterhalt noch durch Arbeitseinkommen sichern kann. Deshalb kommt es in diesem Zusammenhang nicht allein auf die zeitliche Belastung durch Schulungszeiten, sondern auch auf die zeitliche Belastung durch Vor- und Nachbereitung und Wege an (vgl BSGE 38, 109 = SozR 4100 § 44 Nr. 1; BSG SozR 4460 § 11 Nr. 6). Für die Höhe des Uhg ist die zeitliche Inanspruchnahme durch die Maßnahme indes nicht maßgebend. Das Uhg soll zwar den Lebensunterhalt für die Zeit sichern, in der der Teilnehmer bei natürlicher Betrachtungsweise hierzu nicht in der Lage ist. Dessen ungeachtet ist das Uhg kein Entgelt für die Teilnahme, sondern Lohnersatz für das fehlende Arbeitseinkommen und wird folgerichtig wie beim Alg nach dem Arbeitsentgelt bemessen, das der Teilnehmer erzielen würde, wenn er einer Arbeit nachginge. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Regelung des § 44 Abs. 2b AFG, nach der ua ausnahmsweise auch Teilnehmern an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung mit Teilzeitunterricht Uhg gewährt wird, der Bemessung des Uhg dann indes die Hälfte des Arbeitsentgelts iS des § 112 zugrunde zu legen ist. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit diese vom Gesetzgeber kaum gänzlich durchdachte Vorschrift (vgl Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand Februar 1996, § 44 RdNrn 62a und b) nur allgemein gesetzgeberische Vorstellungen wiedergibt. Denn soweit Personen begünstigt sind, von denen die Teilnahme an einer Maßnahme mit ganztägigem Unterricht wegen der Betreuung aufsichtsbedürftiger Kinder oder pflegebedürftiger Personen nicht erwartet werden kann, bestätigt die gesetzgeberische Zielvorstellung im Ergebnis nur, was sich in der Regel schon aus § 112 AFG ergibt. Für die Auffassung der Klägerin kann auch nicht geltend gemacht werden, das Uhg müsse höher als das Alg und die Arbeitslosenhilfe (Alhi) sein, damit ein Anreiz geboten werde, an Bildungsmaßnahmen teilzunehmen; denn abgesehen davon, daß der Uhg-Bezug – anders als der von Alg und Alhi – eine Anwartschaft auf späteres Alg begründet und deshalb schon einen Anreiz bietet, ist die Nettolohnersatzquote beim Uhg günstiger, in der hier fraglichen Zeit auch noch gegenüber dem Alg. Im Falle der Klägerin kommt hinzu, daß ihr in Ermangelung von Anwartschaften weder Alg noch Alhi zugestanden hätte. Nach allem kann keine Rede davon sein, daß das Uhg nach dem tatsächlichen Zeitaufwand für die Bildungsmaßnahme zu bemessen sei. Insoweit liegen einige Erwägungen der Revision neben der Sache. Die zeitliche Inanspruchnahme durch die Maßnahme ist lediglich in tatsächlicher Hinsicht für die Anwendung von § 112 Abs. 7 AFG von Bedeutung; denn kann jemand außer Haus 25 Stunden in der Woche an einer Bildungsmaßnahmme teilnehmen, wird regelmäßig angenommen werden können, daß er unmittelbar davor einer Arbeit von gleicher Zeitdauer hätte nachgehen können.

Ein für die Klägerin günstigeres Ergebnis folgt auch nicht aus der Vorschrift des § 44 Abs. 3 AFG, die eine von § 112 abweichende Bestimmung des Arbeitsentgelts für Ausnahmefälle vorsieht. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin insoweit auf § 44 Abs. 3 Nr. 3 AFG, wonach sich das Uhg wie in einem Fall des § 112 Abs. 7 AFG bemißt, wenn es unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach Abs. 2 auszugehen. Es kann dahingestellt bleiben, welche gegenüber § 112 Abs. 7 AFG eigenständige Bedeutung dieser Vorschrift zukommt und wann eine unbillige Härte iS des § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AFG anzunehmen ist (vgl dazu BSG SozR 3-4100 § 44 Nr. 11). Denn der Gesetzesbefehl, das Uhg „wie in einem Fall des § 112 Abs. 7 AFG” zu bemessen, enthält nicht mehr als eine Rechtsfolgenverweisung nach § 112 Abs. 7 AFG (BSG Urteil vom 12. Mai 1982 – 7 RAr 17/81 – DBlR Nr. 2786a zu § 44 AFG). Selbst wenn ein Härtefall gegeben wäre, käme daher eine günstigere Rechtsfolge, als sie sich aus § 112 Abs. 7 AFG ergibt, nicht in Betracht, insoweit trifft die Auffassung des LSG im Ergebnis zu, daß die Klägerin aus § 44 Abs. 3 Nr. 3 AFG keine günstigere Bemessung als nach § 112 Abs. 7 AFG herleiten kann. Auf die sowohl von der Klägerin als auch vom LSG erörterten Härtegesichtspunkte kommt es daher nicht an.

Schließlich läßt sich ein Anspruch auf Zugrundelegung eines höheren als des erzielbaren Arbeitsentgelts bei der Bemessung des Uhg auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten herleiten. Aus dem Revisionsvorbringen der Klägerin wird nicht nachvollziehbar, wieso der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 GG dadurch verletzt sein sollte, daß (auch) bei der Klägerin das Uhg nach dem erzielbaren Arbeitsentgelt bemessen wird, so wie dies bei jedem Antragsteller zu erfolgen hätte, falls – wie hier – § 112 Abs. 7 AFG für die Bemessung einschlägig ist. Zwar mag sich die Situation erziehungsverpflichteter Mütter tatsächlich erheblich von derjenigen anderer Bildungswilliger unterscheiden. Hierin liegt aber kein sachlicher Grund für die Annahme, daß der Gesetzgeber dem durch entsprechende Unterscheidungen bei den Vorschriften über die Bemessung des Uhg hätte Rechnung tragen und für bestimmte Personengruppen wie erziehende Frauen eigene Bemessungsregeln hätte aufstellen müssen. Angesichts der Funktion des Uhg, zur Existenzsicherung einen Ausgleich für maßnahmebedingt ausfallendes Arbeitsentgelt zu schaffen, wäre es vielmehr gerade sachwidrig, die Bemessung des Uhg bei bestimmten Personengruppen nach Kriterien vorzunehmen, die sich nicht an dem Arbeitsentgelt orientieren, das ohne die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme stattdessen mutmaßlich erzielt worden wäre. Dies gilt insbesondere auch für die Bemessung nach § 112 Abs. 7 AFG, die nach dem individuell zu bestimmenden Entgelt zu erfolgen hat, das der Arbeitslose erzielen könnte. Denn von allen Bemessungsregeln entspricht gerade diejenige in § 112 Abs. 7 AFG am deutlichsten dem allgemeinen Prinzip der Arbeitslosenversicherung, ausfallenden Lohn teilweise zu ersetzen (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nr. 31). Mit diesem Prinzip, das sich auch beim Uhg niederschlägt, wäre es unvereinbar, das Uhg bei bestimmten Personengruppen statt als Lohnersatzleistung als einen finanziellen Ausgleich für besondere Lebenssituationen und damit verbundene Nachteile auszugestalten und entsprechend zu bemessen. Damit würden jenen Personengruppen in einer – auch im Verhältnis zu anderen Bildungswilligen – sachlich nicht gerechtfertigten Weise finanzielle Vorteile gewährt, die mit der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme in keinem inneren Zusammenhang stehen.

Die Nachteile, die Personen dadurch erleiden, daß sie wegen der Betreuung von Kindern dem Arbeitsmarkt fernbleiben, hat das Gesetz in § 46 Abs. 1 Satz 3 AFG berücksichtigt. Die Klägerin hätte kein Uhg bekommen können, wenn es diese Vorschrift nicht gäbe. Der arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung, ua die Stellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern (§ 2 Nr. 5 AFG), hat das ArbA dadurch Rechnung getragen, daß es eine entsprechend konzipierte Bildungsmaßnahme wie diejenige, an der die Klägerin teilgenommen hat, fördert, obwohl die Dauer die Regelhöchstdauer von zwei Jahren bei weitem überschritt. Darüber hinaus im Rahmen des Uhg für die Zeit der Teilnahme an einer Maßnahme finanzielle Vorteile zu gewähren, die ohne die Teilnahme nicht eingetreten wären, die mit anderen Worten nicht dem Ausgleich maßnahmebedingter Einbußen dienen, sondern die Nachteile einer bestimmten, unabhängig von der Teilnahme an der Maßnahme tatsächlich gegebenen Lebenssituation ausgleichen sollen, ist weder nach dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) noch aufgrund des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG oder nach Art. 6 GG geboten.

Nach alledem hat die Klägerin Anspruch auf ein Uhg nach einem Arbeitsentgelt von mehr als anfänglich 380,– DM, die die Beklagte durch das Anerkenntnis eingeräumt hat, wenn sich dies nach dem erzielbaren Arbeitslohn ergibt, also nach Maßstab des tariflichen oder ortsüblichen Stundenlohns und der Arbeitsstunden, die die Klägerin hätte erbringen können. Insoweit fehlt es an ausreichenden Tatsachen. Das LSG hat wiedergegeben, wie das ArbA den Stundenlohn ermittelt hat. Treffen diese Ermittlungen zu, steht der Klägerin höheres Uhg nur zu, wenn sie am Stichtag einer Arbeit von mehr als 25 Stunden nachgehen konnte; denn die 380,– DM entsprechen dann schon einem Arbeitsentgelt bei einer Arbeitszeit von 25 Stunden. Ob insoweit die Feststellungen des LSG ausreichen, kann offen bleiben. Hinsichtlich der Arbeitszeit, die die Klägerin hätte erbringen können, sind jedenfalls ausreichende Feststellungen nicht getroffen worden. Festgestellt ist zwar, daß die Klägerin in ihrem Antrag angegeben hat, sie könne 20 Stunden in der Woche arbeiten. Das LSG hat ferner festgestellt, daß die Klägerin nach der Maßnahme angegeben hat, nur 25 Stunden arbeiten zu können. Im Widerspruch dazu – und zu der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme, die ja nur für eingeschränkt verfügbare Personen eingerichtet war – hat die Klägerin beim SG indes behauptet, daß sie ihre Kinder bei der Tagesmutter auch ganztags hätte unterbringen und sich deshalb im September 1991 der Arbeitsvermittlung voll zur Verfügung hätte stellen können. Mit vergleichbaren Einwänden anderer Klägerinnen, die an der gleichen Maßnahme teilgenommen hatten, hat sich das LSG in Urteilen vom gleichen Tage, die dem erkennenden Senat bekannt sind, auseinandergesetzt, nicht aber im Falle der Klägerin. Vorliegend kann der Senat daher nicht davon ausgehen, daß die Klägerin, nach den Verhältnissen am 1. September 1991 beurteilt, nicht mehr als 25 Stunden in der Woche hätte arbeiten können, so daß ihm in Ermangelung ausreichender Feststellungen eine abschließende Entscheidung nicht möglich ist.

Da es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, die fehlenden Feststellungen nachzuholen, führt die Revision der Klägerin gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG zur Zurückverweisung.

Die erneute Entscheidung, die auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu umfassen haben wird, gibt dem LSG die Möglichkeit, auch über die Verwaltungsakte zu befinden, die nach dem 26. Januar 1993 ergangen sind. Für die Kostenentscheidung bestem Anlaß für den Hinweis, daß bei der Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil auch übersehen worden sein dürfte, daß die Klage infolge des Anerkenntnisses nicht gänzlich ohne Erfolg geblieben ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1049445

SozSi 1997, 280

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