Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 25.08.1993)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 1993 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten, ob der Sturz des Klägers im Treppenflur seines Gasthofs am 14. November 1988 ein Arbeitsunfall gewesen ist

Der im Jahre 1947 geborene Kläger betrieb seit März 1986 einen Gasthof mit mehreren Gästezimmern und einer angeschlossenen Gastwirtschaft. Am 14. November 1988 schloß er die in der Regel bis 1.00 Uhr geöffnete Gaststätte vorzeitig gegen 21.45/55 Uhr. Mit dem letzten Gast, dem Zeugen B. …, der im ersten Stock ein Gästezimmer bewohnte, verließ er die Gaststätte durch die die Gastwirtschaftsküche und das Treppenhaus verbindende Tür. Direkt dahinter führte links eine Treppe hoch zu den im ersten Stock gelegenen Gästezimmern. Geradeaus befand sich ein mit Steinfliesen belegtes Podest. Von dort führten drei Stufen hinab zur Hoftür. Zum Hergang des Unfalls gab der Zeuge B. … im Verwaltungsverfahren an, er habe am 14. November 1988 gegen 21.25 Uhr die Gaststätte aufgesucht. Am Verhalten und Reden des Klägers habe er festgestellt, daß dieser alkoholisiert gewesen sei. Der Kläger habe ihm noch zwei Glas Bier gezapft. Danach habe er auf sein Zimmer gehen wollen. Weil er der einzige Gast gewesen sei, habe der Kläger die Gaststätte früher als üblich geschlossen. Er vermute, der Kläger habe nach Hause gehen wollen. Als er – der Zeuge – sich bereits auf der dritten oder vierten Treppenstufe zu seinem Zimmer im ersten Stock befunden habe, habe er plötzlich hinter sich ein Poltern gehört, was sich als Sturz des Klägers herausgestellt habe. Er vermute, daß der Kläger beim Abschließen der Küchentür auf einem vor dieser Tür liegenden Putzlappen ausgerutscht sei, das Gleichgewicht verloren habe und rückwärts die Treppenstufen hinuntergestürzt sei. Im Krankenhaus wurde eine rechtsseitige Schädelkalottenfraktur mit epiduralem Hämatom diagnostiziert. In den ärztlichen Berichten heißt es, der Kläger sei bei der Untersuchung sichtlich alkoholisiert gewesen; es sei ein deutlicher Alkoholgeruch festgestellt worden. Die deswegen entnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 3,84 Promille ergeben. Für das Unfallereignis sowie einige Zeit davor und danach bestehe beim Kläger eine Amnesie.

Die Beklagte lehnte Entschädigungsleistungen an den Kläger ab, weil die zur Unfallzeit bestehende BAK den Umständen nach die allein rechtlich wesentliche Unfallursache gewesen sei. Deshalb lägen die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nicht vor (Bescheid vom 19. September 1989 idF des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1989).

Das Sozialgericht Darmstadt (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. Juni 1990). Beim Kläger habe ein alkoholbedingter Leistungsabfall bestanden, dem bei einer BAK von 3,84 Promille für das Unfallgeschehen vernünftigerweise eine überragende und damit rechtlich allein wesentliche Bedeutung beigemessen werden müsse.

Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 25. August 1993). Der Versicherungsschutz sei wegen des vom Kläger genossenen Alkohols entfallen. Zwar sei für das Ausmaß der Alkoholbeeinflussung die im Krankenhaus ermittelte BAK von 3,84 Promille nicht beweisend, da diese BAK-Bestimmung ausschließlich für diagnostische und therapeutische Fragestellungen und nicht für forensische Zwecke durchgeführt worden sei. Jedoch sei unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände, des langjährigen regelmäßigen und übermäßigen Alkoholkonsums des Klägers und der von den Zeugen vor dem Unfall und im Krankenhaus nach dem Unfall anläßlich der klinischen Untersuchung beschriebenen Auffälligkeiten festzustellen, daß die Alkoholbeeinflussung im Zeitpunkt des Unfalls jedenfalls in einem allgemein als erheblich zu bezeichnenden Ausmaß bestanden habe. Dieser Alkoholeinfluß sei auch unternehmensfremder, eigenwirtschaftlicher Natur gewesen und habe sich nicht aus der Eigenart des vom Kläger betriebenen Unternehmens ergeben. Der Alkoholgenuß am Unfalltag habe zwar zu keinem Vollrausch oder alkoholbedingten Leistungsausfall geführt; es habe jedoch ein alkoholbedingter Leistungsabfall vorgelegen, der beim Unfall mitgewirkt habe und der gegenüber den betriebsbedingten Umständen als rechtlich allein wesentliche Ursache zu werten sei. In Bezug auf die Unfallsituation und den Unfallhergang sei davon auszugehen, daß der Kläger nach Abschließen der Küchentür auf dem ca 1,10 m breiten und ca 1,50 m langen bzw eher etwas längeren, mit Steinfliesen belegten und trockenen Treppenpodest, bei normalem Schuhwerk sowie unter guten Beleuchtungsverhältnissen beim Abwenden von der Tür oder beim weiteren Fortsetzen des Weges über das Treppenpodest, das Gleichgewicht verloren habe und schließlich rückwärts die zur Hoftür führende dreifstufige Steintreppe hinuntergefallen sei oder – sofern die subjektiven Wahrnehmungen des Zeugen B. … in zeitlicher und akustischer Hinsicht nicht als verbindlicher Maßstab für die zeitliche Abfolge von Türabschließen und Sturz genommen würden – evtl auch erst auf der Treppe selbst oder unmittelbar oberhalb davon rückwärts abgestürzt sei. Ein Unfall unter diesen äußeren Bedingungen und mit den möglichen Ausgangspunkten im Bereich des Treppenpodestes oder der Treppe ohne erkennbare äußere Störungen sei ausschließlich für sich betrachtet sicherlich nicht so typisch und spezifisch, daß er allein nur durch Alkohol erklärt werden könnte und jede andere Erklärung praktisch ausgeschlossen sei, selbst wenn der Kläger den Unfallbereich nach fast täglicher wiederholter Benutzung bestens gekannt habe. Da ein Unfallhergang der vorliegenden Art andererseits aber auch häufig bei Alkoholeinfluß festzustellen sei, sei er jedoch zumindest ein Indiz für ein Fehlverhalten aufgrund von alkoholbedingten Gleichgewichts-Koordinations- und Aufmerksamkeitsstörungen. In Verbindung mit dem dem Unfall vorangegangenen, von den Zeugen beobachteten und von ihnen für den Kläger als eindeutig alkoholtypisch angesehenen Verhalten verdichte dieses Indiz die volle Überzeugung, daß beim Kläger ein alkoholbedinger Leistungsabfall bestanden habe und auch Ursache des Unfalls gewesen sei.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Alkoholkonsum nicht betriebsfremd gewesen; dieser ergebe sich vielmehr aus der Eigenart des von ihm betriebenen Unternehmens: Er habe eine Gaststätte betrieben, in der alkoholische Getränke weitgehend „an der Theke” dargereicht worden seien. Aber auch alle mit dem Schließen der Schankwirtschaft verbundenen Arbeitsabschnitte und -abläufe habe er konsequent durchgeführt. Zuletzt nach dem Verschließen der äußeren Küchentür sei er über ein nicht vorhersehbares Hindernis, nämlich den dort für gewöhnlich nicht liegenden Putzlappen gestürzt. Bei jedem anderen Menschen ohne vorhergehenden Alkoholkonsum hätte diese Situation zu den gleichen verhängnisvollen Unfallfolgen führen können. In diesem Zusammenhang habe das LSG es trotz seines entsprechenden Antrags unterlassen, eine Ortsbesichtigung durchzuführen zum Nachweis, daß er beim Zurücktreten von der von ihm verschlossenen Küchentür und Stolpern über das Aufnehmertuch nicht „wegen alkoholbedingter Gleichgewichtsstörungen und Koordinationsschwierigkeiten ins Wanken oder Torkeln geraden” sei, sondern daß das zusammengeschobene Aufwischtuch als nicht vorhergesehenes Hindernis seinen Sturz nach rückwärts verursacht habe.

Der Kläger beantragt,

  1. die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 1993 und des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. Juni 1990 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. September 1989 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1989 aufzuheben;
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihm aus Anlaß des von ihm am 14. November 1988 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen des Unfallereignisses vom 14. November 1988. Das LSG hat aufgrund seiner eingehenden tatsächlichen Feststellungen rechtlich zutreffend entschieden, daß der Kläger keinen Arbeitsunfall erlitt, als er im Treppenhaus seines Gasthofes verunglückte.

Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund seiner Tätigkeit als Gastwirt kraft Satzung zwar versichert (§ 543 Abs 1 RVO iVm § 42 Abs 1, § 3 Abs 1 Nr 17 der Satzung der Beklagten). Auf dem noch im Bereich der Betriebsstätte gelegenen Treppenhaus stand der Kläger grundsätzlich auch unter Versicherungsschutz. Unerheblich ist dabei insoweit, ob der Kläger auf dem Weg zu seiner in der Nähe gelegenen Wohnung war oder sich in das im Gasthof als Büro eingerichtete Zimmer begeben wollte. Darin stimmen auch die Beteiligten überein.

Indessen scheidet ein Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 RVO aus, weil der Unfall des Klägers nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) rechtlich allein wesentlich durch den vorangegangenen Alkoholgenuß verursacht worden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) fehlt es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis, wenn der Versicherte derart betrunken ist, daß er zu keiner dem Unternehmen förderlichen Arbeit mehr fähig ist (BSGE 45, 176, 178; 48, 224, 226; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 9; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 484a, jeweils mwN). Dies hat das LSG im Hinblick auf die von dem Zeugen B. … beschriebenen Verhaltensweisen des Klägers vor dem Unfall verneint. Insbesondere kann aus der Tatsache, daß der Kläger die Gaststätte am Unfalltag bereits vor 22.00 Uhr geschlossen hatte, nicht gefolgert werden, daß dies wegen „alkoholbedingter Arbeitsunfähigkeit” des Klägers geschah. Auch sonst wurde – wie das LSG festgestellt hat – die Gaststätte manchmal früher geschlossen, wenn keine Gäste mehr anwesend und zu erwarten waren.

Führt der Alkoholgenuß nur zu einem Leistungsabfall, besteht bei einem Unfall kein Versicherungsschutz, wenn es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall fehlt, weil der alkoholbedingte Leistungsabfall die rechtlich allein wesentliche Bedingung des Unfalls ist (s ua BSGE 45, 176, 178; 48, 224, 226, BSG Urteil vom 27. November 1986 – 2 RU 67/85 – HV-Info 1987, 325 = USK 86199; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 9; Brackmann aaO S 484b, jeweils mwN). Dabei ist nicht schon jede durch Alkohol herbeigeführte Minderung der Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit und jedes damit verbundene Absinken der Leistungsfähigkeit und der Arbeitsqualität als ein Leistungsabfall zu werten (BSGE 45, 176, 178). Vielmehr müssen neben der ermittelten BAK – oder auch ohne die Bestimmung einer solchen – beweiskräftige Umstände (Fehlverhalten/Ausfallerscheinungen) im Verhalten des Versicherten vor, während oder nach dem Unfall festgestellt werden, die typisch für eine unter Alkoholeinfluß stehende Person sind und nicht ebensogut andere Ursachen haben können, wie etwa Unaufmerksamkeit, Leichtsinn, Übermüdung, körperliche Verfassung uä, die ihren Grund auch in einem nicht vorangegangenen Alkoholgenuß haben können (BSGE aaO 179; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 9). Dabei sind die Anforderungen an den Beweiswert der äußeren Umstände bzw an die alkoholbedingte Typizität der festgestellten Verhaltensweisen in oder außerhalb der Unfallsituation um so größer, je niedriger der Wert einer ermittelten BAK ist oder wenn ein solcher überhaupt nicht festgestellt ist (s BSG SozR 2200 § 548 Nr 38 und BSG Urteil vom 25. November 1992 – 2 RU 40/91 – HV-Info 1993, 305). Auch ein für sich allein genommen nicht unbedingt oder nur wenig für eine Alkoholbeeinflussung beweiskräftiges Anzeichen kann jedoch in Verbindung mit einer Vielzahl ähnlicher Anzeichen oder in Verbindung mit zumindest einer eindeutig alkoholtypischen Ausfallerscheinung die Überzeugung des Tatsachengerichts vom Vorliegen eines solchen Leistungsabfalls vermitteln.

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das LSG zutreffend auf einen alkoholbedingten Leistungsabfall des Klägers geschlossen. Dabei ist das LSG zu Recht zunächst zwar davon ausgegangen, daß für das Ausmaß der Alkoholbeeinflussung des Klägers die im Stadtkrankenhaus R. … ermittelte BAK von 3,84 Promille nicht beweisend ist. Gestützt auf die Recherchen des Sachverständigen Prof. Dr. G. … zum Verfahren der BAK-Bestimmung in diesem Krankenhaus und auf das Gutachten vom 13. Mai 1993 hat das LSG festgestellt, daß die ermittelte BAK von 3,84 Promille nach der angewandten Methode für den Zeitpunkt des Unfalls nicht als rechtlich sicher festgestellt bezeichnet werden kann. Das bedeutet jedoch nicht, daß für den Zeitpunkt des Unfalls ein Alkoholeinfluß nicht vorlag oder ein Alkoholeinfluß überhaupt zu verneinen wäre. Vielmehr hat das LSG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise – wiederum gestützt auf die Beurteilungen des Sachverständigen Prof. Dr. G. … – festgestellt, daß die von den Zeugen beim Kläger bemerkten Auffälligkeiten zwar selbst bei einem trinkgewohnten chronischen Alkoholiker nur schwerlich mit einer BAK von 3,84 Promille in Einklang zu bringen, zumindest prinzipiell aber durchaus mit einem Wert der BAK von etwa 3 Promille vereinbar sind. Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des jahrelangen regelmäßigen und übermäßigen Alkoholkonsums des Klägers und der von den Zeugen vor dem Unfall und im Stadtkrankenhaus R. … nach dem Unfall anläßlich der klinischen Untersuchung festgestellten Auffälligkeiten hat das LSG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, daß die Alkoholbeeinflussung des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls in einem Ausmaß bestand, das allgemein als erheblich zu bezeichnen ist. Für die Zeit vor dem Unfall hat es sich dabei insbesondere auf die Bekundungen der Zeugin K. …, die von 20.00 bis 20.30 Uhr in der Gaststätte war, und des Zeugen B. … gestützt, die übereinstimmend am „Reden und Verhalten” des Klägers bemerkt hatten, daß er alkoholisiert war.

Bezüglich der Unfallsituation und des Unfallhergangs ist das LSG aufgrund einer ebenfalls eingehenden Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger nach Abschließen der Küchentür auf dem ca 1,10 m breiten und ca 1,50 m langen bzw eher etwas längeren mit Steinfliesen belegten, trockenen Treppenpodest, bei normalem Schuhwerk und unter guten Beleuchtungsverhältnissen beim Abwenden von der Tür oder beim weiteren Fortsetzen des Weges über das Treppenpodest das Gleichgewicht verlor und schließlich rückwärts die dreistufige Steintreppe hinunterfiel. Ein Ausrutschen des Klägers auf einem auf dem Treppenpodest liegenden trockenen, zusammengeschobenen Putzlappen oder ein Stolpern über diesen Putzlappen als den Unfall unmittelbar in Gang setzendes Ereignis hat das LSG als nicht erwiesen, sogar eher als unwahrscheinlich angesehen. Ein solches Ausrutschen wurde nach den Feststellungen des LSG von dem Zeugen B. … auch nur vermutet, wobei sich diese Vermutung darauf gründet, daß der Putzlappen, als der Zeuge ihn erstmals bemerkte, nicht glatt lag, sondern zusammengeschoben war. Die Annahme, der Kläger sei über den Putzlappen gestolpert, setzt nach den Feststellungen des LSG die Kenntnis der Lage des Lappens für den Zeitpunkt voraus, in dem der Kläger die Küchentür vom Treppenpodest aus abschloß. Nur dann läßt sich beurteilen, ob der Kläger nach Beendigung des Schließvorgangs und Abwenden von der Tür in Richtung Treppe mit dem Lappen überhaupt in Berührung kommen konnte. Dazu sind nach den Ermittlungen des LSG genauere Feststellungen nicht mehr möglich. Entgegen der Ansicht der Revision kann dies im nachhinein auch nicht durch den von ihr für nötig erachteten Augenscheinsbeweis geklärt werden. Auch der Zeuge B. … konnte sich nicht erinnern, auf den Lappen getreten zu sein, als er die Küche verließ oder als er dem Kläger nach dessen Sturz zu Hilfe eilte.

Es ist zwar richtig, daß auch ein Unfall unter den festgestellten äußeren Bedingungen – ohne erkennbare äußere Störungen – ausschließlich für sich betrachtet nicht so typisch und spezifisch ist, daß er allein nur durch Alkohol erklärt werden könnte. Da ein Unfallhergang der vorliegenden Art aber häufig bei Alkoholeinfluß festzustellen ist (s Hein/Schulz, Sturz und Alkoholbeeinflussung, MEDSACH 1989, 39 – s Bl 73 ff der Streitakte), ist er, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, zumindest ein Indiz für ein alkoholbedingtes Fehlverhalten aufgrund von alkoholbedingten Gleichgewichts-, Koordinations- und Aufmerksamkeitsstörungen. In Verbindung mit dem dem Unfall vorausgegangenen, von den Zeugen K. … und B. … beobachteten und von ihnen für den Kläger als eindeutig alkoholtypisch angesehenen Verhalten ist das LSG – auch insoweit im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) – zur vollen Überzeugung gelangt, daß beim Kläger ein alkoholbedingter Leistungsabfall bestand und im Rechtssinne allein Ursache des Unfalls war.

Entgegen der Auffassung der Revision war dieser Alkoholeinfluß auch unternehmensfremder eigenwirtschaftlicher Natur und ergab sich nicht aus der Eigenart des von ihm betriebenen Unternehmens. Bildet der Alkoholgenuß die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls, so besteht Versicherungsschutz nur, wenn sich der Alkoholgenuß aus der Eigenart des Betriebes ergibt, also in einem direkten inneren Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit steht (BSG SozR Nr 35 zu § 548 RVO; Brackmann aaO S 484c, jeweils mwN). Als Beispielsfälle, in denen ein unternehmensbedingter Alkoholgenuß in Betracht kommen könnte, hat die Rechtsprechung Barmixer, Spirituosenvertreter und Weinprüfer angeführt und darauf abgestellt, daß in diesen Beispielsfällen die Betriebstätigkeit den Alkoholgenuß notwendig mit sich bringt oder doch der Alkoholgenuß im Rahmen der Betriebstätigkeit unvermeidbar ist (s auch BSG SGb 1958, 285, 286 mit Anm von Plagemann). Als unternehmensbedingt hat das BSG aber auch in diesen Fällen einen Alkoholgenuß nur dann bezeichnet, wenn sich der Versicherte ihm im Interesse des Betriebes nicht entziehen kann, und zwar auch dann nicht, wenn dadurch ein Leistungsabfall zu befürchten ist (BSG SozR Nr 19 zu § 542 RVO aF, Nr 35 zu § 548 RVO sowie Beschluß des Senats vom 23. Februar 1983 – 2 BU 34/82 –; Brackmann aaO S 484c). Eine solche praktisch unvermeidbare Notwendigkeit zum Trinken kann für Gastwirte weder allgemein anerkannt werden noch ist nach den Feststellungen des LSG ersichtlich, daß beim Kläger aufgrund besonderer Umstände eine solche Situation gegeben war. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, daß die Gaststätte am Unfallabend nicht gut besucht war und deswegen bereits um 21.45 Uhr geschlossen wurde. Das LSG geht daher zutreffend davon aus, daß der Kläger aufgrund seines chronischen, schon aus der Zeit vor seiner Tätigkeit als Gastwirt herrührenden Alkoholismus aus eigenem Antrieb Alkohol zu sich nahm und der Alkoholkonsum damit betriebsfremd war.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BB 1994, 2209

AuA 2005, 62

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