Leitsatz (amtlich)

Das prozessleitende Verhalten des Einzelrichters, bei Nichterscheinen einer ordnungsgemäß geladenen Partei bei dieser telefonisch Rückfrage wegen Versäumung des Termins zu halten und auf ihr Erscheinen zuzuwarten, rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn die gegnerische Partei weder einen Vertagungsantrag noch den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt hat.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 17 O 57/07)

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Klägers wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist zulässig, insbesondere nicht bereits wegen Verlusts des Ablehnungsrechts gem. § 43 ZPO oder wegen grober Beschimpfung des erkennenden Einzelrichters als unzulässig zu verwerfen.

1. Allerdings begründet der Kläger sein Ablehnungsgesuch u.a. mit dem prozessleitenden Verhalten des abgelehnten Einzelrichters am Tag der letzten mündlichen Verhandlung, insbesondere dessen telefonische Rückfrage bei ihm wegen Versäumung des Termins und des Zuwartens auf sein Erscheinen, mithin auf ein Verhalten, das ihm im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bekannt war. Gleichwohl ist er seines Ablehnungsrechts nicht gem. § 43 ZPO verlustig gegangen, weil sich ihm die - nach seiner Ansicht die Beklagte bevorzugende - Bedeutung des Verhaltens des Einzelrichters erst bei Einsichtnahme in die Verfahrensakten erschlossen habe.

2. Auch die durchaus als Beschimpfung des Einzelrichters zu bewertende "Unterstellung", dieser habe sich bereits vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung in seiner Entscheidung festgelegt und darüber mit der Gegenseite gesprochen, rechtfertigt eine Verwerfung des Gesuchs als unzulässig nicht. Auch wenn grobe Beleidigungen und Beschimpfungen in einem Ablehnungsgesuch dessen Verwerfung im Einzelfall rechtfertigen können (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rz. 6 m.w.N.), ist Zurückhaltung geboten (OLGReport Naumburg 2007, 157). Mit Blick darauf, dass sich die Beschimpfung hier auf eine Unterstellung von Parteilichkeit zugunsten der Beklagten und damit auf einen die Besorgnis der Befangenheit ausfüllenden Grund beschränkt, kommt eine Verwerfung des Ablehnungsgesuchs nicht in Betracht.

II. Das Ablehnungsgesuch ist jedoch unbegründet.

Gründe, die im Sinne der gesetzlichen Vorschrift des § 42 Abs. 2 ZPO geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Weder die Prozessführung noch der Inhalt des Urteils des erkennenden Einzelrichters vom 24.8.2011 sind geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen.

Ein Richter kann im Zivilprozess gem. § 42 Abs. 2 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein objektiver Grund vorliegt, der die ablehnende Partei bei vernünftiger Betrachtung befürchten lassen muss, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber und werde deshalb nicht unparteiisch entscheiden. Maßgebend ist nicht, ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist oder sich für befangen hält, sondern allein, ob vom Standpunkt des Ablehnenden aus genügend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der betreffende Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (BVerfG, Beschluss vom 5.4.1990, 2 BvR 413/88, BVerfGE 82, 30/38; BGH NJW-RR 1986, 738; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rz. 9, m.w.N.).

Dabei rechtfertigen weder Rechtsauffassungen des Richters noch Maßnahmen der Prozessleitung einen Ablehnungsgrund, ebenso wenig stellen sachlich fehlerhafte Entscheidungen oder eine für eine Partei ungünstige Rechtsauffassung für sich genommen bzw. Verfahrensverstöße im Rahmen der Prozessleitung einen Befangenheitsgrund dar.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das Vorgehen des Richters auf einer unsachlichen Einstellung gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht (BGH NJW 1998, 612; BAG NJW 1993, 879; Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rz. 28).

Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen.

Wenn ein Richter im Verfahren seine Rechtsansicht darlegt und dabei eine von der Parteimeinung abweichende Auffassung vertritt, muss dies von der Partei hingenommen werden, zumal es in der Natur der Sache liegt, dass der Richter nur eine der unterschiedlichen Rechtsansichten der sich streitenden Parteien für richtig halten kann (KG, MDR 1999, 253). Die Überprüfung der Richtigkeit einer Entscheidung oder Rechtsauffassung ist allein einem eventuellen Rechtsmittel in der Sache selbst vorbehalten. Das Ablehnungsverfahren ist dagegen weder dazu bestimmt noch geeignet, die Rechtsauffassung des Richters zur Überprüfung anderer, mit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch befasster Richter oder der Rechtsmittelinstanz zu stellen (KG KGReport Berlin 2005, 140f; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.3.2007 - 1 W 3/07 - hier zitiert nach Juris; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rz. 26, m.w.N.). Das Able...

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