Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Existenzgründungszuschuss. zweckbestimmte Einnahme. Zweckidentität. Absetzung. freiwillige Krankenversicherungsbeiträge. Freibetrag bei Erwerbstätigkeit. Verlustausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zwecke des Existenzgründungszuschusses nach § 421l SGB 3 und Leistungen nach dem SGB 2 sind weitgehend identisch, so dass der Existenzgründungszuschuss bei Leistungen zur Grundsicherung nach § 11 Abs 1 SGB 2 grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen ist (entgegen LSG Chemnitz vom 10.1.2006 - L 3 B 233/05 AS-ER).

2. Bei der Einkommensanrechnung sind die tatsächlich anfallenden Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 11 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 Buchst a SGB 2 in Abzug zu bringen.

 

Orientierungssatz

1. Aus den Gesetzesmaterialien zu §§ 16, 29 SGB 2 ergibt sich, dass das Einstiegsgeld nach § 29 SGB 2 ein dem Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB 3 vergleichbares Instrumentarium bei Selbständigkeit für Leistungsbezieher nach dem SGB 2 ist. Dementsprechend enthält § 16 Abs 1 SGB 2 idF vom 30.7.2004 auch keinen Verweis auf § 421l SGB 3.

2. Bei dem Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB 3 handelt es sich nicht um Erwerbseinkommen iS von § 30 SGB 2 iS einer Einnahme aus selbstständiger Tätigkeit, so dass ein Freibetrag nach § 11 Abs 2 Nr 6 SGB 2 nicht abgesetzt werden kann.

3. Bei dem Existenzgründungszuschuss handelt es sich auch nicht um einen Ertrag aus der selbstständigen Tätigkeit, so dass durch die Tätigkeit erzielte Verluste nicht einkommensmindernd gegenzurechnen sind (Verlustausgleich).

 

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Änderung des Änderungsbescheides vom 09.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2006 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Grundsicherung in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses und Abzug der tatsächlich anfallenden Krankenversicherungsbeiträge zu gewähren.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Der Beklagte hat 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der dem Kläger zu 2. gezahlte Existenzgründungszuschuss (nach § 421 l SGB III) sich bedarfsmindernd auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II auswirkt.

Die Kläger bezogen beide bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe und ergänzend Wohngeld in Höhe von 47 € monatlich. Mit Bewilligungsbescheid des Arbeitsamts Bautzen vom 11.11.2004 erhielt der Kläger zu 2. zur Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit einen Existenzgründungszuschuss gem. § 421 l SGB III für die Zeit vom 01.12.2004 bis 30.11.2005 in Höhe von monatlich 600,00 € für die von dem Kläger zu 2. beabsichtigte selbständige Tätigkeit der Erbringung von Fahrdienstleistungen. Mit Antrag vom 16.10.2004/06.12.2004 beantragten die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II). Die Kläger sind Eigentümer eines Eigenheims mit zwei Wohneinheiten. Eine Wohnung ist an die Tochter P. vermietet. Hierfür erhalten die Kläger eine monatliche Miete in Höhe von 150,00 €. Eine Wohnung des Hauses (mit 94 m²) wird von den Klägern und deren 1986 geborenen Sohn P. bewohnt. Die Kläger legen bei der Antragstellung u.a. ein Verkehrswertgutachten für ihr Eigenheim vor. In dem Zusatzblatt “Einkommenserklärung/Selbsteinschätzung„ gibt der Kläger zu 2. an, voraussichtlich am 01.01.2005 die selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Er rechne mit Betriebseinnahmen von 1.300,00 € und Betriebsausgaben von 1.000,00 € monatlich. Von dem Unternehmensberater und Buchhaltungsservice Andreas S. wird mit Schreiben vom 22.12.2004 eine Bescheinigung vorgelegt, wonach der Kläger zu 2. im Geschäftsjahr 2004 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat. Weiterhin sei davon auszugehen, dass die Umsätze im Geschäftsjahr 2005 weniger als 17.500,00 € betragen und von einem Gewinn im Geschäftsjahr 2005 von weniger als 4.000,00 € auszugehen sei.

Mit Bescheid vom 03.01.2005 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen ab, da die Kläger nicht hilfebedürftig seien (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II). Ausgangspunkt der Bedarfsermittlung waren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 90,22 €. Als Einkommen wurde beim Kläger zu 2. ein Einkommen aus Vermietung in Höhe von 150,00 €, sonstiges Einkommen in Höhe von 600,00 € sowie laufendes Einkommen aus Selbständigkeit in Höhe von 245,48 €, abzüglich einer Einkommensbereinigung von 46,20 €, insgesamt 949,28 € berücksichtigt. Da dieser Betrag den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft (von 686,22 €) überstieg, kam keine Leistung in Betracht.

Hiergegen haben die Kläger mit Schreiben vom 06.01.2005 Widerspruch eingelegt und beanstandet, dass die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (in Höhe von 183,56 €) sowie die Beiträge zur Rentenversicherung ungeklärt seien. Der Kläger zu 2. gab ferner an, dass er derzeit aufgrund seiner erst kürzlich aufgenommen...

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