Entscheidungsstichwort (Thema)

Tatsachenpräklusion im Abänderungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob im Abänderungsverfahren Umstände berücksichtigt werden dürfen, die vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses eingetreten, aber dort nicht vorgetragen worden sind und deshalb noch nicht Gegenstand der gerichtlichen Beurteilung waren.

 

Normenkette

ZPO § 323 Abs. 2, § 322 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf

AG Düsseldorf

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 1984 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufung der Klägerin zu 1 gegen das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 8. Juni 1984 stattgegeben worden ist.

Auf die Anschlußrevision der Klägerin zu 1 wird das vorgenannte Berufungsurteil darüber hinaus insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin zu 1 gegen die Abweisung ihrer Klage für die Zeit ab 17. November 1983 zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Anschlußrevision zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin zu 1 und der Beklagte, deren Ehe durch Urteil vom 16. Oktober 1975 aus dem Verschulden des Beklagten geschieden worden ist, streiten in einem Abänderungsverfahren um nachehelichen Unterhalt.

Ihre gemeinschaftlichen Kinder, die Klägerinnen zu 2 und 3, die an dem Rechtsstreit in der Revisionsinstanz nicht beteiligt sind, leiden beide an spinaler Muskelatrophie. Sie können sich nur mit Hilfe des Rollstuhls fortbewegen und sind auf ständige Pflege und Betreuung angewiesen. Die am 3. März 1968 geborene Tochter Kerstin lebt bei der Mutter. Das gleiche galt für die am 17. November 1965 geborene Tochter Silke, bis diese sich ab November 1984 einer Wohngemeinschaft in K. anschloß. Beide Töchter besuchen eine Ganztagsschule für Schwerbehinderte.

Die im Jahre 1947 geborene Klägerin zu 1 (im folgenden Klägerin) hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie hat für sich und die Kinder ein Einfamilienhaus gemietet, für das eine monatliche Kaltmiete von 1.295 DM zu entrichten ist. Die Klägerin erhält vom Sozialamt monatliche Unterkunftskosten von 999 DM, worin ein Wohngeld von 409 DM enthalten ist. Den Rest der Kaltmiete bekommt sie von ihren Eltern. Das Sozialamt zahlt außerdem für jedes der beiden Kinder ein monatliches Pflegegeld von 637,50 DM.

Der Beklagte ist freier Architekt. Er ist seit 1978 wieder verheiratet. Seine Ehefrau, die aus ihrer ersten Ehe zwei in den Jahren 1969 und 1971 geborene Kinder hat, geht einer Teilzeitarbeit nach. Der Beklagte bewohnt mit seiner Familie ein im Juli 1980 erworbenes Einfamilienhaus.

Aufgrund Urteils des Amtsgerichts Düsseldorf vom 4. Mai 1979 hat der Beklagte an die Klägerin monatlichen Unterhalt von 348,50 DM zu bezahlen. Bei dieser Verurteilung ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin ohne Einkommen ist und der Beklagte ein monatliches Nettoeinkommen von 1.740,90 DM hat.

Gestützt auf einen Anstieg des Lebensbedarfs und die Behauptung, der Beklagte verdiene inzwischen monatlich mindestens 3.300 DM netto, hat die Klägerin den Beklagten im Wege der Abänderungsklage auf Erhöhung des Unterhalts in Anspruch genommen. Im Wege der Widerklage erstrebt der Beklagte den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin, weil diese ein auf Dauer angelegtes eheähnliches Verhältnis zum Zeugen O. unterhalte. Außerdem sei sie nicht mehr bedürftig, weil sie halbtags arbeiten könne und sich das Pflegegeld sowie das Wohngeld als Einkommen zurechnen lassen müsse.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat es das Urteil vom 4. Mai 1979 dahin abgeändert, daß der Beklagte ab November 1983 nicht mehr zu Unterhaltsleistungen an die Klägerin verpflichtet sei. Auf die Berufung der Klägerin, mit der diese zuletzt eine Erhöhung der Unterhaltsrente um monatlich 252 DM ab 1. Oktober 1983 erstrebt hat, hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels sowie unter Abweisung der Widerklage teilweise geändert. Es hat der Klägerin in Abänderung des früheren Unterhaltsurteils für Oktober 1983 weitere 42,50 DM (insgesamt also 391 DM), vom 1. November 1983 bis 31. Oktober 1984 monatlich weitere 24,50 DM (insgesamt also monatlich 373 DM) und ab 1. November 1985 monatlich weitere 74,50 DM (insgesamt also monatlich 423 DM) zugesprochen. Gegen diese Verurteilung hat der Beklagte (zugelassene) Revision eingelegt, mit der er die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Klägerin hat sich der Revision angeschlossen. Sie verfolgt ihr Begehren weiter, daß die in dem früheren Unterhaltsurteil zuerkannte Unterhaltsrente ab 1. Oktober 1983 um monatlich 252 DM erhöht wird.

 

Entscheidungsgründe

A: Revision des Beklagten.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß das im Vorprozeß mit 1.740,90 DM monatlich zugrunde gelegte Einkommen des Beklagten inzwischen auf 3.300 DM monatlich gestiegen sei. Es hat dargelegt, der Beklagte sei zwar dem dahin gehenden Vortrag der Klägerin unter Vorlage von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 1981 bis 1983 entgegengetreten, aus denen sich nur ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von ca. 2.350 DM ergeben solle. Diese Unterlagen könnten aber der Einkommensermittlung nicht zugrunde gelegt werden. Vielmehr müsse nach den Lebensverhältnissen des Beklagten von dem behaupteten Einkommen von 3.300 DM monatlich ausgegangen werden, weil er diesen Betrag mindestens benötige, um seinen regelmäßigen monatlichen Verpflichtungen, insbesondere aus dem Erwerb des Hauses, nachzukommen, seine Unterhaltspflichten zu erfüllen und seinen eigenen Lebensbedarf zu decken. Daß er mindestens den behaupteten Betrag verdiene, müsse auch seinen eigenen Aufstellungen über Einnahmen und Ausgaben im Jahre 1983 und in den ersten zehn Monaten des Jahres 1984 entnommen werden, wonach er 1983 monatliche Einnahmen von ca. 3.500 DM und 1984 solche von 6.000 DM gehabt habe. Das vom Beklagten vorgebrachte „Argument”, von diesen Einnahmen habe er nicht nur seine privaten Ausgaben, sondern auch seine sämtlichen Geschäftsunkosten bestreiten müssen, so daß diese von den Einnahmen abzuziehen seien, „überzeuge” nicht. Als wichtigste Ausgabenposten in den Gewinn- und Verlustrechnungen fehlten die Zahlungen für Fremdleistungen und Personalkosten in seinen privaten Aufstellungen. Unterstelle man, daß der Beklagte diese Kosten wirklich zahle, könne seine Erklärung, er habe keine weiteren Einnahmen, nicht richtig sein. Das Vorbringen des Beklagten zur Höhe seines Einkommens sei demgemäß widersprüchlich geblieben. Damit habe er sich zu der schlüssigen Behauptung der Klägerin, er verdiene monatlich 3.300 DM, nicht im Sinne von § 138 Abs. 2 ZPO hinreichend erklärt, so daß der Vortrag der Klägerin nach § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zu behandeln sei.

Die hiergegen erhobene Rüge der Revision, daß § 138 Abs. 3 ZPO verletzt sei, greift durch.

1. Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin für die Steigerung des Einkommens des Beklagten darlegungspflichtig ist. Die Klagepartei des Abänderungsverfahrens (§ 323 ZPO) trägt die Darlegungs- und Beweislast für die wesentlichen Veränderungen der Umstände, die für die Festsetzung der Unterhaltsrente maßgebend waren (allgemeine Meinung, vgl. etwa Baumgärtel/Laumen, Beweislast, vor § 1601 Rdnr. 8 m. w. N.). Nicht zu beanstanden ist ferner, daß das Berufungsgericht dem Beklagten die Möglichkeit verwehrt, die Behauptung der Klägerin über den Anstieg seines Einkommens einfach zu bestreiten, und von ihm verlangt, daß er dem gegnerischen Vorbringen positive Angaben entgegensetzt. Eine derartige Last der beklagten Partei zum substantiierten Bestreiten besteht zwar nicht schlechthin; sie ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch zu bejahen, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozeßgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGH Urteile vom 20. Januar 1961 – I ZR 79/59 – NJW 1961, 826, 828 und 1. Dezember 1982 – VIII ZR 279/81 – NJW 1983, 687, 688). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Recht bejaht, da die von der Klägerin behaupteten Tatsachen sämtlich im Wahrnehmungsbereich des Beklagten lagen und es diesem im Hinblick auf die ihm nach § 242 BGB obliegende unterhaltsrechtliche Auskunftspflicht (Senatsurteil BGHZ 85, 16, 27 f.) zuzumuten ist, sich zu der gegnerischen Behauptung näher zu erklären (vgl. BGH Urteil vom 20. Januar 1961 a.a.O.; Wieczorek ZPO 2. Aufl. § 138 Anm. D I a 2). Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht schließlich darin, daß das Bestreiten eines Sachvortrages ohne die nach den Umständen zumutbare Substantiierung nicht wirksam ist und die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO nach sich zieht (BGH Urteil vom 20. Januar 1961 a.a.O. sowie auch BGHZ 12, 49, 50; Stein/Jonas/Leipold ZPO 20. Aufl. § 138 Rdnr. 29).

2. Von einem derartigen ungenügenden Bestreiten des gegnerischen Sachvortrages kann hier jedoch nicht ausgegangen werden.

Der Beklagte ist der Behauptung der Klägerin entgegengetreten, indem er seinerseits unter Vorlage seiner Bilanzen sowie der Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 1981 bis 1983 näher aufgeschlüsselte Angaben über sein zu versteuerndes Einkommen (nicht Nettoeinkommen, wie vom Berufungsgericht angenommen) gemacht hat. Damit hat er der insoweit bestehenden Darlegungslast genügt und das Vorbringen der Klägerin substantiiert bestritten. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Gericht den Gegenvortrag für nicht glaubwürdig gehalten hat und aufgrund der Lebensverhältnisse des Beklagten, insbesondere wegen der Höhe seiner regelmäßigen finanziellen Verpflichtungen, zu der Ansicht gelangt ist, daß sein Einkommen höher sein müsse als von ihm vorgetragen und mindestens den von der Klägerin behaupteten Betrag erreichen müsse. Derartige Umstände konnte das Gericht bei der Einkommensfeststellung im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 1981 – IVb ZR 573/80 – FamRZ 1981, 347, 349); sie berechtigten jedoch nicht zu der Annahme, der Beklagte habe das gegnerische Vorbringen nicht wirksam bestritten, so daß es nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelte. Hieran vermögen auch die privaten Aufstellungen über Einnahmen und Ausgaben für 1983 und die ersten zehn Monate des Jahres 1984 nichts zu ändern, die der Beklagte auf die Auflage des Berufungsgerichts vom 24. Oktober 1984 zusammen mit den Einkommensteuererklärungen für 1981 bis 1983 und dem Einkommensteuerbescheid für 1983 vorgelegt hat und zu denen er in der Berufungsverhandlung erklärt hat, daß von den darin ausgewiesenen Einnahmen die Geschäftskosten abzuziehen seien. Soweit das Berufungsgericht darlegt, daß dieses „Argument” nicht „überzeugt”, und ausführt, daß das Abstreiten weiterer Einnahmen nicht richtig sein könne, wenn man die Zahlung dieser Kosten unterstelle, handelt es sich gleichfalls um Erwägungen, die im Rahmen der Beweiswürdigung ihren Platz haben, nicht aber das Eingreifen der Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO rechtfertigen.

Im Übrigen hat das Berufungsgericht bei der weiteren Beurteilung des anrechnungsfähigen Einkommens des Beklagten trotz Anwendung von § 138 Abs. 3 ZPO nicht entsprechend der Behauptung der Klägerin ein Nettoeinkommen von 3.300 DM monatlich zugrunde gelegt, sondern von diesem nach dem Klagevortrag bereits um die entsprechende Einkommensteuer gekürzten Betrag nochmals einen Einkommensteuerbetrag abgezogen.

3. Die Ausführungen zum Einkommen des Beklagten lassen sich auch nicht dahin verstehen, daß das Berufungsgericht in Wirklichkeit in freier Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles, insbesondere der Art und Weise des Vorbringens der Parteien, eine entsprechende Feststellung hat treffen und das Vorbringen der Klägerin ohne weitere Beweisaufnahme als wahr hat ansehen wollen. Eine derartige Möglichkeit, eine Parteibehauptung ohne Beweisaufnahme als wahr anzusehen, ist dem Tatrichter nach § 286 ZPO aus Rechtsgründen an sich nicht verwehrt (vgl. BGH Urteil vom 26. April 1974 – V ZR 174/72 – MDR 1974, 831) – indessen steht einer solchen Auslegung der Ausführungen im Berufungsurteil zunächst entgegen, daß das Gericht sich ausdrücklich auf § 138 Abs. 3 ZPO und die dort vorgesehene Geständnisfiktion gestützt hat. Darüber hinaus spricht gegen ein solches Verständnis, daß das Gericht offensichtlich nicht alle für eine derartige umfassende Beweiswürdigung in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt hat. Das gilt einmal für den Umstand, daß die Klägerin ihre Behauptung zur Einkommenshöhe selbst als lediglich auf Annahmen und Schätzungen beruhend bezeichnet hat (Schriftsatz vom 9. Mai 1984). Vor allem aber hätte das Berufungsgericht sich im Rahmen einer solchen umfassenden Beweiswürdigung mit dem Vorbringen des Beklagten auseinandersetzen müssen, soweit er in der Vergangenheit besondere finanzielle Engpässe durchzustehen gehabt habe, hätten ihm Eltern und Geschwister geholfen.

Hiernach kann die tatrichterliche Feststellung der Einkommensverhältnisse des Beklagten und damit einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die dem abzuändernden Urteil insoweit zugrunde liegen, nicht bestehen bleiben.

II. Der Beklagte hat vorgebracht, die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch durch ein auf Dauer angelegtes eheähnliches Verhältnis zum Zeugen O. verwirkt.

Dieses Vorbringen stellt eine rechtsvernichtende Einwendung dar, die nicht im Wege der vom Beklagten erhobenen Abänderungswiderklage, sondern mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen ist (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 44. Aufl. Anm. 1 A; Thomas/Putzo, ZPO 14. Aufl. Anm. 1; Zöller/Vollkommer, ZPO 14. Aufl. Rdnr. 15, jeweils zu § 323). Im vorliegenden Verfahren kann sie lediglich insoweit Berücksichtigung finden, als der Beklagte damit im Rahmen der Abänderungsklage der Klägerin deren Erhöhungsbegehren entgegentritt. Auch insoweit dringt der Beklagte indessen nicht durch.

Entgegen der Ansicht der Revision steht es in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß das Berufungsgericht in dem Verhältnis der Klägerin zu dem Zeugen O. keinen Verwirkungsgrund im Sinne des § 66 EheG, der hier maßgebend ist (Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des 1. EheRG) gesehen hat (BGH Urteil vom 26. September 1979 – IV ZR 87/79 – FamRZ 80, 40 f.). Daran ändert nichts, daß das Berufungsgericht die Möglichkeit unterstellt, bei diesem Verhältnis handele es sich um eine „feste soziale Bindung”. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, hat der Bundesgerichtshof lediglich für den Fall die Möglichkeit der Verwirkung nach 3 66 EheG bejaht, daß ein geschiedener Ehegatte mit einem Partner eine Verbindung eingeht und dabei von einer Eheschließung absieht, um den Unterhaltsanspruch nach §§ 58 ff. EheG nicht zu verlieren (vgl. Urteil vom 26. September 1979 a.a.O. und vom 26. Mai 1982 – IVb ZR 711/80 – FamRZ 1982, 896). Diese Voraussetzungen hat das Gericht im vorliegenden Fall geprüft, jedoch nicht feststellen können. Seine Beurteilung läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

Das Berufungsgericht hat ferner dargelegt, daß die Klägerin dem Zeugen keine Versorgungsleistungen erbringt, für die sie ein Entgelt verlangen könnte. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird auch von der Revision nicht näher angegriffen.

III. Auch zu den von der Revision zur Überprüfung gestellten Fragen der Erwerbsobliegenheit der Klägerin und der bedürftigkeitsmindernden Berücksichtigung des von der Klägerin bezogenen Wohngeldes läßt die Beurteilung des Berufungsgerichts, das beide Fragen zugunsten der Klägerin entschieden hat, keinen Rechtsfehler erkennen.

IV. Die Revision wendet sich ferner dagegen, daß das Berufungsgericht nur einen Teil des Pflegegeldes als bedürftigkeitsminderndes Einkommen der Klägerin berücksichtigt hat. Diese Angriffe sind zu einem Teil begründet.

1. Jenes Pflegegeld, bei dem es sich um Leistungen des Trägers der Sozialhilfe nach § 69 Abs. 3 und 4 BSHG handelt, ist grundsätzlich dem Einkommen der Klägerin zuzurechnen. Davon ist auch das Oberlandesgericht ausgegangen. Gestützt auf die Grundsätze des Senatsurteils vom 18. April 1984 (IVb ZR 80/82 – FamRZ 1984, 769, 771 f.), in dem es der Senat gebilligt hat, daß ein nach §§ 6, 5 JWG gewährtes Pflegegeld mit dem durch die Versorgung des Pflegekindes nicht verbrauchten Teil der Pflegeperson für die Zwecke des Unterhaltsrechts als eigenes Einkommen zugerechnet worden war, hat das Berufungsgericht den Standpunkt eingenommen, daß das Pflegegeld grundsätzlich die Bedürftigkeit der Klägerin mindere. Daß Anspruchsberechtigter des Pflegegeldes allein der Pflegebedürftige und nicht die Pflegeperson sei, stehe hier einer derartigen unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung ebensowenig im Wege wie bei Pflegegeld, das einem in Familienpflege aufgenommenen Pflegekind gewährt werde.

Dieser Beurteilung stimmt der Senat zu. Er vermag die Auffassung der Anschlußrevision, daß eine derartige Behandlung des Pflegegeldes mit dessen Zweck nicht vereinbar wäre, nicht zu teilen. Wie bei sonstigen nicht subsidiären Sozialleistungen steht auch hier die sozialrechtliche Zweckbestimmung dieses Pflegegeldes der unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung nicht entgegen.

2. Die Töchter der Parteien haben das Pflegegeld bereits zur Zeit des abzuändernden Urteils erhalten. Das damals erkennende Gericht hat indessen mangels entsprechenden Vortrags der Parteien von diesen Bezügen nichts gewußt. Die damit aufgeworfene Frage, ob das Pflegegeld nunmehr im Zuge der Abänderung des früheren Urteils als bedürftigkeitsminderndes Einkommen der Klägerin angerechnet werden kann, hat das Berufungsgericht bejaht, soweit das Pflegegeld seit dem abzuändernden Urteil gestiegen ist. Demgemäß hat es das Pflegegeld nur in Höhe der Differenz zwischen dem damaligen Betrag und der jetzt gewährten Leistung für die Zeit von Oktober 1983 bis einschließlich Oktober 1984 und – wegen des Auszugs der älteren Tochter – ab 1. November 1984 in Höhe der Hälfte dieses Betrages berücksichtigt. Dagegen hat das Berufungsgericht das Pflegegeld in der bereits zur Zeit des vorangegangenen Urteils gezahlten Höhe unberücksichtigt gelassen.

Dem kann nicht in allen Punkten gefolgt werden.

a) Soweit der Beklagte die von ihm erhobene Abänderungswiderklage auf die Gewährung des Pflegegeldes gestützt hat, hat das Oberlandesgericht den bereits zur Zeit des früheren Urteils gewährten Teil wegen der Vorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO außer Betracht gelassen. Nach dieser Vorschrift ist eine Abänderungsklage jedenfalls nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf die sie gestützt wird, erst nach der letzten Tatsachenverhandlung des Vorprozesses entstanden sind. Das Berufungsgericht hat diese Vorschrift in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats dahin verstanden, daß die Abänderungsklage nur auf nach dem maßgebenden Zeitpunkt entstandene Gründe gestützt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 21. April 1982 – IVb ZR 696/80 – FamRZ 1982, 792, 793 sowie Senatsbeschluß vom selben Tage – IVb z.B. 584/81 – FamRZ 1982, 687, 688). Danach ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß der Bezug des Pflegegeldes in der zur Zeit des früheren Urteils gewährten Höhe keinen Umstand darstellt, auf den der Beklagte seine Abänderungswiderklage stützen kann.

Dieses Ergebnis beantwortet die Frage nach einer Berücksichtigung dieses Teiles des Pflegegeldes indessen noch nicht abschließend. So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 18. April 1984 (IVb ZR 59/82 – FamRZ 1984, 772, 774) die Frage aufgeworfen, ob die Vorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO nicht dahin zu verstehen ist, daß sie allein die Zulässigkeit der Abänderungsklage von der Geltendmachung nachträglich eingetretener Gründe abhängig macht, dagegen nicht ausschließt, bei der abändernden Entscheidung auch Umstände zu berücksichtigen, die bereits vor der maßgebenden Verhandlung des Vorprozesses eingetreten, aber noch nicht Gegenstand der bisherigen gerichtlichen Beurteilung gewesen sind. Diese Frage, die der Senat in dem vorgenannten Urteil nicht zu entscheiden brauchte, stellt sich im vorliegenden Fall, da mit der seit dem Vorprozeß eingetretenen Steigerung des Pflegegeldes eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist, auf die der Beklagte seine Abänderungswiderklage zulässigerweise stützen kann.

aa) Das vorstehend erwogene Verständnis des § 323 Abs. 2 ZPO geht über die Konzeption hinaus, die dieser Vorschrift an sich zugrunde liegt. Ausdrückliches und absichtliches Vorbild bei ihrer Einführung durch die Novelle von 1898 war § 767 Abs. 2 (damals § 686 Abs. 2) ZPO. Die zuvor (in § 7 des Reichshaftpflichtgesetzes von 1871) nicht ausdrücklich geregelte Frage, „ob auch eine solche Änderung der Verhältnisse zu berücksichtigen ist, welche sich zwar vor dem Zeitpunkte, in welchem sie hätte geltend gemacht werden müssen, zugetragen hat, dem Berechtigten jedoch ohne sein Verschulden unbekannt geblieben ist”, wurde – entsprechend der Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Reichshaftpflichtgesetz – im verneinenden Sinne entschieden, „um mit dem Grundsatze des § 686 Abs. 2 der CPO im Einklang zu bleiben” (Motive zum Entwurf des BGB 1888 Bd. II S. 789 f. sowie Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen 8. Bd. S. 103 f.). Demgemäß wird die Vorschrift dahin verstanden, daß eine auf Zahlung künftig fällig werdender wiederkehrender Leistungen in Anspruch genommene Partei Einwendungen, welche sie gegen den Anspruch überhaupt oder gegen den verlangten Betrag zu machen hat, in dem betreffenden Prozeß zur Geltung bringen muß, widrigenfalls sie mit ihnen ausgeschlossen wird (RGZ 5, 98, 100; vgl. ferner RG SeuffA Bd. 29 S. 33; Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO 19. Aufl. § 323 Anm. II 3 a und 4, V 2; Nikisch, ZPR 2. Aufl. § 107 II 5, S. 422 f.; Schönke/Kuchinke, ZPR 9. Aufl. § 75 IV 1, S. 368). Entsprechend wird einer Partei, deren Rentenklage im Vorprozeß teilweise abgewiesen wurde, die Möglichkeit zur Geltendmachung von Umständen, die bereits vor der maßgebenden Verhandlung des Vorprozesses eingetreten, ihr aber erst später bekannt geworden sind, im späteren Abänderungsverfahren auch dann abgesprochen, wenn sie die Abänderungsklage zulässigerweise auf spätere Änderungen gestützt hat (vgl. BGH Urteil vom 14. Juli 1954 – VI ZR 64/54 – LM ZPO § 323 Nr. 4 VersR 1954, 497).

Indessen hat die Abänderungsklage einen weiten Anwendungsbereich erfahren. Seit der Entscheidung BGHZ 34, 110 vertritt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, daß die Klage nach § 323 BGB nicht auf Fälle beschränkt ist, in denen eine Rechtskraftwirkung beseitigt werden muß; vielmehr ist jedes Verlangen nach Änderung eines Rentenurteils im Sinne einer Anpassung an veränderte Verhältnisse ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall eine Rechtskraftwirkung besteht, nach § 323 ZPO zu beurteilen. Aus diesem Grunde kann auch der im Vorprozeß voll obsiegende Kläger einen durch die Veränderung der Verhältnisse bedingten höheren Rentenbetrag nur unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO verlangen (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 82, 246, 252 sowie vom 3. April 1985 – IVb ZR 19/84 – FamRZ 1985, 690). In einem derartigen Fall kann die uneingeschränkte Anwendung der vorstehenden Grundsätze über die Tragweite von § 323 Abs. 2 ZPO zu unerträglichen Ergebnissen führen. Macht etwa ein Unterhaltsgläubiger – möglicherweise um den Schuldner zu schonen – mit seiner Unterhaltsklage nicht seinen gesamten, an sich berücksichtigungsfähigen Unterhaltsbedarf oder sonst einen hinter dem ihm an sich zustehenden Unterhalt zurückbleibenden Rentenbetrag geltend – ohne damit nur eine Teilklage zu erheben (vgl. Senatsurteil vom 3. April 1985 a.a.O.) – und dringt er mit seinem Klageantrag in vollem Umfang durch, so erschiene es untragbar, wenn er mit den rechtserheblichen Tatsachen, aus denen sich sein weiterer, voller Unterhaltsbedarf ergibt, in künftigen Abänderungsverfahren ausgeschlossen wäre und er somit keine Möglichkeit mehr hätte, seinen vollen Unterhalt geltend zu machen. Dementsprechend hat der Senat in einem Fall, in dem der Kläger im Vorprozeß zwar den ganzen Unterhaltsanspruch geltend gemacht, jedoch einen geringeren Betrag gefordert und zugesprochen erhalten hatte, als er nach der Beurteilung des damals erkennenden Gerichts hätte beanspruchen können, entschieden, daß der Kläger nicht darauf beschränkt ist, im Abänderungsverfahren statt des vollen Unterhalts weiterhin nur den im Vorprozeß zugesprochenen Anteil geltend zu machen und dessen Anpassung an die zwischenzeitlichen Veränderungen zu verlangen; vielmehr kann er nach Eintritt der Voraussetzungen des § 323 ZPO verlangen, daß bei der Abänderungsentscheidung der volle Unterhaltsanspruch zugrunde gelegt wird (Senatsurteil vom 11. Januar 1984 – IVb ZR 10/82 – FamRZ 1984, 374, 376). Ferner ist auf das Senatsurteil vom 3. April 1985 (a.a.O.) zu verweisen, wonach ein Ehegatte, der seinen vollen Unterhalt einklagt, dabei aber seinen Vorsorgebedarf nicht geltend gemacht hat, nach wesentlicher Änderung der im Vorprozeß maßgebenden Verhältnisse im Rahmen der Abänderung des früheren Titels auch den Vorsorgebedarf zur Geltung bringen kann.

bb) Hieraus ergibt sich jedoch noch keine Rechtfertigung, im Rahmen einer abändernden Entscheidung nach § 323 ZPO generell auch Tatsachen zu berücksichtigen, die bereits im maßgebenden Zeitpunkt des Vorprozesses eingetreten, aber noch nicht Gegenstand der gerichtlichen Beurteilung waren. Soweit es sich um Fälle handelt, in denen eine Rechtskraftwirkung beseitigt werden muß, in denen also etwa der Abänderungskläger die Herabsetzung der Rente verlangt, zu der er im Vorprozeß verurteilt worden ist, oder die Erhöhung seiner Rente erstrebt, nachdem er im Vorprozeß mit einem entsprechenden Teil seines Anspruchs abgewiesen worden ist, muß es dabei bleiben, daß der Abänderungskläger solche, während des Vorprozesses bereits vorhandene Tatsachen nicht mehr zur Geltung bringen kann, auch wenn die Voraussetzungen des § 323 ZPO inzwischen eingetreten sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn er jene Tatsachen bereits im Vorprozeß hätte vorbringen können.

Dies erfordern bereits die allgemeinen Regeln über die aus der Rechtskraft folgende Tatsachenpräklusion. Früher schon vorhandene, im Vorprozeß aber nicht vorgetragene Tatsachen, die mit dem Prozeßstoff des Vorprozesses in Zusammenhang stehen und den dortigen Tatsachenfeststellungen widersprechen, können grundsätzlich nicht mit dem Ziel vorgetragen werden, daß das kontradiktorische Gegenteil der früher festgestellten Rechtsfolge ausgesprochen wird (Thomas/Putzo, a.a.O. § 322 Anm. 7 c; ferner Rosenberg/Schwab, ZPR 13. Aufl. § 156 II 1 = S. 942 f.; zur Frage der Anknüpfung der Ausschlußwirkung an die subjektive Voraussetzung, daß die Partei die Tatsache im Vorprozeß hätte vorbringen können, vgl. BGH Urteil vom 25. September 1975 – VII ZR 243/74 – LM ZPO Nr. 78 zu § 322 ZPO sowie Stein/Jonas/Schumann/Leipold a.a.O. § 322 Anm. X 2). Auf eine derartige abweichende Feststellung des Prozeßstoffes des früheren Verfahrens zur Erreichung des kontradiktorischen Gegenteils der Vorentscheidung zielt es auch ab, wenn der im Vorprozeß verurteilte Beklagte oder der teilweise unterlegene Kläger damals bereits eingetretene, aber nicht vorgetragene rechtserhebliche Umstände nach Eintritt der Voraussetzungen des § 323 ZPO im Rahmen seines Abänderungsbegehrens geltend macht.

Eine solche „Korrektur” des früheren Urteils muß dem Abänderungskläger ebenso verschlossen bleiben wie sonst dem Kläger eines Zweitprozesses. Zwar bringt das Institut der Abänderungsklage gegenüber dem starren Prinzip der materiellen Rechtskraft Billigkeitserwägungen zur Geltung. Das geschieht jedoch im Blick auf die Fälle, in denen die Berücksichtigung künftiger Änderungen der Verhältnisse schon im ersten Urteil untunlich oder unzweckmäßig ist oder in denen sich die Verhältnisse anders entwickeln, als vom Gericht des Erstprozesses angenommen worden ist (Motive a.a.O. S. 789). Einem Abänderungskläger auch die Geltendmachung solcher Tatsachen zu ermöglichen, die er bereits im Vorprozeß hätte vorbringen können, läge außerhalb jener Billigkeitsgründe, denen das Gesetz mit der Abänderungsklage Rechnung tragen will.

Im vorliegenden Fall war dem Beklagten während des Prozesses die Gewährung des Pflegegeldes bekannt. Wie das Berufungsurteil ausweist, hat er in der Berufungsverhandlung erklärt, er wisse nicht, warum im Vorprozeß zum Pflegegeld nichts vorgetragen worden sei; dieser Punkt habe in seinen Überlegungen damals keine Rolle gespielt. Hiernach hat das Berufungsgericht bei der Entscheidung über die Abänderungswiderklage den Bezug des Pflegegeldes in der zur Zeit des Vorprozesses gewährten Höhe zu Recht nicht berücksichtigt. b) Das Berufungsgericht hat den Bezug des vorgenannten Teiles des Pflegegeldes darüber hinaus auch insoweit unberücksichtigt gelassen, als es über das Abänderungsbegehren der Klägerin entschieden hat. Es hat dargelegt § 323 Abs. 2 ZPO müsse nach seinem Sinn auch insoweit gelten, als sich der Beklagte gegen jene Abänderungsklage verteidige.

Dieser Beurteilung kann nicht gefolgt werden.

§ 323 Abs. 2 ZPO regelt seinem Wortlaut nach allein die Berücksichtigung klagebegründender Tatsachen und errichtet insoweit eine zeitliche Schranke für den Abänderungskläger. Daß die Vorschrift außerdem die Einschränkung der Rechtsverteidigung des Abänderungsbeklagten zum Ziel hätte, läßt sich ihr nicht entnehmen. Das entspräche auch nicht den bereits im vorstehenden Abschnitt dargelegten allgemeinen Grundsätzen. Diese Grundsätze stehen einem Vorbringen, mit dem sich die beklagte Partei lediglich gegen die Abänderungsklage verteidigt, schon deshalb nicht entgegen, weil damit nicht eine Abweichung von der früher festgestellten Rechtsfolge erstrebt, sondern gerade an jener Entscheidung festgehalten wird. Der hier auf die Gewährung des Pflegegeldes gestützte Verteidigungseinwand des Beklagten richtet sich nicht gegen das frühere Urteil, sondern lediglich gegen die von der Klägerin geforderte Erhöhung der Unterhaltsrente (vgl. auch KG JW 1927, 186, 187; ferner BGH Urteil vom 7. Juni 1963 – VI ZR 126/62 – VRS 25, 87 89 f. zur Frage der Beschränkung der Rechtsverteidigung gegenüber einer Vollstreckungsgegenklage durch § 323 Abs. 3 ZPO). Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts führt die Berücksichtigung jenes Verteidigungsvorbringens auch nicht sonst zu einer Beeinträchtigung jenes der Bindungswirkung des früheren Urteils. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die rechtliche Bindung des Gerichts der Abänderungsklage an die Grundlagen des früheren Urteils nur solche unverändert gebliebenen tatsächlichen Verhältnisse erfassen, die der Richter des ersten Verfahrens – nach dem Vortrag der Parteien und einer etwa durchgeführten Beweisaufnahme – festgestellt und denen er Bedeutung für die Unterhaltsbemessung beigelegt hat (vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 1984 – IVb ZR 10/82 – FamRZ 1984, 374, 375; s. ferner Zöller/Vollkommer a.a.O. § 323 Rdnr. 40). Im vorliegenden Fall hat das Gericht des Vorprozesses von dem Bezug des Pflegegeldes jedoch nichts gewußt, so daß insoweit eine Bindung des Gerichts der Abänderungsklage von vornherein ausscheidet. Es ist auch nicht ersichtlich –, daß das durch § 323 Abs. 2 – ebenso wie durch Abs. 3 – ZPO geschützte Vertrauen auf die Richtigkeit eines gerichtlichen Urteils sowie das Bedürfnis nach Beständigkeit der einmal getroffenen gerichtlichen Entscheidung (Senatsurteil vom 27. Juni 1984 – IVb ZR 21/83 – FamRZ 1984, 997, 999) beeinträchtigt werden, wenn der Abänderungsbeklagte das frühere Urteil mit Gründen verteidigt, die bereits während des Vorprozesses bestanden haben, dort aber nicht vorgetragen wurden und infolgedessen unberücksichtigt geblieben sind. Auch aus sonstigen übergeordneten Gesichtspunkten können gegen die Zulassung eines solchen Verteidigungsvorbringens keine durchgreifenden Bedenken erhoben werden. Daß der Abänderungsbeklagte das frühere Urteil hingenommen und davon abgesehen hat, es mit weiteren, ihm zur Seite stehenden Tatsachen zu bekämpfen, kann ebenso auf verständlichen und achtenswerten Gründen beruhen wie sein Entschluß, im Falle einer Klage des Prozeßgegners auf Abänderung der Entscheidung jene Tatsachen nicht mehr zurückzuhalten.

Hiernach ist im Rahmen der Rechtsverteidigung des Beklagten gegen das Abänderungsbegehren der Klägerin der Pflegegeldbezug auch insoweit zu berücksichtigen, als es um das Pflegegeld in der zur Zeit des früheren Urteils gewährten Höhe geht.

B: Die Anschlußrevision der Klägerin hat teilweise Erfolg.

I. Allerdings dringen ihre Angriffe gegen die bedürftigkeitsmindernde Berücksichtigung des Pflegegeldes nicht durch.

Wie bereits dargelegt (oben A IV 1), ist das Pflegegeld grundsätzlich dem Einkommen der Klägerin zuzurechnen. Der Ansicht der Anschlußrevision, dieser Posten dürfe auch insoweit nicht angerechnet werden, als das Pflegegeld seit dem abzuändernden Urteil gestiegen ist, kann nicht gefolgt werden.

Allerdings ermöglicht die Abänderungsklage nach § 323 ZPO keine freie Neufestsetzung des Unterhalts. Vielmehr kann die Abänderungsentscheidung nur in einer unter Wahrung der Grundlagen des abzuändernden Titels vorzunehmenden Anpassung des Unterhalts an die veränderten Verhältnisse bestehen (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt die Senatsurteile vom 11. Januar 1984 a.a.O. S. 374, 375 und vom 16. Januar 1985 – IVb ZR 62/83 – FamRZ 1985, 582, 583). Wie bereits dargelegt (oben A IV 2 b), kann die sich daraus ergebende rechtliche Bindung des Gerichts der Abänderungsklage nur solche unverändert gebliebenen tatsächlichen Verhältnisse erfassen, die der Richter des ersten Verfahrens festgestellt und denen er Bedeutung für die Unterhaltsbemessung beigelegt hat. Da das Gericht des Vorprozesses von dem Pflegegeld nichts gewußt hat, war das Berufungsgericht daher nicht gehindert, das Pflegegeld zu berücksichtigen.

Dieser Beurteilung steht das Senatsurteil vom 8. Dezember 1982 (IVb ZR 338/81 – FamRZ 1983, 260), auf das sich die Anschlußrevision stützt, nicht entgegen. Die Entscheidung betraf den Sonderfall, daß der vom Unterhaltsschuldner aufgewendete Krankenversicherungsbeitrag, um dessen Erhöhung es ging, in dem vorangegangenen Rechtsstreit deswegen für die Ermittlung des Nettoeinkommens und die davon abhängige Unterhaltsbemessung nicht maßgebend gewesen war, weil das Einkommen des Schuldners im Vorprozeß – in Übereinstimmung mit den weiteren vorangegangenen Abänderungsverfahren – ohne Berücksichtigung einzelner Bedarfsposten ermittelt worden war. Im Hinblick auf diese Besonderheit der Einkommens- und der damit zusammenhängenden Unterhaltsbemessung hat der Senat entschieden, daß die Beitragspflicht des Schuldners für seine Krankenversicherung nicht zu den Verhältnissen im Sinne des § 323 Abs. 1 ZPO gehöre, deren wesentliche Änderung eine Abänderung des Unterhaltsbetrages rechtfertige, und daß der Schuldner daher einem auf die Erhöhung seines Einkommens gestützten Abänderungsbegehren nicht entgegenhalten könne, durch den Anstieg des Krankenversicherungsbeitrages habe sich sein Bedarf erhöht (a.a.O. S. 261). Eine vergleichbare Situation entfällt hier schon deswegen, weil das Gericht des Vorprozesses – in Unkenntnis des für die Kinder gewährten Pflegegeldes – davon ausgegangen ist, daß die Klägerin ohne jedes Einkommen sei.

II. Die Anschlußrevision erhebt gegen die Unterhaltsbemessung des Berufungsgerichts ferner den Einwand, die jetzige Ehefrau des Beklagten müsse trotz ihres Gleichrangs mit der Klägerin im Rahmen von § 59 EheG unberücksichtigt bleiben, weil ihr Unterhaltsbedarf durch ihr eigenes Einkommen gedeckt sei. Von diesem Erwerbseinkommen habe das Berufungsgericht für den Unterhalt ihrer erstehelichen Kinder nichts abziehen dürfen, weil die Ehefrau ihre Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern schon durch die Betreuung erfülle (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Auch damit kann die Anschlußrevision keinen Erfolg haben.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Ehefrau von ihrem Einkommen den Barunterhalt ihrer erstehelichen Kinder überwiegend bestreiten muß, weil sie nur für eines der beiden Kinder eine Unterhaltsrente von derzeit 170 DM monatlich, für das andere dagegen keinen Unterhalt erhält (vgl. S. 9 des Berufungsurteils; bei dem dort angegebenen Betrag von 70 DM handelt es sich offensichtlich um ein Schreibversehen). Unter diesen Umständen geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, daß die Ehefrau des Beklagten den Kindern neben dem Betreuungsunterhalt auch insoweit zur Unterhaltsleistung verpflichtet ist, als diese von ihrem Vater keinen bzw. keinen ausreichenden Barunterhalt bekommen. Auch gegen die Beträge, die das Gericht unter Heranziehung der einschlägigen Sätze der Düsseldorfer Tabelle als Barunterhalt der Ehefrau für ihre Kinder angesetzt und von ihrem Erwerbseinkommen abgezogen hat, bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken.

III. Ein durchgreifendes Bedenken gegen die Bemessung des Unterhalts der Klägerin ergibt sich indessen für die Zeit ab 17. November 1983. Wie die Anschlußrevision zu Recht beanstandet, hat das Berufungsgericht nicht beachtet, daß die Tochter Silke an diesem Tage volljährig geworden ist und damit fortan der Klägerin nicht mehr im Range vorging (§ 1609 Abs. 2 BGB). Daß Silke infolge ihrer schweren körperlichen Behinderung nicht erwerbsfähig ist, rechtfertigt es nach dem Gesetz nicht, sie unterhaltsrechtlich weiterhin einem minderjährigen Kinde gleichzustellen (Senatsurteil vom 18. April 1984 – IVb ZR 491/82 – FamRZ 1984 683). Damit durfte das Berufungsgericht von jenem Zeitpunkt ab den Unterhalt dieser Tochter nicht mehr vorab von dem Einkommen des Beklagten absetzen, bevor es den Unterhaltsanspruch der Klägerin bestimmte.

IV. Schließlich weist der Entscheidungsausspruch des Berufungsurteils insoweit ein Versehen auf, als er der Klägerin den Monatsbetrag von 74,50 DM ab 1. November 1985 zuspricht, während die Entscheidungsgründe ergeben, daß dieser Betrag bereits für die Zeit ab 1. November 1984 zuerkannt werden soll.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609383

BGHZ, 353

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