Entscheidungsstichwort (Thema)

Tätlicher Angriff. Misshandlung von Schutzbefohlenen. Unterlassen. Überforderung. Prozesskostenhilfe. Hinreichende Aussicht auf Erfolg

 

Leitsatz (redaktionell)

Erziehungsmängel aufgrund Unfähigkeit und Überforderung der Eltern stellen für sich genommen noch keine Misshandlung von Schutzbefohlenen i.S.v. § 225 Abs. 1 StGB dar.

 

Normenkette

OEG § 1 Abs. 1; StGB § 225 Abs. 1; BGB § 1631 Abs. 2; SGG § 73a; ZPO §§ 114, 121 Abs. 2

 

Tenor

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 22. September 2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 18. August 2008 - S 11 VG 12/07 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die 2001 geborene Klägerin begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen vorgetragener Misshandlung von Seiten ihrer Mutter.

Der Beklagte hat den Antrag auf Versorgungsleistungen vom 30.03.2007 mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Schwaben vom 01.06.2007 abgelehnt. Trotz umfangreicher Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft sei ein ausreichend sicherer Tatnachweis nicht möglich gewesen. Da die Klägerin in ihrer Sprachentwicklung sehr retardiert sei und die deutsche und mazedonische Sprache mische, sei eine konstante Aussage zum Tatgeschehen nicht möglich gewesen. Auch die beigezogenen Befundberichte der behandelnden Kinderärzte würden keine Anhaltspunkte dafür beinhalten, dass die Klägerin misshandelt oder vernachlässigt worden sei. Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass eine Anerkennung nach dem OEG ohnehin nur für Schädigungen möglich sei, die innerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes stattgefunden hätten.

Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 12.11.2007 zurückgewiesen worden.

In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Augsburg die Versorgungs-Akten des Beklagten, die Akten der Staatsanwaltschaft C-Stadt, des Amtsgerichts B. und die Unterlagen des Jugendamtes C-Stadt beigezogen. Das Amtsgericht B. hat mit Beschluss vom 21.12.2004 - 001 F 01064/04 die elterliche Sorge für die Klägerin der Kindesmutter entzogen. Die gegenwärtige von der Kindesmutter zu verantwortende Aufenthalts-, Betreuungs- und Erziehungssituation für das Kind stelle eine erhebliche Gefahr für die körperliche, seelische und emotionale sowie geistige Entwicklung des Kindes dar. Dementsprechend sei dem Antrag des Amtes für Kinder, Jugend und Familie der Stadt C-Stadt vom 16.12.2004 stattzugeben gewesen.

Das Sozialgericht Augsburg hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts J. mit Beschluss vom 18.08.2008 abgelehnt. Es bestehe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO). Es könne dahingestellt bleiben, ob die Mutter tatsächlich die Klägerin in Mazedonien geschlagen oder getreten oder auf andere Art und Weise misshandelt habe. Denn eine etwaige Schädigung der Klägerin wäre in Mazedonien außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland eingetreten. Demzufolge habe ein sich auf die Anschuldigungen des Vaters stützender Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG keine Aussicht auf Erfolg. Soweit im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland Gewalttaten im Sinne des OEG fraglich seien, würden die eingeräumten körperlichen Züchtigungen durch Klapse auf den Po und die beiden Ohrfeigen aus erzieherischen Gründen kein Quälen, rohes Misshandeln oder eine böswillige Vernachlässigung der Fürsorgepflicht im Sinne von § 225 Abs.1 des Strafgesetzbuches (StGB) darstellen. Ein pädagogisch fragwürdiges Elternverhalten sei nicht strafbar im Sinne des § 225 Abs.1 StGB. Im Übrigen würden die Berichte des Jugendamtes der Stadt C-Stadt nicht genügen, um einen möglichen Nachweis für das Vorliegen von vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffen gegen die Klägerin zu führen. Dies gelte auch in Berücksichtigung von § 15 des KOV-VfG. Denn bis zu dem Zeitpunkt, da der Vater erstmals mit E-Mail vom 15.12.2004 die Mutter der Misshandlung der Klägerin bezichtigte, hatte das Jugendamt keine Veranlassung, gegen die Mutter wegen Vernachlässigung der Klägerin einzuschreiten. Darüber hinaus habe die Klägerin selbst keine konkreten Angaben über Misshandlungen oder Vernachlässigungen durch die Mutter gemacht. Dass die Mutter der Klägerin den Arm absichtlich ausgekugelt hätte, wie von der Schwester der Mutter behauptet, hält das Sozialgericht Augsburg in Kenntnis des Befundberichts des Kinderarztes Dr. H. für nahezu ausgeschlossen. Eine Teilausrenkung des Speichenköpfchens sei bei Kleinkindern nicht ungewöhnlich, welche meist beim Spielen oder bei Stürzen durch abrupten Zug am gestreckten Arm entstehe. Insoweit sei die Erklärung der Kindsmutter, sie habe die Klägerin versehentlich beim Spielen verletzt, indem sie diese an den Händen herumschwang, völlig schlüssig. Da letztlich auch die Kinderärzte Dr. H. und Dr. M. ke...

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