Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Existenzgründungszuschuss. zweckbestimmte Einnahme. Absetzung der mit der Einkommenserzielung verbundenen notwendigen Ausgaben

 

Orientierungssatz

1. Es kann letztlich dahinstehen, ob der Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB 3 eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 ist, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach SGB 2 dient und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach SGB 2 nicht gerechtfertigt wären.

2. Denn der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, nämlich mit dem Zuschuss ein Defizit an Betriebseinnahmen auszugleichen, erfordert es jedenfalls, im Rahmen der Einkommensanrechnung von den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einnahmen und dem Existenzgründungszuschuss die Betriebsausgaben als "die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben" iS des § 11 Abs 2 Nr 5 SGB 2 abzuziehen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. September 2005 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2005 vollständig aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.

Der 1965 geborene Kläger übt seit 2003 eine selbständige Tätigkeit - Schuhreparatur und Schlüsseldienst - aus. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte ihm zunächst für die Zeit vom 01.09.2003 bis 31.08.2004 einen Existenzgründungszuschuss (EXGZ). Mit Bescheid vom 13.08.2004 bewilligte sie den Zuschuss für ein weiteres Jahr für die Zeit 01.09.2004 bis 31.08.2005 in Höhe von monatlich 360,00 EUR. Ab 01.09.2005 erhielt der Kläger monatlich 240,00 EUR. Er hatte bis 31.12.2004 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bezogen, wobei bei der Berechnung der Bedürftigkeit den Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb und dem EXGZ die Betriebsausgaben gegenüber gestellt und abgezogen wurden.

Der Kläger beantragte für sich und seine Ehefrau sowie die 2000 geborene Tochter Leistungen nach dem SGB II. Er legte für die Monate Januar und Februar 2005 Gewinn- und Verlustrechnungen vor, die bei Gegenüberstellung der gewerblichen Einnahmen und des EXGZ einerseits und der Betriebsausgaben andererseits Fehlbeträge von 121,11 EUR bzw. 128,30 EUR ergaben.

Mit Bescheid vom 09.03.2005 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2005 Arbeitslosengeld (Alg II) in Höhe von 1.237,91 EUR. In dem Bescheid heißt es, aufgrund der vorgelegten Abrechnungen errechne sich kein Einkommen. Mit weiterem Bescheid vom 16.03.2005 wurde die Leistung in gleicher Höhe für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2005 bewilligt.

Mit Bescheid vom 20.06.2005 hob die Beklagte den Bescheid vom 16.03.2005 für die Zeit vom 01.07. bis 30.09.2005 in Höhe von 282,00 EUR wegen "Anrechnung des Einkommens aus Existenzgründungsdarlehen abzüglich der Beiträge in Höhe von 78,00 EUR zur freiwilligen Rentenversicherung" auf. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe mit seinem Gewerbe Verluste erwirtschaftet, die er auch mit Hilfe des EXGZ nicht habe abdecken können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Beim EXGZ handele es sich nicht um Erwerbseinkommen im Sinne des § 11 Abs.2 Nrn.5 und 6 SGB II, weshalb nur die Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung abzusetzen seien.

Mit seiner zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger dargelegt, die Betriebsausgaben beliefen sich auf durchschnittlich 682,56 EUR, und zwar fielen Mietkosten von monatlich 498,06 EUR, Stromkosten von durchschnittlich 6,00 EUR, Telefonkosten von durchschnittlich 31,00 EUR, Materialkosten von durchschnittlich 54,50 EUR, Werbungskosten (Visitenkarten, Werbungen) von durchschnittlich 21,00 EUR, Fahrkosten von durchschnittlich 37,50 EUR und der Beitrag für die Handwerkskammer von monatlich 34,50 EUR an. Die Betriebseinnahmen bis 30.06.2005 lägen zwischen 118,50 EUR und 251,20 EUR und betrügen durchschnittlich 165,60 EUR. Die Auffassung, bei dem EXGZ handele es sich nicht um Erwerbseinkommen, sei sinnwidrig. Der EXGZ werde nur in Verbindung mit einer selbständigen Tätigkeit gewährt, er ermögliche sie und diene der sozialen Sicherung während einer bis zu dreijährigen Startphase. Er werde in derselben Weise wie die Betriebseinnahmen genutzt, in Verbindung mit dem Erwerbseinkommen stelle er die Betriebseinnahmen dar und diene der Begleichung der Betriebsausgaben.

Mit Urteil vom 13.09.2005 hat das SG die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, für September 2005 weitere 120,00 EUR zu bewilligen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der EXGZ sei bei der Prüfung der Hilfebedürftigkei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge