Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlegt der Empfänger eines solchem Bescheides seinen Wohnsitz in das Bundesgebiet, ist die Versorgungsbehörde berechtigt, diesen Bescheid zurückzunehmen, wenn festgestellt wird, daß ein Anspruch auf Versorgung nicht besteht. Bindungswirkung eines Teilversorgungsbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

1. In der bloßen Mitteilung, daß "als Kannleistung nach BVG § 64 Abs 2" ein monatlicher Geldbetrag bewilligt wird, liegt keine Feststellung (Anerkennung), daß bestimmte Gesundheitsstörungen Schädigungsfolgen sind.

2. Die Verlegung des Wohnsitzes aus den früheren deutschen Ostgebieten in das Bundesgebiet ist iS des BVG § 62 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die für die Erteilung eines Bescheides auf Teilversorgung gemäß BVG § 64 Abs 2 S 2 maßgebend gewesen sind.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Enthält ein verbindlich gewordener Bescheid lediglich den Ausspruch über die Gewährung einer Kannleistung nach BVG § 64 Abs 2, erfaßt die Bindungswirkung des Bescheides nur diese Feststellung; in einem solchen Fall ist mangels eines entsprechenden Inhalts des Verfügungssatzes weder die Anerkennung bestimmter Schädigungsfolgen noch die Festsetzung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Bindung erwachsen.

2. Die Bindungswirkung eines Bescheides - auch im Recht der Kriegsopferversorgung - geht von seinem Verfügungssatz aus (vergleiche BSG 1959-01-21 11/8 RV 181/57 = BSGE 9 80-84 und BSG 1960-02-24 9 RV 286/56 = BSGE 12, 25 und BSG 1967-06-22 9 RV 188/66 = BSGE 27, 22 und BSG 1972-03-14 9 RV 566/70 = SozR Nr 88 zu § 77 SGG). Andere Elemente des Bescheides, wie zB die Begründung oder die Berechnung der Rentenhöhe, nehmen daher grundsätzlich an der Bindungswirkung nicht teil, dies gilt auch für - im Bescheid selbst nicht enthaltene - tatsächliche oder rechtliche Erwägungen der Versorgungsbehörde vor der Bescheiderteilung (hier: Feststellungen über die vorliegenden Schädigungsfolgen und die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit in einer Aktenverfügung, sofern diese Erwägungen im Verfügungssatz des Bescheides keinen Niederschlag gefunden haben.

3. Obwohl in BVG § 62 Abs 1 von "Anspruch auf Versorgung" gesprochen wird, findet diese Vorschrift nicht nur auf solche Fälle Anwendung, in denen ein "Rechtsanspruch" eines Berechtigten besteht, sondern es werden von ihr auch solche Leistungen erfaßt, die nach dem Ermessen der Versorgungsbehörde gewährt werden.

 

Normenkette

BVG § 64 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1964-02-21, § 62 Abs. 1 Fassung: 1964-02-21; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 1971 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger beantragte am 6. Mai 1964, von seinem damaligen Wohnsitz in H/Oberschlesien aus, Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und gab dazu an, daß er in der Zeit von August 1944 bis August 1945 in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen sei. Dem Versorgungsamt (VersorgA) lag eine Auskunft der Deutschen Dienststelle vom 22. Oktober 1964 vor, ferner eine Bescheinigung einer russischen Militäreinheit vom 14. August 1945, wonach der Kläger mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand aus dem Militärlazarett der Militäreinheit Feldpost-Nr. 61948 entlassen worden sei; aus einer ärztlichen Bescheinigung ergab sich, daß der Kläger von 1946 bis 1952 wegen einer Herzmuskelschädigung als Folge einer Malaria behandelt worden ist.

In einer Aktenverfügung vom 18. März 1965 ist u. a. vermerkt:

"4.)

Nachstehende Gesundheitsstörungen beruhen auf einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG:

Herzmuskelschädigung im Sinne der Verschlimmerung. Es liegt eine MdE um wenigstens 25 v. H. vor.

5.)

....

6.)

Teilversorgung ist vom 1. Mai 1964 an in Höhe von monatlich 45.- DM zu gewähren."

Das VersorgA teilte dem Kläger mit Schreiben vom 7. Juli 1965 folgendes mit: "Das Versorgungsamt hat die Prüfung Ihres Antrages auf Kriegsopferversorgung abgeschlossen und bewilligt Ihnen als Kannleistung nach § 64 Abs. 2 BVG einen monatlichen Betrag von 45,- DM, und zwar mit Wirkung vom: 1.5.64."

Der Kläger befindet sich seit dem 14. April 1966 in der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Er beantragte am 19. April 1966 Gewährung der (vollen) Beschädigtenversorgung nach dem BVG wegen einer Erkrankung an Malaria mit Herzmuskelschädigung und Ruhr, sowie Bauchtyphus und Erfrierungen von je 2 Zehen links und rechts. Daraufhin stellte die Versorgungsbehörde mit Ablauf des Monats Mai 1966 die Zahlung des monatlichen Teilbetrags von 45,- DM ein. Sie ließ den Kläger untersuchen und erteilte den Bescheid vom 13. Januar 1967; mit ihm "widerrief" die Versorgungsbehörde die Mitteilung des VersorgA M vom 7. Juli 1965, mit der "Ihnen...als Kannleistung nach § 64 Abs. 2 BVG Teilversorgung bewilligt worden war"; auf eine Rückforderung der gezahlten Bezüge wurde verzichtet. Ferner lehnte die Versorgungsbehörde in diesem Bescheid den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem BVG mit der Begründung ab, daß die bei ihm festgestellten Gesundheitsstörungen keine Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG seien. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 1967).

Das Sozialgericht (SG) hat verschiedene ärztliche Gutachten eingeholt und mit Urteil vom 3. Juli 1969 die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 24. November 1971 die Berufung des Klägers zurückgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß der Beklagte berechtigt gewesen sei, die mit Bescheid vom 7. Juli 1965 bewilligte Kannleistung zu widerrufen. Der Anspruch des Klägers auf Versorgung ruhe zwar nach § 64 BVG; aber auch ein ruhender Anspruch könne nach § 62 Abs. 1 BVG neu festgestellt werden. Der Umzug des Klägers von Oberschlesien in das Bundesgebiet stelle allerdings keine wesentliche Änderung i. S. des § 62 Abs. 1 BVG dar. Der Bescheid beschränke sich darauf, gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 BVG als Kannleistung eine monatliche Teilleistung von 45,- DM vom 1. Mai 1964 an zu gewähren. Damit habe die Verwaltung nicht gleichzeitig hinsichtlich der Anerkennung von Schädigungsfolgen oder der Höhe der MdE eine Regelung treffen wollen oder getroffen. Bei Kriegsopfern in den zur Zeit unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten sei die Aufklärung des Sachverhalts mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Bei der Bewilligung einer Kannleistung nach § 64 BVG sei daher die Prüfung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Deshalb habe sich der Bewilligungsbescheid bewußt darauf beschränkt, nur eine Kannleistung nach dem BVG in Höhe eines bestimmten Betrages zu bewilligen, und zwar nur für die Dauer des Aufenthaltes des Klägers in dem polnisch besetzten Gebiet. Dies besage nicht, daß dem Kläger ein (ruhender) Versorgungsanspruch zustehe und daß bei Bewilligung der Kannleistung von einem MdE-Grad in bestimmter Höhe ausgegangen worden sei. Von der Bindungswirkung werde nur der Verfügungssatz erfaßt; die Beurteilung von Vorfragen und die dem Bescheid zugrunde gelegten rechtlichen Erwägungen würden von der Bindungswirkung nicht miterfaßt. Der Bescheid vom 7. Juli 1965 lasse auch nicht erkennen, welche Schädigungsfolgen beim Kläger vorlägen, so daß dieser Bescheid hinsichtlich der Anerkennung von Schädigungsfolgen nicht bindend geworden sei. Entsprechendes müsse für die durch die Schädigungsfolgen hervorgerufene MdE gelten.

Der in Verbindung mit dem Widerrufsbescheid gleichzeitig erlassene Bescheid "nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges" sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Aus den ärztlichen Gutachten ergebe sich, daß keine der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen auf wehrdienst- oder gefangenschaftsbedingte Einflüsse zurückzuführen seien.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 13. Dezember 1971 zugestellte Urteil am 23. Dezember 1971 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 13. März 1972 am 10. März 1972 begründet.

Er beantragt,

1)

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, des SG-Urteils vom 3. Juli 1969 sowie des Bescheides vom 13.1.1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 1967 den Beklagten zu verurteilen, die dem Bescheid vom 7. Juli 1965 zugrunde liegenden Schädigungsfolgen als i. S. des BVG anerkannte WDB weiterhin entsprechend zu berenten;

2)

die außergerichtlichen Kosten des Klägers in sämtlichen Rechtszügen dem Beklagten aufzuerlegen.

Der Kläger rügt eine Verletzung des § 64 Abs. 2 BVG durch das LSG und führt hierzu insbesondere aus, daß der Bescheid vom 7. Juli 1965 in seinem Verfügungssatz zwar weder eine bestimmte Schädigungsfolge, noch den dadurch bedingten Grad der MdE enthalte, jedoch müßten diese deshalb als festgestellt erachtet und in die Bindungswirkung einbezogen werden, weil bei der Versorgung nach dem BVG für eine Rentenzahlung die anspruchsbegründenden Tatsachen von wesentlicher Bedeutung seien. Daraus folge aber, daß mit dem Bescheid vom 7. Juli 1965 auch ein Herzmuskelschaden bindend anerkannt und die hierfür entsprechende MdE bindend festgestellt worden seien. Wenn jedoch eine derartige Bindungswirkung vorliege, so sei die vom LSG für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs jenes Bescheides gegebene Begründung nicht überzeugend. Das LSG sei selbst der Auffassung, daß durch den Wohnsitzwechsel eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen i. S. des § 62 BVG nicht eingetreten sei; es habe auch nicht die Voraussetzungen für einen Widerruf gemäß § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) festgestellt. Demnach stehe ihm - dem Kläger - noch weiterhin die mit Bescheid vom 7. Juli 1965 bindend zuerkannte Rente zu.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden.

II

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision des Klägers ist zulässig (§§ 164, 166 SGG) Sie ist jedoch nicht begründet.

Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß dem Kläger nach seiner Übersiedlung in die BRD keine Leistungen nach dem BVG zustehen.

Voraussetzung für eine Versorgung nach dem BVG ist u. a., daß die bei dem Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit (§ 1 Abs. 3 BVG) auf schädigende Einwirkungen i. S. des BVG zurückzuführen sind. Das LSG hat hierzu- vom Kläger unangegriffen und daher für den Senat gemäß § 163 SGG bindend - festgestellt, daß keine der Gesundheitsstörungen, die beim Kläger aufgrund der ärztlichen Untersuchungen ermittelt worden sind, auf schädigende Einwirkungen i. S. des BVG zurückgeführt werden können; es ist aufgrund des Inhalts der ärztlichen Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, daß die Gesundheitsstörungen des Klägers weder durch militärischen Dienst noch die Kriegsgefangenschaft verursacht worden sind. Damit scheidet ein Anspruch des Klägers auf Versorgung nach dem BVG aus.

Dieses vom LSG gewonnene Ergebnis will der Kläger offenbar auch nicht angreifen; er meint vielmehr, ihm stehe deshalb Versorgung zu, weil ein seinen Versorgungsanspruch begründender Bescheid, nämlich der vom 7. Juli 1965, ergangen sei, welcher von der Versorgungsbehörde nicht habe beseitigt werden können. Diese Auffassung des Klägers geht jedoch fehl. Ein Anspruch des Klägers auf Versorgung in dem von ihm näher bezeichneten Sinne - Anerkennung einer bestimmten Schädigungsfolge, Festsetzung einer bestimmten MdE und daraus sich ergebender bestimmter Rentenhöhe - stünde dem Kläger nach seiner Umsiedlung aus seiner Heimat, den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten in die BRD nur dann zu, wenn ein in diesem Umfange bindender Bescheid vorläge, dessen Bindungswirkung (§ 77 SGG; § 24 VerwVG) unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt nach der Umsiedlung des Klägers beseitigt werden könnte. Die Bindungswirkung eines Bescheides - auch im Recht der Kriegsopferversorgung - geht von seinem Verfügungssatz aus (BSG 9, 80, 84; 12, 25; 27, 22, 23; BSG in SozR Nr. 88 zu § 77 SGG). Andere Elemente des Bescheides, wie z. B. die Begründung oder die Berechnung der Rentenhöhe, nehmen daher grundsätzlich an der Bindungswirkung nicht teil; dies gilt auch für - im Bescheid selbst nicht enthaltene - tatsächliche oder rechtliche Erwägungen der Versorgungsbehörde vor der Bescheiderteilung, sofern diese Erwägungen im Verfügungssatz des Bescheides keinen Niederschlag gefunden haben. Hiervon ausgehend ist hinsichtlich der Bindungswirkung des Bescheides vom 7. Juli 1965 festzuhalten, daß sein Verfügungssatz weder die Anerkennung einer bestimmten Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge, noch die Festsetzung einer - sich aus dem Umfang der Schädigungsfolge ergebenden - bestimmten MdE enthält; vielmehr erschöpft er sich allein in der Mitteilung, daß dem Kläger "als Kannleistung nach § 64 Abs. 2 BVG" ein monatlicher Betrag von 45,- DM bewilligt wird. Diese eindeutige Fassung des Verfügungssatzes läßt erkennen - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - daß die Versorgungsbehörde eine Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen und die Festsetzung einer bestimmten MdE nicht ausgesprochen hat und offenbar auch nicht aussprechen wollte. Der Bescheid betraf die Gewährung von "Teilversorgung" (§ 64 e Abs. 1 BVG idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 21. Februar 1964, BGBl I 85, - 2. NOG -); diese Teilversorgung betraf eine Ermessensleistung gemäß § 64 Abs. 2 BVG, wonach denjenigen Kriegsopfern, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich des BVG haben und nicht unter § 64 Abs. 1 BVG fallen, trotz des Ruhens ihres Anspruches mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung "Versorgung in angemessenem Umfang" gewährt werden "kann". Es kann dahinstehen, welche Gesundheitsstörung die Versorgungsbehörde vor der Erteilung des Bescheides vom 7. Juli 1965 als Schädigungsfolge angesehen hat und welche Höhe der MdE sich hieraus ergab; jedenfalls hat die Versorgungsbehörde im Rahmen ihrer Ermessensleistung bei der dem Kläger gewährten Teilversorgung gegenüber dem Kläger keine Anerkennung einer Schädigungsfolge vorgenommen und auch keine MdE festgesetzt. Der Umstand, daß in Bescheiden, die an Beschädigte mit Wohnsitz oder Aufenthalt im Geltungsbereich des BVG ergehen, der Verfügungssatz regelmäßig auch die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Höhe der MdE enthält, besagt weder etwas darüber, ob bei Bescheiden mit anderem Inhalt jene (fehlenden) Bestandteile "hineingedacht" werden müssen, noch, ob solche Bescheide - wegen des Fehlens dieser Bestandteile im Verfügungssatz - rechtswidrig sind. Diese Frage kann im vorliegenden Fall unerörtert bleiben, weil der Bescheid vom 7. Juli 1965 in der vorliegenden Fassung - also ohne die Anerkennung einer bestimmten Schädigungsfolge und ohne Festsetzung einer bestimmten MdE - bindend geworden und allein streitig ist, welchen Umfang diese Bindung hat. Abgesehen davon könnte daran gedacht werden, daß die Versorgungsbehörde bei der Gewährung von Teilversorgung gemäß § 64 Abs. 2 iVm § 64 e Abs. 1 BVG idF des 2. NOG die Befugnis gehabt hat, Bescheide mit dem hier streitigen Inhalt zu erlassen (s. dazu für den Geltungsbereich des 3. NOG § 64 f Abs. 1 BVG). Ist aber davon auszugehen, daß mit der Erteilung des Bescheides vom 7. Juli 1965 nur die Gewährung einer Teilversorgung in Höhe von monatlich 45,- DM, nicht aber auch - mangels eines entsprechenden Inhalts des Verfügungssatzes - die Anerkennung einer bestimmten Schädigungsfolge und ein bestimmter Grad der MdE in Bindung erwachsen ist, so hatte der Kläger nach seiner Umsiedlung in die BRD keinen Anspruch auf Anerkennung einer Schädigungsfolge und Festsetzung einer bestimmten MdE (aufgrund des Bescheides vom 7. Juli 1965), selbst dann nicht, wenn jener Bescheid nicht aufgehoben werden könnte.

Damit bleibt nur noch die Frage offen, ob der Kläger aufgrund der Bindungswirkung des Bescheides vom 7. Juli 1965 in dem oben gekennzeichneten Umfange - also hinsichtlich der Zahlung von monatlich 45,- DM als "Kannleistung" gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 BVG - nach seiner Umsiedlung einen Anspruch auf Weiterzahlung der bezeichneten Geldleistung hat, weil - wie der Kläger meint - diese Bindungswirkung unter keinem Gesichtspunkt beseitigt werden kann. Dem Kläger ist zuzugeben, daß der Bescheid vom 7. Juli 1965 nicht gemäß § 41 VerwVG zurückgenommen werden konnte, weil nach dieser Vorschrift von der zuständigen Verwaltungsbehörde nur "Bescheide über Rechtansprüche" zuungunsten des Versorgungsberechtigten durch einen neuen Bescheid geändert oder aufgehoben werden können, sofern die näheren Voraussetzungen hierfür gegeben sind (BSG in SozR Nr. 23 zu § 41 VerwVG). Wie oben ausgeführt, betrifft der Bescheid vom 7. Juli 1965 keinen "Rechtsanspruch" des Klägers auf Leistungen nach dem BVG, sondern die Gewährung einer Ermessensleistung. Die Anwendung der Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Rücknahme von Verwaltungsakten ist im vorliegenden Fall nicht geboten, denn die Versorgungsbehörde war berechtigt, eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge gemäß § 62 Abs. 1 BVG vorzunehmen; danach ist der Anspruch entsprechend neu festzustellen, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung des Anspruchs auf Versorgung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt. Obwohl in dieser Vorschrift von "Anspruch auf Versorgung" gesprochen wird, findet sie nicht nur auf solche Fälle Anwendung, in denen ein "Rechtsanspruch" eines Berechtigten besteht, sondern es werden von ihr auch solche Leistungen erfaßt, die nach dem Ermessen der Versorgungsbehörde gewährt werden. Dies folgt schon daraus, daß auch Ermessensleistungen regelmäßig von der Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes abhängig sind, so daß bei Wegfall oder Änderung jenes Tatbestandes, also derjenigen Verhältnisse, welche für die Ermessensleistung Grundlage gewesen sind, regelmäßig auch die Ermessensleistung entfällt oder sich ändert.

Im vorliegenden Fall besteht die wesentliche Änderung der Verhältnisse, die für die Gewährung der Teilversorgung an den Kläger mit Bescheid vom 7. Juli 1965 maßgebend gewesen sind, in seiner Umsiedlung aus den damals unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Gebieten in das Bundesgebiet. Wenn das LSG hierzu meint, daß die Wohnsitzverlegung des Klägers in das Bundesgebiet keine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 Abs. 1 BVG darstelle, so verkennt es hierbei, daß für die Gewährung der Teilversorgung (Auslandsversorgung) nach § 64 Abs. 2 BVG gerade der Umstand (die Tatsache) maßgebend ist, daß der Berechtigte seinen Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereiches des BVG hat und nicht zu demjenigen Personenkreis gehört, der nach § 64 Abs. 1 BVG - trotz Auslandsaufenthalts - einen Rechtsanspruch auf Versorgung hat. Zu den für die Gewährung der Teilversorgung maßgebend gewesenen "Verhältnissen" i. S. des § 62 BVG gehört auch der Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Berechtigten. Dies muß - abgesehen von der ausdrücklichen Bezeichnung des Wohnsitzes und Aufenthaltsortes in § 64 Abs. 2 BVG - auch aus § 7 BVG, der sich mit dem persönlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes befaßt, gefolgert werden; zu den persönlichen Voraussetzungen, also den persönlichen "Verhältnissen" für eine Versorgung nach dem BVG gehört auch der Wohnsitz oder Aufenthalt desjenigen, welcher Ansprüche nach dem BVG geltend macht. Würde ein im Bundesgebiet wohnender Beschädigter, der einen Rechtsanspruch auf Versorgung hat und diese Versorgung auch erhält, seinen Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereiches des BVG nehmen, und zwar in einem Staat, mit dem die BRD keine diplomatischen Beziehungen unterhält (§ 64 Abs 1 BVG), so würde darin eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG zu erblicken sein, aufgrund deren eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge insofern erforderlich wäre, daß nunmehr nur noch Versorgung nach § 64 Abs. 2 BVG - also als Ermessensleistung - gewährt werden könnte. Was aber für diesen Fall gilt, muß auch "umgekehrt" gelten, nämlich dann, wenn der Berechtigte seinen Aufenthalt aus dem Gebiet i. S. des § 64 Abs. 2 BVG in das Bundesgebiet verlegt. Daß die Versorgungsbehörde - wie im vorliegenden Fall - dabei gleichzeitig eine Prüfung dahingehend vornimmt, ob nunmehr statt der Ermessensleistung ein "Rechtsanspruch" auf Versorgung besteht, ist nicht zu beanstanden. Wenn der Kläger dazu meint, ihm habe bis zur Umsiedlung ein "ruhender Anspruch", also ein "Stammrecht" zugestanden, welches mit seiner Umsiedlung in das Bundesgebiet nicht untergegangen, sondern gerade "aufgelebt" sei, so verkennt er den sich aus dem Inhalt des Bescheides vom 7. Juli 1965 ergebenden Leistungsumfang. Da die Versorgungsbehörde in jenem Bescheid nur die Zahlung eines monatlichen Geldbetrages von 45,- DM im Wege des Ermessens nach § 64 Abs. 2 Satz 2 BVG zugestanden hat, ist über einen "Rechtsanspruch" des Klägers auf Versorgung, welcher ruhen könnte, noch nichts ausgesagt, d. h., daß über die Voraussetzungen, welche nach dem BVG zur Erlangung eines Rechtsanspruchs auf Versorgung erforderlich sind, keine die Versorgungsbehörde bindenden Feststellungen getroffen wurden. Insofern bedurfte es also erst der Feststellungen durch die Versorgungsbehörde nach der Übersiedlung des Klägers in das Bundesgebiet. Fehlte es aber bei Erteilung des Bescheides vom 7. Juli 1965 (unter Berücksichtigung des Inhalts seines Verfügungssatzes) an den Grundlagen für die Konkretisierung eines "Anspruches" in dem vom Kläger bezeichneten Sinne, so konnte er auch kein "Stammrecht" erwerben, das bis zu seiner Übersiedlung ruhte und danach auflebte.

Da nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ein Anspruch des Klägers auf Versorgung nicht besteht, war die Versorgungsbehörde somit nach der Übersiedlung des Klägers in das Bundesgebiet berechtigt, den Bescheid vom 7. Juli 1965 zurückzunehmen (§ 62 BVG). Es ist dabei unerheblich, daß in dem angefochtenen Bescheid hierfür der Begriff des Widerrufs gebraucht worden ist; jedenfalls hat die Versorgungsbehörde erkennbar die aus der wesentlichen Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG sich ergebenden Folgerungen für die Zukunft ziehen wollen und auch gezogen (§ 60 Abs. 4 BVG).

Da das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, war die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669486

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