Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung des rechtlichen Gehörs

 

Orientierungssatz

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, wenn die im Verfahren gegebenen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, hier ein Vertagungsantrag, nicht genutzt werden.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3, § 62; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 05.04.1990; Aktenzeichen L 3 J 68/89)

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 5. April 1990 ist unzulässig, weil der Kläger seine Beschwerde nicht substantiiert begründet hat.

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung, Divergenz oder Verfahrensfehler - zugelassen werden. Der Kläger hat sich auf einen Verfahrensfehler berufen. In der Beschwerdebegründung muß jedoch der Verfahrensmangel "bezeichnet" werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Der Kläger sieht einen Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils darin, daß das Landessozialgericht (LSG) seine Entscheidung im wesentlichen auf Beweisergebnisse gestützt hat, die sich erst am Tag der mündlichen Verhandlung ergaben. Wegen der vielfältigen fachspezifischen Sachverständigenäußerungen sei es dem Kläger nicht möglich gewesen, hierzu ausreichend Stellung zu nehmen. Ihm hätte eine ausreichende Frist zur schriftlichen Stellungnahme und Auseinandersetzung eingeräumt werden müssen. Durch diese Verletzungen des rechtlichen Gehörs sei er, der Kläger, außerstande gewesen, die Feststellungen des berufskundlichen Sachverständigen durch den Nachweis zu widerlegen, daß er aufgrund seiner multiplen Erkrankungen und seiner Persönlichkeitsstörungen gerade nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Frage, ob er auf die Verweisungstätigkeiten im Bereich von Montage- und Maschinentätigkeiten sowie Tätigkeiten als Wächter und Aufseher verwiesen werden könne. Der Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§§ 62, 128 Abs 2 SGG, Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes ≪GG≫) ist indessen schon dann nicht hinreichend bezeichnet iS von § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, wenn nicht angegeben wird, welches Vorbringen verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Das Urteil des LSG ist dem Kläger am 2. Mai 1990 zugestellt worden. Weder in seinem Schriftsatz vom 31. Juli 1990 noch später hat er dargetan, was er vorgetragen hätte und was von seinem Vorbringen das LSG zu weiteren Beweisaufnahmen oder zu einer anderen Auffassung über den Gesundheits- und Leistungszustand des Klägers veranlaßt haben könnte, wäre vom LSG neuer Termin bestimmt worden. Der Vortrag des Klägers, er hätte, wenn ihm weiteres Gehör gewährt worden wäre, die Feststellungen des berufskundlichen Sachverständigen widerlegt, ist keine solche Darlegung, sondern kündigt konkrete Darlegungen lediglich an.

Im übrigen liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vor, wenn die im Verfahren gegebenen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, nicht genutzt werden. Insoweit hätte der Kläger im Termin Vertagungsantrag stellen können, wenn er sich außerstande gesehen hat, die neu erhobenen Beweise zu würdigen. Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist dabei nur dann hinreichend dargelegt, wenn ein entsprechender Vertagungsantrag in der Beschwerdebegründung so genau bezeichnet ist, daß er für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbar ist. Für den Vertagungsantrag gilt nichts anderes als für den Beweisantrag im Rahmen der Rüge einer Verletzung des § 103 SGG (vgl zu dieser Rüge BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, daß er einen solchen Vertagungsantrag überhaupt gestellt hat.

Die Beschwerde des Klägers ist damit unzulässig und durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§§ 202 SGG iVm 574 der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫ und § 169 SGG analog, vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG aaO Nr 30).

Da die Rechtsverfolgung des Klägers somit keine Aussicht auf Erfolg hat, ist die Gewährung von Prozeßkostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§§ 73a SGG, 114 Satz 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174001

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