Reform der Insolvenzanfechtung im Bundestag beschlossen

Risikominimierung für die Wirtschaft, unkomplizierte, praktikable Handhabung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Insolvenzgläubigern, Beachtung des Grundsatzes der Gläubigergleichheit - das sind die Stichworte, unter denen die Reform nun verabschiedet wurde.

Der Wirtschaftsverkehr und nicht zuletzt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stöhnen seit Jahren über die vielfältigen Rechtsunsicherheiten, die das Anfechtungsrecht nach der InsO schafft.

Besonders die Praxis der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO wird von der Wirtschaft scharf kritisiert.

Insolvenzanfechtung birgt bisher Recht erhebliche Gläubigerrisiken

Nach bisherigem Recht hat der Insolvenzverwalter nach Eröffnung der Insolvenz die Möglichkeit, Zahlungen die das Unternehmen vor Eintritt der Insolvenz an einen Gläubiger erbracht hat bis zu zehn Jahre rückwirkend anzufechten.

  • Die Anfechtung ist bereits dann möglich, wenn der Gläubiger bei Zahlung Anzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit erkennen konnte. Schon die Gewährung einer Ratenzahlung kann ein Indiz dafür sein, dass der Gläubiger mit einer möglichen Zahlungsunfähigkeit rechnete.
  • Die Anfechtung ist automatisch damit verbunden, dass der Gläubiger Zinsen rückwirkend auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auf die Forderung zu zahlen hat.
  • Gläubiger mussten bei Insolvenz eines Schuldners, auch wenn dieser bereits vor Jahren gezahlt hatte, diese Risiken in ihrer Bilanz berücksichtigen.
  • Unsicherheit herrscht auch bei Arbeitnehmern über die Voraussetzungen, unter denen beispielsweise verspätet gezahltes Arbeitsentgelt vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden kann oder inwieweit hierfür das so genannte Bargeschäftsprivileg gilt. 

Bessere Kalkulierbarkeit und Gläubigergleichheit sind wichtige Ziele

Mit dem nun verabschiedeten Gesetz sollen diese Unsicherheiten beseitigt werden und die Vorsatzanfechtung für den Geschäftsverkehr deutlich kalkulierbarer werden.

Gläubiger, die ihren Schuldnern Zahlungserleichterungen gewährt haben, sollen dafür nicht dadurch bestraft werden, dass sie schon aus diesem Grund einer Insolvenzanfechtung ausgesetzt sind.

Das sogenannte Bargeschäftsprivileg soll deutlich ausgedehnt werden. Außerdem werden entgegen dem ursprünglichen Entwurf dem Fiskus und den Sozialversicherungsträgern keine Sonderrechte eingeräumt. Auf diese Weise soll das Prinzip der Gläubigergleichheit gestärkt werden.

 Die Änderungen im einzelnen

 

  • Hat ein Gläubiger vom Schuldner eine Leistung erhalten für die er in unmittelbarem Zusammenhang eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat, so ist das Geschäft für den Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht mehr anfechtbar (Bargeschäftsprivileg). Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass der Insolvenzverwalter nachweisen kann, dass der Schuldner „unlauter“ gehandelt hat.
  • Das Bargeschäftsprivileg gilt auch für erbrachte Arbeitsleistungen von Arbeitnehmern, wenn der Zeitraum zwischen den erbrachten Arbeitsleistungen der Auszahlung des Arbeitsentgeltes drei Monate nicht überschreitet (angelehnt an die bisherige Rechtsprechung des BAG).
  • Kongruente Zahlungen, d.h. Zahlungen, auf die der Gläubiger nach dem zu Grunde liegenden Rechtsgeschäft einen Rechtsanspruch hatte, sind durch den Insolvenzverwalter nur noch bei positiver Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit seitens des Gläubigers bei Zahlungserhalt anfechtbar.
  • Im Fall einer Ratenzahlungsvereinbarung wird zukünftig (widerleglich) vermutet, dass der Gläubiger von einer drohenden bzw. eingetretenen Zahlungsunfähigkeit keine Kenntnis hatte.
  • Zinsen sollen in Zukunft nicht mehr rückwirkend zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung sondern erst ab Eintritt des Zahlungsverzugs (Mahnung durch den Insolvenzverwalter) geschuldet werden.
  • Die Möglichkeit der rückwirkenden Anfechtung wird von zehn auf vier Jahren verkürzt.

Änderung des Gläubigerantragsrechts

 Mit der Änderung des Antragsrechts nach § 14 InsO wird in Abweichung von der bisherigen Rechtslage der Insolvenzantrag nicht mehr allein dadurch unzulässig, dass der Schuldner die Forderung des Insolvenzantragstellers erfüllt hat. Dies ist insbesondere für Sozialversicherungsträger eine in der Praxis wichtige Änderung.

Nach bisherigem Recht führt die Erledigungserklärung durch den Antragsteller nach Zahlung nämlich dazu, dass nach einem in der Praxis nicht seltenen erneuten Insolvenzantrag der Insolvenzverwalter die im Rahmen des Altantrags erfolgte Zahlung durch den Schuldner anfechten kann. Diese Möglichkeit soll in Zukunft dadurch entfallen, dass der Insolvenzantrag zulässig bleibt und das Insolvenzverfahren nicht notwendigerweise sofort beendet wird.

Überwiegend positive Stellungnahmen zur Reform

Der DAV, die deutsche Wirtschaft und die Arbeitnehmervertretungen begrüßen die beschlossenen Änderungen in seltener Einmütigkeit. Die mit dem Gesetz geschaffene größere Klarheit führt nach einhelliger Meinung zu einem gerechteren Interessenausgleich zwischen den Gläubigern. Dennoch ist von mancher Seite auch Kritik zu hören.

Einige Vertreter der Wirtschaft kritisieren, dass der Gesetzgeber die Chance verpasst habe das Insolvenzrecht von einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe zu befreien und sogar neue - wie den Begriff der Unlauterkeit - eingeführt hat. Auch nach der Reform würde in vielen Fragen endgültige Klarheit erst erreicht, wenn die Rechtsprechung eine Reihe unklare Formulierungen durch Entscheidungen konkretisiert habe. Aber das ist wohl das Schicksal fast jeder Gesetzesreform, dass Richter im Einzelfall Gesetzesbegriffe auslegen und damit konkretisieren müssen. In Kraft treten wird die Reform voraussichtlich im Sommer diesen Jahres.

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Hintergrund: Noch gilt das alte Recht

Gemäß Art.103 EGInsO wird die Reform auf alle Insolvenzverfahren angewendet werden, die nach Inkrafttreten der Neuregelung eröffnet werden. Die neue Verzinsungsregelung des § 143 Abs. 1 InsO n.F. soll darüber hinaus auch auf die bereits laufenden Insolvenzverfahren Anwendung finden.

Schlagworte zum Thema:  Insolvenz, Insolvenzanfechtung, Reform