Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. August 2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt 3.344.642,42 Euro (= 6.541.551,99 DM) Schadensersatz wegen verspäteter Weiterleitung von Beiträgen im zentralen Beitragseinzug in der Zeit vom 01.06.1989 bis 31.05.1998.

1. Im streitigen Zeitraum konnten Arbeitgeber mit zentraler Lohn- und Gehaltsabrechnung, die Beiträge zu mehreren Ortskrankenkassen als Einzugsstellen hätten abführen müssen, dies zur Vereinfachung zentral bei deren Bundesverband erledigen. Der Verband hatte die Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die jeweilige Einzugsstelle kalendertäglich weiterzuleiten, die wiederum die Beiträge an den zuständigen Träger der Rentenversicherung und die hier klagende Bundesanstalt (jetzt Bundesagentur) für Arbeit weitergaben (§ 28k Abs. 1, 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.1988, BGBl I, S. 2330; iW gültig bis zur Änderung ab 01.06.2001 durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000 (BGBl I, S. 1983))

Die nach § 28n Satz 1 Nr. 1 - 4 SGB IV erlassene und seit 01.07.1989 gültige Beitragseinzugs-Verordnung (BZVO vom 22.05.1989, BGBl I S. 990) bestimmte in § 3 Abs. 1, dass die Einzugsstelle an jedem Arbeitstag Überweisungsaufträge der nach § 28k Abs. 1 SGB IV weiterzuleitenden Beträge zu erteilen hatte. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 BZVO konnte der Zahlungsempfänger eine beschleunigte Überweisung verlangen. Nach § 1 Abs. 3 BZVO in der ursprünglichen Fassung trat der Verband im Falle des § 28f Abs. 4 SGB IV u.a. in § 3 Abs. 1 BZVO an die Stelle der Einzugsstelle. Mit Wirkung vom 18.06.1994 wurde durch das 2. Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs (BGBl I, S. 1229) diese Verweisung in § 1 Abs. 3 BZVO auf § 3 Abs. 2 BZVO erweitert.

Der Beklagte erhielt im Rahmen des zentralen Beitragseinzugs im streitigen Zeitraum Beiträge in Höhe von 31.810.721.876,00 DM, die er durch Orderscheck per Briefpost an die Einzugsstellen weiter leitete. Die Klägerin macht geltend, aus den bis zur Einlösung der Schecks auf den Konten des Beklagten verbliebenen Gelder seien erhebliche Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile entstanden, die als Schadensersatz auszugleichen seien.

2. Die Klägerin und die Rentenversicherungsträger (im folgenden: Fremdversicherungsträger) führten im Oktober 1990 für den Prüfzeitraum 01.09.1990 - 31.08.1992 eine Prüfung der zentralen Beitragsabrechnung durch und rügten in der Prüfmitteilung vom 21.04.1992 sowie in Schlussbesprechungen vom 28.10.1992 und 07.12.1992 u.a., die Weiterleitung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge werde den gesetzlichen Vorschriften nicht gerecht, das Orderscheckverfahren sei keine Überweisung im Sinne der BZVO. Entsprechendes war das Ergebnis von weiteren Prüfungen nach der Schlussbesprechung 15.11.1994 für den Zeitraum 01.09.1992 - 31.08.1994, der Schlussbesprechung vom 07.11.1996 für den Zeitraum 01.09.1994 - 31.08.1996.

Nach Prüfung des Bundesrechnungshofes (BRH) der Bundesanstalt für Arbeit schrieb der BRH an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (27.04.1992), die Weiterleitung der Beiträge durch Orderscheck sei unzulässig und für die Bundesanstalt für Arbeit nachteilig. Diese Position vertrat das Ministerium mit Schreiben vom 26.06.1992 gegenüber den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung.

Der Beklagte bestritt auch nach Prüfung des BRH seine Verpflichtung, die Beiträge durch Überweisung weiterleiten zu müssen. Er verteidigte das Orderscheckverfahren als wirtschaftlich vorteilhafter, weil auf diesem Wege der Zinsvorteil bei ihm verbleibe und nicht den kontoführenden Banken durch Überweisungs-Laufzeiten zu Gute komme. Anlässlich einer Besprechung am 12.01.1994 vereinbarte der Beklagte mit den Fremdversicherungsträgern eine Stichprobenuntersuchung zu den Laufzeiten des Orderscheckverfahrens und einigte sich mit ihnen auf ein bestimmtes Überprüfungsverfahren (Protokoll vom 29.03.1994). Nach einer Änderung des § 1 Abs. 3 BZVO im Juni 1994 forderten die Fremdversicherungsträger den Beklagten auf, das Orderscheckverfahren aufzugeben und verwiesen wegen Ersatzansprüche auf eine im Oktober 1994 anstehende Prüfung. Der Beklagte erkannte mit Schreiben vom 23.08.1994 bzw. 29.08.1994 "die geänderte Rechtslage grundsätzlich an", erbat aber, den Umstieg auf das Überweisungsverfahren zurückstellen zu dürfen. Zugleich erklärte der Beklagte ausdrücklich, dass ab 20.06.1994 Anspruch auf einen Vorteilsausgleich bestehe, falls dass das Orderscheckverfahren tatsächlich Nachteile verursache.

Nach einer weiteren Prüfung sicherte der Beklagte am 15.11.1994 zu, das Weiterleitungsverfahren zu ändern. Die Beteiligten verabredeten zudem vorläufige Zinsausgleichszahlungen iHv 114.140,81 DM für die Zeit 01.09.1992 bis 17.06.1994. Die zugesagte Umstellung erfolgte allerdings wegen der "Verbandsstruktur" des Beklagten nicht.

Auf weitere Beanstandung des BRH im Bericht vom...

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