Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn die Vertragsärzte für die ärztliche Versorgung der Ersatzkassenversicherten nicht ausreichen, können die KÄV im Einvernehmen mit den Ersatzkassenverbänden auch Nichtvertragsärzte und ärztlich geleitete Einrichtungen zur Durchführung bestimmter ärztlicher Leistungen einschließlich ärztlicher Sachleistungen allgemein oder im Einzelfall ermächtigen.

2. Auch außerhalb der im ErsKVtr geregelten Fälle sind die KÄV befugt, auf Personen zurückzugreifen, die nicht Vertragsärzte sind, wenn die Versorgung der Ersatzkassenversicherten anders nicht sichergestellt werden kann; dies können, sofern es sachlich gerechtfertigt ist, auch Nichtärzte sein.

 

Orientierungssatz

1. Der Streit über die Berechtigung, einer medizinisch-technischen Assistentin (MTA), bestimmte Laboruntersuchungen (MTA-G § 11 Abs 1 Nr 3 und Nr 4 vom 1958-12-21) im Auftrage von Kassenärzten bzw Vertragsärzten, aber in selbständiger Berufsausübung für die Versicherten einer AOK oder einer Ersatzkasse auszuführen, gehört dem öffentlichen Recht an. Denn nur bei einer solchen Qualifizierung des Streitgegenstandes können ablehnende Entscheidungen - als Verwaltungsakte - in vollem Umfange von der - der Sache am nächsten stehenden - Sozialgerichtsbarkeit überprüft werden, namentlich in der Hinsicht, ob die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten eine Beteiligung einer medizinisch-technischen Assistentin an der Versorgung erfordert, deren Beteiligung also im öffentlichen Interesse geboten ist.

2. Für den Bereich der RVO-Kassen haben die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) kraft Gesetzes (RVO § 368n Abs 1) die ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen, für den Bereich der Ersatzkassen ist ihnen die gleiche Verpflichtung im Ersatzkassenvertrag übertragen worden (ErsKVtr-Ärzte § 1 Nr 7 Fassung: 1963-07-20). Aufgrund dieses Sicherstellungsauftrags haben sie, nicht die Kranken- und Ersatzkassen, darüber zu entscheiden, ob und inwieweit Nichtärzte an der ärztlichen Versorgung der Versicherten zu beteiligen sind (vergleiche auch BMV-Ärzte § 10 Abs 2 und ErsKVtr-Ärzte § 5 Nr 3 Fassung: 1963-07-20).

 

Normenkette

MTAG § 11 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1958-12-21, Nr. 4 Fassung: 1958-12-21; RVO § 368n Abs. 1 S. 1; EKV-Ä § 1 Nr. 7 Fassung: 1963-07-20, § 5 Nr. 3 Fassung: 1963-07-20; BMV-Ä § 10 Abs. 2; SGG § 51 Abs. 1, § 54

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 1973 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unbegründet abgewiesen wird.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin, die als medizinisch-technische Assistentin (MTA) in einem eigenen Labor Untersuchungen auf dem Gebiet der klinischen Chemie und der Hämatologie im Auftrage von Ärzten vornimmt, will diese Leistungen auch für Mitglieder der im beklagten Verband zusammengeschlossenen Ersatzkassen erbringen. Sie beantragte daher im November 1970, mit den Ersatzkassen abrechnen zu dürfen. Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 26. November 1970 ab: In dem mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geschlossenen Ersatzkassenvertrag sei dieser die vertragsärztliche Versorgung der Ersatzkassenmitglieder übertragen und bestimmt worden, daß Nichtärzte weder vertraglich noch auf andere Weise an der Versorgung der Ersatzkassenmitglieder für selbständig untersuchende, beratende und behandelnde Tätigkeiten beteiligt werden dürften.

Das Sozialgericht hat die Klage als unbegründet, das Landessozialgericht (LSG) hat sie als unzulässig abgewiesen. Das LSG hat entschieden, daß der Klaganspruch bei den ordentlichen Gerichten geltend zu machen sei, und hat dazu ausgeführt: Wie der Bundesgerichtshof (BGH) am 26. Oktober 1961 (BGHZ 36, 91) entschieden habe, seien die Beziehungen der Krankenkassen zu den Apothekern und den Lieferanten von sonstigen Heilmitteln - anders als die zu den Ärzten, Zahnärzten und Hebammen - nicht öffentlich-rechtlich geregelt; solche Lieferantenverträge würden vielmehr auf der Grundlage rechtlicher Gleichordnung geschlossen und begründeten bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnisse. Das gleiche treffe für das Verhältnis der Klägerin zum Beklagten zu. Mit der Ablehnung des Antrags der Klägerin habe der Beklagte den Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages verweigert, sein Schreiben vom 26. November 1970 sei mithin kein Verwaltungsakt, dessen Aufhebung nach § 54 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - begehrt werden könne (Urteil vom 24. Mai 1973).

Die Klägerin hat die zugelassene Revision eingelegt und die Verletzung der §§ 51 und 54 SGG gerügt: Die vom LSG angeführte Entscheidung des BGH passe auf sie nicht, da sie keine Heil- oder Hilfsmittel liefere, sondern ärztliche Sachleistungen erbringe; ihre Laboruntersuchungen seien als "diagnostische Ausübung der Heilkunde" anzusehen, "abstrakt gesprochen also Teil ärztlicher Tätigkeit". Ihr Ziel sei, sich im Auftrage von Ärzten auf dem Gebiet der kassenärztlichen Versorgung zu betätigen, ohne dabei aber, wie z.B. ein Chiropraktiker, eine eigentliche Behandlungstätigkeit auszuüben; um die ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen, müßten die Ersatzkassen mit Hilfspersonen wie ihr Vereinbarungen treffen, die eine unmittelbare Abrechnung der Leistungen ermöglichten. Daß für ihre Leistungen ein besonderes Bedürfnis bestehe, sei durch zahlreiche Erklärungen der örtlich ansässigen Ärzte nachgewiesen. Im übrigen seien auch sonst schon Ermächtigungsverträge zwischen einer Kassenärztlichen Vereinigung und einem medizinisch-diagnostischen Labor geschlossen worden. Da ihre Klage auf die entsprechende Anwendung von Vorschriften der RVO über die kassenärztliche Versorgung (§§ 122, 368 RVO) und nicht auf Verpflichtungen gestützt sei, die sich aus dem bürgerlichen Recht ergäben, liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung vor. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten unter Aufhebung aller Vorentscheidungen zu verurteilen, mit ihr einen Abrechnungsvertrag für ihr klinisch-technisches Laboratorium abzuschließen.

Der Beklagte hat beantragt, die Revision gegen das Urteil des LSG mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Klage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen wird: Auch er halte den Sozialrechtsweg für gegeben.

II

Die Revision der Klägerin ist insofern begründet, als, entgegen der Ansicht des LSG, für ihren Anspruch auf Teilnahme an der ärztlichen Versorgung der Ersatzkassen-Versicherten - in diesem Sinne ist ihr Klagebegehren zu deuten (§ 123 SGG) - der von ihr beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist. Der Rechtsstreit gehört zu den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 SGG).

Anders als bei den niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten sowie den Krankenhausärzten ist allerdings die Beteiligung einer medizinisch-technischen Assistentin an der Versorgung der Ersatzkassenmitglieder bisher nicht geregelt. Geregelt hat der Gesetzgeber nur die Ausübung ihres Berufs im allgemeinen, und zwar nach dem Kriege zunächst durch das Gesetz über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin vom 21. Dezember 1958 (BGBl I 981) - MTA-Gesetz 1958 -. Danach darf die Klägerin, der die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "medizinisch-technische Assistentin" erteilt worden ist (§ 1), Untersuchungen auf dem Gebiet der klinischen Chemie und dem der Hämatologie ausführen; das kann auch in selbständiger Berufstätigkeit geschehen, jedoch nur im Auftrage eines Arztes, Zahnarztes oder Tierarztes (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4, Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2). Diese Befugnis hat die Klägerin durch das Gesetz über technische Assistenten in der Medizin vom 8. September 1971 (BGBl I 1515) - MTA-Gesetz 1971 - nicht verloren. Dieses hat zwar das Recht der medizinisch-technischer Assistent(inn)en zur selbständigen Ausübung von Tätigkeiten, die der Erkennung einer Krankheit dienen, beseitigt (§ 9 Abs. 3), davon jedoch früher selbständig tätig gewesene Personen wie die Klägerin ausgenommen (vgl. die Übergangsvorschrift in § 14).

Daß für die Klägerin die Beteiligung an der Versorgung der Ersatzkassenversicherten bisher nicht geregelt ist, bedeutet indessen nicht, daß sie insoweit auf den Abschluß eines - privatrechtlichen - Vertrages angewiesen ist, wie dies für Apotheker und Lieferanten von sonstigen Heil- und Hilfsmitteln angenommen wird. Der BGH hat dazu in einem schon vom LSG zitierten Urteil (BGHZ 36, 91 = NJW 1962, 196 und Kracht ebenda S. 187) u.a. ausgeführt, zwischen den Krankenkassen und den Heilmittellieferanten oder ihren Verbänden würden Verträge auf der Grundlage rechtlicher Gleichordnung geschlossen. Daß die Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten eine öffentlich-rechtliche Fürsorgepflicht hätten, hindere sie nicht, mit Dritten, auf die sich die Fürsorgepflicht nicht erstrecke, fiskalische Hilfsgeschäfte zur Beschaffung von Heilmitteln einzugehen. Der Antrag eines solchen Dritten auf Zulassung zur Belieferung sei deshalb als Angebot zum Abschluß eines bürgerlich-rechtlichen Vertrages, der Streit wegen Ablehnung des Angebots als eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit anzusehen.

Der Senat hat offengelassen, ob dieser Auffassung beizutreten ist oder ob es nicht sachgerechter wäre, wenigstens die eigentliche Zulassungsentscheidung in das öffentliche Recht zu verweisen, wobei für das nach Erteilung der Zulassung zu begründende Rechtsverhältnis ("Durchführungsgeschäft") nicht notwendig das gleiche zu gelten braucht (zur "Zweistufigkeitslehre" bei der Zulassung als Knappschaftsarzt vgl. BSG 21, 104, 109 und Urteil vom 3. Juli 1974, 6 RKa 34/73). Selbst wenn die Rechtsbeziehungen der genannten Kassenlieferanten zu den Krankenkassen (und entsprechend zu den Ersatzkassen) in allen Teilen - einschließlich der Entscheidung über ihre Zulassung - nach privatrechtlichen Normen zu beurteilen wären, würde dies einer öffentlich-rechtlichen Qualifikation der von der Klägerin begehrten Zulassungsentscheidung nicht im Wege stehen.

Wie die Klägerin zutreffend vorgetragen hat, ist ihre berufliche Tätigkeit nicht mit der der erwähnten Kassenlieferanten vergleichbar. Anders als jene will sie nicht Heil- oder Hilfsmittel liefern, sondern Dienstleistungen erbringen, "die der Erkennung einer Krankheit dienen" (§ 9 Abs. 3 MTA-Gesetz 1971), die an sich also auch von Ärzten erbracht werden könnten und deshalb ihrer Art nach in den Bereich der ärztlichen Behandlung gehören. Die Entscheidung über die Zulassung der Klägerin zur "Ersatzkassenpraxis" berührt damit unmittelbar ärztliche Interessen, vor allem derjenigen Arztgruppen, deren Tätigkeitsfeld (Fachgebiet) auch die von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen umfaßt und denen möglicherweise daran gelegen ist, eine wirtschaftliche Konkurrenz seitens der Klägerin von sich fernzuhalten.

Daß Interessen dieser Art die Entscheidung über die Zulassung der Klägerin beeinflussen könnten, ohne daß dagegen ein gerichtlicher Rechtsschutz bestände, wäre bei einer rein privatrechtlichen Betrachtungsweise nicht auszuschließen. Denn nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit, das trotz gewisser Einschränkungen auch heute noch das Privatrecht beherrscht (vgl. dazu Fischer, DRiZ 1974, 209), liegt die Annahme oder Ablehnung eines Vertragsangebots grundsätzlich im freien, gerichtlich nicht nachprüfbaren Belieben des anderen Teiles, der seine Entscheidung weder zu begründen noch sonst zu rechtfertigen braucht. Auch soweit diese Freiheit heute durch "Sozialbindungen" eingeschränkt ist, besonders in der Richtung, daß niemand eine Monopolstellung mißbrauchen (§ 826 BGB) oder andere im Wettbewerb diskriminieren darf (§ 26 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen idF vom 4. April 1974, BGBl I 870), könnte vor den Zivilgerichten ein Anspruch auf Abschluß eines Vertrages ("Kontrahierungszwang") lediglich aus der Verletzung oder Gefährdung privater Interessen des Klägers abgeleitet werden. Den Ausschlag bei der Entscheidung über die Zulassung zur Ersatzkassenpraxis darf indessen nicht das private Interesse von Personen geben, die bestimmte Leistungen erbringen oder die deren Erbringung verhindern wollen, sondern allein das Interesse der Versicherten und ihrer Angehörigen an einer möglichst lückenlosen, dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden und gut erreichbaren Krankenversorgung. Eine gebührende Berücksichtigung dieses öffentlichen Interesses ist nur gewährleistet, wenn das Rechtsverhältnis des Zulassungsbewerbers gegenüber der für die Entscheidung über den Zulassungsantrag zuständigen Stelle dem öffentlichen Recht unterstellt und ein Streit darüber derjenigen Gerichtsbarkeit zugewiesen wird, die dem Rechtsverhältnis sachlich am nächsten steht. Das ist hier die Sozialgerichtsbarkeit (zur Verwertung des Gedankens der Sachnähe in Fragen des Rechtsweges vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4. Juni 1974, GmS OGB 2/73).

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung zur "Ersatzkassenpraxis" ist somit als Antrag auf Erlaß eines entsprechenden Verwaltungsaktes, nicht auf Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages anzusehen, wie überhaupt der Begriff des Verwaltungsaktes - als einer Zweckschöpfung der Verwaltungsrechtslehre - sich in erster Linie an den Erfordernissen eines wirksamen Rechtsschutzes orientieren muß (vgl. BSG 11, 1, 10 mit weiteren Nachweisen). Ein solcher Verwaltungsakt ist hier mit dem Bescheid des Beklagten vom 26. November 1970 erlassen worden. Entgegen der Ansicht des LSG ist dieser Bescheid deshalb im Sozialrechtsweg mit der Anfechtungsklage nach § 54 SGG anfechtbar.

Die von der Klägerin erhobene Klage ist jedoch nicht begründet. Der beklagte Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) hat sich im Ergebnis mit Recht geweigert, dem Antrag der Klägerin auf Teilnahme an der Versorgung der Ersatzkassenversicherten zu entsprechen. Denn der Beklagte hat über diesen Antrag nicht zu entscheiden; zuständig ist insoweit vielmehr die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV).

Aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 368 n Abs.1 letzter Satz RVO haben die Ersatzkassen die Sicherstellung und Durchführung der ärztlichen Versorgung ihrer Anspruchsberechtigten ausschließlich den - in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zusammengeschlossenen - KÄVen übertragen: § 1 Ziff. 7 des Vertrages zwischen der KBV einerseits und dem VdAK sowie dem Verband der Arbeiter-Ersatzkassen (AEV) andererseits - Ersatzkassenvertrag - vom 20. Juli 1963, in Kraft seit dem 1. Oktober 1963 (abgedruckt bei Hoffmann, Ärztliches Gebühren- und Vertragsrecht, 12. Auflage, Teil 8, S. 7). Die KÄVen stellen die ambulante ärztliche Behandlung der Versicherten grundsätzlich durch freipraktizierende Ärzte und leitende Krankenhausärzte sicher, die als "Vertragsärzte" an der Ersatzkassenpraxis beteiligt werden (§ 1 Ziff. 8 und §§ 5 und 6 des Ersatzkassenvertrages). Soweit die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung durch Vertragsärzte nicht gewährleistet ist, kann die KÄV im Einvernehmen mit dem VdAK/AEV Nichtvertragsärzte und ärztlich geleitete Einrichtungen zur Durchführung bestimmter ärztlicher Leistungen einschließlich ärztlicher Sachleistungen allgemein oder im Einzelfall ermächtigen (§ 5 Ziff. 3 S. 2 des Ersatzkassenvertrages idF vom 27. Juni 1966; vgl. ferner wegen der Teilnahme weiterer Ärzte an Früherkennungsmaßnahmen die Anlagen 10 a und 10 b zum Ersatzkassenvertrag - Früherkennung von Krebserkrankungen und von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 4. Lebensjahres -, gültig ab 1. Juli 1971, jeweils § 7, Hoffmann aaO, Teil 8, S. 42/10 ff).

Auch außerhalb dieser ausdrücklich geregelten Fälle ist die KÄV befugt, wenn die Versorgung der Ersatzkassenversicherten anders nicht sichergestellt werden kann, auf Personen zurückzugreifen, die nicht Vertragsärzte sind. Im allgemeinen wird es sich dabei, wie die angeführten Regelungen zeigen, um Ärzte oder solche Einrichtungen handeln, die von Ärzten geleitet oder beaufsichtigt werden. Notwendig ist dies aber bei einer in den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung fallenden Verrichtung grundsätzlich nur in dem Umfang, wie sie eine auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende ärztliche Sachkunde erfordert (vgl. BSG 36, 146, 149). Daß indessen das Ziel einer sachgemäßen, neueren Erfordernissen genügenden ärztlichen Versorgung der Versicherten u.U. es rechtfertigt, auch Nichtärzte sogar an dem bisher den Ärzten vorbehaltenen Kernbereich der ärztlichen Behandlung mitwirken zu lassen, zeigt die Vereinbarung der KBV mit den Spitzenverbänden der Ersatzkassen vom 17. Dezember 1970 über die Anwendung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie (abgedruckt bei Hoffmann aaO, Teil 8, S. 40/4 ff). Zwar sind danach bestimmte wichtige Maßnahmen der ärztlichen Behandlung den Ärzten vorbehalten (Ziff. 3 der Grundsätze für die Hinzuziehung von nichtärztlichen Psychotherapeuten und Psychagogen im Rahmen der genannten Psychotherapie-Vereinbarung, Anlage 5 b zum Ersatzkassenvertrag, Hoffmann aaO, Teil 8, S. 42). Doch führt auch der zur Behandlung hinzugezogene nichtärztliche Psychotherapeut oder Psychagoge Behandlungsmaßnahmen durch, und zwar nicht als eine dabei vom Arzt angeleitete und überwachte unselbständige Hilfsperson im Sinne des § 122 Abs. 1 Satz 2 RVO (vgl. SozR Nr. 1 zu § 122 RVO; BSG 29, 27, 29), sondern selbständig in eigener Verantwortung (vgl. Ziff. 4 der angeführten "Grundsätze").

Erst recht kann eine Einbeziehung von Nichtärzten in die vertragsärztliche Versorgung kraft Ermächtigung in Betracht kommen, wo Versorgungslücken bei der Erbringung von Sachleistungen, die - wie Laboruntersuchungen - den Arzt bei der ihm vorbehaltenen Diagnose nur unterstützen, zu schließen sind. Unter dieser Voraussetzung können auch andere Personen, insbesondere medizinisch-technische Assisten(inn)en oder ihnen Gleichgestellte, für bestimmte, ihnen nach allgemeinem Berufsrecht erlaubte Tätigkeiten an der Versorgung der Versicherten beteiligt werden. Soweit deren Leistungen, wie die der Klägerin, dabei an die Stelle ärztlicher Leistungen treten oder sie ergänzen, hat über ihre Zulassung (Ermächtigung) nach § 368 n Abs. 1 letzter Satz RVO iVm § 1 Ziffern 7 und 8 sowie § 5 Ziff.3 Satz 1 des Ersatzkassenvertrages die KÄV zu entscheiden; diese wird die Bedürfnisfrage in der Regel auch besser als die Krankenkassen beurteilen können. Das schließt jedoch nicht aus, daß die KÄV ihre Entscheidung im Benehmen oder im Einvernehmen mit dem VdAK/AEV trifft (vgl. die Regelungen in § 5 Ziff. 3 Satz 2 des Ersatzkassenvertrages und in § 7 Abs. 2 und 3 der Anlage 10 a sowie in § 7 Abs. 4 der Anlage 10 b des Ersatzkassenvertrages).

Auch im Falle der Klägerin war somit nicht der beklagte VdAK, sondern die KÄV die richtige Adressatin für den Antrag auf Beteiligung an der Versorgung der Ersatzkassenversicherten. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden, die dagegen erhobene Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648213

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