Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz. Kinderspielkreis. Kindergarten. Personal

 

Orientierungssatz

1. Ob eine Einrichtung ein Kindergarten iS des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO ist, richtet sich nicht streng nach einzelnen Kriterien, sondern unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles nach dem Gesamtbild der Einrichtung.

2. Ein Kinderspielkreis, der nicht unter der Leitung einer staatlich geprüften Jugendleiterin oder einer staatlich geprüften, erfahrenen Kindergärtnerin steht, vielmehr von einer Kinderpflegerin betreut wird, ist wegen des fachlich nicht ausreichend qualifizierten Personals kein Kindergarten iS des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO.

3. Eine Zeit von dreimal wöchentlich drei Stunden genügt nicht für eine Erziehung, die als erste Stufe des Bildungssystems angesehen werden kann (vorschulische Erziehung) und deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers in den Unfallversicherungsschutz einbezogen werden sollte.

4. Die Frage, ob jemand zu dem gesetzlich aufgeführten gegen Arbeitsunfall versicherten Personenkreis gehört - hier zu den Kindern während des Besuchs von Kindergärten (§ 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO) - beurteilt sich nach objektiven Gesichtspunkten und nicht nach der subjektiven Auffassung der Eltern.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a Fassung: 1971-03-18

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 16.01.1979; Aktenzeichen L 6 U 286/78)

SG Hildesheim (Entscheidung vom 22.03.1978; Aktenzeichen S 6 U 147/77)

 

Tatbestand

Die klagende Krankenkasse begehrt von dem beklagten Unfallversicherungsträger den Ersatz ihrer Aufwendungen (Krankenhauspflege, Beförderungskosten) in Höhe von 2.682,13 DM, die sie anläßlich des Unfalls des beigeladenen Kindes (geb. 25. Juli 1968), dessen Vater bei der Klägerin für den Fall der Krankheit versichert ist, erbracht hat. Der Unfall hatte sich am 14. November 1973 ereignet, als die Beigeladene gegen 12.00 Uhr nach dem Besuch des vom F A betriebenen Kinderspielkreises L nach Hause ging und beim Überqueren einer Straße von einem Kraftfahrzeug angefahren wurde. Der von der Kinderpflegerin S (St.) geleitete Kinderspielkreis war in eine Spielgruppe der Vier- bis Fünfjährigen (zwei Vormittage wöchentlich) und eine Vorschulgruppe der Fünf- bis Sechsjährigen (drei Vormittage wöchentlich) aufgeteilt.

Der Beklagte lehnte den Ersatz der Aufwendungen der Klägerin ab, weil der Kinderspielkreis L kein Kindergarten sei und die dort betreuten Kinder nicht nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a Reichsversicherungsordnung (RVO) unfallversichert seien.

Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat nach Vernehmung der Kinderpflegerin St. den Beklagten verurteilt, der Klägerin den für die Heilbehandlung der Beigeladenen aufgewendeten Betrag von 2.682,13 DM zu ersetzen (Urteil vom 22. März 1978). Die Vorschulgruppe des Kinderspielkreises I, der die Beigeladene angehört habe, sei ein Kindergarten iS des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO. Neben einer für die vorschulische Erziehung notwendigen räumlichen und materiellen Ausstattung sei in der Kinderpflegerin St. auch fachlich qualifiziertes Personal vorhanden gewesen. Die Zahl von 20 bis 25 Kindern in der Vorschulgruppe sei zwar sehr groß gewesen, habe aber angesichts der Befähigung der Kinderpflegerin St. eine vorschulische Erziehung nicht ausgeschlossen. Auch die zur Verfügung stehende Zeit von dreimal wöchentlich drei Stunden habe für eine vorschulische Erziehung ausgereicht. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. Januar 1979). Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beigeladene sei zur Zeit des Unfalls nicht nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO versichert gewesen. Denn die Vorschulgruppe des Kinderspielkreises L, die die Beigeladene am Unfalltag besucht habe, sei nicht als Kindergarten anzusehen. Es fehle an dem für eine vorschulische Erziehung erforderlichen fachlich geeigneten Personal. Die Kinderpflegerin St. habe zwar über die für die Leitung eines Kinderspielkreises ausreichenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Jedoch sei sie keine staatlich geprüfte Jugendleiterin oder staatlich geprüfte Kindergärtnerin, wie sie in Niedersachsen nach Nr 21 der Richtlinien für Heime und andere Einrichtungen - Heimrichtlinien - (RdErl des Nd KultM vom 30. Dezember 1966 - Nds MBl 1967, 131) für die Leitung eines Kindergartens erforderlich sei. Sie sei Spielkreisleiterin, deren Ausbildung mit der einer Kindergärtnerin oder Jugendleiterin nicht zu vergleichen sei. Die Tatsache, daß St. früher in einem Kindergarten tätig gewesen sei und Fortbildungskurse besucht habe, reiche nicht für die Feststellung aus, daß die vorschulische Erziehung der ihr anvertrauten Kinder gewährleistet sei. Hinzu komme, daß die Vorschulgruppe lediglich an drei Wochentagen jeweils drei Stunden betrieben wurden und die Kinder in dieser Zeit weitgehend sich selbst überlassen gewesen seien. Auch die Teilnehmerzahl von über 20 Kindern sei für eine vorschulische Erziehung zu groß gewesen, zumal die Kinderpflegerin St. nur noch von einer weiteren Kraft unterstützt worden sei. In den Richtlinien für Kinderspielkreise (RdErl d Nds KultM vom 10. Mai 1972 - Nds MBl 1972, 835) werde darauf hingewiesen, daß Spielkreise Kindergärten nicht ersetzen könnten. Sie sollten deshalb, sobald die personellen und räumlichen Voraussetzungen vorliegen, in Kindergärten umgewandelt werden. Unerheblich sei die subjektive Vorstellung der Eltern der Beigeladenen über den Charakter des Kinderspielkreises L als Kindergarten.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Die Fleckenverwaltung A habe in dem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 28. September 1976 bestätigt, daß sie einen Kinderspielkreis mit Vorschulgruppe unterhalte. Darin spiegele sich wider, daß der Träger der Einrichtung gegenüber den Eltern der die Einrichtung besuchenden Kinder eine entsprechende Zusicherung über die Art und die Zielsetzung der Einrichtung gemacht habe, der die Eltern hätten vertrauen dürfen. Die Vorschulgruppe des Kinderspielkreises habe zum Ziel gehabt, die Kinder stufenweise und entsprechend ihrer altersmäßigen Entwicklung auf das erste Schuljahr vorzubereiten. Die Räume des Kinderspielkreises und deren Ausstattung hätten dem Verwendungszweck entsprochen. Auch die personelle Besetzung habe den Anforderungen eines Kindergartens genügt. Die examinierte Spielkreisgruppenleiterin St. habe vor ihrer Tätigkeit im Kinderspielkreis L eine praktische Tätigkeit in einem Kindergarten ausgeübt und sich an umfangreichen Fortbildungsmaßnahmen beteiligt, die darauf gerichtet gewesen seien, pädagogische Fähigkeiten zu erzielen. Sie sei zwar keine Kindergärtnerin, jedoch als Fachkraft ähnlicher Qualifikation im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (BSGE 44, 203, 207) anzusehen. Das LSG habe nicht die Aussage der Zeugin St. gewürdigt. Diese habe dargelegt, mit welchen Mitteln und auf welche Weise sie sich bemüht habe, erzieherisch und vorschulisch bildend auf die Kinder einzuwirken. Sie habe ausdrücklich versichert, daß diese Maßnahmen sich nicht von denen unterschieden hätten, die sie während ihrer fünfjährigen Tätigkeit in einem Kindergarten kennengelernt und praktiziert habe. Auch die Bezirksregierung H habe in einem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 29. März 1978 ausdrücklich die fachliche Qualifikation langjährig bewährter Fachkräfte anerkannt. In abgelegenen ländlichen Gemeinden oder in Eingruppen-Kindergärten sei in Einzelfällen die Leitung eines Kindergartens auch staatlich geprüften Kinderpflegerinnen anvertraut worden. Bei dem Ortsteil 1 handelt es sich um eine relativ kleine abgelegene Landgemeinde. Vom LSG sei auch nicht gewürdigt, daß der Kinderspielkreis L an fünf Tagen in der Woche stattfinde. Daß das verletzte Kind die Einrichtung nur an drei Tagen in der Woche aufgesucht habe, wirke sich nicht schädlich auf die Beurteilung der Erziehungs- und Bildungsmöglichkeiten aus. Zu Unrecht sei vom LSG als negativ angesehen worden, daß die Kinder für eine gewisse Zeit sich selbst überlassen gewesen seien. Hierzu habe die Zeugin St. ausgesagt, daß im sogenannten freien Spiel von ihr geprüft werde, ob die Kinder sich gruppengerecht verhalten oder Fehlentwicklungen erkennen ließen, die durch pädagogische Eingriffe korrigiert werden müßten. Die Anzahl der Kinder hätte die Gruppenleiterin nicht gehindert, sich mit den einzelnen Kindern zu befassen. Der Kinderspielkreis L erfülle sonach die Voraussetzungen eines Kindergartens iS des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom

16. Januar 1979 aufzuheben und die Berufung

des Beklagten gegen das Urteil des SG Hildesheim

vom 22. März 1978 zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er trägt vor, daß nach dem Gesamtbild der Einrichtung des Kinderspielkreises L kein Kindergarten iS des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO vorliege. Der Kinderspielkreis sei nicht mit fachlich geeignetem Personal besetzt und die Vorschulgruppe sei zahlenmäßig zu groß gewesen und sei auch nur an drei Wochentagen für jeweils drei Stunden zusammengekommen. In diesem Rahmen habe eine vorschulische Erziehung nicht durchgeführt werden können.

Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten in entsprechender Anwendung des § 1510 Abs 2 RVO (BSGE 39, 24) auf Ersatz der für das beigeladene Kind aus Anlaß des Unfalls vom 14. November 1973 aufgewendeten Familienkrankenhilfe. Der Ersatzanspruch hinsichtlich der Familienkrankenhilfe (§ 205 RVO) setzt voraus, daß die Klägerin Leistungen erbracht hat, obgleich sie dazu nicht verpflichtet war, weil der bei ihr für den Fall der Krankheit versicherte Vater der Beigeladenen im Hinblick auf Entschädigungsansprüche gegenüber dem Unfallversicherungsträger keinen Anspruch auf Familienkrankenhilfe hatte. An dieser Voraussetzung fehlt es, weil die Beigeladene während des Besuchs des Kinderspielkreises L und auf dem Weg von dort nach Hause nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war.

Nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO sind Kinder während des Besuchs von Kindergärten gegen Arbeitsunfall versichert. Für den Versicherungsschutz während des Besuchs von Kindergärten ist nicht maßgebend, ob die besuchte Einrichtung auch den Namen Kindergarten trägt oder eine andere Bezeichnung führt. Entscheidend ist vielmehr, ob sie ein Kindergarten iS dieser Vorschrift ist (BSGE 44, 203, 205; 47, 281, 283; BSG Urteil vom 9. September 1977 - 2 RU 115/75 -).

§ 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO idF des am 1. April 1971 in Kraft getretenen Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18. März 1971 (BGBl I 237) ist auf Vorschlag des Bundesrates in das Gesetz aufgenommen worden. In der vom Bundesrat gegebenen Begründung (BT-Drucks VI/1333, S 7) ist ausgeführt, daß die Reform und der Ausbau der vorschulischen Erziehung als erste Stufe des Bildungswesens eine vordringliche bildungspolitische Aufgabe sei. Die Kindergartenstufe solle als Elementarbereich in das Bildungssystem einbezogen werden. Aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Schülern seien auch Kinder während des Besuchs von Kindergärten in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen. Auch in der weiteren parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs ist die Ausdehnung des Versicherungsschutzes mit der Bedeutung der vorschulischen Erziehung begründet worden (vgl Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung - BT-Drucks VI/1644, S 1 unter Bezugnahme auf die Begründung des Bundesrates). Bestimmend für die Ausdehnung des Unfallversicherungsschutzes auf Kinder während des Besuchs von Kindergärten war danach die vorschulische Erziehung, die in der Regel drei- bis sechsjährige Kinder in Kindergärten erhalten (BSGE aaO). Nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut und auch der Entstehungsgeschichte des Gesetzes besteht nicht bei jeder vorschulischen Erziehung Versicherungsschutz, sondern nur während einer in einem Kindergarten vermittelten vorschulischen Erziehung (BSGE 47, 281, 285).

Welche Merkmale im einzelnen die vorschulische Erziehung in einem Kindergarten kennzeichnen und in welchem Umfang die vorschulische Erziehung den regelmäßigen Tagesablauf eines Kindergartens bestimmen muß, bedarf aus Anlaß dieses Falles keiner abschließenden Entscheidung. Wie der erkennende Senat bereits ausgeführt hat (BSGE 44, 203, 206; 47, 281, 283) fallen nach der Zielvorstellung des Gesetzgebers nicht unter den Kindergartenbegriff des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO alle Kindertagesstätten, die vom durchschnittlichen Alter der aufzunehmenden Kinder her keine vorschulische Erziehung iS der obigen Ausführungen bieten können, wie zB Krippen (für Säuglinge und Kleinstkinder bis zu 3 Jahren) und Horte (für schulpflichtige Kinder). Im übrigen bedarf es, um eine durch den Besuch eines Kindergartens in der Regel vermittelte Erziehung und in diesem Rahmen insbesondere eine vorschulische Erziehung gewährleisten zu können neben gewissen räumlichen Voraussetzungen und einer bestimmten materiellen Gesamtausstattung vor allem fachlich qualifizierten Personals, das eine gewisse Mindestzeit für die Aufgaben der angestrebten Erziehung zur Verfügung steht.

Ob eine Einrichtung ein Kindergarten iS des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO ist, richtet sich dabei nicht streng nach einzelnen Kriterien, sondern unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles nach dem Gesamtbild der Einrichtung. Bei einem Kinderspielkreis, der von einer Spiel(kreis)gruppenleiterin geleitet wurde und zudem nur an zwei Wochentagen für jeweils drei Stunden stattfand, hat der Senat die Eigenschaft als Kindergarten iS des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO verneint (BSGE 44, 203, 207). Auch der Kinderspielkreis L war zur Zeit des Unfalls der Beigeladenen kein Kindergarten iS dieser Vorschrift.

Der Kinderspielkreis L stand nicht unter der Leitung einer staatlich geprüften Jugendleiterin oder einer staatlich geprüften, erfahrenen Kindergärtnerin (vgl Nr 21 der Heimrichtlinien aaO). Er wurde vielmehr von einer Kinderpflegerin betreut, deren Ausbildung mit einer Jugendleiterin oder Kindergärtnerin nicht zu vergleichen ist. Eine Kinderpflegerin erfüllt noch nicht einmal die Voraussetzungen zur Leitung eines Kinderspielkreises. Nach den Richtlinien für Kinderspielkreise (aaO) muß jede Spielgruppe von einer Spielgruppenleiterin mit entsprechendem Befähigungsnachweis (5.1 und 5.2 der Richtlinien) geleitet werden. Für Spielkreisgruppenleiterinnen ohne Befähigungsnachweis können Ausnahmen zugelassen werden, sofern ein vorgeschriebener Einführungskursus absolviert worden ist und sich ein die Tätigkeit begleitender Lehrgang anschließt (5.2 der Richtlinien). Die Behauptung der Klägerin, daß der Kinderspielkreis L von einer examinierten Spielkreisgruppenleiterin geführt werde, findet in den tatsächlichen Feststellungen des LSG keine Stütze. Die Kinderpflegerin St. hatte zwar jährlich Fortbildungslehrgänge von jeweils einer Woche Dauer besucht, jedoch an keinem dreijährigen Lehrgang für Spielkreisleiterinnen mit Abschlußprüfung (Anlage zu den Richtlinien für Kinderspielkreise aaO) teilgenommen. Sie ist daher nicht als Fachkraft mit ähnlicher Qualifikation wie eine Jugendleiterin oder Kindergärtnerin anzusehen. Daran ändert nichts, daß, wie die Klägerin unter Hinweis auf ein Schreiben der Bezirksregierung H vom 29. März 1978 vorträgt, die Leitung von Kindergärten in abgelegenen ländlichen Gemeinden oder von Eingruppen-Kindergärten auch geprüften Kinderpflegerinnen anvertraut worden sei. Mangels der mit einer Jugendleiterin oder Kindergärtnerin nicht zu vergleichenden Qualifikation wären derartige Kindergärten, da es auf die Bezeichnung als Kindergarten nicht entscheidend ankommt, nicht als Kindergärten iS des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO anzusehen. Es ist daher auch nicht erheblich, daß die Kinderpflegerin St. sich bemüht hat, den fünf- bis sechsjährigen Kindern des Kinderspielkreises L eine vorschulische Erziehung zu vermitteln. Zudem ist im Rahmen des - wie bereits dargelegt - maßgebenden Gesamtbildes zu beachten, daß das Niedersächsische Landesverwaltungsamt in seinem Schreiben vom 2. Dezember 1970 sowie der Präsident des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks B in seinem Schreiben vom 17. April 1975, wie vor allem die Hinweise auf das Einhalten der Spielkreisrichtlinien zeigen, ebenfalls davon ausgingen, daß es sich bei dem Kinderspielkreis L nicht um einen Kindergarten handelte.

In bezug auf die Mindestzeit, die das Personal eines Kindergartens für die Aufgaben der angestrebten vorschulischen Erziehung zur Verfügung stehen muß, hat der Senat bereits entschieden, daß zwei Wochentage mit jeweils drei Stunden nicht ausreichend sind (BSGE 44, 203, 207). Wo die untere Grenze liegt, bedarf hier keiner Entscheidung, da der Kinderspielkreis L schon wegen des fachlich nicht ausreichend qualifizierten Personals kein Kindergarten iS des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO ist. Nach Auffassung des Senats genügt aber auch die Zeit von dreimal wöchentlich drei Stunden - in der anderen Zeit war entgegen der Auffassung der Revision die "Vorschulgruppe" nicht zusammen - nicht für eine Erziehung, die als erste Stufe des Bildungssystems angesehen werden kann und deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers in den Unfallversicherungsschutz einbezogen werden sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Gruppe der Fünf- und Sechsjährigen des Kinderspielkreises L mehr als 20 Kinder umfaßte, für die Betreuung des einzelnen Kindes sonach wenig Zeit zur Verfügung stand.

Der subjektiven Auffassung der Eltern der Beigeladenen über den Charakter des Kinderspielkreises L als Kindergarten iS des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO kommt in diesem Verfahren keine rechtliche Bedeutung zu. Die Frage, ob ein gegen Arbeitsunfall Versicherter den Unfall bei einer versicherten Tätigkeit erlitten hat, beurteilt sich allerdings nicht ausschließlich danach, ob die Tätigkeit dem Unternehmen objektiv dienlich war, sondern es reicht aus, daß der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, daß die verrichtete Tätigkeit geeignet sei, den Interessen des Unternehmens zu dienen (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl S 480 q mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Frage, ob jemand zu dem gesetzlich aufgeführten gegen Arbeitsunfall versicherten Personenkreis gehört - hier zu den Kindern während des Besuchs von Kindergärten (§ 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO) - beurteilt sich dagegen nach objektiven Gesichtspunkten. Es ist daher für den Unfallversicherungsschutz unerheblich, daß die Eltern der Beigeladenen, wie die Klägerin vorträgt, hätten der Meinung sein können, der Kinderspielkreis L sei ein Kindergarten, weil ihnen die Fleckenverwaltung A über die Art der Einrichtung und deren Zielsetzung eine entsprechende Zusicherung gemacht habe.

Da die Beigeladene keinen Arbeitsunfall erlitten hat, ist der Ersatzanspruch der Klägerin nicht begründet. Ihre Revision mußte daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660743

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