Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Grundleistung. Mehrbedarf für Alleinerziehende. analoge Anwendung des § 30 Abs 3 SGB 12. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 7 AY 1/18 R

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch auf Mehrbedarf entsprechend § 30 Abs 3 SGB XII für Leistungsbezieher nach §§ 3f AsylbLG ist nicht gegeben.

2. Es ist grundrechtlich und europarechtlich nicht zu beanstanden, für die Zeitdauer der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland eine abweichende Bedarfslage anzunehmen, insbes auch für den Mehrbedarf für Alleinerziehende.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.10.2018; Aktenzeichen B 7 AY 1/18 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 21. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1988 geborene Klägerin (die Bezeichnung der Beteiligten aus der 1. Instanz wird beibehalten) begehrt die Gewährung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende im Zugunstenverfahren.

Die Klägerin ist nigerianische Staatsangehörige und lebt zusammen mit ihrem am 25.07.2014 geborenen Kind, das sie alleine aufzieht. Sie verfügt über eine Aufenthaltsgestattung. Nachdem sie am 02.07.2014 einen Asylantrag gestellt hatte, bezog sie bis zum 02.10.2015 Grundleistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Seit dem 03.10.2015 erhält die Klägerin sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Die Tochter der Klägerin, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, erhält Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII.

Am 14.01.2015 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die bereits bestandskräftigen Bescheide über Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 44 SGB X zu überprüfen und neu über die Leistungen im Hinblick auf die Gewährung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende entsprechend § 30 Abs. 3 SGB XII zu entscheiden und ihr ab sofort einen Mehrbedarf für Alleinerziehende gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zu gewähren. Auch bei Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG sei ein Mehrbedarf für Alleinerziehende in entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 3 SGB XII als unerlässliche Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes und der Gesundheit anzuerkennen. Denn bei diesem Mehrbedarf handele es sich um einen bei Alleinerziehenden typischerweise auftretenden atypischen Bedarf. Dieser Mehrbedarf entstehe, weil Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten. Diese Sonderbedarfe könnten aus den zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts gewährten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG nicht gedeckt werden. Der Gesetzgeber dürfe nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Dies sei nur möglich, sofern der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG von dem anderer Bedürftiger signifikant abweichen würde. Die Anknüpfungstatsachen geringe Beweglichkeit, zusätzliche Aufwendungen für die Kontaktpflege und zusätzliche Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter lägen bei Alleinerziehenden im Leistungsbezug nach § 3 AsylblG und nach dem SGB II gleichermaßen vor. Zwar treffe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Mehrbedarf keine Aussage, jedoch könnten auf der Grundlage des § 6 AsylbLG auch die laufenden Mehrbedarfe analog zum SGB XII beansprucht werden. Das Ermessen nach § 6 AsylbLG sei auf Null reduziert, den Alleinerziehenden-Zuschlag zu gewähren. Da kein sachlicher Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung vorliege, verstoße eine Weigerung, einen pauschalen Mehrbedarf auf Grundlage des § 6 AsylbLG entsprechend § 30 Abs. 3 SGB XII anzuerkennen, gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Beklagte lehnte die Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung ab dem 14.01.2015 mit Bescheid vom 09.02.2015 ab. Mit Bescheid gleichen Datums wurde aufgrund des Antrags auf Überprüfung gem. § 44 SGB X die rückwirkende Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt. Zwar sei der Überprüfungsantrag formell zulässig, der Antrag sei erst für die Zeit vor dem 01.01.2014 verfristet unter entsprechender Anwendung von § 116 a SGB XII i. V. m. §§ 9 Abs. 3 AsylbLG, 44 Abs. 4 S. 1 SGB X. Die rückwirkende Bewilligung von Leistungen sei jedoch aus materiell-rechtlichen Gründen abzulehnen. Die Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs für Alleinerziehende entsprechend § 30 Abs. 3 SGB XII sei in den §§ 3 bis 7 AsylbLG nicht vorgesehen. Eine einzelfallbezogene Leistung für Alleinerziehende könne im Rahmen des § 6 AsylbLG ebenfalls nicht gewährt wird. Dies sei nur möglich, wenn Bedarfe bestünden, die ...

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