Entscheidungsstichwort (Thema)

Merkzeichen. Außergewöhnliche Gehbehinderung. Amputation eines Oberschenkels. Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto. Parkplatz. Überprüfungsantrag

 

Leitsatz (amtlich)

Das Bedürfnis eines einseitig Oberschenkelamputierten, zum Ein- und Aussteigen aus seinem Pkw die Fahrertüre komplett zu öffnen, rechtfertigt nicht die Zuerkennung des Merkzeichens "aG".

 

Normenkette

SGB IX § 69 Abs. 4; VersMedV § 2; StVG § 6 Abs. 1 Nr. 14; SGB X § 44

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 20.06.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG".

Der 1962 geborene Kläger (Kl.) erlitt im Jahre 1993 einen Motorradunfall mit drittgradig offener Unterschenkelmehrfragmentfraktur rechts. In der Folgezeit entwickelten sich Komplikationen wie eine Osteomyelitis. Es folgten weitere Motorradunfälle, die abermals zu Frakturen sowie zu einer massiven Schädigung des rechten Knies führten. Ab 2003 entwickelte der Kl., der sich auch in psychiatrischer Behandlung befand, ein Schmerzsyndrom im rechten Bein und ließ sich dieses im Wege eines selektiven Eingriffs am 07.03.2006 im Kreiskrankenhaus D. im Bereich des Oberschenkels amputieren. Seitdem ist der Kl. am rechten Bein mit einer C-Leg-Prothese versorgt.

Dem Kl. waren zunächst mit Bescheid vom 17.02.1994 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 und das Merkzeichen G anerkannt worden. Ein wegen der Ablehnung des Merkzeichens aG eingelegter Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.1995 zurückgewiesen worden. Vor der Amputation war der Kl. vom Beklagten (Bekl.) zuletzt mit Änderungsbescheid vom 06.02.2003 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 und dem Merkzeichen G unter Ablehnung des Merkzeichens aG eingestuft worden. Nach der Amputation beantragte der Kl. am 18.04.2006 die Erhöhung des GdB sowie die Eintragung der Merkzeichen aG und B. Mit Änderungsbescheid vom 07.11.2006 erhöhte der Bekl. den GdB ab dem 18.04.2006 auf 80, stellte weiterhin die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G fest, lehnte aber die übrigen Merkzeichen - insbesondere die vom Kl. beantragten Merkzeichen B und aG - ab. Folgende Gesundheitsstörungen wurden festgestellt:

1. Verlust des Beines rechts im Oberschenkel: Einzel-GdB 70

2. Seelische Störung: Einzel-GdB 20

3. Funktionsbehinderung des Handgelenkes links, Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit: Einzel-GdB 20

4. In Fehlstellung knöchern verheilter Schlüsselbeinbruch rechts: Einzel-GdB 20

Nach weiteren Motorradunfällen und einer Operation der rechten Schulter Ende Januar 2009 beantragte der Kl. am 26.02.2009 die Erhöhung seines GdB auf 100 und die Feststellung des Merkzeichens aG sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen einer Sonderparkberechtigung für den Freistaat Bayern ("Bayern-aG"). Diesen Antrag lehnte der Bekl. mit Bescheid vom 13.05.2009 ab.

Am 04.05.2010 beantragte der Kl. erneut die Zuerkennung der Merkzeichen B und aG sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen einer Sonderparkberechtigung für den Freistaat Bayern ("Bayern-aG"). Er gab an, dass sich Gesundheitsstörungen weder verschlimmert hätten noch neu aufgetreten seien. Mit Bescheid vom 11.08.2010 lehnte der Bekl. den Antrag vom 04.05.2010, den Bescheid vom 07.11.2006 aufzuheben und eine neue Feststellung zu treffen, ab, weil in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 07.11.2006 vorgelegen hätten, keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingetreten sei. Der GdB betrage nach wie vor 80. Weder die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG noch diejenigen für das Merkzeichen B noch die gesundheitlichen Voraussetzungen einer Sonderparkberechtigung für den Freistaat Bayern ("Bayern-aG") lägen vor.

Gegen diesen Bescheid legte der Kl. am 25.08.2010 Widerspruch ein. Dabei stellte er mit Anwaltsschreiben vom 21.10.2010 klar, dass sich der Widerspruch ausschließlich auf die Zuerkennung des Merkzeichens aG richte. Mit diesem Schreiben hat der Kl. seinen Anspruch auf das Merkzeichen aG damit begründet, dass er bei einer Körpergröße von 1,90 m und einer Oberschenkelprothese rechts aus dem Fahrzeug nur dann ein- und aussteigen könne, wenn er die Fahrertüre komplett öffne. Nur Behindertenparkplätze seien hierfür breit genug.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2010 wies der Bekl. den Widerspruch als unbegründet zurück. In den Gründen heißt es, der GdB sei mit 80 richtig festgestellt. Die Voraussetzungen des Merkzeichens aG seien nicht gegeben.

Gegen den Widerspruchsbescheid, der am 08.11.2010 versandt wurde, hat der Kl. am 07.12.2010 beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben.

Der Kl. hat vorgebracht, er müsse sich beim Ein- und Aussteigen vollkommen gestreckt aus dem Auto herausziehen bzw. in das Auto hineinlassen. Hierzu...

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