Leitsatz (amtlich)

1. Das Herumliegen von Handfeuerwaffen und zugehöriger Munition auf dem Ufergelände eines zum Baden benutzten Stausees im Jahre 1947 stellt eine nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge dar, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben.

2. Ein 15 1/2 jähriger Kraftfahrzeug-Schlosserlehrling, der mit einem herumliegenden Gewehr hantiert und dabei eine Explosion auslöst, hat in aller Regel die Fähigkeit, das Gefährliche seines Handelns zu erkennen und sich dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 2 Buchst. a Fassung: 1950-12-20, § 5 Abs. 1 Buchst. e Fassung: 1953-08-07

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 27.10.1954)

SG Köln (Entscheidung vom 12.03.1954)

 

Tenor

I. Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I. Der Kläger wurde am 19. Februar 1932 in Birgel (Kreis Düren) geboren und wuchs in einer kinderreichen Familie auf. Nach Erfüllung der Volksschulpflicht war er Lehrling im Kraftfahrzeug-Schlosserhandwerk. Der Heimatbezirk des Klägers wurde in den Jahren 1944 und 1945 wiederholt durch Kampfhandlungen und Bombenabwürfe schwer betroffen und war in den letzten Kriegsmonaten Frontgebiet.

II. Am 13. September 1947 besuchte der Kläger gemeinsam mit einem Bekannten namens ... den Stausee … zum Zelten. Der Platz war für jedermann frei zugängig, nicht abgesperrt und nicht durch Warn- oder Verbotsschilder gekennzeichnet. Der Kläger und sein Begleiter errichteten ihr Zelt in der Nähe der R-mündung, und zwar des geringen Wasserstandes wegen etwas weiter dem See zu, als sie dies bei früheren Besuchen getan hatten. Da der Wasserspiegel sich gesenkt hatte, waren Waffen, Munition und anderes Kriegsgerät, die bei Kriegsende in den See geworfen worden waren, vom Wasser freigegeben und lagen am Ufer herum.

III. Am Abend trat ein anderer Besucher dieses Seegeländes, ..., von früheren Ausflügen dem ... bekannt, mit einem Gewehr, das er dort gefunden und aufgenommen hatte, an ihr Zelt heran. Es handelte sich um eine alte deutsche Infanteriewaffe. ... wendete sich zunächst an ... und forderte ihn auf, einige der herumliegenden Patronen zu öffnen. ... tat es und öffnete 10 bis 15 Patronen. Das gewonnene Pulver schüttete dann ... in den Lauf jenes Gewehres und forderte ... auf, die Waffe abzuziehen. ... weigerte sich jedoch, weil er früher bereits einmal mit einem gefundenen Gewehr beinahe einen Unfall verursacht hatte. Danach rief ... den Kläger aus dem Zelt heraus, und ... drückte diesem das Gewehr mit der Aufforderung in die Hand, es abzuschießen. Der Kläger nahm das Gewehr entgegen, weigerte sich aber zunächst ebenfalls. Als ..., der sich als erfahrener Soldat aufspielte, ihn "Feigling" nannte und mit ähnlichen Ausdrücken beschimpfte, betätigte der Kläger den Abzug des Gewehres.

Die Waffe explodierte. Der Kläger wurde an der linken Hand erheblich verletzt; er büßte den fünften (kleinen) Finger ein, die Hand wurde deformiert und ist stark funktionsbehindert geblieben.

IV. Wegen dieser Beschädigung begehrte der Kläger mit Antrag vom 30. Mai 1948 Versorgung vom Beklagten. Sein Antrag wurde mit Bescheid der Versorgungsdienststelle ... der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz vom 17. März 1950 unter der Begründung abgelehnt, daß eine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11 vom 5. Juli 1947 (britische Zone) nicht vorliege. Gegen diesen gemäß Sozialversicherungs-Direktive (SVD) Nr. 27 vom 2. Mai 1947 (britische Zone) ergangenen Bescheid legte der Kläger trotz Rechtsmittelbelehrung keinen Einspruch ein.

V. Unter dem 25. Februar 1952 stellte der Kläger einen erneuten Versorgungsantrag wegen des gleichen Sachverhalts. Er begehrte Anerkennung seiner Beschädigung und Rentenzahlung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und trug weiterhin vor, daß er seinen ursprünglichen Beruf als Autoschlosser nicht mehr ausüben könne und unter ungünstigeren Arbeitsbedingungen als Papierarbeiter tätig sei.

Nach erneuten Beweiserhebungen lehnte das Versorgungsamt ... mit Bescheid vom 23. Oktober 1952 die Anerkennung der Verletzung des Klägers auch nach dem BVG ab und führte zur Begründung aus, daß die Beschädigung nicht auf Grund einer nachträglichen Auswirkung kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen hätten, eingetreten sei. Der Kläger habe das Gewehr selbst abgezogen, erst hierdurch sei die Explosion erfolgt und die Schädigung entstanden. Er habe auch das nötige Einsichtsvermögen gehabt, um das Gefährliche seines Tuns zu erkennen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 16. November 1952 Einspruch ein, der mit Entscheidung des Beschwerdeausschusses des Versorgungsamts ... vom 11. Februar 1953 zurückgewiesen wurde.

VI. Auf die hierauf vom Kläger erhobene Klage hat das Sozialgericht Köln mit Urteil vom 12. März 1954 entschieden:

Es wird festgestellt, daß die Verletzung der linken Hand des Klägers durch den Unfall vom 13. September 1947 mit einem Ereignis gemäß § 5 Bundesversorgungsgesetz im ursächlichen Zusammenhang steht.

Auf die vom Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 27. Oktober 1954 für Recht erkannt:

Das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12. März 1954 wird aufgehoben, die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

VII. Gegen das dem Kläger am 20. November 1954 zugestellte Urteil legte er mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 30. November 1954, beim Bundessozialgericht eingegangen am 2. Dezember 1954, Revision ein. Er beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des VIII. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1954 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts in Köln vom 12. März 1954 zurückzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger auch die Kosten des 2. und 3. Rechtszuges zu erstatten.

In der Revisionsbegründung führt der Kläger aus, allein schon in dem Herumliegen von Waffen müsse eine nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge erblickt werden, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen. Dies treffe im vorliegenden Falle insbesondere deshalb zu, da nicht mit Sicherheit erwiesen sei, ob die Waffe nicht schon bei ihrem Auffinden geladen gewesen wäre. Ohne Zweifel stehe jedoch fest, daß das Gewehr geladen gewesen sei, als es der Kläger in die Hand bekommen habe. Es könne bei dem vorliegenden Sachverhalt keinen Unterschied machen, ob die Waffe noch aus den kriegerischen Ereignissen herrührend geladen aufgefunden oder von einer dritten Person erst kurz vor der Explosion geladen worden sei. Wenn auch die Explosion der Waffe nicht selbsttätig erfolgt, sondern durch eine Handlung des Klägers ausgelöst worden sei, so könne doch dieser nicht hierfür verantwortlich gemacht werden. Dem Kläger habe nach Alter, Erziehung und Zeitumständen die volle Einsicht gefehlt, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sein Handeln danach zu bestimmen. Er sei ferner von einem lebensälteren Dritten geradezu zu seiner Handlungsweise gezwungen worden. Der Kläger sei nicht Herr seines freien Willens gewesen, demzufolge habe er weder durch vorsätzliches noch durch fahrlässiges Handeln den ursächlichen Zusammenhang zwischen der erlittenen Schädigung und der durch kriegerische Vorgänge geschaffenen Gefährdung unterbrochen. Der Kläger habe keinen neuen unabhängigen Gefahrenbereich geschaffen.

VIII. Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Nach seiner Ansicht treffen die Ausführungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in dem angefochtenen Urteil zu. Die wesentliche und daher allein rechtserhebliche Bedingung für den Eintritt des Schadens sei das eigene Handeln des Klägers gewesen; nur dieses könne als Ursache im Rechtssinne betrachtet werden. Dahinter träten alle anderen Bedingungen weit zurück. Ansonsten bezögen sich die Rügen des Klägers auf die Beweiswürdigung der Vorinstanz und erstreckten sich somit auf das tatsächliche Gebiet, hinsichtlich dessen aber das Revisionsgericht an die Feststellungen der Vorinstanz gebunden sei.

Im übrigen wird zur Darstellung des Tatbestands auf den Inhalt des angefochtenen Urteils, für das Vorbringen der Parteien auf die Schriftsätze des Klägers vom 30. November 1954 und des Beklagten vom 7. Februar 1955 Bezug genommen.

IX. Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft, weil das Berufungsgericht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden und daher zu Recht die Revision gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen hat.

Die Revision kann aber nicht zum Erfolg führen.

X. Gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erhält derjenige Versorgung, der durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung dieses Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Nach Abs. 2 Buchstabe a dieser Vorschrift steht einer Schädigung im Sinne des Abs. 1 eine Schädigung gleich, die durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung herbeigeführt worden ist. Als unmittelbare Kriegseinwirkung gelten nach § 5 Abs. 1 Buchstabe e BVG nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben, wenn diese Auswirkungen im Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege stehen.

Dem Wortlaut des Gesetzes nach müssen also kriegerische Vorgänge feststellbar sein, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben, und das Gesetz erfordert weiter zur Anerkennung des Versorgungsanspruchs, daß dieser Gefahrenbereich sich nachträglich schädigend auf den Gesundheitszustand des Betroffenen ausgewirkt hat. Ferner muß zwischen den kriegerischen Vorgängen und den gesundheitlichen Schäden zwar kein zeitlicher, jedoch ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang bestehen.

XI. Das Herumliegen von Kriegsgerät und Waffen bewirkt allgemein zwar nicht unbedingt und ausnahmslos für jedermann einen unmittelbaren Gefahrenzustand schlechthin. Im vorliegenden Fall aber treten besondere Einzelumstände auf, welche die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der Geländebesucher rechtfertigen.

Der Stausee … wurde in den Nachkriegsjahren von der Bevölkerung auch zum Baden benutzt. Diese Benutzung war weder durch Absperrungen behindert noch durch Warn- oder Verbotstafeln verwehrt. Zur Unfallzeit im September 1947 waren die bei Kriegsende in diesen See geworfenen Handfeuerwaffen ebenso wie die dazugehörige Munition von den Fluten freigegeben und auf den Geländestreifen am Ufer, auf denen gezeltet wird, abgelagert. Den Besuchern dieses Geländes war damals nicht erkennbar, ob die herumliegenden, von längerer Wasserlagerung verrosteten oder sonstwie äußerlich veränderten Waffen in sich Explosions- oder Sprengkörper bargen, ob sie geladen und gesichert waren oder nicht.

Wegen dieser besonderen örtlichen und zeitlichen Umstände mußte der erkennende Senat deshalb - abweichend von der Auffassung des Vorderrichters - bejahen, daß das Herumliegen von Gewehren samt dazu passender Patronen an dem Ufer des Stausees für die Strandbesucher und Benützer eine nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge bedeutet, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben.

Nach den Erfahrungen des praktischen Lebens erwuchs daraus eine unmittelbare Gefahrenquelle für den Kläger. Dabei war nicht entscheidend darauf abzustellen, ob das gefundene Gewehr geladen war oder nicht.

XII. Unstreitig ist, wie die Feststellungen des Vorderrichters ergeben, daß der Kläger das am Ufergelände gefundene und ihm von ... gereichte Gewehr angenommen und damit hantiert hat, bis die Explosion sich löste.

Die Schädigung ist also eingetreten

einerseits als Folge davon, daß im Bereich des Stausees, wo der Kläger zeltete, Handfeuerwaffen mit zugehöriger Munition herumlagen,

andererseits dadurch, daß der Kläger das ihm von einem Dritten gereichte Infanteriegewehr in die Hand nahm und durch Betätigung des Abzugs zur Explosion brachte.

Es war deshalb zu prüfen, ob und inwieweit jede dieser Tatsachen Ursache oder Mitursache für die Schädigung des Klägers gewesen ist.

XIII. Für diese Beurteilung ist, weil das Gesetz selbst keine Begriffsbestimmung gibt, der Begriff der Ursächlichkeit auszulegen. In jahrzehntelanger ständiger Rechtsprechung hat das Reichsversicherungsamt (AN 1912 S. 930 Nr. 2585, AN 1914 S. 411 Nr. 2690, AN 1926 S. 480 Nr. 3238, EuM Band 39 S. 265) für das Sozialversicherungsrecht den Grundsatz entwickelt und festgehalten - und das Reichsversorgungsgericht ist ihm gefolgt (Entscheidungen Band 3 S. 197) -, daß unter Ursache nicht alle Bedingungen des Erfolgs zu verstehen sind, einerlei mit welcher Schwere sie zu ihm beigetragen haben und in welchem Zusammenhang sie dazu stehen. Als Ursachen und Mitursachen sind vielmehr unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolge zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Im Einzelfall muß die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinne als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden.

Es bestand keine Veranlassung, von dieser ständigen Rechtsprechung abzuweichen.

XIV. Bezüglich des hier zu entscheidenden Falles gelangte deshalb der erkennende Senat zu der Überzeugung, daß in dem Verhalten des Klägers, der das Gewehr in die Hand nahm und durch Manipulationen daran die Explosion bewirkte, die für den schädlichen Erfolg wesentliche und eigentümliche Bedingung zu erblicken ist. Durch eigenes Handeln schuf der Kläger einen neuen selbständigen Gefahrenbereich, aus dem sich unmittelbar die Schädigung ergab. Dahinter tritt die andere Bedingung für den Schadenseintritt, das Herumliegen von Handfeuerwaffen und Munition, weit zurück.

XV. Zudem war der ursächliche Zusammenhang zwischen der nachträglichen Auswirkung kriegerischer Vorgänge und dem Körperschaden des Klägers bereits dadurch unterbrochen, daß zuvor der Zeuge ... die Waffe aufgenommen und seinerseits dem Kläger weitergereicht hat. In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob ... das Gewehr selbst erst mit Patronen versehen hat. Auch in diesem Falle könnte die von ihm beigetragene Bedingung im Rechtssinne lediglich eine Teilursache darstellen, die von der durch den Kläger gesetzten Bedingung erheblich überragt wird.

XVI. Hat sich sonach das Verhalten des Klägers als die Hauptursache oder zum mindesten als die wesentliche Teilursache im Rechtssinne für die Schädigung erwiesen, so blieb hierbei zu untersuchen, ob der Kläger seiner geistigen und körperlichen Entwicklung nach

in der Lage gewesen ist, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen, und

die Fähigkeit besessen hat, dieser Einsicht gemäß seinen Willen zu bestimmen.

Die Feststellungen des Vorderrichters hierzu, die auf rein tatsächlichem Gebiet liegen, sind ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Lebenserfahrungen getroffen; sie sind daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und gemäß § 163 SGG für das Bundessozialgericht bindend.

Auch der erkennende Senat war der Auffassung, daß beim Kläger, der im Elternhaus und im Familienverband aufgewachsen ist, sämtliche Volkschulklassen durchlaufen hat und zur Unfallzeit bereits in einem Lehrverhältnis als Kraftfahrzeugschlosser stand, im Alter von 15 1/2 Jahren die Voraussetzungen der Einsichts- und Willensfähigkeit erfüllt sind. Die Ausbildung in einem technischen Beruf befähigte den Kläger, in dem Gewehr eine Waffe zu erkennen. Die Gefährlichkeit militärischer Waffen war dem Kläger nicht nur aus den Gesprächen älterer Personen oder aus sonstigen Nachrichten und Mitteilungen, sondern aus eigenem Erleben bekannt, weil seine engere Heimat mehrfach - und zwar empfindlich - von Kampfmaßnahmen und Kriegsschäden betroffen worden war.

Wenn in der Rechtsprechung der Oberversicherungsämter und Versorgungsgerichte zu Unfällen aus nachträglichen Auswirkungen kriegerischer Vorgänge die Einsichts- und Willensfähigkeit Jugendlicher in der Vergangenheit wiederholt verneint worden ist, so waren in jenen Streitsachen die im hier zu entscheidenden Falle zutreffenden besonderen Erfahrungs- und Erkenntnismöglichkeiten für den Kläger nicht vorhanden. Des weiteren handelte es sich dort jeweils aber auch um Menschen jüngeren Lebensalters, nämlich regelmäßig unter 14 Jahren. Zu vergleichen:

OVA Karlsruhe, Entscheidung vom 12.12.1949 - KB 2412/49 - (Breithaupt 50, S. 392) = 11jähriges Kind.

OVA Karlsruhe, Entscheidung vom 17.7.1950 - KB 1719/50 - (Breithaupt 50, S. 1225)= 13 1/2jähriges Kind.

VersG. Freiburg, Entscheidung vom 24.11.1952-VB 371/51 - (Breithaupt 53, S. 335) = 13jähriges Kind.

Auch der Erlaß des Bundesministers für Arbeit vom 26.11.1951 - IVb 5 - 4799/51 (BABl. 1951 S. 629), der eine Unterbrechung des ursächlichen Zusammenhangs für nicht vorliegend erachtete, bezog sich auf ein Kind, das zur Unfallzeit erst 10 Jahre alt war. Allen diesen Fällen war ferner der Umstand einer schweren Erkennbarkeit des Kriegsgeräts oder Kampfmittels eigen, weil es sich regelmäßig um Munition oder Sprengkörper, niemals dagegen um eine so typische Waffe wie ein Gewehr oder einen Karabiner handelte.

Andererseits hatten in der Vergangenheit bereits das OVA Kassel bei einem 13jährigen Oberschüler (Entscheidung vom 28.10.1948 - KB Li 34/47 - (Breithaupt 1946-48 S. 192) und das OVA Stuttgart bei einem Jungen unter 15 Jahren (Entscheidung vom 25.5.1951 - C 2945/50 - (Breithaupt 52, S. 100) die Selbstverantwortlichkeit und die Unterbrechung des kausalen Zusammenhanges bejaht.

XVII. Auch der erkennende Senat war ferner davon überzeugt, daß der Kläger sich im Zeitpunkt seines Handelns nicht im Zustand eines Ausschlusses seiner freien Willensbetätigung befunden hat. Die Einwirkungen des ..., deren straf- und zivilrechtliche Würdigung hier nicht veranlaßt ist, hatten schließlich nicht den Charakter einer unausweichlichen Gewaltanwendung, mögen sie moralisch und ethisch auch noch so verwerflich erscheinen. Welche Motive letztlich dafür ausschlaggebend waren, daß der Kläger das Gewehr zur Hand nahm und den Abzug betätigte, ob ihn dabei Geltungsbedürfnis, Eitelkeit, Neugier oder ein sonstiger Beweggrund leiteten, bleibt rechtlich hier außer Belang.

XVIII. Da der Kläger nach alledem selbst die wesentliche Bedingung für die eingetretene Schädigung gesetzt und dabei die erforderliche Einsichts- und Willensfähigkeit besessen hat, scheidet das Herumliegen des Gewehrs als unmittelbare Kriegseinwirkung und als Ursache für den erlittenen Körperschaden aus.

XIX. Damit entfällt aber auch der auf die §§ 1 und 5 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gestützte Versorgungsanspruch des Klägers.

Die Revision mußte deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.

XX. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324250

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