Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 21.06.1991)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 1991 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt von der Beklagten Kinderzuschuß zur Rente der Beigeladenen für die Zeit vom 1. August 1988 bis 30. Juni 1990.

Die Beigeladene, Mutter des Klägers, bezieht von der Beklagten seit 1982 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Für den am 17. Februar 1967 geborenen, seinerzeit noch minderjährigen Kläger wurde damals ein Kinderzuschuß zur Rente bewilligt, der in der Folge unmittelbar an den Kläger ausgezahlt wurde. Im September 1983 begann der Kläger eine Ausbildung zum Verwaltungsangestellten bei der Bundesanstalt für Arbeit. Der Kinderzuschuß wurde daraufhin über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus weitergewährt. Die Beklagte stellte nach Abschluß dieser Ausbildung die Zahlung des Kinderzuschusses ein (Bescheid vom 15. April 1986). Der Kläger war anschließend weiter beim Arbeitsamt als Verwaltungsangestellter vollschichtig (38,5 Stunden pro Woche) tätig und wurde nach der Gehaltsgruppe 5c des für die Bundesanstalt für Arbeit geltenden Manteltarifvertrages entlohnt. Seit dem 1. September 1990 ist der Kläger bei der Bundesanstalt für Arbeit als Inspektoranwärter im Ausbildungsverhältnis beschäftigt.

Während seiner Tätigkeit als Angestellter besuchte der Kläger seit dem 1. August 1988 nebenher eine Fachoberschule für Wirtschaft. Der Unterricht fand an drei Tagen in der Woche, insgesamt 13 Stunden abends statt. Seit dem 1. August 1989 war die Wochenstundenzahl auf 14 Stunden erhöht. Am 2. Juni 1990 erhielt der Kläger das Zeugnis der Fachhochschulreife.

Mit Schreiben vom 30. August 1988 und 19. Oktober 1988 beantragte der Kläger für die Zeit ab August 1988 die Zahlung von Kinderzuschuß wegen des Besuchs der Abendschule. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 10. April 1989; Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1989). Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22. Mai 1990). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 21. Juni 1991). Es hat ausgeführt: Über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus werde der Kinderzuschuß gewährt, wenn das Kind sich in Schul- oder Berufsausbildung befinde. Das sei beim Kläger nicht der Fall, weil er in der Zeit, für die er Ansprüche erhebe, voll berufstätig gewesen sei und durch seinen Lohn seinen Lebensbedarf habe decken können.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1262 Reichsversicherungsordnung (RVO) durch das Berufungsgericht.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22. Mai 1990 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Kinderzuschuß zur Rente der Beigeladenen für die Zeit vom 1. August 1988 bis 30. Juni 1990 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Für die streitige Zeit besteht kein Anspruch auf Kinderzuschuß zur Rente der Beigeladenen.

Auf den geltend gemachten Anspruch ist noch die RVO anwendbar, obwohl seit dem 1. Januar 1992 das Sechste Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) die RVO ersetzt hat. Der Anspruch um den es hier geht, ist vor dem 1. Januar 1992 entstanden und geltend gemacht worden (§ 300 Abs 2 SGB VI).

Bedenken dagegen, daß der Kläger den Anspruch der Beigeladenen mit dem Begehren der Auszahlung an sich selbst eigenen Namens gelten macht, bestehen im Hinblick auf § 48 Abs 2 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch – (SGB I) – wie das LSG richtig ausgeführt hat – nicht (vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 1200 § 48 Nr 9).

Der Anspruch auf Kinderzuschuß zur Rente der Beigeladenen besteht indessen nicht, weil der Kläger während der Zeit, für die er einen Kinderzuschuß zur Rente der Beigeladenen begehrt, Einkünfte aus einem Dauerarbeitsverhältnis mit voller Arbeitsleistung gehabt hat. Die diesbezüglichen Feststellungen des LSG sind von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und daher für den erkennenden Senat gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindend.

Das BSG hat hinsichtlich der Waisenrente (§ 1267 RVO) entschieden, daß bei einem Arbeitnehmer der ein Studium aufnimmt, aber sein bisheriges Beschäftigungsverhältnis mit voller Arbeitsleistung und gegen volles Arbeitsentgelt weiter fortsetzt, die sozialversicherungsrechtliche Stellung nicht durch die Berufsausbildung (Studium), sondern durch die Tätigkeit im Erwerbsleben geprägt wird (BSG SozR 2200 § 1267 Nr 22). Sowohl der Anspruch auf Kindergeld wie auch auf Kinderzuschuß und auf Waisenrente, der für die Zeit gewährt wird, in der sich das Kind nach dem 18. Lebensjahr noch in Ausbildung befindet, ist nur gerechtfertigt, wenn das Kind infolge dieser Ausbildung gehindert ist, sich selbst den ausreichenden Lebensunterhalt zu verdienen (so ausdrücklich BSG SozR 5870 § 2 Nr 2 S 3). § 2 Abs 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG), ebenso § 1267 Abs 1 Satz 2 RVO – Waisenrente – und in gleicher Weise § 1262 Abs 3 Satz 2 RVO – Kinderzuschuß – gewähren die Leistungen über die Regelaltersgrenze (beim Kindergeld 16 Jahre, bei der Waisenrente und beim Kinderzuschuß 18 Jahre), nur dann, wenn das Kind „sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet”. Insoweit sind die Voraussetzungen der drei genannten Vorschriften gleich. Die zitierte Rechtsprechung des BSG ist daher auch auf den Kinderzuschuß zu übertragen.

Von den Gelegenheitseinkünften, die vielfach nur von den vorhandenen Möglichkeiten abhängen und der Höhe nach kaum für die Lebensführung eines Lernenden (sei es eines Studenten oder wie hier eines Kollegschülers) fest eingeplant werden können, sind die Einkünfte aus einem Dauerarbeitsverhältnis mit voller Arbeitsleistung zu unterscheiden, für die das volle Entgelt wie bei einem vergleichbaren, sich nicht in Berufsausbildung befindlichen Arbeitnehmer gewährt wird. In einem solchen Fall wird die wirtschaftliche und soziale Situation eines Lernenden weniger durch das Studium als durch das Arbeitsverhältnis und das damit erzielte Arbeitseinkommen geprägt. Bestand dieses Arbeitsverhältnis schon vor Aufnahme des Lernverhältnisses (zB Universitätsstudium, hier Ausbildung in einer Abendschule) so entsteht durch das Lernen hinsichtlich des allgemeinen Lebensbedarfs keine besondere Situation, kein sozialer Nachteil, der durch Kindergeld, eine Waisenrente oder durch einen Kinderzuschuß auszugleichen wäre.

So ist es im Falle des Klägers. Zu Recht haben damit die Vorinstanzen die Grundsätze angewandt, die für das BSG bereits bei der Waisenrente und beim Kindergeld leitend gewesen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174066

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