Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Elterngeldrecht. Einkommensermittlung. Nichtberücksichtigung sonstiger Bezüge. Prämien. hoher Anteil am Jahreseinkommen. erneute Klärungsbedürftigkeit. Darlegungsanforderungen

 

Orientierungssatz

1. Jeder im Bemessungszeitraum zugeflossene Einkommensbestandteil, der lohnsteuerrechtlich sonstiger Bezug ist, ist auch elterngeldrechtlich sonstiger Bezug (hier: Prämien in Höhe von 40 % des Jahreseinkommens).

2. Um darzulegen, dass die vom Senat bereits beantwortete Rechtsfrage nach dem Umfang des Begriffs der sonstigen Bezüge in § 2c Abs 1 S 2 BEEG trotzdem noch grundsätzliche Bedeutung hat, wäre neben einer vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung mit der bisherigen Senatsrechtsprechung (vgl zuletzt BSG vom 27.6.2019 - B 10 EG 2/18 R = SozR 4-7837 § 2c Nr 5) die Darlegung erforderlich, weshalb die dortige Argumentation zum Begriff der sonstigen Bezüge nicht zutrifft und eine weitere höchstrichterliche Klärung erforderlich erscheint.

3. Teilweise Parallelentscheidung zum Beschluss des BSG vom 12.2.2020 - B 10 EG 11/19 B.

 

Normenkette

BEEG § 2c Abs. 1 S. 2; EStG § 38a Abs. 1 S. 3; BGB § 611a Abs. 2; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

SG Dresden (Gerichtsbescheid vom 23.07.2018; Aktenzeichen S 50 EG 26/17)

Sächsisches LSG (Urteil vom 11.04.2019; Aktenzeichen L 7 EG 19/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. April 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache höheres Elterngeld für ihre im April 2017 geborene Tochter.

Der Arbeitsvertrag der Klägerin sieht neben der Zahlung einer Grundvergütung zusätzliche Gratifikationen, Prämien und sonstige andere Leistungen nach Ermessen ihres Arbeitgebers vor. Im Bemessungszeitraum des Elterngelds zahlte ihr Arbeitgeber der Klägerin vereinbarungsgemäß verschiedene zielabhängige Prämien.

Bei der Berechnung des Elterngelds der Klägerin legte der Beklagte einen Bruttolohn aus nicht selbstständiger Arbeit iHv 23 496 Euro im Bemessungszeitraum zugrunde. Zusätzliche Prämienzahlungen von insgesamt 13 483 Euro berücksichtigte er dagegen nicht (Bescheid vom 27.6.2017, Widerspruchsbescheid vom 24.8.2017).

Die dagegen erhobene Klage hat das SG abgewiesen. Die ausgezahlten Prämien stellten materiell-rechtlich variable Entgeltbestandteile dar. Sie zählten daher nicht zur Bemessungsgrundlage des Elterngelds. Unabhängig davon sei die bestandskräftig gewordene Lohnsteueranmeldung für die Elterngeldberechnung bindend (Gerichtsbescheid vom 23.7.2018).

Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf den Gerichtsbescheid bezogen. Ergänzend hat es ausgeführt, die zu verschiedenen Stichtagen für verschiedene Ziele ausgelobten und gezahlten Prämien seien nicht als laufender Arbeitslohn zu betrachten. Im Übrigen sei dies für den Fall der Klägerin nicht relevant. Die vom Arbeitgeber vorgenommene Einordnung von Lohnbestandteilen wirke wie ein Steuerbescheid. Sie sei auch für das Elterngeldverfahren bindend (Urteil vom 11.4.2019).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.

II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen Senatsbeschluss vom 25.10.2016 - B 10 ÜG 24/16 B - juris RdNr 7 mwN).

Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung.

Die Klägerin hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob als sonstige Bezüge deklarierte Einkommensbestandteile auch dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn es sich um über Jahre regelmäßig gezahlte, deutlich prägende Teile des Einkommens des Elternteils und zwar von mehr als 30 % (im vorliegenden Fall sogar 40 %) des Jahreseinkommens handelt.

Die Klägerin hat indes keine fortbestehende Klärungsbedürftigkeit der von ihr formulierten Frage zum Begriff der sonstigen Bezüge dargelegt. Eine Rechtsfrage ist nicht (mehr) klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, weil sie höchstrichterlich bereits tragend entschieden ist. Nur ausnahmsweise kann eine solche Rechtsfrage dennoch klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden sein, wenn der ergangenen Rechtsprechung mit gewichtigen Argumenten substantiell widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG Beschluss vom 4.3.2014 - B 9 V 60/13 B - juris RdNr 6 mwN). Solche Darlegungen lässt die Beschwerde vermissen. Die Klägerin setzt sich nicht in der gebotenen Weise mit der Normentwicklung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Senats zur Berücksichtigung von "sonstigen Bezügen" im Elterngeldrecht auseinander. Sie prüft deshalb - anders als geboten - auch nicht, ob sich nach dieser Rechtsprechung die von ihr aufgeworfene Fragestellung bereits beantworten lässt.

Die Klägerin meint, die an sie gezahlten Prämien seien "prägende" Einkommensbestandteile, die nicht allein aufgrund der formellen steuerrechtlichen Zuordnung unberücksichtigt bleiben dürften. § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG müsse insoweit einschränkend ausgelegt werden. Ansonsten würden ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Vereinfachung der Elterngeldberechnung und der Höhe des zustehenden Ersatzeinkommens und somit das gesetzgeberische Ziel verfehlt, Familien während der Kinderbetreuung bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen.

Der Senat hat indes bereits mehrfach unter Hinweis auf die Gesetzesentwicklung darauf hingewiesen, dass es für die Beantwortung der Frage, ob ein Einkommensbestandteil als sonstiger Bezug elterngeldrechtlich unbeachtlich ist, unbeschadet der jeweiligen Gesetzesfassung auf die einschlägige lohnsteuerrechtliche Begriffsbestimmung ankommt. Er hat aufgezeigt, dass § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG idF des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012 (BGBl I 1878) die vorherige wortlautgleiche Regelung in § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG(aaO) ohne inhaltliche Änderungen weiterführen sollte (Beschlussempfehlung und Bericht des Bundestags-Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ≪13. Ausschuss≫ vom 29.5.2012 zum Gesetzentwurf des Bundesrates eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs, BT-Drucks 17/9841 S 22). Seit Inkrafttreten des BEEG am 1.1.2007 stellten der Wortlaut und die Begründung des Gesetzes in verschiedenen Fassungen zunächst in § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG und später in § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG durchgehend darauf ab, die lohnsteuerrechtlich als Besonderheit geltenden sonstigen Bezüge bei der Bemessung des Elterngelds auszuschließen (vgl zur Gesetzesentwicklung Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 20 - 24; Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 4/17 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 1 RdNr 21 - 25). Dieser steuerrechtsakzessorische Ansatz wurde durch die seit 1.1.2015 geltende aktuelle Fassung des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG(aaO) vom BEEG Gesetzgeber fortgeführt und bekräftigt (Senatsurteil vom 8.3.2018 - B 10 EG 8/16 R - BSGE 125, 162 = SozR 4-7837 § 2c Nr 3, RdNr 30). Wie die Gesetzesmaterialien hierzu bestätigen, dient die Regelung der Klarstellung, dass allein die lohnsteuerrechtlichen Vorgaben in § 38a Abs 1 Satz 3 EStG iVm den Lohnsteuerrichtlinien (LStR) für die elterngeldrechtliche Einordnung eines Lohn- oder Gehaltsbestandteils als sonstiger Bezug maßgebend sein sollen (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 22.9.2014 eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im BEEG, BT-Drucks 18/2583 S 24 f). Demnach sollen alle Lohn- oder Gehaltsbestandteile, die richtigerweise nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind (Hinweis auf LStR R 39b.2 Abs 2), auch elterngeldrechtlich so behandelt werden (aaO, BT-Drucks 18/2583 S 25; s auch Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 24; Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 4/17 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 1 RdNr 25). Aus dieser Gesetzesentwicklung hat der Senat in seinen Urteilen vom 14.12.2017 (B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 25; - B 10 EG 4/17 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 1 RdNr 26) gefolgert, dass der Gesetzgeber die begriffliche Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen nicht lediglich am Steuerrecht orientieren (so noch Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 28 zu dem im Fall der Klägerin nicht einschlägigen § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006, BGBl I 2748), sondern in vollem Umfang und mit bindender Wirkung auf das materielle Steuerrecht verweisen will, wie es das Lohnsteuerabzugsverfahren konkretisiert hat.

Wegen dieses vom Gesetzgeber verfolgten steuerakzessorischen Regelungskonzepts ist nach der Rechtsprechung des Senats eine einschränkende Auslegung der Ausschlussklausel des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG im Sinne eines elterngeldrechtlich modifizierten lohnsteuerrechtlichen Begriffs der sonstigen Bezüge nicht mehr möglich. Sie würde sich gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und den darin klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers stellen. Sie überschritte damit die Grenzen zulässiger Auslegung (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 6.6.2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 - juris RdNr 73, 75). § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG eröffnet damit keinen Auslegungsspielraum mehr dafür, bei der Elterngeldbemessung auf andere als steuerrechtliche Begriffe zurückzugreifen, auch nicht etwa auf denjenigen der Einmalzahlung iS des § 23a SGB IV(Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 19; Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 4/17 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 1 RdNr 21) . Für die sonstigen Bezüge und ihre Abgrenzung vom laufenden Arbeitslohn sind allein die lohnsteuerrechtlichen Begriffsbestimmungen maßgebend. Anders ausgedrückt ist hiernach jeder im Bemessungszeitraum zugeflossene Einkommensbestandteil, der lohnsteuerrechtlich sonstiger Bezug ist, auch elterngeldrechtlich sonstiger Bezug (zuletzt nochmals Senatsurteil vom 27.6.2019 - B 10 EG 2/18 R - juris RdNr 24).

Um darzulegen, dass die vom Senat bereits beantwortete Rechtsfrage nach dem Umfang des Begriffs der sonstigen Bezüge in § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG trotzdem noch grundsätzliche Bedeutung hat, hätte die Klägerin aufzeigen müssen, welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen wären, die zu einer Neubetrachtung der bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und eine anderweitige Entscheidung nahelegen oder zumindest nicht offensichtlich ausschließen. Die dazu erforderliche vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung mit der zitierten Senatsrechtsprechung hätte die Darlegung erfordert, weshalb die dortige Argumentation zum Begriff der sonstigen Bezüge nicht zutrifft und eine weitere höchstrichterliche Klärung erforderlich erscheint (vgl Senatsbeschluss vom 5.2.2018 - B 10 EG 21/17 B - juris RdNr 8 mwN).

Daran fehlt es. Anstatt näher auf die von ihr ausführlich referierte Rechtsprechung des Senats und ihre tragenden Argumente einzugehen, setzt die Klägerin dagegen lediglich einen eigenen Begriff der prägenden Einkünfte. Damit verfehlt sie die Darlegungsanforderungen.

Soweit die Klägerin darüber hinaus meint, es bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, wenn Arbeitnehmer mit festen Vergütungsbestandteilen höheres Elterngeld erhielten als solche mit flexiblen Vergütungsbestandteilen, verfehlt sie ebenfalls die Anforderungen an die Darlegung einer fortbestehenden Klärungsbedürftigkeit trotz vorhandener Rechtsprechung. Denn die Klägerin geht nicht näher darauf ein, dass danach der Ausschluss sonstiger Bezüge durch § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt, sondern verfassungsrechtlich durch hinreichend gewichtige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist und der Senat deshalb den vom Gesetzgeber gewählten steuerakzessorischen Ansatz bei der Behandlung von sonstigen Bezügen im Elterngeldrecht als verfassungsgemäß erachtet (Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 39 ff mwN). Um die von ihr gelegten verfassungsrechtlichen Bedenken und deren Klärungsbedürftigkeit hinreichend darzulegen, hätte sich die Klägerin auch in dieser Hinsicht substantiiert mit der ergangenen Rechtsprechung auseinandersetzen müssen. Das hat sie versäumt.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

2. Die nicht formgerecht begründete und daher unzulässige Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13729627

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