Tatbestand

I

In diesem Rechtsstreit geht es nur noch darum, ob der am 31. Januar 1942 geborenen Klägerin anstelle der sogenannten "kleinen" die "erhöhte" Hinterbliebenenrente zusteht. Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten K. wurde am 6. Juni 1972 geschieden. Der Versicherte ist am 10. Januar 1973 gestorben. Aus der Ehe stammt die Tochter J., die am 26. September 1962 geboren ist. Mit Bescheid vom 23. März 1973 gewährte die Beklagte der Klägerin die erhöhte Hinterbliebenenrente nach den §§ 65, 69 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG = §§ 1265, 1268 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -).

Im Bescheid vom 12. September 1980 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Rente falle mit Ablauf des Monats September 1980 weg. Die Hinterbliebenenrente sei seinerzeit nach § 65 Satz 2 RKG gewährt worden. Da die Tochter J. am 25. September 1980 das 18. Lebensjahr vollende, entfalle damit die Erziehung eines waisenrenteberechtigten Kindes durch die Klägerin als Voraussetzung des Rentenanspruchs. Der dagegen gerichtete Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 1981 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide vom 12. September 1980 und 26. Januar 1981 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Hinterbliebenenrente über den 30. September 1980 hinaus zu gewähren (Urteil vom 16. November 1981). Das Landessozialgericht. (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 31. Mai 1983). Die erhöhte Witwenrente könne weder ganz noch teilweise wegfallen, wenn diese - wie hier - nicht einmal als Leistung nach § 65 Satz 2 RKG gekennzeichnet, zudem unbefristet und vorbehaltslos gewährt worden sei.

Die Beklagte hat dieses Urteil mit der vom Senat zugelassenen Revision angefochten. Sie hat anerkannt, daß der Klägerin die sogenannte kleine Hinterbliebenenrente über § 65 Satz 1 RKG ab 1. Oktober 1980 zusteht. Sie rügt eine Verletzung der §§ 65 Satz 2 Nr. 3 und 69 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RKG sowie des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Beklagte beantragt, die Urteile des LSG und des SG zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zur Weitergewährung erhöhter Hinterbliebenenrente verurteilt worden ist.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Weitergewährung der erhöhten Hinterbliebenenrente über den 30. September 1980 hinaus wendet. Der Klägerin steht nur noch die sogenannte kleine Hinterbliebenenrente zu.

Nachdem die Beklagte während des Revisionsverfahrens anerkannt hat, daß die Klägerin über den 30. September 1980 hinaus Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 65 Satz 1 RKG (= § 1265 Satz 1 RVO) hat, ist Gegenstand des Rechtsstreits nur noch die Frage, in welcher Höhe diese Rente von da ab zu gewähren ist. Entsprechend hat die Beklagte ihren Antrag eingeschränkt, was auch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen ist.

Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten ist hier § 48 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) anzuwenden. Schon im 26. Januar 1981 bei der Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin gegen den angefochtenen Verwaltungsakt vom 12. September 1980 war jene am 1. Januar 1981 in Kraft getretene Vorschrift (Art. II § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB 10) nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu beachten (vgl. BSGE 53, 235, 236; BSG-Urteil vom 7. Februar 1985 - 9a RVs 2/84 -). Insoweit ist die anders lautende Auffassung das BSG im Urteil des 5b Senats vom 10. März 1982 (BSGE 53, 163, 164 = SozR 2200 § 1265 Nr. 62) durch die Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 15. Dezember 1982 (BSGE 54, 223, 226 = SozR 1300 § 44 Nr. 3) überholt.

Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wie der Bescheid der Beklagten über die Gewährung der Hinterbliebenenrente an die Klägerin vom 23. März 1973 ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Zur Zeit der Rentenbewilligung erzog die Klägerin ein waisenrentenberechtigtes Kind, ihre Tochter J. Diese Tatsache war unabhängig davon, ob sie von der Beklagten für die Rentengewährung nach § 65 Satz 2 Nr. 3 RKG als wesentlich angesehen wurde, jedenfalls für die Höhe der Hinterbliebenenrente von Bedeutung. Nach § 69 Abs. 2 RKG (= § 1268 Abs. 2 RVO) ist die erhöhte Rente zu zahlen, solange der Berechtigte im Sinne der Nr. 2 dieser Bestimmung ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht. Da die Klägerin die übrigen Voraussetzungen nicht erfüllt, unter denen ihr erhöhte Geschiedenenrente zustehen würde (Vollendung des 45. Lebensjahres, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder Sorge für ein Kind, das wegen Gebrechen Waisenrente erhält), hängt die Rentenhöhe hier von der Erziehung des waisenrentenberechtigten Kindes ab. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres eines Kindes endet grundsätzlich die Erziehung durch die Eltern (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 11. September 1980 in SozR 2200 § 1268 Nr. 16; vgl. auch SozR a.a.O. Nr. 22). Die am 12. September 1980 eingetretene Volljährigkeit stellt also im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 eine wesentliche Änderung jedenfalls in den tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zur Zeit der Rentengewährung dar, mit der Folge, daß der Klägerin für die Zeit danach nur die sogenannte kleine Hinterbliebenenrente des § 69 Abs. 1 RKG zu zahlen ist.

Der 5b Senat des BSG hat allerdings am 10. März 1982 (a.a.O.) entschieden, daß der Versicherungsträger nach Eintritt der Volljährigkeit des von der Antragstellerin bis dahin erzogenen Kindes die Zahlung der Rente nicht unter Berufung auf § 1265 Satz 2 Nr. 3 RVO einstellen könne, wenn der geschiedenen Ehefrau des Versicherten die Hinterbliebenenrente nach § 1265 RVO unbefristet und vorbehaltslos gewährt worden sei. Aus dieser Entscheidung, auf die sich das LSG gestützt hat, läßt sich der nun noch streitige Anspruch der Klägerin auf erhöhte Hinterbliebenenrente nicht herleiten. Damals ist das BSG von der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des SGB 10 am 1. Januar 1981 ausgegangen, während hier die Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 berücksichtigt werden muß. Zudem betrifft jenes Urteil den Anspruch auf Geschiedenenrente aus § 1265 RVO (= § 65 RKG) insgesamt, während es im Falle der Klägerin nur noch um die Höhe dieser Rente geht.

Es kann unentschieden bleiben, ob § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 rückwirkend auch die Zeit vor dem 1. Januar 1981 erfaßt, nachdem der angefochtene Verwaltungsakt der Beklagten bereits am 12. September 1980 erlassen worden ist. Selbst wenn man bis zum Inkrafttreten des SGB 10 noch von der damaligen Rechtslage auszugehen hat, so ändert sich am Ergebnis nichts. Der 12. Senat des BSG hat am 26. November 1970 zu § 1268 Abs. 2 RVO (= § 69 Abs. 2 RKG) entschieden, der Wegfall der Rentenerhöhung nach dieser Vorschrift trete kraft Gesetzes mit dem Ablauf des Monats ein, in dem die Erziehung des Kindes durch die Witwe ende (BSGE 32, 117, 119 = SozR Nr. 18 zu § 1268 RVO). Der 5b Senat hat allerdings im Urteil vom 10. März 1982 (a.a.O.) Bedenken geäußert, ob sich mit dem Wort "solange" in § 1268 Abs. 2 Nr. 2 RVO (= § 69 Abs 2 Nr. 2 RKG) der Wegfall der Rente begründen läßt. Im Hinblick darauf, daß bei einer Änderung der Verhältnisse die für die Höhe der Hinterbliebenenrente maßgebend sind, nunmehr ohnehin nach § 48 SGB 10 zu verfahren ist, hat der Senat seine Bedenken gegen die erwähnte Rechtsprechung des 12. Senats zurückgestellt. Auch der 4. Senat des BSG geht in seinem Urteil vom 21. September 1983 (SozR 2200 § 1268 Nr. 22) davon aus, daß der Anspruch der Witwe auf die höhere Witwenrente mit der Volljährigkeit des Kindes unmittelbar kraft Gesetzes wegfällt. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat für die Zeit vor dem Inkrafttreten des SGB 10 (1. Januar 1981) an. Demnach stand der Klägerin die erhöhte Hinterbliebenenrente ab 1. Oktober 1980 nicht mehr zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, daß die Klägerin mit dem größeren Teil ihres Klagebegehrens durchgedrungen ist, denn die Beklagte hat den Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 69 Abs. 1 RKG anerkannt.5a RKn 14/84

Bundessozialgericht

Verkündet am

10. Juli 1985

dem Rechtsstreit

Klägerin und Revisionsbeklagte,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Beklagte und Revisionsklägerin.

Der 5a Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 1985

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 31. Mai 1983 und des Sozialgerichts Dortmund vom 16. November 1981 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin eine höhere Hinterbliebenenrente als diejenige nach § 69 Abs. 1 Reichsknappschaftsgesetz zu gewähren.

Die darüber hinaus auf Weitergewährung der erhöhten Hinterbliebenenrente nach § 69 Abs. 2 Reichsknappschaftsgesetz gerichtete Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518276

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