Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Elterngeldrecht. Einkommensermittlung. Nichtberücksichtigung sonstiger Bezüge. nachgezahlte Jahresprämie. hoher Anteil am Jahreseinkommen. erneute Klärungsbedürftigkeit. Darlegungsanforderungen

 

Orientierungssatz

1. Jeder im Bemessungszeitraum zugeflossene Einkommensbestandteil, der lohnsteuerrechtlich sonstiger Bezug ist, ist auch elterngeldrechtlich sonstiger Bezug (hier: nachgezahlte Jahresprämie in Höhe von 47 % des Jahreseinkommens).

2. Um darzulegen, dass die vom Senat bereits beantwortete Rechtsfrage nach dem Umfang des Begriffs der sonstigen Bezüge in § 2c Abs 1 S 2 BEEG (hier in Bezug auf die Vorgängerregelung § 2 Abs 7 S 2 BEEG idF vom 9.12.2010) trotzdem noch grundsätzliche Bedeutung hat, wäre neben einer vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung mit der bisherigen Senatsrechtsprechung (vgl zuletzt BSG vom 27.6.2019 - B 10 EG 2/18 R = SozR 4-7837 § 2c Nr 5) die Darlegung erforderlich, weshalb die dortige Argumentation zum Begriff der sonstigen Bezüge nicht zutrifft und eine weitere höchstrichterliche Klärung erforderlich erscheint.

3. Hierfür genügt es nicht, lediglich die eigene Rechtsansicht mitzuteilen. Vielmehr muss die Beschwerde auf die bereits vorliegende Rechtsprechung näher eingehen und aufzeigen, dass dieser mit gewichtigen Argumenten substantiell widersprochen wird oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl BSG vom 21.6.2016 - B 10 EG 5/16 B).

4. Teilweise Parallelentscheidung zum Beschluss des BSG vom 12.2.2020 - B 10 EG 10/19 B.

 

Normenkette

BEEG § 2c Abs. 1 S. 2, § 2 Abs. 7 S. 2 Fassung: 2010-12-09; EStG § 38a Abs. 1 S. 3; BGB § 611a Abs. 2; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

SG Dresden (Urteil vom 09.09.2016; Aktenzeichen S 50 EG 27/13)

Sächsisches LSG (Urteil vom 11.04.2019; Aktenzeichen L 7 EG 21/16)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. April 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I. Den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf höheres Elterngeld hat das LSG mit Urteil vom 11.4.2019 verneint. Der Beklagte habe zu Recht die ihr im Dezember 2011 nachgezahlte restliche Jahresprämie von 2000 Euro als sonstigen Bezug nach dem hier noch maßgeblichen § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes vom 9.12.2010 (BGBl I 1885) nicht der Bemessung des Elterngelds für ihre 18.12.2012 geborene Tochter zugrunde gelegt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen Senatsbeschluss vom 25.10.2016 - B 10 ÜG 24/16 B - juris RdNr 7 mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam:

"Sind als 'sonstige Bezüge' deklarierte Einkommensbestandteile auch dann nicht zu berücksichtigen, selbst wenn es sich um über Jahre regelmäßig gezahlte, deutlich prägende Teile des Einkommens des Elternteils, also mehr als 30 % (im vorliegenden Fall sogar 47 %) des Jahreseinkommens, handelt?"

Die Klägerin trägt selbst vor, dass es sich hier um einen "Altfall" handele, weil § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG in seiner ab 1.1.2015 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im BEEG vom 18.12.2014 (BGBl I 2325) keine Anwendung finde. Die Klägerin versäumt es jedoch schon vor diesem Hintergrund darzulegen, warum die von ihr für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage zu einer nicht mehr geltenden Vorgängernorm zur vorgenannten Bestimmung und damit zu einer alten Rechtslage weiterhin klärungsbedürftig sein sollte. Im Falle auslaufenden Rechts ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nur dann gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihre Auslegung aus anderen Gründen (namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht) fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (BSG Beschluss vom 15.10.2015 - B 9 V 15/15 B - juris RdNr 16 mwN). Entsprechenden substantiierten Vortrag enthält die Beschwerdebegründung nicht.

Soweit die Klägerin in diesem Kontext meint, die von ihr bezeichnete Frage betreffe auch die Nachfolgeregelung in § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG in seiner ab 1.1.2015 geltenden aktuellen Fassung (aaO), setzt sie sich nicht in der gebotenen Weise mit der Normentwicklung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Senats zur Berücksichtigung der "sonstigen Bezüge" im Elterngeldrecht auseinander. Sie prüft deshalb - anders als geboten - auch nicht, ob sich nach dieser Rechtsprechung die von ihr aufgeworfene Fragestellung bereits beantworten lässt.

So hat der Senat bereits mehrfach unter Hinweis auf die Gesetzesentwicklung darauf hingewiesen, dass es für die Beantwortung der Frage, ob ein Einkommensbestandteil als sonstiger Bezug elterngeldrechtlich unbeachtlich ist, unbeschadet der jeweiligen Gesetzesfassung auf die einschlägige lohnsteuerrechtliche Begriffsbestimmung ankommt. Er hat aufgezeigt, dass § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG idF des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012 (BGBl I 1878) die vorherige wortlautgleiche Regelung in § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG(aaO) ohne inhaltliche Änderungen weiterführen sollte (Beschlussempfehlung und Bericht des Bundestags-Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ≪13. Ausschuss≫ vom 29.5.2012 zum Gesetzentwurf des Bundesrates eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs, BT-Drucks 17/9841 S 22). Seit Inkrafttreten des BEEG am 1.1.2007 stellten der Wortlaut und die Begründung des Gesetzes in verschiedenen Fassungen zunächst in § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG und später in § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG durchgehend darauf ab, die lohnsteuerrechtlich als Besonderheit geltenden sonstigen Bezüge bei der Bemessung des Elterngelds auszuschließen (vgl zur Gesetzesentwicklung Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 20-24; Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 4/17 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 1 RdNr 21-25). Dieser steuerrechtsakzessorische Ansatz wurde durch die seit 1.1.2015 geltende aktuelle Fassung des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG(aaO) vom BEEG-Gesetzgeber fortgeführt und bekräftigt (Senatsurteil vom 8.3.2018 - B 10 EG 8/16 R - BSGE 125, 162 = SozR 4-7837 § 2c Nr 3, RdNr 30). Wie die Gesetzesmaterialien hierzu bestätigen, dient die Regelung der Klarstellung, dass allein die lohnsteuerrechtlichen Vorgaben in § 38a Abs 1 Satz 3 EStG iVm den Lohnsteuerrichtlinien (LStR) für die elterngeldrechtliche Einordnung eines Lohn- oder Gehaltsbestandteils als sonstiger Bezug maßgebend sein sollen (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 22.9.2014 eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im BEEG, BT-Drucks 18/2583 S 24 f). Demnach sollen alle Lohn- oder Gehaltsbestandteile, die richtigerweise nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind (Hinweis auf LStR R 39b.2 Abs 2), auch elterngeldrechtlich so behandelt werden (aaO, BT-Drucks 18/2583 S 25; s auch Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 24; Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 4/17 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 1 RdNr 25). Aus dieser Gesetzesentwicklung hat der Senat in seinen Urteilen vom 14.12.2017 (B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 25; B 10 EG 4/17 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 1 RdNr 26) gefolgert, dass der Gesetzgeber die begriffliche Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen nicht lediglich am Steuerrecht orientieren (so noch Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 28 zu dem im Fall der Klägerin nicht einschlägigen § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006, BGBl I 2748), sondern in vollem Umfang und mit bindender Wirkung auf das materielle Steuerrecht verweisen will, wie es das Lohnsteuerabzugsverfahren konkretisiert hat.

Wegen dieses vom Gesetzgeber verfolgten steuerakzessorischen Regelungskonzepts ist nach der Rechtsprechung des Senats eine einschränkende Auslegung der Ausschlussklausel des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG im Sinne eines elterngeldrechtlich modifizierten lohnsteuerrechtlichen Begriffs der sonstigen Bezüge nicht mehr möglich. Sie würde sich gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und den darin klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers stellen. Sie überschritte damit die Grenzen zulässiger Auslegung (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 6.6.2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 - juris RdNr 73-75). § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG eröffnet damit keinen Auslegungsspielraum mehr dafür, bei der Elterngeldbemessung auf andere als steuerrechtliche Begriffe zurückzugreifen, auch nicht etwa auf denjenigen der Einmalzahlung im Sinne des § 23a SGB IV(Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 19; Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 4/17 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 1 RdNr 21) . Für die sonstigen Bezüge und ihre Abgrenzung vom laufenden Arbeitslohn sind allein die lohnsteuerrechtlichen Begriffsbestimmungen maßgebend. Anders ausgedrückt ist hiernach jeder im Bemessungszeitraum zugeflossene Einkommensbestandteil, der lohnsteuerrechtlich sonstiger Bezug ist, auch elterngeldrechtlich sonstiger Bezug (zuletzt nochmals Senatsurteil vom 27.6.2019 - B 10 EG 2/18 R - juris RdNr 24). Der Senat hat diesem vom Gesetzgeber gewählten steuerakzessorischen Ansatz bei der Behandlung von sonstigen Bezügen im Elterngeldrecht als verfassungsgemäß erachtet (s hierzu ausführlich zB Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 39 ff).

Vor dem Hintergrund dieser Gesetzesentwicklung und der hierzu ergangenen Senatsrechtsprechung hat die Klägerin keinen erneuten Klärungsbedarf der aufgeworfenen Fragestellung im hier vorliegenden "Altfall" aufgezeigt. Denn sie versäumt es, sich mit der vorgenannten Rechtsprechung in substanzieller Argumentation auseinanderzusetzen und hier insbesondere auch mit der dort bejahten Verfassungsmäßigkeit des vom BEEG-Gesetzgeber angeordneten Ausschlusses der sonstigen Bezüge nichtselbständig Erwerbstätiger aus der Bemessung des Elterngelds. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung erfordert es darzulegen, weshalb eine bereits ins Feld geführte Argumentation nicht zutrifft und eine weitere höchstrichterliche Klärung erforderlich erscheint (Senatsbeschluss vom 5.2.2018 - B 10 EG 2/17 B - juris RdNr 8 mwN). Hierfür genügt es nicht, lediglich die eigene Rechtsansicht mitzuteilen. Vielmehr muss die Beschwerde auf die bereits vorliegende Rechtsprechung näher eingehen und aufzeigen, dass dieser mit gewichtigen Argumenten substantiell widersprochen wird (vgl Senatsbeschluss vom 21.6.2016 - B 10 EG 5/16 B - juris RdNr 10 mwN) oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (Senatsbeschluss vom 5.2.2018 aaO; BSG Beschluss vom 30.9.1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 mwN). Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung aber nicht.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13729621

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