Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 30.09.1992)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. September 1992 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) kann nur aus den in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Gründen zugelassen werden, von denen der Kläger hier die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Abs 2 Nr 1 aaO) sowie das Vorliegen verschiedener Verfahrensmängel (Abs 2 Nr 3 aaO) geltend macht.

Soweit unter Punkt 3 und 5 der Beschwerdebegründung ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht gerügt wird, ist die Beschwerde unzulässig, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht hinreichend iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG „bezeichnet” worden ist. Eine Verfahrensrüge kann auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 letzter Halbs SGG). Hinsichtlich der behaupteten Aufklärungsmängel sind keine Beweisanträge angegeben worden, so daß die Beschwerdebegründung den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt.

Einen Mangel des Berufungsverfahrens sieht der Kläger weiter darin, daß das LSG entgegen § 227 Abs 2 Satz 1 Halbs 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) keine Entscheidung über seinen Vertagungsantrag getroffen und trotz Verhinderung seines Prozeßbevollmächtigten in der Sache verhandelt und entschieden habe. Auch insoweit ist jedoch ein Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Was den ersten Punkt anlangt, übersieht die Beschwerde, daß das Berufungsgericht mit dem Erlaß des angefochtenen Urteils inzident – im Sinne der Ablehnung – auch über den Vertagungsantrag mit befunden hat. Eine ausdrückliche Entscheidung in einem gesonderten Beschlußverfahren schreibt das Gesetz nicht vor; daß und warum sie gleichwohl erforderlich sein sollte, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.

Mit dem Hinweis auf die Verhinderung seines Bevollmächtigten macht der Kläger sinngemäß eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Erhebliche Gründe iS des § 227 Abs 1 ZPO, die Anlaß für eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung hätten sein können, hat er jedoch nicht dargelegt. Das Berufungsgericht war insbesondere nicht gehalten, die am 4. August 1992 verfügte Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung auf den 30. September 1992, in der der Rechtsanwalt des Klägers in insgesamt sieben Verfahren als Bevollmächtigter beteiligt war, deshalb zu verlegen, weil der Bevollmächtigte zuvor dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe den 30. September 1992 als möglichen Verhandlungstermin angezeigt hatte. Der Kläger hat keine Umstände dargelegt, die seinen Bevollmächtigten gehindert hätten, dem SG umgehend mitzuteilen, daß der 30. September 1992 nicht mehr als Verhandlungstermin zur Verfügung stehe. Im übrigen verkennt die Beschwerde, daß die Pflicht des Prozeßbevollmächtigten, gleichzeitig andere Termine wahrzunehmen, regelmäßig noch keinen erheblichen Grund iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO abgibt. Andernfalls würde der Zweck dieser Vorschrift, das Verfahren zu straffen, vereitelt. Es ist in solchen Fällen Sache des prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalts, für das eine oder andere Verfahren einen anderen Rechtsanwalt heranzuziehen (BVerwGE 43, 288, 290). Das gilt insbesondere dann, wenn ein Rechtsanwalt die Vertretung vor einem Gericht übernimmt, das von seinem Kanzleisitz mehrere hundert Kilometer entfernt ist, wie das hier der Fall war. Ein Gericht ist unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nur verpflichtet, einen anberaumten Termin wegen Verhinderung eines Prozeßbevollmächtigten aufzuheben, wenn eine anderweitige Vertretung nicht möglich erscheint, der Beteiligte also andernfalls das rechtliche Gehör in der mündlichen Verhandlung nicht finden könnte (vgl BSG SozR 1750 § 227 Nr 2). Der Kläger hätte daher aufzeigen müssen, warum es nicht möglich gewesen ist, anderweitig für eine Wahrnehmung des Termins vor dem SG Karlsruhe zu sorgen. Das ist nicht geschehen, so daß die Beschwerde auch unter diesem Gesichtspunkt nicht ausreichend begründet worden ist.

Schließlich wird als Verfahrensmangel gerügt, die Beteiligten seien zum Termin am 30. September 1992 nicht ordnungsgemäß geladen worden, weil in der schriftlichen Terminsmitteilung vom 4. August 1992 der Name des Klägers gefehlt habe. Fehlende oder unvollständige Angaben berühren die Wirksamkeit einer Ladung jedoch erst dann, wenn sich auch bei verständiger Auslegung nicht erkennen läßt, für wen sie bestimmt ist (BVerwG Buchholz 310 § 102 VwGO Nr 6). Daß hier anhand des angegebenen Aktenzeichens eine Zuordnung ohne weiteres möglich war und vom Bevollmächtigten des Klägers, wie der Vertagungsantrag vom 23. September 1992 zeigt, auch korrekt vorgenommen wurde, räumt die Beschwerde selbst ein. Gründe, die insoweit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör besorgen ließen, sind nicht vorgetragen.

Das übrige Beschwerdevorbringen bezieht sich auf die Auferlegung von Mutwillenskosten durch das LSG. Insoweit ist die Beschwerde schon deshalb unzulässig, weil Angriffe gegen die Kostenentscheidung des Berufungsurteils unabhängig von ihrer sachlichen Berechtigung für sich alleine genommen die Zulassung der Revision in keinem Fall zu rechtfertigen vermögen. Das folgt daraus, daß die Kostenentscheidung gemäß § 165 iVm § 144 Abs 3 SGG nicht isoliert angefochten werden kann und eine hierauf beschränkte Revision deshalb unzulässig ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 54; SozR aaO § 164 Nr 32). Eine umfassende, nicht auf den Kostenpunkt beschränkte Zulassung der Revision kommt aber nicht in Betracht, solange nur hinsichtlich der Kostenentscheidung und nicht auch in bezug auf die Hauptsache selbst durchgreifende Revisionsgründe iS des § 160 Abs 2 SGG geltend gemacht werden. Abgesehen davon liegt der vom Kläger behauptete Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs bei der Auferlegung von Mutwillenskosten nicht vor, denn diese Entscheidung ist aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen, zu der der Kläger ordnungsgemäß geladen worden war und an der er aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht teilgenommen hat.

Die nach alledem unzulässige Beschwerde war in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl ua Urteil vom 30. März 1993 – 3 RK 1/93 –) die Vorschrift des § 193 Abs 4 SGG in der durch Art 15 Nr 2 des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) geänderten Fassung in Verfahren, in denen das Rechtsmittel vor dem 1. Januar 1993 eingelegt worden ist, nicht anzuwenden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174236

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