Rechtsmissbrauch durch Aktionärsminderheiten

Der Antrag eines Aktionärs auf Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung ist rechtsmissbräuchlich, sofern die gerichtliche Entscheidung darüber nicht vor der nächsten ordentlichen Hauptversammlung erlangt werden kann.

Hintergrund

Die Antragstellerin stellte als Minderheitsaktionärin gegenüber der Gesellschaft am 13.12.2018 einen Antrag auf Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung (§ 122 Abs. 1 AktG). Diesem Verlangen kam der Vorstand der Gesellschaft nicht nach. Die Antragstellerin machte ihren Antrag gerichtlich geltend, wobei das Landgericht den Antrag ebenfalls ablehnte. Daraufhin leitete die Antragstellerin ein Beschwerdeverfahren beim OLG München ein und stellte dort erstmals zudem einen Hilfsantrag, die Tagesordnung der nächsten ordentlichen Hauptversammlung um die begehrten Gegenstände zu erweitern. Die ordentliche Hauptversammlung wurde auf den 07.06.2019 terminiert. Weitere Angaben zum Sachverhalt wurden nicht veröffentlicht, wobei jedoch anzunehmen ist, dass die ordentliche Hauptversammlung erst einberufen wurde als das gerichtliche Verfahren bereits lief.

Das OLG machte in seinem Hinweisbeschluss deutlich, dass die Beschwerde keinen Erfolg haben würde.

Der Hinweisbeschluss des OLG München vom 03.05.2019, Az. 31 Wx 216/19

Das OLG München bestätigte, dass der Antrag auf Ermächtigung zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung jedenfalls dann rechtsmissbräuchlich ist, sofern dem Minderheitsaktionär ein Abwarten der nächsten ordentlichen Hauptversammlung zugemutet werden könne. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn eine abschließende gerichtliche Entscheidung – und damit auch die begehrte außerordentliche Hauptversammlung – über den Antrag erst nach der nächsten ordentlichen Hauptversammlung stattfinden würde. Maßgeblich sei in diesem Rahmen nicht der Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Verlangens gegenüber der Gesellschaft, sondern allein der (erwartete) Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts (hier also des OLG) als letzte Tatsacheninstanz. Auch sei zu beachten, dass die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung mit einem nicht unerheblichen Zeitaufwand verbunden ist und in der Öffentlichkeit eine besondere – in der Regel negative – Aufmerksamkeit hervorrufe.

Auch der von der Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz erstmals geltend gemachte Hilfsantrag hatte keinen Erfolg. Die gerichtliche Geltendmachung eines Ergänzungsverlangens bzgl. der Tagesordnung setze einen vorherigen, entsprechend ordnungsgemäßen Antrag an die Gesellschaft voraus (§ 122 Abs. 2 AktG), der vorliegend unterblieben ist. Denn es obliege zunächst der Gesellschaft, über die Einberufung der Hauptversammlung und deren Modalitäten (einschließlich Ergänzung der Tagesordnungsgegenstände) zu entscheiden. Aus diesem Grund sei der Antrag auf Ergänzung der begehrten Gegenstände in die Tagesordnung der ordentlichen Hauptversammlung auch nicht zugleich als sog. „Minus“ in dem Antrag auf Ermächtigung zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung enthalten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Antragstellerin in ihrem Antrag zur Einberufung der außerordentlichen Hauptversammlung unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass ihr ein Abwarten bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung nicht zugemutet werden könne.

Anmerkung

Die Vorschriften des § 122 AktG dienen dem Schutz von Minderheitsaktionären. Danach können Aktionärsminderheiten unter Einhaltung bestimmter Anforderungen (i) eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen und (ii) die Tagesordnung einer bereits einberufenen ordentlichen Hauptversammlung um bestimme Gegenstände ergänzen. Bevor der Aktionär dieses Recht gerichtlich durchsetzen kann, muss er sich jeweils zunächst an die Gesellschaft wenden.

Das OLG München bestätigt mit seinem Beschluss die bisherige Rechtsprechung zum Rechtsmissbrauch bei Anträgen zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung. Hier sind also nicht nur inhaltliche, sondern auch zeitliche Vorgaben zu beachten. Minderheitsaktionäre sollten daher ihre Anträge sehr sorgfältig formulieren und auch die Ergänzung der Tagesordnung der ordentlichen Hauptversammlung hilfsweise mit geltend machen. Vorstände der Gesellschaft wiederum können immer prüfen, ob dem (ggfs. berechtigten) Verlangen der Aktionäre auch „elegant“ durch Einberufung einer ordentlichen Hauptversammlung entsprochen werden kann.

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