Orientierungssatz

Verletztengeld - Ausfallzeiten - Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung - Lohnersatzleistungen - Halbbelegung - Systemwidrigkeit und Verfassungsrecht - Sonderabgabe - Vertrauensschutz

Die Beitragserhebung vom Verletztengeld nach § 1385b Abs 1 RVO durch das HBegleitG 1984 vom 1. Januar 1984 an ist nicht verfassungswidrig (vgl BSG vom 19.6.1986 - 12 RK 54/85 = BSGE 60, 134 = SozR 2200 § 1385b Nr 1).

 

Normenkette

RVO § 1385b Abs 1 S 2 Halbs 1 Fassung: 1983-12-22, § 1259 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b Fassung: 1983-12-22; GG Art 3 Abs 1; GG Art 14 Abs 1 S 2; GG Art 20 Abs 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 24.11.1987; Aktenzeichen L 5 U 60/86)

SG Duisburg (Entscheidung vom 25.03.1986; Aktenzeichen S 1 (5) U 9/85)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger nach § 1385b Abs 1 Satz 2 Halbs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom Verletztengeld Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen hat.

Der im Jahre 1941 geborene Kläger erlitt am 17. Mai 1984 einen Arbeitsunfall, der zu einem Verlust des linken Beines im Unterschenkel führte. Nach Ende der Lohnfortzahlung erhielt er vom 29. Juni 1984 bis zum 27. Januar 1985 Verletztengeld. Davon wurden die Versichertenanteile der Beiträge zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) einbehalten. Ab dem 28. Januar 1985 war der Kläger wieder versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem bezieht er von der Beklagten eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 vH (Bescheid vom 15. April 1985).

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm die vom Verletztengeld einbehaltenen Beiträge auszuzahlen (Bescheid vom 8. Februar 1985). Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger die Verfassungswidrigkeit des § 1385b Abs 1 Satz 2 RVO geltend gemacht. Er ist damit ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts -SG- Duisburg vom 25. März 1986 und des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. November 1987). Das LSG hat in Übereinstimmung mit dem SG die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Einbehaltung der Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung, die im Berufungsverfahren allein noch streitig war, für unbegründet gehalten. Es hat sich dabei auf die Entscheidung des 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Juni 1986 (12 RK 54/85) gestützt, wonach § 1385b Abs 1 Satz 2 RVO für die Bezieher von Krankengeld dann nicht verfassungswidrig sei, wenn die für die Anrechnung der Ausfallzeit erforderliche Halbbelegung (§ 1259 Abs 3 RVO) gesichert sei. Gleiches gelte in der Unfallversicherung für die Bezieher von Verletztengeld; eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung lasse sich auch nicht mit den Besonderheiten des Unfallversicherungsrechts begründen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision macht der Kläger weiterhin geltend, § 1385b Abs 1 Satz 2 Halbs 1 RVO verletze Art 3, 14, 104a bis 108 des Grundgesetzes (GG). Die Heranziehung zur Beitragsleistung nach dieser Vorschrift beinhalte eine doppelte Diskriminierung, die mit Art 3 Abs 1 GG nicht vereinbar sei: Zum einen erlange der Verpflichtete nicht den Status eines Pflichtversicherten; zum anderen habe die entrichtete Abgabe nicht die Wirkung von Pflichtbeiträgen. Ferner könne der Gesetzgeber nicht das von ihm selbst gewählte System der Verknüpfung der Versicherungspflicht an die Beitragspflicht durchbrechen und bestimmte versicherungsfreie Personen in eine über die Steuerpflicht hinausgehende Abgabelast zur Finanzierung von Aufwendungen der Rentenversicherung einbeziehen, ohne ihnen zugleich alle die Rechte einzuräumen, die sonst den Pflichtversicherten zugute kämen. Die zwangsweise angeordnete Beitragslast stelle ferner eine Sonderabgabe und eine entschädigungslose Enteignung dar (Verletzung des Art 14 GG), da es sich um einen verlorenen Beitrag handele.

Der Kläger beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 29. Juni 1984 bis 27. Januar 1985 Verletztengeld in Höhe des einbehaltenen Rentenversicherungsbeitrags zu zahlen,

hilfsweise,

die Beigeladene zu 1 zu verurteilen, dem Kläger den vom Verletztengeld einbehaltenen Rentenversicherungsbeitrag zu erstatten.

Die Beklagte, die vom SG beigeladene Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz und die beigeladene BA beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, die streitigen Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung zu Recht von seinem Verletztengeld einbehalten.

Nach § 1385b Abs 1 RVO, der am 1. Januar 1984 in Kraft getreten ist (s Art 1 Nr 53 iVm Art 39 Abs 1 des Haushaltsbegleitgesetzes -HBegleitG- 1984 vom 22. Dezember 1983 - BGBl I 1532 -), zahlen ua die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Ausfallzeiten von Personen, die von ihnen Verletztengeld beziehen, für die Zeit des Bezugs dieser Leistung Beiträge, wenn die Personen vor Beginn dieser Leistung zuletzt nach diesem Gesetz (RVO) pflichtversichert waren (Satz 1). Die Beiträge sind von den Beziehern des Verletztengeldes, sofern es nicht in Höhe der Leistungen der BA zu zahlen ist, sowie von den Leistungsträgern je zur Hälfte zu tragen (Satz 2 Halbs 1). Nach Satz 3 iVm § 1397 Abs 1 Satz 1 RVO müssen sich die Bezieher des Verletztengeldes ihren Beitragsanteil vom Verletztengeld abziehen lassen.

Aufgrund dieser Vorschriften zahlte die beklagte Berufsgenossenschaft für den Kläger, der bis zum Beginn der Verletztenrente zuletzt in der Arbeiterrentenversicherung pflichtversichert war, Rentenversicherungsbeiträge an die beigeladene LVA und zog ihm die Hälfte der Beiträge vom Verletztengeld ab. Dabei hat die Beklagte die Verletztengeldbezugszeit als Ausfallzeit iS von § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b RVO angesehen. Nach dieser Vorschrift, die ebenfalls am 1. Januar 1984 in Kraft getreten ist (s Art 1 Nr 38 iVm Art 39 Abs 1 HBegleitG 1984) sind Ausfallzeiten Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ua durch eine infolge Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit unterbrochen worden ist, wenn nach dem 31. Dezember 1983 für diese Zeiten oder einen Teil von ihnen ua Verletztengeld bezogen worden ist.

Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war die versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers vom 29. Juni 1984 bis 27. Januar 1985 durch eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit unterbrochen. Für diese Zeit bezog er auch Verletztengeld. Die Zeit ist deshalb Ausfallzeit im Sinne der genannten Vorschriften (s BSGE 60, 134, 136 = SozR 2200 § 1385b Nr 1). Dies gilt auch - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - für die Monate Juni 1984 und Januar 1985, die nur teilweise mit einer Ausfallzeit belegt sind. Denn nach dem ab 1. Januar 1984 geltenden Recht kann eine krankheitsbedingte Unterbrechung auch dann eine Ausfallzeit sein, wenn sie nur einen Teil eines Kalendermonats erfaßt und für den Rest des Monates Pflichtbeiträge entrichtet worden sind (BSG aaO). Der Kläger hat somit durch seine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und den Bezug von Verletztengeld vom 29. Juni 1984 bis 27. Januar 1985 den Tatbestand einer Ausfallzeit iS des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b RVO verwirklicht und damit zugleich die Voraussetzungen des § 1385b Abs 1 RVO erfüllt, so daß er nach Satz 2 dieses Absatzes für diesen Zeitraum auch die auf ihn entfallenden Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen hat.

Die vom Kläger gegen diese gesetzliche Regelung allein geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art nicht durch. Der 12. Senat des BSG hat hierzu bereits entschieden, daß § 1385b Abs 1 Satz 2 Halbs 1 RVO für Bezieher von Krankengeld jedenfalls dann nicht verfassungswidrig ist, wenn feststeht, daß die für die Anrechnung der Ausfallzeit notwendige Halbbelegung (§ 1259 Abs 3 RVO) gesichert ist (BSGE 60, 134; aA von Einem SV 1988, 312 und DÖV 1989, 89). Aus den im wesentlichen gleichen Gründen, die der 12. Senat eingehend dargelegt hat, ist auch die von der Revision beanstandete Beitragserhebung vom Verletztengeld nach § 1385b Abs 1 RVO durch das HBegleitG 1984 vom 1. Januar 1984 an nicht verfassungswidrig. Der Senat verweist nach eigener eingehender Prüfung auf die Begründung in dem angeführten Urteil, auch unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des 12. Senats vom 24. Juni 1987 (12 RK 57/85) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der hier streitigen Bestimmung, soweit diejenigen Bezieher vom Krankengeld Beiträge zur Rentenversicherung zu tragen haben, bei denen die Voraussetzungen für die Anrechnung der Krankengeldbezugszeit als Ausfallzeit gemäß § 1259 Abs 3 RVO bisher nicht erfüllt sind oder unsicher ist, ob sie noch erfüllt werden. Diese Fallgestaltung liegt hier nicht vor und braucht dementsprechend auch nicht entschieden zu werden. Denn nach den bindenden Feststellungen des LSG hat der Kläger ausweislich einer Auskunft der beigeladenen LVA nach seinen bis zum 31. Dezember 1986 geleisteten Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung die Halbbelegung bis zum Mai 2018 und damit auch bereits bei Beginn der Zahlung des Verletztengeldes für einen spätestens nach Vollendung des 65. Lebensjahres im Februar 2006 eintretenden Versicherungsfall erfüllt.

Zu Recht weist die Revision zwar darauf hin, daß Bezieher von Verletztengeld, denen davon Beitragsanteile zur Rentenversicherung einbehalten werden, nach der derzeitigen Regelung nicht den Status eines Pflichtversicherten erlangen und die Beiträge nicht die rechtliche Wirkung von Pflichtbeiträgen haben. Der Senat kann jedoch ebensowenig wie der 12. Senat (BSGE aaO) darin einen Verstoß gegen Art 3 GG erkennen. Zwar widerspricht die Einführung einer Beitragspflicht ohne Versicherungspflicht dem bisherigen System der Rentenversicherung; dies allein begründet aber nicht einen Verfassungsverstoß. Denn eine Systemwidrigkeit für sich allein verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Nach welchem System der Gesetzgeber eine Materie ordnet (zu den Gründen der hier streitigen Regelung s BT-Drucks 10/335 insbesondere S 59, 72 und 75/76) obliegt vielmehr, ebenso wie die Zweckmäßigkeit einer Regelung, seiner Entscheidung; eine dementsprechend getroffene Regelung kann dann nur nach den Maßstäben der Verfassung, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Systemwidrigkeit für verfassungswidrig erklärt werden (BVerfGE 59, 36, 49; 61, 138, 148/149; 68, 237, 253; BSGE aaO 139).

Die von Pflichtversicherten entrichteten Beiträge vom Arbeitsentgelt unterscheiden sich von den hier umstrittenen Beiträgen für Lohnersatzleistungen vor allem in der Anrechenbarkeit im Leistungsrecht. Die aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung geleisteten Beiträge sind vollwertige Versicherungszeiten und dienen der Erfüllung der Wartezeit (§ 1246 Abs 3, § 1247 Abs 3, § 1248 Abs 3 jeweils iVm § 1249 Satz 1 und § 1250 Abs 1 Buchst a RVO) und wartezeitähnlicher Tatbestände (s § 1236 Abs 1a, § 1246 Abs 2a, § 1246 Abs 3, § 1247 Abs 2a, § 1247 Abs 3 RVO). Demgegenüber sind Zeiten, für die Bezieher von Verletztengeld Beiträge entrichten, nicht auf die Wartezeit anzurechnen (§ 1249 Satz 1 iVm § 1250 Abs 1 Buchst a RVO). Mit ihnen können auch keine wartezeitähnlichen Tatbestände erfüllt werden; sie können vielmehr bei der Rentenberechnung nur als Ausfallzeiten berücksichtigt werden (§ 1258 Abs 1 iVm § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b RVO - s BSGE aaO 141 -). Darüber hinaus bedarf die Anrechnung einer Ausfallzeit noch der Halbbelegung nach § 1259 Abs 3 RVO. Nach den bindenden Feststellungen des LSG hat der Kläger die Wartezeit und die Halbbelegung erfüllt. Die dargelegten Nachteile können daher - jedenfalls beim Kläger - weitgehend nicht eintreten.

Die Berücksichtigung der Lohnersatzzeiten als Ausfallzeiten beeinflußt aber die Höhe des Anspruchs: Die durch den Verletztengeldbezug erworbenen Beitragszeiten sind als Ausfallzeiten regelmäßig mit der bisher erzielten persönlichen Bemessungsgrundlage anzurechnen (§ 1255a RVO). Dieses ist, wie der 12. Senat (BSGE aaO 142) ausgeführt hat, auch für den Betroffenen im allgemeinen günstiger als eine Anrechnung dieser Zeiten als Beitragszeiten. Denn während die vor Beginn des Verletztengeldbezuges entrichteten Beiträge sich nach dem Bruttoarbeitsentgelt richten (und zu einer entsprechend höheren Bemessungsgrundlage führen), werden während des Bezugs von Verletztengeld Beiträge entrichtet, die sich nach der Höhe des Verletztengeldes richten. Die Beitragsentrichtung von Verletztengeld als Ausfallzeit ist damit nicht "nutzlos" und in der Regel sogar günstiger als die Anrechnung einer Pflichtbeitragszeit. Die Beitragszahler haben daher einen dem Versicherungsschutz vergleichbaren Nutzen (s BVerfGE 51, 115, 124/125).

Aus diesen Gründen stellt diese Regelung auch weder eine verfassungsrechtlich unzulässige Sonderabgabe dar, noch verstößt sie gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 GG oder den durch das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) gewährleisteten Vertrauensschutz. Auch insoweit verweist der Senat auf die ausführliche Begründung in der Entscheidung des 12. Senats (BSG aaO 144). Ob der Gesetzgeber mit der seit 1984 vorgeschriebenen Beitragserhebung von Lohnersatzleistungen die gerechteste und die zweckmäßigste Regelung getroffen hat, ist von den Gerichten nicht zu prüfen (BVerfGE 52, 277, 281; 54, 11, 26 mwN). Vielmehr hat der Gesetzgeber im Bereich der Sozialordnung einen weiten Gestaltungsraum (BVerfGE 53, 313, 326), insbesondere bei Haushaltssanierungen (BVerfGE 60, 16, 43). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß in dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - BT-Drucks 11/4124 -) vorgesehen ist, die auf Lohnersatzleistungen beruhenden Beitragszahlungen - wieder - als normale Pflichtbeitragszahlungen zu bewerten (s Art 1 § 161 Nr 2 sowie die Begründung hierzu - aaO S 185 -).

Diesem Ergebnis widerspricht auch nicht das Urteil des Bundesgerichtshofs (-BGH-, VersR 1986, 485). Darin hat das Gericht im Rahmen eines zivilrechtlichen Erstattungsstreits zwischen dem klagenden Krankenversicherungsträger eines Unfallverletzten und dem beklagten Unfallverursacher sowie seinem Haftpflichtversicherer entschieden, daß Beiträge, die der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 1385b Abs 1 Satz 1 RVO für Ausfallzeiten an den Träger der Rentenversicherung zu zahlen hat, nicht der Aufrechterhaltung des versicherungsrechtlichen Status des Verletzten, sondern dem internen Ausgleich zwischen den sozialen Leistungsträgern dient. Bei dieser Entscheidung handelt es sich damit um einen anders gelagerten Sachverhalt, in dem es um die hier nicht streitigen Beiträge ging, die der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung selbst zu tragen hat.

Eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung läßt sich auch nicht mit den Besonderheiten des Unfallversicherungsrechts begründen. Im Rahmen der hier maßgebenden verfassungsrechtlichen Abwägung des Vertrauensschutzes und der öffentlichen Interessen an Leistungskürzungen rechtfertigt sich verfassungsrechtlich die letztlich auf eine Kürzung des Verletztengeldes (einer Leistung von regelmäßig nur relativ kurzer Dauer - s Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 561k mwN -) hinauslaufende Regelung schon deswegen, weil, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, die Leistungen in der Unfallversicherung in wesentlichen Bereichen über das hinausgehen, was zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen entsprechen würde (s BSG Urteil vom 26. Mai 1987 - 2 RU 37/86 - zu der durch das HBegleitG 1984 eingeführten Kürzung des Übergangsgeldes nach § 568 Abs 2 und 8 RVO).

Zudem dienen das Krankengeld (§ 44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V -) und das Verletztengeld (§ 560 RVO) demselben Zweck: Sie werden bei Arbeitsunfähigkeit gewährt und sind Lohnersatzleistungen. Aus ihrer gemeinsamen Lohnersatzfunktion heraus sollen sie möglichst den Standard sichern, welcher der bisherigen Arbeitsleistung entspricht (Brackmann aaO S 81n I). Zweck des Verletztengeldes wie des Krankengeldes ist in erster Linie, dem infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig Erkrankten für den durch den Wegfall der Arbeitsfähigkeit bedingten Ausfall des Arbeitsverdienstes einen Ausgleich zu verschaffen (Brackmann aaO S 561k mwN). Daher ist es auch im Rahmen des Art 3 GG verfassungsrechtlich zulässig, hinsichtlich der Beitragspflicht die Bezieher von Krankengeld und Verletztengeld gleich zu behandeln und sie jeweils mit der Hälfte des Beitragsanteils zur Rentenversicherung zu belasten. Auch insoweit ist, wie die Beklagte zu Recht meint, die dargelegte Erwägung maßgebend, daß dieser Mehrbelastung des Verletzten in der weitaus größeren Zahl der Fälle auch Vorteile gegenüberstehen, die allerdings erst später - nach Eintritt des Versicherungsfalls - bei der Leistungsgewährung entstehen können.

Da der Senat im Anschluß an die aufgezeigte Rechtsprechung des 12. Senats des BSG davon ausgeht, daß § 1385b Abs 1 Satz 2 Halbs 1 RVO für den hier betroffenen Personenkreis nicht verfassungswidrig ist, kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht und die Revision ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1667022

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