Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 28.02.1996; Aktenzeichen L 4 Kr 79/94)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. Februar 1996 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht in der durch die §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten Form begründet worden. Sie ist deshalb ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30). Die Beschwerdeführerin behauptet zwar, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Damit ist der in § 160 Abs 2 Nr 1 SGG vorgesehene Zulassungsgrund aber nicht so dargelegt und bezeichnet, wie § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dies verlangt. Zur Begründung der Grundsätzlichkeit einer Rechtssache muß erläutert werden, daß und warum in dem angestrebten Revisionsverfahren eine Rechtsfrage erheblich sein würde, die klärungsbedürftig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13) und über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat (BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form im Sinne des § 169 Satz 1 SGG (BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48).

Die Beschwerde ist in diesem Sinne nicht formgerecht begründet. Die Beschwerdeführerin räumt ein, daß sich das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ (dort S 7) an mehreren „näher aufgeführten Entscheidungen des Bundessozialgerichts” (BSG) orientiert, meint aber, diese Entscheidungen bedürften einer Überprüfung: Die bisherige Rechtsprechung löse die Problematik auf der rein mathematischen Grundlage von „14 oder mehr Verrichtungen”, ohne eine Gewichtung dieser Verrichtungen und ihrer unterschiedlichen Bedeutung für den täglichen Lebensablauf des Pflegebedürftigen vorzunehmen. In der nach der bisherigen Rechtsprechung vorgenommenen Art und Weise sei das unerträglich und führe zwangsläufig zu wirklichkeitsfremden Ergebnissen.

Dieser Vortrag ist in doppelter Hinsicht unzureichend. Bei den vom LSG angeführten „Entscheidungen” handelt es sich um die ständige Rechtsprechung des Senats zu den §§ 53 ff Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch ≪SGB V≫ (vgl zuletzt auch Urteile vom 27. März 1996, 3 RK 17/95 und vom 17. April 1996, 3 RK 28/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Hat das BSG – wie hier – eine bestimmte grundsätzliche Frage längst entschieden, schließt das zwar nicht aus, diese Rechtsfrage erneut zur Entscheidung zu stellen, insbesondere wenn die betreffende Rechtsprechung seither erheblicher Kritik ausgesetzt gewesen ist, andere Gerichte abweichend entschieden oder zumindest Bedenken geäußert haben; immer müssen aber erhebliche neue Gesichtspunkte vorgetragen werden (BSG SozR § 162 Nr 194; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Die erwähnte ständige Rechtsprechung nimmt zur Feststellung der Schwerpflegebedürftigkeit nach § 53 SGB V auf einer ersten Stufe zwar eine Art „schematisierte” Prüfung vor, ergänzt dies auf einer zweiten Stufe bei der Frage des „Gleichstellungssachverhalts” aber durch eine Gesamtbetrachtung mit Gewichtung. Von daher hätte die Klägerin zumindest darlegen müssen, warum diese Rechtsprechung zur ersten Stufe trotz der geschilderten zweiten Stufe mit ihrer gewichtenden Gesamtbetrachtung einer Korrektur bedarf. Im übrigen fehlt die Darlegung, daß die zur ersten Stufe formulierte Rechtsfrage vom Senat bei Zulassung der Revision zu entscheiden ist, obgleich das LSG einen Pflegebedarf bei 11 Verrichtungen anerkannt und die Klage allein deshalb abgewiesen hat, weil kein Gleichstellungssachverhalt vorliege.

Soweit die Klägerin die Rechtsprechung des Senats zur Frage des „Gleichstellungssachverhalts” angreift (vgl S 1 des Schriftsatzes vom 10. Mai 1996: „insbesondere”), fehlt es schon an der Formulierung einer Rechtsfrage. Selbst wenn das Vorbringen zur Beaufsichtigung iS einer Rechtsfrage verstanden werden könnte, hätte die erforderliche Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine Auseinandersetzung mit der Auffassung des Senats zum Problem der Beaufsichtigung und der Rufbereitschaft (vgl BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 7, zuletzt entsprechend: BSG vom 27. März 1996, 3 RK 17/95) erfordert.

Überdies fehlt die Darlegung, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist, obgleich sie nicht mehr geltende Rechtsvorschriften betrifft. Denn durch die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Sozialgesetzbuch – Elftes Buch (SGB XI) zum 1. Januar 1995 handelt es sich bei den Regelungen der §§ 53 ff SGB V inzwischen um ausgelaufenes Recht. In einem solchen Fall muß zum Nachweis der grundsätzlichen Bedeutung des angestrebten Revisionsverfahrens dargelegt werden, daß die angeschnittene Rechtsfrage nicht nur für diesen Fall, sondern auch noch für andere zahlenmäßig nicht unerhebliche gleichartige (Alt-)Streitfälle oder aber für das neue Recht weiterhin von Bedeutung ist (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 19 und 58). Zu beidem hat die Klägerin aber nichts vorgetragen.

Soweit die Klägerin das Urteil des LSG hinsichtlich der von diesem vorgenommenen Wertungen bei der zweiten Stufe der Prüfung „Gleichstellungssachverhalt”) angreift, betrifft dies eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG), was nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG jedoch unzulässig ist. Soweit die Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 1. Oktober 1996 eine Divergenz vorträgt (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), ist dieser Schriftsatz nicht mehr innerhalb der Begründungsfrist von zwei Monaten nach Zustellung des LSG-Urteils am 15. März 1996 eingegangen (§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 103 SGG in entsprechender Anwendung.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173646

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