Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung einer Werkstatt für Behinderte. Auflage. Arbeitsentgelt Klageart

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anerkennung einer Werkstatt für Behinderte darf nicht mit der Auflage versehen werden, daß der Grundbetrag des Arbeitsentgelts im Arbeitsbereich mindestens die Höhe der von der Bundesanstalt für Arbeit im Arbeitstrainingsbereich gewährten Leistung haben muß.

 

Orientierungssatz

1. Bei einer solchen Auflage handelt es sich nicht um eine modifizierende Auflage, so daß nicht die Verpflichtungsklage, sondern die Anfechtungsklage die richtige Klageart ist.

2. Durch die Ausgestaltung des § 13 Abs 2 SchwbWV als "Soll"-Vorschrift wollte der Verordnungsgeber ausschließen, daß Behinderte, die im Arbeitstrainingsbereich nicht lediglich Ausbildungsgeld, sondern das höhere Übergangsgeld erhalten haben, im Arbeitsbereich, auch wenn sie eine entsprechende Arbeitsleistung nicht erbringen können, Leistungen auf gleich hohem Niveau weiterbeziehen.

 

Normenkette

SGB X § 32 Abs. 1, 2 Nr. 4; SchwbG § 55 Abs. 3 Fassung: 1979-10-08; SchwbWV § 17 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1980-08-13, § 18 Abs. 4 Fassung: 1980-08-13; SchwbG § 52 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1979-10-08, § 54 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1986-08-26, § 57 Abs. 3 Fassung: 1986-08-26; SchwbWV § 13 Abs. 2 Fassung: 1980-08-13; SchwbG § 52 Abs. 3 Fassung: 1979-10-08; SGB X § 32 Abs. 3; SchwbWV § 17 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1980-08-13, § 13 Abs. 3 Fassung: 1980-08-13; RehaAnO 1975 § 24 Abs. 5; SGG § 54 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

SG Stuttgart (Entscheidung vom 12.06.1990; Aktenzeichen S 1 Ar 2775/87)

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 26.08.1992; Aktenzeichen L 5 Ar 1994/90)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Auflage im Bescheid über seine Anerkennung als Werkstatt für Behinderte (WfB).

Er unterhält und betreibt als eingetragener Verein, geprägt durch die Glaubensgrundsätze der evangelischen Kirchen und in organisatorischer Anlehnung an diese, Heime und Ausbildungsstätten für Behinderte. Dazu gehört eine WfB mit verschiedenen Zweigwerkstätten iS einer sog Komplexeinrichtung, die bereits 1975 vorläufig als WfB anerkannt worden war. Im November 1980 stellte der Kläger Antrag auf (endgültige) Anerkennung als WfB. Zur Begründung gab er ua an, die zur Zeit beschäftigten Behinderten (insgesamt 406; davon 77 im Arbeitstrainings-, 329 im Arbeitsbereich) erhielten im Arbeitsbereich bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden ein durchschnittliches Monatsarbeitsentgelt von 60,00 DM (mindestens 10,00 DM bis höchstens 232,00 DM); ohne Absicherung im Leistungsrecht der Sozialhilfe und eine im Notfall gegebene Refinanzierungsmöglichkeit durch den Tagessatz sei die Garantie eines Mindestarbeitsentgelts von monatlich 85,00 DM (entsprechend den Leistungen der Beklagten für im Arbeitstrainingsbereich beschäftigte Behinderte) nicht möglich. Die Beklagte anerkannte im Einvernehmen mit dem Beigeladenen die Einrichtungen des Klägers als WfB iS des § 55 Abs 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) aF und der Dritten Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes (Werkstättenverordnung Schwerbehindertengesetz - SchwbWV), verband diese Anerkennung jedoch mit folgenden Auflagen (Bescheid des Präsidenten vom 29. Dezember 1981):

1.

... (sonderpädagogische Zusatzqualifikation der Fachkräfte).

2.

... (Erstellung eines eigenständigen Jahresabschlusses).

3.

... Der Grundbetrag des Arbeitsentgelts der im Arbeitsbereich beschäftigten Behinderten ist so zu erhöhen, daß er die Leistung nicht unterschreitet, die die Bundesanstalt für Arbeit Behinderten im Arbeitstrainingsbereich zuletzt gewährt.

Die Erhöhung des Grundbetrages ist gegenüber dem zuständigen Landesarbeitsamt bis zum 30. September 1982 nachzuweisen.

4.

... (Kenntlichmachung der Anerkennung im Geschäftsverkehr).

Zu Auflage Nr 3 wies die Beklagte auf § 52 Abs 2 SchwbG aF und § 13 Abs 2 SchwbWV hin. Die Übergangsfrist werde zugestanden, um dem Kläger ausreichend Gelegenheit zu geben, die für die Anpassung des Grundbetrages erforderlichen Maßnahmen zu treffen; sie könne verlängert werden, wenn die Verzögerung nicht vom Kläger zu vertreten sei.

Der Kläger wandte sich mit der Klage gegen die Rechtmäßigkeit der dem Anerkennungsbescheid beigefügten Auflagen Nrn 1 bis 3. Während des Klageverfahrens verzichtete die Beklagte auf die Auflage Nr 2 (Bescheid vom 6. Februar 1987), milderte die Auflage Nr 1 ab (Bescheid vom 12. Juni 1990) und bezog weitere Zweigwerkstätten in die Anerkennung der Hauptwerkstatt ein (Bescheide vom 28. Mai 1982, 31. Oktober 1985 und 20. November 1986). Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 1981 - bezüglich der Auflage Nr 1 idF vom 12. Juni 1990 - hinsichtlich der Auflage Nr 3 aufgehoben und die Klage im übrigen abgewiesen (Urteil vom 12. Juni 1990). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 26. August 1992).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Auflage Nr 3 beruhe auf § 32 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) und sei rechtmäßig. Die Beklagte habe sie zu Recht auf § 13 Abs 2 Sätze 2 und 3 SchwbWV gestützt. Diese Vorschrift sei durch die Ermächtigungsgrundlage des § 55 Abs 3 SchwbG aF gedeckt, die ihrerseits iS des Art 80 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) hinreichend bestimmt sei. Die in § 13 Abs 2 Sätze 2 und 3 SchwbWV getroffene Unterscheidung zwischen Grundbetrag und Steigerungsbetrag und die Anbindung des Grundbetrages an die Leistung, die von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) im Arbeitstrainingsbereich gewährt werde (§ 24 Abs 5 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter ≪RehaAnO≫), seien nicht zu beanstanden. Zur gesetzlichen Grundkonzeption der WfB gehöre ein "angemessenes Arbeitsentgelt" (§ 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF). Der Verordnungsgeber habe diese Vorgabe in § 13 Abs 2 SchwbWV aufgegriffen und konsequent weitergeführt. Besonderen Situationen könne durch die Ausgestaltung des § 13 Abs 2 SchwbWV als Sollvorschrift Rechnung getragen werden. Die Regelung des § 13 Abs 2 SchwbWV verstoße nicht gegen das den Religionsgesellschaften durch die Verfassung garantierte Selbstverwaltungsrecht (Art 140 GG, Art 137 Abs 3 Weimarer Reichsverfassung ≪WRV≫). Es bleibe dem Kläger unbenommen, Behinderte in eigenen Einrichtungen gemäß dem kirchlichen Auftrag zu betreuen. Doch könne er sich, wenn er staatliche Anerkennung und Vergünstigungen in Anspruch nehmen wolle, nicht den Mindestschutzbestimmungen zugunsten Behinderter entziehen. Ein anderes Ergebnis lasse sich nicht aus § 17 Abs 1 Satz 2 SchwbWV herleiten. Danach seien von den Anforderungen, die nicht zwingend vorgeschrieben seien, Ausnahmen zuzulassen, wenn ein besonderer sachlicher Grund im Einzelfall eine Abweichung rechtfertige. Indes sei ein solcher Einzelfall hier nicht gegeben. Für sog Komplexeinrichtungen, deren Existenz dem Verordnungsgeber bekannt gewesen sei, seien keine Sonderregelungen vorgesehen worden. Überdies habe sich der Kläger dazu, daß ihm die Zahlung eines an den Leistungen der BA orientierten Grundbetrages nicht möglich sei (seinerzeit 85,00 DM), nicht konkret genug geäußert. Schließlich bedürfe die Auflage Nr 3 in bezug auf das für die Anhebung des Grundbetrages maßgebende Datum (30. September 1982) keiner Änderung. Denn dieses Datum sei durch Zeitablauf hinfällig geworden. Der Kläger hätte die Auflage ohne schuldhaftes Zögern erfüllen müssen.

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung der §§ 52 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 3 SchwbG aF, der §§ 13 Abs 2 und 3, 17 Abs 1 Satz 2 SchwbWV sowie des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG und des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Vorbehaltes des Gesetzes (Art 20 Abs 3 GG). Die Regelung des § 13 Abs 2 Sätze 2 und 3 SchwbWV sei nichtig. Sie werde weder durch § 55 Abs 3 noch durch § 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF getragen. Die Norm des § 55 Abs 3 SchwbG aF ermächtige zum Erlaß einer Rechtsverordnung, die das Nähere über die "fachlichen Anforderungen" einer WfB enthalte. Das in § 13 Abs 2 SchwbWV geregelte Arbeitsentgelt weise hierzu keinen Bezug auf. Gemäß § 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF müsse es den Behinderten ermöglicht werden, ein dem Leistungsvermögen angemessenes Arbeitsentgelt zu erreichen. Dem widerspreche es, wenn ein vom (individuellen) Leistungsvermögen unabhängiges Arbeitsentgelt vorgeschrieben werde. Zudem falle das Arbeitsergebnis, aus dem die Zahlung des Arbeitsentgelts zu erfolgen habe (§ 13 Abs 2 Satz 1, Abs 3 SchwbWV), bei einer WfB mit stationär Behinderten deutlich ungünstiger als bei einer WfB mit externen Behinderten aus. Der Beigeladene sei in Fällen solcher Art zu entsprechender Subventionierung im Rahmen der Pflegesatzvereinbarungen nicht bereit. Selbst wenn eine Regelung des Arbeitsentgelts durch Rechtsverordnung zulässig sei, genügten die §§ 52 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 3 SchwbG aF nicht den Voraussetzungen des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG bzw dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes (Art 20 Abs 3 GG). Der Gesetzgeber hätte zumindest ansatzweise festlegen müssen, nach welchen Kriterien Leistungsvermögen und angemessenes Arbeitsentgelt zu beurteilen seien. Daran fehle es. Selbst wenn die Rechtswirksamkeit der einschlägigen Vorschriften des SchwbG und der SchwbWV unterstellt werde, bleibe die angegriffene Auflage rechtswidrig. Denn das Arbeitsentgelt sei nach der Auflage unabhängig davon zu zahlen, ob das Arbeitsergebnis der WfB dies zulasse oder nicht. Eine solche uneingeschränkte Zahlungsverpflichtung stehe in Widerspruch zu § 13 Abs 3 SchwbWV, der des näheren bestimme, was unter Arbeitsergebnis zu verstehen sei. Schließlich lasse sich die Auflage nicht auf § 32 SGB X stützen. Sie könne nicht sicherstellen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Anerkennungsbescheides erfüllt würden. Denn sie lasse, anders als in § 13 Abs 2 SchwbWV vorgesehen, grundsätzlich keinerlei Ausnahme zu.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, § 13 Abs 2 SchwbWV sei durch die Ermächtigung des § 55 Abs 3 SchwbG aF gedeckt. Auch eine Verletzung des Art 80 Abs 1 Satz 2 iVm Art 20 Abs 3 GG liege nicht vor. Die in § 55 Abs 3 SchwbG aF genannten "fachlichen Anforderungen" und das in § 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF erwähnte "angemessene Arbeitsentgelt" ließen sich nicht voneinander trennen. Eine Aussage des Gesetzgebers zur Höhe des Mindestmaßes der Leistungsfähigkeit sei wegen § 24 Abs 5 RehaAnO nicht notwendig. Richtig sei, daß die Frage der Entgeltzahlung mit der Gesamtkostensituation einer WfB zusammenhänge (Pflegesätze, defizitäre Wirtschaftsergebnisse ua). Dennoch könne dies nicht entscheidungserheblich sein. Denn es gehe um die Sicherstellung eines angemessenen Arbeitsentgelts im Rahmen der Ziele des SchwbG.

Der Beigeladene hat sich weder geäußert noch einen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Frage der Rechtmäßigkeit der mit dem Anerkennungsbescheid vom 29. Dezember 1981 verbundenen Auflage Nr 3. Allerdings hatte sich der Kläger mit der Klage gegen die Rechtmäßigkeit der dem Anerkennungsbescheid beigefügten Auflagen Nrn 1 bis 3 gewandt. Indes hat die Beklagte schon während des Klageverfahrens auf die Auflage Nr 2 verzichtet (Bescheid vom 6. Februar 1987). Die Klage, soweit sie sich gegen die Auflage Nr 1 (idF vom 12. Juni 1990) richtete, ist vom SG abgewiesen worden. Hiergegen hat der Kläger nicht Berufung eingelegt. Das klagabweisende Urteil hinsichtlich der Auflage Nr 1 ist folglich rechtskräftig geworden (§ 141 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Berufung der Beklagten war statthaft (§ 143 SGG). Ausschließungsgründe iS der §§ 144 bis 149 SGG sind nicht gegeben. Insbesondere greifen nicht die Ausschließungsgründe des § 144 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG ein. Denn die Auflage Nr 3 weist nicht die Merkmale der Einmaligkeit bzw der Wirkungsbeschränkung auf dreizehn Wochen (drei Monate) auf (vgl hierzu BSG SozR 3-7815 Art 1 § 2 Nr 1 und BSG vom 23. Juli 1992 - 7 RAr 44/91 - ≪unveröffentlicht≫ jeweils mwN). Auch die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) ist zulässig. Im Fall sog modifizierender Auflagen ist zwar die Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) die richtige Klageart (BVerwGE 55, 135, 137; 56, 254, 256; 65, 139, 141; BSGE 61, 235, 236 f = SozR 2200 § 355 Nr 8). Modifizierende Auflagen sind jedoch dadurch gekennzeichnet, daß sie den Antragsgegenstand (meist eine Genehmigung oder Erlaubnis) qualitativ verändern (modifizieren). Von einer solchen, die eigentliche Anerkennung verändernden Auflage kann bei der Auflage Nr 3 nicht die Rede sein. Sie steht zwar in Zusammenhang mit der Anerkennung. Doch verändert sie den Status des Klägers als WfB nicht qualitativ. Sie zielt lediglich darauf, daß der Kläger den im Arbeitsbereich tätigen Behinderten ein bestimmtes Mindestarbeitsentgelt entrichtet. Sie unterliegt mithin der eigenständigen sozialgerichtlichen Anfechtung. Schließlich bedurfte es vor der Erhebung der Anfechtungsklage nicht der Durchführung eines Vorverfahrens (§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG). Denn insofern findet, da der angefochtene Verwaltungsakt vom Präsidenten der BA erlassen wurde, die Sonderregelung des § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGG Anwendung.

In der Sache selbst hat die Revision des Klägers Erfolg. Die dem Anerkennungsbescheid beigefügte Auflage Nr 3 ist rechtswidrig (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG).

Gemäß § 32 Abs 1 SGB X (§ 36 Abs 1 Verwaltungsverfahrensgesetz ≪VwVfG≫) darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist (Alternative 1) oder wenn sie sicherstellen soll, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden (Alternative 2). Nach § 32 Abs 2 Nr 4 SGB X (§ 36 Abs 2 Nr 4 VwVfG) darf unbeschadet des Absatzes 1 ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht verwirklicht.

Der Anerkennungsbescheid durfte nicht gemäß § 32 Abs 1 Alternative 1 SGB X mit der Auflage Nr 3 versehen werden. Denn eine Nebenbestimmung des Inhalts, wie sie in der Auflage Nr 3 zum Ausdruck kommt, ist weder durch das SchwbG alter Fassung (vom 8. Oktober 1979 ≪BGBl I 1649≫) oder neuer Fassung (vom 26. August 1986 ≪BGBl I 1421, 1550≫) noch durch die SchwbWV (vom 13. August 1980 ≪BGBl I 1365≫) zugelassen worden. Das SchwbG selbst enthält keine Vorschriften über den Erlaß von Nebenbestimmungen, und zwar weder in seiner alten noch in seiner neuen Fassung. Allerdings ermächtigt es in § 55 Abs 3 SchwbG aF (§ 57 Abs 3 SchwbG nF) die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres über die fachlichen Anforderungen der WfB und über das Verfahren zur Anerkennung zu bestimmen. Die Bundesregierung hat von dieser Ermächtigung mit Zustimmung des Bundesrates durch Erlaß der SchwbWV Gebrauch gemacht. Diese Verordnung sieht im Zweiten Abschnitt ("Verfahren zur Anerkennung als Werkstatt für Behinderte") die Erteilung von Auflagen in zwei Fällen vor: Zum einen können Werkstätten im Aufbau, die die Anforderungen nach § 17 Abs 1 SchwbWV noch nicht voll erfüllen, aber bereit und in der Lage sind, die Anforderungen in einer vertretbaren Anlaufzeit zu erfüllen, unter Auflagen befristet anerkannt werden (§ 17 Abs 3 Satz 1 SchwbWV). Zum anderen erfolgt die Anerkennung (immer) mit der Auflage, im Geschäftsverkehr auf die Anerkennung als WfB hinzuweisen (§ 18 Abs 4 SchwbWV), was auch hier geschehen ist, nämlich mit der vom Kläger nicht angegriffenen Auflage Nr 4. Sowohl § 17 Abs 3 Satz 1 als auch § 18 Abs 4 SchwbWV scheiden als Ermächtigungsgrundlage für die hier umstrittene Auflage Nr 3 von vornherein aus.

Die Auflage Nr 3 läßt sich auch nicht auf Abs 1 Alternative 2 oder auf Abs 2 Nr 4 des § 32 SGB X stützen. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der Anerkennung um eine gebundene Entscheidung mit der Folge handelt, daß § 32 Abs 1 Alternative 2 SGB X anzuwenden ist, oder um eine Ermessensentscheidung mit der Konsequenz, daß § 32 Abs 2 Nr 4 SGB X zum Tragen kommt. Denn auch im Rahmen des § 32 Abs 2 Nr 4 SGB X hat eine Nebenbestimmung - ebenso wie nach § 32 Abs 1 Alternative 2 SGB X - der Sicherung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen zu dienen (Stelkens/Bonk/Leonhardt, Komm zum VwVfG, 3. Aufl 1990, § 36 Rz 62; Hauck/Haines, Komm zum SGB X/1, 2, Stand Januar 1993, § 32 Rz 15). Die Auflage Nr 3 weist eine solche Sicherungsfunktion nicht auf.

Auflagen sind, wie angedeutet, Verfügungen, durch die dem durch den Verwaltungsakt Begünstigten ein Tun, Handeln oder Unterlassen vorgeschrieben wird (§ 32 Abs 2 Nr 4 SGB X; § 36 Abs 2 Nr 4 VwVfG). Anders als die Bedingung, von deren Erfüllung der Bestand der Begünstigung abhängt, verpflichtet die Auflage den Begünstigten lediglich zur Erfüllung der Auflage als solcher. Folgerichtig kann die Erfüllung der Auflage mit Mitteln des Verwaltungszwanges durchgesetzt werden. Das Rechtsinstitut der Auflage soll der Verwaltung ermöglichen, Nachteile zu verhindern, die der Allgemeinheit oder Einzelnen aus der Begünstigung entstehen; sie wird auch verwendet, um die Erfüllung noch nicht gegebener Voraussetzungen der Begünstigung zu gewährleisten oder den Eintritt von Tatsachen zu verhindern, die zur Rücknahme der Erlaubnis führen müssen. Der Sinn der Auflage besteht hiernach darin, dem Begünstigten eine besondere Verpflichtung, dh ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen aufzuerlegen, das sich nicht von selbst versteht, also nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar aus dem Gesetz hervorgeht (BSG SozR 3-7815 Art 1 § 2 Nr 1).

Die Auflage Nr 3 findet ihre Rechtfertigung nicht in der vom Gesetzgeber vorgegebenen Ordnung des Schwerbehindertenrechts. Sie steht weder mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes noch mit den speziellen Vorschriften des Verordnungsgebers betreffend die Erreichung eines angemessenen Arbeitsentgelts durch Behinderte in einer WfB in Einklang.

Nach der allgemeinen Zielsetzung des SchwbG muß die Werkstatt es den Behinderten ermöglichen, ihre Leistungsfähigkeit zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und ein dem Leistungsvermögen angemessenes Arbeitsentgelt zu erreichen (§ 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF; § 54 Abs 2 Satz 1 SchwbG nF). Die Auflage Nr 3 ist nicht in der Lage, dieses Ziel zu realisieren. Die Beklagte verlangt mit ihr, daß der Kläger den Grundbetrag des Arbeitsentgelts der im Arbeitsbereich beschäftigten Behinderten so erhöht, "daß er die Leistung nicht unterschreitet, die die BA Behinderten im Arbeitstrainingsbereich zuletzt gewährt". Damit orientiert sich die Höhe des Grundbetrages allgemein und ausnahmslos am Niveau der von der BA im Arbeitsbereich zuletzt gewährten Leistungen. Die Auflage differenziert nicht danach, um welche Leistungen es sich hierbei handelt (zB Übergangsgeld ≪Übg≫ oder Ausbildungsgeld) und in welcher Höhe diese Leistungen gewährt wurden. Auf diese Weise läßt sich ein dem konkreten Leistungsvermögen des Behinderten angepaßtes Arbeitsentgelt nicht sicherstellen. Denn Maßstab für die Höhe des Grundbetrages des Arbeitsentgelts soll nach der Auflage gerade nicht die im Arbeitsbereich tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung, sondern die Höhe der von der BA im Arbeitstrainingsbereich zuletzt gewährten Leistung sein. Das kann im Einzelfall bedeuten: Die WfB hat den Grundbetrag für einen Behinderten, der im Arbeitstrainingsbereich nicht Ausbildungsgeld (§ 24 Abs 5 RehaAnO idF der 6. ÄndAnO vom 23. Juli 1981 ≪ANBA 1981, 1142≫), sondern das im allgemeinen höhere Übg (§ 59 Arbeitsförderungsgesetz iVm § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 6 und § 25 Nr 3 RehaAnO) bezogen hat, ungeachtet des im Arbeitsbereich erbrachten Arbeitsergebnisses auf die Höhe des im Arbeitstrainingsbereich gewährten Übg anzuheben. Ein solches Ergebnis stellt die allgemeine Zielsetzung des § 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF (§ 54 Abs 2 Satz 1 SchwbG nF) nicht nur nicht sicher. Es läuft ihr zuwider. Dies steht zugleich in Widerspruch zu § 32 Abs 3 SGB X, wonach eine Nebenbestimmung dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen darf. Derselbe Effekt kann im übrigen eintreten, wenn die BA dem Behinderten zuletzt nicht Übg, sondern Ausbildungsgeld gezahlt hat.

Ebensowenig findet die Auflage Nr 3 ihre Rechtfertigung in den speziellen Vorschriften der SchwbWV, die sich ihrerseits auf die Ermächtigung des § 55 Abs 3 SchwbG aF (§ 57 Abs 3 SchwbG nF) stützen. Das gilt zunächst für § 13 Abs 2 SchwbWV.

Nach dieser Vorschrift soll sich das Arbeitsentgelt iS des § 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF (§ 54 Abs 2 Satz 1 SchwbG nF), das an die im Arbeitsbereich beschäftigten Behinderten zu zahlen ist, aus einem Grundbetrag und, soweit der zur Auszahlung zur Verfügung stehende Betrag die Zahlung eines weiteren Betrages zuläßt, einem Steigerungsbetrag zusammensetzen (Satz 2). Der Grundbetrag soll einheitlich sein; er soll der Höhe nach die Leistung nicht unterschreiten, die die BA Behinderten im Arbeitstrainingsbereich nach den für sie geltenden Leistungsvorschriften zuletzt gewährt (Satz 3).

Dahinstehen kann, ob sich § 13 Abs 2 SchwbWV innerhalb der Ermächtigung des § 55 Abs 3 SchwbG aF (§ 57 Abs 3 SchwbG nF) hält, was der Kläger in Zweifel zieht. Bedenken ergeben sich daraus, daß Fragen des Arbeitsentgelts nicht ohne weiteres mit Fragen der fachlichen Anforderung gleichgesetzt werden können. Auch die Bundesregierung scheint dies gesehen zu haben. Denn im Rahmen einer sog Kleinen Anfrage erklärte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung am 22. Juni 1976 ua: "Die im Bereich der WfB zur Zeit allgemein diskutierten Fragen ... betreffen in der Hauptsache die individuellen Leistungen an die in der Werkstatt tätigen Behinderten, insbesondere Lohnfragen und die Deckung eines verbleibenden Defizits. Diese Probleme gehen aber über den Umfang der in § 55 Abs 3 SchwbG der Bundesregierung erteilten Ermächtigung weit hinaus. Diese Ermächtigung erstreckt sich ausschließlich auf die fachlichen Anforderungen an die Werkstatt und das Verfahren zur Anerkennung. Fragen der Finanzierung können also mit der in § 55 Abs 3 vorgesehenen Rechtsverordnung nicht gelöst werden" (BT-Drucks 7/5483 S 2). Des weiteren braucht der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob § 55 Abs 3 SchwbG aF (§ 57 Abs 3 SchwbG nF) seinerseits den Voraussetzungen des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG bzw dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes (Art 20 Abs 3 GG) genügt. Dies ist, soweit es um das Arbeitsentgelt der Behinderten in einer WfB geht, insofern fraglich, als der Gesetzgeber selbst keine Kriterien aufgestellt hat, nach denen sich die Frage des angemessenen Arbeitsentgelts beurteilen läßt. Schließlich kann unerörtert bleiben, ob § 55 Abs 3 SchwbG aF (§ 57 Abs 3 SchwbG nF) mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Art 140 GG, 137 Abs 3 WRV übereinstimmt. Denn die Auflage Nr 3 entspricht bereits nicht den vom Verordnungsgeber in § 13 Abs 2 SchwbWV aufgestellten Voraussetzungen.

Die Regierungsbegründung zu § 13 Abs 2 SchwbWV stellt ua heraus, das Arbeitsentgelt gemäß § 52 SchwbG aF müsse leistungsorientiert sein. Es müsse nach der individuellen Leistung des einzelnen Behinderten bemessen werden. Das schließe einen einheitlichen Sockelbetrag nicht aus. Dieser "Grundbetrag" solle seiner Höhe nach so bemessen sein, daß im Arbeitsbereich der Werkstatt kein geringeres Arbeitsentgelt gezahlt werde als die Leistung, die für die überwiegende Zahl der Behinderten im Arbeitstrainingsbereich als Rehabilitationsleistung gewährt werde (§ 24 Abs 5 RehaAnO). Nicht sichergestellt werden könne, daß jeder einzelne Behinderte im Arbeitstrainingsbereich eine gleich hohe Leistung von der Werkstatt erhalte wie vom zuständigen beruflichen Rehabilitationsträger im Arbeitstrainingsbereich. Das sei namentlich in den Sonderfällen nicht möglich, in denen der Behinderte von einem Träger der beruflichen Rehabilitation während des Durchlaufens des Arbeitstrainingsbereichs ein Übg und nicht ein - weitaus niedrigeres - Ausbildungsgeld erhalte (BR-Drucks 554/79 S 34 zu Abs 2; vgl auch Cramer, Die neue Werkstättenverordnung, 1981, § 13 Rz 12).

Durch die Ausgestaltung des § 13 Abs 2 SchwbWV als "Soll"-Vorschrift wollte der Verordnungsgeber somit ausschließen, daß Behinderte, die im Arbeitstrainingsbereich nicht lediglich Ausbildungsgeld, sondern das höhere Übg erhalten haben, im Arbeitsbereich, auch wenn sie eine entsprechende Arbeitsleistung nicht erbringen können, Leistungen auf gleich hohem Niveau weiterbeziehen. Gerade diese erkennbar nicht gewünschte Rechtsfolge träte jedoch ein, wenn der Kläger die Auflage Nr 3 in bezug auf solche Behinderte zu befolgen hätte, die zuvor im Arbeitstrainingsbereich nicht Ausbildungsgeld, sondern Übg erhalten haben. Schon diese inhaltliche Unbestimmtheit läßt die Auflage Nr 3 als rechtswidrig erscheinen. Denn eine Auflage muß - wie jeder andere Verwaltungsakt - inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 33 Abs 1 SGB X).

Selbst wenn man davon ausgeht, die Beklagte habe den im Arbeitsbereich zu zahlenden Grundbetrag lediglich in Höhe des im Arbeitstrainingsbereich zuletzt gewährten Ausbildungsgeldes festschreiben wollen, kann die Auflage Nr 3 keinen Bestand haben. Durch die Anerkennung hat die WfB sich verpflichtet, die Vorgaben des SchwbG, darunter § 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF (§ 54 Abs 2 Satz 1 SchwbG nF), zu verwirklichen, wonach die Gewährung eines dem Leistungsvermögen des Behinderten angemessenen Arbeitsentgelts zu den Kernaufgaben der WfB gehört (Cramer, Komm zum SchwbG, 4. Aufl 1992, § 13 SchwbWV Rz 7; Schulin, Der rechtliche Schutz des Anspruchs des Behinderten auf Arbeitsentgelt in Werkstätten für Behinderte, 1986, S 22 ff). Indessen ist die Mindesthöhe des Arbeitsentgelts vom Gesetz nicht vorgeschrieben worden. Es fällt daher in den Aufgabenbereich des einzelnen Trägers einer WfB, die Rahmenbedingungen der WfB so zu gestalten, daß jeder Behinderte in den Stand gesetzt wird, ein seinem Leistungsvermögen angemessenes Arbeitsentgelt zu erzielen. Auf der anderen Seite braucht der Träger nicht dafür einzustehen, daß der einzelne Behinderte tatsächlich ein bestimmtes Arbeitsentgelt erarbeitet. Das läßt sich aus § 52 Abs 3 SchwbG aF (§ 54 Abs 3 SchwbG nF) ableiten. Danach soll die Werkstatt allen Behinderten unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offenstehen, sofern sie in der Lage sind, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Wirtschaftlich verwertbar ist eine Arbeitsleistung schon dann, wenn das Ergebnis der Arbeitsleistung wirtschaftlichen Wert besitzt, sich also beispielsweise als Ware oder Dienstleistung verkaufen läßt (BSG SozR 4100 § 58 Nr 14; Neubert/Becke, SchwbG, 2. Aufl 1986, § 54 Rz 9). Hingegen besteht ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung, anders als die Beklagte anzunehmen scheint, nicht erst dann, wenn der (monatliche) Wert der Arbeitsleistung seiner Höhe nach den Wert des Ausbildungsgeldes erreicht, das die BA im Arbeitstrainingsbereich zuletzt gewährt hat. Ein solcher Zusammenhang läßt sich zwischen Abs 2 Satz 1 und Abs 3 des § 52 SchwbG aF (§ 54 SchwbG nF) jedenfalls nicht für sämtliche in einer WfB beschäftigten Behinderten herstellen.

Das ergibt sich vor allem aus Sinn und Zweck des § 52 Abs 3 SchwbG aF (§ 54 Abs 3 SchwbG nF). Dessen Zielsetzung ist es, die reinen Pflege- und Aufbewahrungsfälle von der Aufnahme in eine WfB auszuschließen (Wiegand, Komm zum SchwbG, Stand Oktober 1992, Bd II, § 52 Rz 22). Es ist deshalb nicht erforderlich, daß Arbeit und Arbeitsergebnis in einem wirtschaftlichen Verhältnis zueinander stehen (Fuchs, Das neue SchwbG, 1986, § 54 Anm 3). Der Behinderte muß lediglich eine Tätigkeit erbringen können, die wirtschaftlich zu verwerten ist, mag der Aufwand hierfür auch unverhältnismäßig sein und damit keinen wirtschaftlichen Nutzen bringen (Neumann/Pahlen, Komm zum SchwbG, 8. Aufl 1992, § 54 Rz 16). Hiermit stimmt überein, daß § 5 Abs 1 Nr 7 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - und § 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung allein an die Tätigkeit in einer anerkannten WfB knüpfen und es insoweit unerheblich ist, in welchem Umfang Entgelt erzielt wird (Kass Komm, Sozialversicherungsrecht, Stand August 1992, Bd I, § 5 SGB V Rz 77; vgl auch BSGE 46, 244, 246 = SozR 4100 § 168 Nr 7).

Zwar mag es vertretbar erscheinen, die Höhe des von der BA im Arbeitstrainingsbereich zuletzt gewährten Ausbildungsgeldes im Wege einer typisierenden Betrachtung als das Arbeitsentgelt anzusehen, das im allgemeinen dem Leistungsvermögen eines in einer anerkannten Werkstatt beschäftigten Behinderten entspricht. Jedoch darf die Auflage nicht den Inhalt haben, daß der Grundbetrag mit der Höhe des im Arbeitstrainingsbereich zuletzt gezahlten Ausbildungsgeldes ausnahmslos deckungsgleich zu sein hat. Ein solch einschränkungsloses Gebot läßt sich weder § 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF (§ 54 Abs 2 Satz 1 SchwbG nF) entnehmen, der von "angemessenem Arbeitsentgelt" spricht, noch § 13 Abs 2 Satz 3 SchwbWV, der zwischen der Höhe des Grundbetrages im Arbeitsbereich und der im Arbeitstrainingsbereich zuletzt gewährten Leistung lediglich einen "Soll"-Zusammenhang aufstellt.

Hinzu kommt, daß die Zugangsvoraussetzungen zur WfB durch den Gesetzgeber festgelegt worden sind, die Höhe des Ausbildungsgeldes dagegen durch den Anordnungsgeber bestimmt wird. Der Kreis derjenigen Behinderten, die gemäß § 52 Abs 3 SchwbG aF (§ 54 Abs 3 SchwbG nF) in einer WfB Aufnahme finden können, darf nicht, auch nicht mittelbar, vom Anordnungsgeber durch Einflußnahme auf die Höhe des Arbeitsentgelts, abgegrenzt werden. Diese Folge könnte jedoch faktisch eintreten, wenn die Auflage Nr 3 als Rechtens erachtet würde. Denn bei strikter Befolgung der Auflage könnten uU all diejenigen Behinderten, deren Leistungen im Arbeitsbereich eine Entlohnung in Höhe des Ausbildungsgeldes nicht zulassen, in der WfB nicht mehr beschäftigt werden, weil sie iS der Auflage das in § 52 Abs 3 SchwbG aF (§ 54 Abs 3 SchwbG nF) verlangte Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung nicht erbringen. Eine solche Konsequenz verträgt sich nicht mit § 52 Abs 3 SchwbG aF (§ 54 Abs 3 SchwbG nF). Denn nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist ein Behinderter, auch wenn er trotz aller gebotenen Möglichkeiten kein angemessenes Arbeitsentgelt zu erzielen vermag, weiter zu beschäftigen, solange nur seine Arbeitsleistung überhaupt wirtschaftlich verwertbar ist und bleibt (Neumann/Pahlen, aaO, § 54 Rz 13). Hierfür gibt es keine in DM-Beträgen ausdrückbaren Untergrenzen.

Eine Auflage iS der Nr 3 könnte allenfalls dann den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, wenn sie den vorerwähnten Ausnahmemöglichkeiten Rechnung trüge. Das könnte etwa derart geschehen, daß der WfB die Pflicht auferlegt wird, im Einzelfall des näheren zu begründen, weshalb kein dem zuletzt gewährten Ausbildungsgeld entsprechender Grundbetrag gewährt werden kann. Zu einer solch differenzierten Vorgehensweise ist die Beklagte kraft ausdrücklicher Regelung verpflichtet. Denn nach § 17 Abs 1 Satz 2 SchwbWV sind von Anforderungen, die nicht zwingend vorgeschrieben sind, Ausnahmen zuzulassen, wenn ein besonderer sachlicher Grund im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigt. Diesem Auftrag des Verordnungsgebers ist die Beklagte vorliegend nicht gerecht geworden.

Da die Auflage Nr 3 rechtswidrig ist, kommt es nicht auf die Frage an, ob auch in bezug auf sie das Einvernehmen mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe hergestellt worden ist (§ 55 Abs 1 Satz 2 SchwbG aF; § 57 Abs 1 Satz 2 SchwbG nF).

Die Auffassung des Senats über die Rechtswidrigkeit der streitigen Auflage wird auch von Erwägungen getragen, die sich hier zwangsläufig anhand der Regelungen in § 13 Abs 2 Satz 1 und Abs 3 SchwbWV stellen. Die Vorschrift des § 13 Abs 2 Satz 1 SchwbWV bestimmt, daß das Arbeitsentgelt iS des § 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF (§ 54 Abs 2 Satz 1 SchwbG nF) aus dem Arbeitsergebnis der WfB zu zahlen ist. Nach § 13 Abs 3 SchwbWV ist Arbeitsergebnis iS des § 13 Abs 2 SchwbWV das von der Werkstatt erwirtschaftete Arbeitsergebnis nach Abzug der Kosten, die durch Leistungen der zuständigen Sozialleistungsträger oder von dritter Seite nicht gedeckt werden, sowie nach Rückstellung der zum Ausgleich von Ertragsschwankungen notwendigen Mittel. Obgleich abschließende Feststellungen fehlen, spricht vieles dafür, daß die Auflage Nr 3 diesen Vorschriften nicht ausreichend Rechnung trägt.

Die finanzielle Situation einer WfB gestattet keine Entlohnung wie in einem normalen Wirtschaftsbetrieb. Der Grund ist ua darin zu erblicken, daß eine WfB - von den eigenen Erträgen abgesehen - weitgehend über Pflegesätze finanziert wird (§§ 39 ff Bundessozialhilfegesetz). Es ist zweifelhaft, ob diese das von der Werkstatt an die Behinderten zu zahlende Arbeitsentgelt umfassen (vgl hierzu Gitter, Der Anspruch der Behinderten auf Arbeitsentgelt in Werkstätten für Behinderte, 1988, S 39 ff; Schulin, aaO, S 68). Sicherlich müssen die Werkstätten einen Teil der erzielten Einnahmen zur Deckung des Aufwandes der Sozialhilfeträger wieder einsetzen; zum Teil bemessen Sozialhilfeträger die Pflegesätze von vornherein so niedrig, daß die WfB zusätzliche Erträge erwirtschaften muß, um kostendeckend zu arbeiten (BT-Drucks 11/5529 S 11 ff; Lachwitz, SGb 1986, 547 ff; ders, SozSich 1987, 69 ff). Unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen Rücklagen (§ 13 Abs 3 SchwbWV) führt das angeblich dazu, daß kaum eine WfB wirtschaftlichen Gewinn abwirft (Wendt, AuR 1989, 128, 130). Besonders schwierig erscheint die finanzielle Situation sog Komplexeinrichtungen, zu denen die Einrichtungen des Klägers gehören. Die Erlöse einer Werkstatt mit stationär Behinderten sind noch geringer als die Erlöse einer Werkstatt mit externen Behinderten. Insoweit hätte die Beklagte als zuständige Anerkennungsbehörde die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers schon vor Erlaß der Auflage Nr 3 prüfen müssen. Denn allenfalls dann, wenn das Arbeitsergebnis der WfB des Klägers ausreichte, um den Behinderten ein Arbeitsentgelt in Höhe des zuletzt gewährten Ausbildungsgeldes zu zahlen, hätte sie ihren Anerkennungsbescheid mit einer entsprechenden Auflage versehen dürfen. Da es auf diese Frage vorliegend allerdings nicht mehr ankommt, bedurfte es insoweit keiner Zurückverweisung an das LSG.

Im Bundesrat wurden die Schwierigkeiten, die mit der Entgeltsituation der Behinderten in einer WfB verbunden sind, bereits vor längerer Zeit erkannt. Ein Gesetzesantrag des Landes Berlin versuchte, die unbefriedigende Situation im Wege einer Novellierung der §§ 11, 54 SchwbG nF zu verändern (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schwerbehindertengesetzes vom 30. Oktober 1987, BR-Drucks 454/87 S 1 f). Die Vorschrift des § 11 Abs 1 Satz 1 SchwbG nF sollte lauten: "Die Ausgleichsabgabe darf nur für Zwecke der Arbeits- und Berufsförderung Schwerbehinderter und für Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeits- und Berufsleben (§ 31 Abs 1 Nr 3), soweit Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu gewähren sind oder gewährt werden, sowie für die Erstattung des Grundbetrages nach § 54 Abs 3 verwendet werden". Die Bestimmungen des § 54 Abs 3 und 4 SchwbG nF sollten folgende Fassung erhalten: "(3) Die Werkstatt zahlt an die im Arbeitsbereich beschäftigten Behinderten ein dem Leistungsvermögen angemessenes Arbeitsentgelt, daß sich aus einem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag zusammensetzt. Der Grundbetrag ist einheitlich. Er entspricht der Höhe nach dem Ausbildungsgeld, das die Bundesanstalt für Arbeit Behinderten im Arbeitstrainingsbereich nach den für sie geltenden Leistungsvorschriften zuletzt gewährt. Er ist der Werkstatt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe (§ 11) zu erstatten. Der Steigerungsbetrag ist nach dem individuellen Leistungsvermögen der Behinderten zu bemessen, wie es sich in der tatsächlichen Arbeitsleistung niederschlägt, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte; er ist aus dem von der Werkstatt erwirtschafteten Arbeitsergebnis zu zahlen. (4) Soweit bei der Gewährung von Sozialleistungen aufgrund von Rechtsvorschriften Einkommen anzurechnen ist, bleibt der Grundbetrag unberücksichtigt".

Mit diesem Antrag sollte sichergestellt werden, daß auch leistungsschwächere Behinderte zumindest in den Genuß des Grundbetrages (§ 13 Abs 2 Sätze 2 und 3 SchwbWV) kommen, und zwar mit Hilfe der Ausgleichsabgabe. Der Gesetzentwurf scheint nicht die Unterstützung anderer Bundesländer gefunden zu haben. Jedenfalls ist er aufgrund Ablaufes der Wahlperiode nicht Gesetz geworden. Die Tatsache, daß er überhaupt eingebracht wurde, bestätigt jedoch mittelbar, daß nach der gegenwärtigen Rechtslage kaum für alle in einer WfB tätigen Behinderten ein Arbeitsentgelt zu gewährleisten ist, das seiner Höhe nach dem im Arbeitstrainingsbereich zuletzt gewährten Ausbildungsgeld entspricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 187

RsDE 1994, 67

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